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Eine radikalfeministische Perspektive auf die ‚freie Wahl‘

Feministisches Symbol

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Ein Gastbeitrag von Ines

Früher hielt ich, wie viele Menschen das tun, BDSM für eine Facette des privaten Sexlebens, die man ausleben kann oder auch nicht. Die meisten verbinden damit die gängigen Utensilien wie Peitschen, Handschellen und Fetischoutfits, auf die man sich in der Gesellschaft teils humorvoll teils verschämt bezieht. Deutlich seltener kommen die zugrundeliegenden Mechanismen von Unterwerfung und Unterworfenwerden öffentlich zur Sprache. Diese symbollastige Verklärung sorgt dafür, dass BDSM gemeinhin als eine Frage des persönlichen Geschmacks deklariert wird. Auch der Nachdruck, mit dem von BDSM-Seite bisweilen auf den Unterschied zwischen den BDSM-Praktiken und dem ‚eigentlichen Leben‘ hingewiesen wird, den sogenannte Vanillas nicht richtig verstünden, verstärkt diesen Eindruck. Setzt man sich mit BDSM (theoretisch oder auch praktisch in der Szene) auseinander, wird einem allerdings bewusst, dass dort ähnliche asymmetrische Geschlechterverhältnisse bestehen, wie man sie von clichéhaftem Vanilla-Sex und auch grundsätzlich in den Gesellschaftsstrukturen kennt.

Leider gibt es wenige aussagekräftige Statistiken zu dem Thema – was meine Annahme, dass BDSM als Privatsache gilt, verstärkt –, daher muss ich mich auf meine Eindrücke und die anderer, in BDSM involvierter Menschen sowie die spärlichen zur Verfügung stehenden Quellen zum Thema und gängigen Portale (fetlife, joyclub) beziehen. Dabei erhärtet sich der Eindruck, dass sich mehr Männer relativ gesehen zum (insgesamt größeren1) männlichen Anteil in der BDSM-Szene als „(extrem) dominant und sadistisch“ beschreiben, hingegen deutlich mehr Frauen2 relativ gesehen zum (insgesamt kleineren) weiblichen Anteil in der BDSM-Szene sich als „(extrem) devot und masochistisch“ beschreiben.3 Noch signifikanter wird die Asymmetrie, wenn man nur heterosexuelle Menschen berücksichtigt. Manche Quellen, die etwas vereinfacht in dominante und submissive Rollen unterschieden, sprechen von einer 75%igen dominanten Präferenz bei Männern und gar bis zu 96%igen submissiven Präferenz bei Frauen4 – ein Verhältnis, das ungeachtet der genauen Zahlen meinen Eindruck der beiden Tendenzen bestätigt.

So sehr unterscheidet sich das Bild der BDSM-Szene also auch nicht von den anderweitig anzutreffenden stereotypen Rollenverteilungen. Dass es auch sogenannten außererotischen BDSM gibt, macht zudem deutlich, dass BDSM keineswegs nur eine sexuelle Präferenz ist, sondern mit dem ‚eigentlichen Leben‘ fest verwoben ist. Die Besonderheit von BDSM liegt vielmehr darin, dass Verhaltensweisen und Machtverhältnisse, die man aus dem alltäglichen Leben kennt, im BDSM explizit gemacht werden. Hierin sehe ich übrigens den großen Vorteil von BDSM gegenüber den impliziten alltäglichen Formen, Menschen zu unterwerfen oder sich ihnen zu unterwerfen: Die Machtverhältnisse werden expliziert und somit verhandelbar. Aber wo werden diese Machtverhältnisse und ihr Kontext zum alltäglichen Leben letztlich verhandelt? Erstaunlich selten wie mir scheint. Weiterlesen

Audre Lorde: Sadomasochismus. Es geht nicht um Verurteilung (Interview)

By Rooturu (Own work) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

Nachfolgend die Übersetzung von Teilen eines Interview mit Audre Lorde, welches in dem Sammelband „I Am Your Sister: Collected And Unpublished Writings Of Audre Lorde“ erschienen ist. Quelle: radfem.org

Susan Leigh Star [Leigh]: Was denkst du über das Sadomasochismus-Phänomen in der lesbischen Community?

Audre Lorde [Audre]: Sadomasochismus in der lesbisch-feministischen Community kann nicht losgelöst von den größeren ökonomischen und sozialen Themen, die unsere Communities umgibt, betrachtet werden. … Trauriger weise fühlt sich Sadomasochismus angenehm an für manche Leute in diesem zeitlichen Entwicklungsstadium. … Sadomasochismus ist deckungsgleich zu anderen Entwicklungen in diesem Land, die mit Dominanz und Unterwerfung zu tun haben, mit ungleichen Machtverhältnissen – politisch, kulturell und ökonomisch. … Weil S/M ein Thema in der herrschenden Kultur ist, ist ein Versuch es „zurückzugewinnen“ (reclaim) im Gegensatz dazu es in Frage zu stellen, eine Entschuldigung sich dieses Verhalten nicht näher ansehen zu müssen. …

Leigh: Du meinst … die Medien fokussieren sich auf Lesben im Speziellen fokussieren,  um sich nicht mit den allgemeinen Implikationen der Existenz dieses Phänomens beschäftigen zu müssen?

Audre: Ja. Und weil diese Machtperspektive ein Teil der weiteren Gesellschaft ist, ist es schwierig es isoliert zu kritisieren. Wie Erich Fromm schon sagte: „Die Tatsache, dass Millionen von Menschen einem Irrtum unterliegen, macht es nicht vernünftig.“

Leigh: Was ist mit der Maxime „Leben und Leben lassen“ … ?

Audre: Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Ich stelle ja niemandes Leben in Frage. Ich sage nur, dass wir die Konsequenzen unseres Lebens bedenken sollen. Wenn wir über Feminismus reden, dann ist das private politisch und wir können alles in unserem Leben einer kritischen Überprüfung unterziehen. Wir wurden in einer kranken und abnormalen Gesellschaft großgezogen, und uns sollte es darum gehen uns selbst zurückzugewinnen … .Das ist komplex. Ich spreche nicht davon etwas zu verurteilen, sondern anzuerkennen was da passiert und sich die Frage zu stellen was das bedeutet. Ich will gar nicht irgendjemandes Leben reglementieren, aber wenn wir unsere menschlichen Beziehungen hinterfragen wollen, dann müssen wir auch bereit sein jeden Aspekt dieser Beziehungen zu hinterfragen. Das Subjekt der Revolution sind wir selbst, es sind unsere Leben.

Sadomasochismus ist die institutionalisierte Feier von dominant/unterwürfigen Beziehungen. Und er bereitet uns darauf vor entweder Unterwerfung zu akzeptieren oder Dominanz durchzusetzen. Auch dann wenn es gespielt ist, ist es so, dass die Machtausübung  über eine/n Machtlose/n erotisch ist, empowernd ist, und dies die emotionalen und sozialen Voraussetzungen schafft für die Weiterführung dieser Beziehung, politisch, sozial und ökonomisch.

Sadomasochismus nährt den Glauben, dass Dominanz unausweichlich ist und genossen werden kann. Man kann das vergleichen mit dem Phänomen der Anbetung einer Gottheit mit zwei Gesichtern: Nur den weißen Teil des Vollmonds anzubeten, oder den schwarzen Teil des Mondes, als wären das zwei völlig verschiedene Dinge.  Wir können aber nicht einen Aspekt unseres Lebens einzäunen, die Folgen abtrennen … Das ist es was Integrität bedeutet.

Leigh: [Was sagst du zu denen …], die meinen, dass wir eine liberale Toleranz brauchen in Bezug auf die Sphäre der Sexualität, und dass der „Macht über“ Teil einer Beziehung auf das Schlafzimmer begrenzt ist? …

Audre: Wenn es aufs Schlafzimmer begrenzt ist, warum drucken die dann Broschüren? (z.B. „Lesbischer S/M Reader“) … Es ist im Interesse des kapitalistischen Profit-Systems, dass wir möglichst viele unserer Erfahrungen privatisieren.  Um integrierte Lebensentscheidungen zu treffen, müssen wir die Schleusentore in unseren Leben öffnen, und emotionale Konsistenz herstellen. Das bedeutet nicht, dass wir alle gleich handeln, oder nicht wachsen oder uns entwickeln würden,  sondern, dass es eine grundlegende Integrität gibt, die in all unseren Handlungen erkennbar ist. Niemand von uns ist perfekt, niemand ist mit dieser Integrität geboren, aber wir können in Richtung dieses Ziels arbeiten. …

Manche Dinge in jeder Gesellschaft werden als vollkommen zerstörerisch definiert. Zum Beispiel dieses alte Beispiel „Feuer“ in einem Kino zu schreien. Der Liberalismus hat Pornographie und Gewalt gegen die Ehefrau als Rechte im Einklang mit dem First Amendment [erster Artikel der US-amerikanischen Verfassung) erlaubt. Das passt jedoch nicht in meine Vorstellung vom Leben, und beides ist eine unmittelbare Bedrohung für mein Leben.

Die Frage, die ich mir immer wieder stelle, ist, wer davon profitiert. …

Leigh:  Wo fängt Sadomasochismus deiner Meinung nach an? Wo liegen seine Wurzeln?

Audre: In Form dieses überlegen/unterlege, welches uns tief indoktriniert ist. Dieser erlernten Intoleranz gegenüber Unterschieden.

Jene, die involviert sind in Sadomasochismus spielen diese Intoleranz gegenüber Unterschieden aus …: Überlegenheit, und damit das Recht zu herrschen. Der Konflikt ist vermeintlich selbstlimitierend, da er hinter Schlafzimmer-Türen ausgetragen wird. Aber kann das sein, wenn das Erotische alles in unserem Leben ermächtigt, nährt und durchdringt?

Ich habe mich selbst, sehr genau prüfend, gefragt, ob ich hierüber puritanisch bin – und ich habe mir darüber wirklich sehr sorgfältig Gedanken gemacht – und die Antwort lautet: Nein. Ich glaube, dass wir daran arbeiten ganzheitliche Lebensentscheidungen über unsere Netzwerke zu treffen, und diese Entscheidungen führen uns zu weiteren Entscheidungen und Engagement – bestimmten Weisen die Welt zu betrachten, Veränderung schaffen zu wollen. Wenn sie uns nicht in Richtung Wachstum und Veränderung bringen, dann haben wir nichts auf das wir bauen können, keine Zukunft.

Leigh: Du sagst, dass die Politik des S/M in Verbindung steht mit der Politik allgemeinerer Themen?

Audre: Ich glaube nicht, dass Sexualität vom restlichen Leben getrennt werden kann. Als Frau aus einer ethnischen Minderheit, weiß ich, dass Dominanz und Unterordnung keine Schlafzimmer-Themen sind. Genauso wie es bei Vergewaltigung nicht um Sex geht, geht es auch bei S/M nicht um Sex, sondern darum wie Macht ausgeübt wird. …

Leigh: Manchmal habe ich das Gefühl, dass es eine Art Tyrannei über das Konzept der Gefühle gibt, so als ob man etwas, das man fühlt auch ausleben muss

Audre: Man fühlt keinen Panzer oder Krieg – man fühlt Hass oder Liebe. Gefühle sind nichts Falsches, aber wir sind verantwortlich für das Verhalten, welches wir an den Tag legen um diese Gefühle zu befriedigen.

Leigh: Was ist deine Meinung über das Konzept der Macht von … lesbischen Sadomasochistinnen

Audre: Das S/M-Konzert über „Vanilla“-Sex ist Sex ohne Leidenschaft. Sie sagen, dass es keine Leidenschaft ohne ungleiche Machtverhältnisse geben kann. Meiner Meinung nach hört sich das ziemlich traurig und einsam an, und zerstörerisch.  Die Verknüpfung von Leidenschaft mit Dominanz/Unterwerfung ist der Prototyp des heterosexuellen Bildes von männlich-weiblichen Beziehungen, eines welches Pornographie rechtfertigt. Frauen sollen es lieben Gewalt zu erfahren. Das ist auch die prototypische Rechtfertigung für jedwede Unterdrückung in Beziehungen – dass der unterworfene derjenige ist, der „anders“ ist und die untergeordnete Position genießt.

Eine radikalfeministische Perspektive auf BDSM

By David Shankbone (Own work) [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Begriffsklärungen

B = Bondage
D = Domination, Dominance, Discipline
S = Sadism, Submission, Slave
M = Masochism, Master

Sadismus: Ein Mensch erlebt (oftmals sexuelle) Lust oder Befriedigung dadurch, andere Menschen zu demütigen, zu unterdrücken oder ihnen Schmerzen zuzufügen.

Masochismus: Ein Mensch erlebt (oftmals sexuelle) Lust oder Befriedigung dadurch, dass ihm Schmerzen zugefügt werden oder er gedemütigt wird.

Sexualität ist nicht einfach eine Privatangelegenheit

“Ich glaube nicht, dass Sexualität nichts mit dem übrigen Leben zu tun hat. Als marginalisierte Frau weiß ich, dass Dominanz und Unterordnung keine Schlafzimmer-Themen sind” – Audre Lorde

Das Mantra der „sex-positiven“ Sexualliberalen lautet, das alles was im privaten Schlafzimmer passiert Privatsache ist, egal ob der Konsum von Pornographie, der Kauf von „sexuellen Dienstleistungen“ oder das Praktizieren von BDSM. Sexualität wird in die Privatsphäre des Individuums verschoben und damit als indiskutabel gekennzeichnet. Behauptet wird, es sei progressiv wenn Individuen gesunde Sexualität selbst und individuell definieren.

Nun geht es bei einer strukturellen Analyse jedoch NICHT darum, wie häufig als Vorwurf erhoben, durch geschriebene oder ungeschriebene Gesetze das Sexualleben von Individuen zu regulieren.  Es geht zum Beispiel NICHT darum, Frauen vorzuwerfen, dass sie an BDSM partizipieren, sondern zu verstehen welche Rahmenbedingungen dazu führen, dass sie es tun. Es geht schlichtweg um eine Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und biographischen Faktoren, die Sexualität konstruieren. Es geht um das Aufzeigen der gesellschaftlichen und individuellen Konsequenzen sowie um das Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten und der (begrenzten) Möglichkeiten sich Schritt für Schritt eine eigene Sexualität zu erarbeiten.

In meiner Nachbarschaft erlebe ich regelmäßig folgendes: Ein Mann, der unter der Woche als Anwalt seinem Job bei einer bekannten Versicherungsfirma nachgeht, läuft mit Glatze, SS-Uniform und Springerstiefeln mit weißen Schnürsenkeln durch die Gegend. Er möchte durch diese Provokation erreichen, dass ihm Menschen „aufs Maul“ hauen. Er bietet sogar regelmäßig Menschen Geld dafür an, dass sie ihn verprügeln. Wer auch immer auf diesen Deal eingeht muss jedoch – zu Recht – mit einer Anzeige wegen Körperverletzung rechnen, denn objektiv betrachtet ist es eben genau das.

Die Prostitutionsüberlebende Rebecca Mott berichtet auf ihrem Blog wie sie durch den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater in der Kindheit darauf vorbereitet wurde in der Prostitution den schlimmstdenkbaren Praktiken zuzustimmen. Zum Beispiel wurde sie von Freiern regelmäßig einer Waterboarding-Behandlung unterzogen. Waterboarding gilt  als „weiße Folter“ und ist selbst in Bezug auf Einsatz im Krieg stark verpönt – so löste eine Aussage des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump es wieder einzuführen weltweit große Empörung aus.

Würde der Mann aus meinem Beispiel seinem Verlangen geschlagen zu werden in einem Bordell nachkommen, würde – Hokuspokus – aus der Körperverletzung eine konsensuale sexuelle Handlung. Genauso wie man mit prostituierten Frauen (oder anderen) durch die Verbannung des Sexuellen in den privaten Bereich unter dem Deckmantel des „Konsens“ alles machen kann – ohne gleichermaßen auf gesellschaftliche Empörung zu stoßen.

Die verstorbene Domina Ellen Templin wies in einem Interview darauf hin wie durch das Prostitutionsgesetz von 2001 die Nachfrage nach „Sklavias“ sprunghaft anstieg.

„…erstmal sollte man gar nicht glauben, dass es möglich ist Körperöffnungen zu kaufen, für finanzielles Geld zu erwerben, die Frauen fertig zu machen, vor allem in der SM-Prostitution, die passiven Frauen werden zum Teil gefoltert. Das kann man im Internet alles finden. Man braucht nur gucken unter SM Sklavia, dieses Kunstwort Sklavia, dann findet man alles was dort gemacht wird. Das sollen die Leute, die gerade zuhören und die das interessiert, dann bitte selber recherchieren, weil dann geht’s mir gleich noch beschissener, wenn ich das auch noch sagen müsste jetzt. […] Die werden geschlagen, die müssen Anüsse auslecken, ich sag das jetzt ein bisschen witzig, die müssen Arschlöcher auslecken von irgendwelchen Familienvätern, die müssen sich anscheißen und anpissen lassen, sie werden aufgehangen, die Brüste werden abgebunden. Es ist ein Wahnsinn.“

Nur weil etwas zur „konsensualen Sexualität“ erklärt wird, wird aus Gewalt nicht plötzlich Nicht-Gewalt. Gewalt ist objektiv definierbar, auch wenn manche das offenbar gerne zur subjektiv dehnbaren Angelegenheit erklären würden – und ein persönliches und/oder kollektives Interesse daran haben.

Zur Erinnerung: (Radikal)Feministinnen haben nicht umsonst den Slogan „Das Private ist politisch“ geprägt. Häusliche Gewalt wurde viel zu lange als „Privatangelegenheit“ betrachtet, so wurde Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland erst 1997 zum Straftatbestand erhoben.

Die Wahrheit ist: Das private Verhalten von frauenverachtenden Männern ist keine „private Fantasie“, sondern eine gesellschaftliche Realität, die uns alle zu interessieren hat. Millionen von durch häusliche und sexuelle Gewalt traumatisierte Frauen zeigen ein Muster auf – ihre Schicksale und Überlebensstrategien mögen im Detail unterschiedlich sein, das gesellschaftliche, patriarchale Muster jedoch kann nicht individualisiert werden. Das sind keine „privaten Fantasien“ – denn sie manifestieren sich in realer Gewalt gegen Frauen, und dies völlig unabhängig davon wie „freiwillig“ und „konsensual“ Frauen an dieser partizipieren.

Nur weil etwas mit Sex zu tun hat, bedeutet das also nicht, dass es frei von Kritik bleiben muss. Das „Shaming“-Argument wird verwendet mit der Absicht KritikerInnen mundtot zu machen und es wird behauptet dies könnte schädlich sein. In Wahrheit dient es aber dazu tatsächliche Verletzungen und Gewalt an Frauen unsichtbar zu machen.

Sozialisation  in der pornofizierten Gesellschaft (Porn Culture)

“Der kulturelle Frauenhass f*ckt unser ALLER Gehirne, so dass wir als Frauen gar keine Vorstellung davon haben, wie unsere Begierden in einer Gesellschaft aussähen, in der Frau und Mann gleich sind” – Women on a Journey

Egal ob wir KonsumentInnen sind oder nicht: Pornographische Bilder haben sich in unserer sexualisierten Kultur in unser aller Psyche eingebrannt. Wir kommen an diesen nicht vorbei. Diese Bilder und der gesellschaftliche Diskurs über Sexualität lehren uns von klein auf was sexuell antörnend und was als „normal“ und akzeptabel gilt. (Nicht nur) in diesem Sinne ist Sexualität immer kulturell konstruiert.

Weibliche Sexualität gründet auf männlichen Fantasien über Frauen. Alles was wir als Frauen tun und fühlen ist geprägt durch patriarchale Macht- und Kräfteverhältnisse, die wir alle, manche mehr und manche weniger, internalisiert haben und nicht auf den ersten Blick erkennen. Bourdieu nennt dies den „weiblichen Habitus“, der ein Produkt der „männlichen Herrschaft“ ist: Wir werden unbewusst zu dem als das andere uns behandeln.

Frauen wird u.a. durch die Pornographie und die gesellschaftlichen Reaktionen auf Gewalt gegen sie tagtäglich deutlich gemacht, dass sie es verdienen verletzt, benutzt und Gewalt ausgesetzt zu werden.  Dies alles findet statt in einer von Geschlechterungleichheit geprägten Gesellschaft. Diese Ungleichheit wird fetischisiert.

Häufig wird argumentiert, dass jegliche unserer sexuellen Neigungen angeboren sind und ein unveränderbarer Teil unserer Persönlichkeit, sprich in diesem Kontext, dass sado-/masochistische Neigungen schlicht eine gegebene psychologische Determinante unserer Persönlichkeit sind.

Dem ist aber nicht so: Sexualität wird gesellschaftlich konstruiert und unsere eigene Sexualität maßgeblich in den gegebenen gesellschaftlichen und individuellen Machtverhältnissen von anderen konstruiert – nach den Interessen derjenigen die in der Machthierarchie oben stehen.

Es ist nachweisbar wie die verschiedenen Wellen in der Pornographie (Oralsex, Analsex, BDSM, …) sich in der Prostitutions-Nachfrage niedergschlagen haben. Und natürlich gilt das gleichermaßen für den Bereich der privaten, nicht-kommerziellen Sexualität.

Dee Graham (Loving to Survive) bezeichnet die so in Gang gesetzten Mechanismen als „gesellschaftliches Stockholm Syndrom“: Da Frauen als Gruppe keine Chance haben Männern zu entkommen, finden wir Wege um mit diesem gewalttätigen und destruktiven Verhalten klar zu kommen. Wir erotisieren es und internalisieren ein Verlangen danach. Dies wird auch als „double bind“ bezeichnet „Du willst mir weh tun? F*ck dich; du wirst mir niemals so weh tun können wie ich mich selbst verletzten möchte“. Männlich-dominierten Sex zu „wählen“ gibt Frauen so ein Gefühl von (limitierter) Macht.

Darüber hinaus ist es sehr häufig kennzeichnend für sexuelle Gewaltverhältnisse, dass Gewalt nicht als solche erkannt wird: Beim Stockholm Syndrom oder dem Trauma Bonding handelt es sich um weit verbreitete, unbewusste, Überlebensstrategien. Betroffene entwickeln eine positive Lesart der Misshandlungen. Wenn wir zum Beispiel davon ausgehen, dass der Kreislauf der Gewalt in häuslichen Gewaltbeziehungen dadurch aufrecht erhalten wird, dass der Täter das Opfer zwischen den Gewaltausbrüchen mit Zuneigung und Trost „belohnt“, dann entspricht dies von der Systematik her genau der „Aftercare“ Praktik im BDSM.

Das einzige was also die herkömmliche Gewaltbeziehung von der BDSM-Geschichte unterscheidet ist die Zustimmung der misshandelten Person zu dem Geschehen. Wie praktisch.

Das Problem von Individualisierung und Identitätspolitik

“Die Tatsache, dass Millionen von Menschen einer Irreführung unterliegen, macht sie nicht gescheit” – Erich Fromm

Menschen mögen Dinge. Menschen verteidigen Dinge, die sie gut finden und tun. Menschen wollen nicht, dass ihnen jemand in ihr Privatleben reinquatscht. Das ist nur allzu natürlich und verständlich. Aber nur weil man etwas mag heißt dies nicht, dass es kein Recht auf Kritik gibt. Nur weil man etwas gut findet, heißt das nicht, dass etwas tatsächlich gut ist.

Die kanadische Radikalfeministin Meghan Murphy verwendet das Beispiel der Schönheitsindustrie: Sie mag es sich zu schminken und fühlt sich dennoch nicht persönlich angegriffen wenn Menschen die Schönheitsindustrie kritisieren oder die Art und Weise wie wir dazu sozialisiert werden Make-Up und Lippenstift gut zu finden. Das ist der Unterschied zwischen Mikro- und Makroebene: Unterdrückende kulturelle Praktiken zu benennen und zu kritisieren bedeutet nicht zu sagen, dass alle die daran partizipieren schreckliche Menschen sind.

Zum anderen macht die Behauptung man dürfe sexuelle Präferenzen und Neigungen nicht beurteilen keinen Sinn. Denn kaum jemand käme – jenseits entsprechender Lobbys – ernsthaft auf die Idee sexuelle Präferenzen für „Sex mit Kindern“ oder – deutlich als solche erkannte – Vergewaltigung und Mord für akzeptabel zu erklären.

Hieraus ergibt sich auch, dass es selbstredend weder die ausschließliche Angelegenheit eines Individuums oder einer Community ist und alle nicht Partizipierenden einfach aus der Debatte ausgeschlossen werden können.  Gesellschaftliche Phänomene sind eine gesellschaftliche Angelegenheit und betreffen alle, das lässt sich kaum leugnen.

Die Ausnahme bestätigt die Regel

„Das Streben nach Geschlechtergleichheit mit Männern ist das Streben danach reich zu sein statt arm, die Vergewaltigerin statt der Vergewaltigten, die Mörderin statt der Ermordeten“ – Andrea Dworkin

Ja, nicht alle „Submissives“ sind Frauen und Unterordnung oder Masochismus sind nicht essentialistische Bestandteile weiblicher Sexualität. Der mantrahaft vorgetragene Verweis auf die Tatsache jedoch, dass es auch Dom-Frauen gibt, ist letztendlich irrelevant. Gewalt zurückzugeben schafft noch keine gleichen Bedingungen:  Wir lösen das Rassismus-Problem nicht indem wir z.B. genauso viele Menschen der Herkunftsgesellschaft diskriminieren wie Menschen aus ethnischen Minderheiten. Gleiche Bedingungen können nur geschaffen werden, indem wir Unterdrückung beseitigen und tatsächliche gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen.

Feminismus hat nicht das Ziel Machtverhältnisse umzudrehen, sondern Machtunterschiede und Gewalt in sexuelle Beziehungen zu beseitigen. Einzelne Frauen die Männer misshandeln ändern nichts am Geschlechterverhältnis allgemein und sie führen auch nicht dazu, dass es weniger männliche Gewalt gegen Frauen gibt.

Auch ist spielerisch die Macht-Rollen zu wechseln („switch“) nicht das gleiche wie eine geschlechteregalitäre Beziehung: Wenn ein Mann eine Frau vergewaltigt und sie ihn zum Ausgleich ebenfalls vergewaltigen würde, dann macht das die Vergewaltigung an ihr nicht wieder gut. So etwas als Gleichheit zu verkaufen wäre absurd.

BDSM beruht auf Machtungleichheiten und dies wird nicht aufgehoben dadurch, dass Menschen sich in anderen Lebenssituationen anders verhalten.

Die liberale Lesart nach der Gleichheit dann hergestellt ist wenn jeglichem Verhalten die gleiche gesellschaftliche Akzeptanz zukommt hat nichts mit der radikalfeministischen Vorstellung von Gleichheit zu tun, bei der es darum geht Menschen (i.d.R. Männer) davon abzubringen Macht über andere Menschen (i.d.R. Frauen) auszuüben.

BDSM ist nicht „subversiv“

„Traditionelle Formen der männlich-überlegenen Sexualität basieren auf Dominanz und Unterwerfung und die Ausbeutung und Objektifizierung einer versklavten Klasse von Frauen werden jeweils als erregende und „transgressive“ Politik gefeiert“ – Sheila Jeffreys

BDSM-Praktizierende sehen sich häufig als unterdrückte Gruppe und verorten „vanilla privilege“ bei jenen, die BDSM nicht praktizieren. Behauptet wird häufig, dass BDSM  Sexualität verkörpere, die Grenzen der Norm überschreiten und gegen Tabus verstoßen würde. Allerdings: Welche Norm soll das sein, gegen die BDSM verstößt?

BDSM erotisiert ungleiche Machtverhältnisse, Dominanz, Schmerz und Misshandlung. Damit verkörpert es patriarchale Normen. Die Botschaft von Patriarchat und BDSM ist jeweils: Gewalt an Frauen ist sexy, Frauen zu unterjochen geht klar. BDSM ist nicht das Teilen von Gewalt, sondern deren Wiederholungsspiel. Die einzigen Normen die dabei in Frage gestellt werden sind die gegen Folter und Misshandlung. Es klingt nicht wirklich logisch, dass dies ein feministisches Anliegen sein sollte.

Außerdem ist BDSM inzwischen ein völlig akzeptierter Teil der Populärkultur, nicht erst seit „50 Shades of Grey“. Wenn große Tageszeitungen völlig unaufgeregt darüber berichten („So wild geht es in deutschen Schlafzimmern zu“), dass BDSM-Utensilien einen immer größeren Anteil des Umsatzes von Sexshops ausmachen, BDSM-positive Sendungen zur Prime Time über unsere Bildschirme flimmern und Prominente unumwunden öffentlich zugeben BDSM zu praktizieren, kann nicht wirklich davon gesprochen werden, dass Menschen die darin partizipieren eine marginalisierte und diskriminierte Minderheit darstellen.

Safe, sane, consensual?

“Dieser Tage halten feministische Konferenzen zwei verschiedene Workshops in zwei verschiedenen Teilen des Gebäudes ab, der eine über weibliche “Lust”, der andere über das Überleben sexueller Gewalt – als könnte man diese Phänomene in zwei verschiedene Schubladen stecken” – Sheila Jeffreys

Genauso wie im Liberalfeminismus Wert auf die Trennung zwischen „Sexarbeit“ und Zwangsprostitution gelegt wird, wird gegenüber Betroffenen, die ihre eigenen BDSM Erfahrungen in die kritische Diskussion einbringen eingewandt, dabei handele es sich ja nicht um BDSM – genauso wie aus der BDSM-Community eingewandt wird bei „50 Shades of Grey“ handele es sich nicht um BDSM.

Das Beispiel von Maggie Mayhem zeigt sehr deutlich wie sexuelle Gewalt im BDSM von der Community immer wieder als „Fehlkommunikation“ bagatellisiert wurden:

„I got one response…which was people saying [things like] … I`m very sorry that you had a miscommunication during your scene that made it not very fun for you, but I don`t want to hear about it”.

“Mir wurde immer das gleiche erwidert … und zwar sagten die Leute [Sachen wie]… es tut mir sehr leid, dass du in deiner Szene eine Fehlkommunikation hattest, die dafür gesorgt hat, dass du keinen Spass dabei hattest, aber ich möchte nichts davon wissen.”

Für Mayhem ist dies nicht die Ausnahme, sondern als eindeutiges Muster erkennbar. In die gleiche Kerbe schlägt auch Kitty Stryker:

„I have yet to meet a female submissive who hasn`t had some sort of sexual assault happen to her […] When I start to think of the number of times I have been cajoled, pressured, or forced into sex that I did not want […] I can`t actually count them. […] I`ve been pressured [a lot of times] into a situation where saying “no” was either not respected or not an option.”

“Ich habe noch keine einzige female Sub getroffen, die noch keinen sexuellen Übergriff erlebt hat. […] Ich kann die Zahl der Male in denen ich zu etwas das ich nicht wollte überredet, gedrängt oder gezwungen wurde nicht zählen. […] Ich wurde [sehr häufig] in eine Situation gedrängt, in der “Nein” zu sagen entweder nicht respektiert oder keine Option war.”

Darüber hinaus: Die Seite FetLife.com ist eine der beliebtesten englischsprachigen Seiten der BDSM-Community. Diese besteht zu 99% aus Männern 40+, die Vergewaltigung, Pädophilie und Inzest fetischisieren. Dies lässt Rückschlüsse darüber zu was in dieser Community geschieht.

Grundsätzlich: Wir müssen verstehen lernen, dass man Sexualität und sexuelle Gewalt nicht getrennt voneinander diskutieren kann.

Warum das Konsens-Konzept uns schadet

“Die Verteidigung bei Sadomasochismus handele es sich um konsensuelles Verhalten macht ihn nicht feministisch. Frauen wurden dazu herangezüchtet unterwürfig zu sein, männliche Dominanz zu erwarten und sogar zu wollen. Aber Dominanz und Erniedrigung zu wollen, oder ihr zuzustimmen macht sie nicht weniger unterdrückerisch. Es zeigt lediglich wie tief und profund diese Unterdrückung ist” – Diana E.H. Russell

Das Konsens-Konzept verfolgt eigentlich eine gut Intention: Wir sollen selbst in der Lage sein zu artikulieren wo unsere Grenzen liegen. Das klingt emanzipativ und fortschrittlich, und ist auch grundsätzlich nicht verkehrt.

Das Problem dabei: Die Definition von Gewalt wird individualisiert und damit gewalttätige Handlungen legitimiert („Sie wollte es doch so“).

Diese Legitimierung lässt sich sprachlich nachvollziehen:

Aus Vergewaltigung wird Sex.

Aus Folter und Unterordnung wird sexuelle Befreiung und Spiel.

Aus Manipulationen werden Kopfspiele.

Aus Luftabdrücken werden Atemspiele.

Aus Misshandlungen werden  Szenen (Performanz).

Aus härteren und gewalttätigen Praktiken werden fortgeschrittene Praktiken, Praktiken für Profis.

Aus Prostitution wird Sexarbeit.

Aus Pornographie wird „free speech“.

 

Bei BDSM handelt es sich nicht um Fantasien, sondern echte Schmerzen, echte Verletzungen, echte Folter und Kontrolle und echte Dominanz eines anderen Menschen, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Das Konsens-Prinzip geht davon aus, dass Individuen immer im Eigeninteresse handeln. Dem ist aber nicht so. Weder können wir die Folgen unseres Handelns immer voraussehen, noch sind wir frei von unbewussten Zwängen und Prägungen.

Durch das Konsens-Prinzip wird männliche sexuelle Aggression legitimiert und die Tendenzen zum Victim Blaming werden verstärkt. Damit gibt es auch keinerlei Möglichkeit mehr körperliche Integrität objektiv zu definieren.

Am Ende bleibt auch die Frage wo dann die Grenzen legitimer Gewalt denn liegen sollen. Bei konsensualem Mord, konsensualem Kannibalismus oder irgendwo vorher und wenn ja wo und wer bestimmt das dann eigentlich?

Viele Darstellungen von angeblich konsensuellen BDSM-Praktiken stellen anschaulich dar, wie die untergeordnete Person in eigentlich ungewollte Handlungen gegroomt und manipuliert wird. Dies hat nichts zu tun mit einem Respekt vor Grenzen, ganz in Gegenteil.

Bei Ethik dreht es sich nicht um Individuen, sondern darum wie unser Verhalten und unsere Handlungen unser Umfeld und die Gesellschaft beeinflussen. Das Vorliegen von individueller Zustimmung zu Handlungen hebt dieses Prinzip nicht auf, es macht es nicht zu einem ethischen Verhalten. Wenn wir Verhalten und Verhaltensstandards individualisieren reden wir nicht mehr über Ethik, sondern von Eigeninteresse und Egoismus.

Erotisierung von Gewalt

„Sadomasochismus ist die institutionalisierte Bejubelung von Dominanz/Unterordnungs-Beziehungen. Und er bereitet uns darauf vor Unterwerfung zu akzeptieren oder Dominanz zu erzwingen. Auch im Spiel wird, durch die Bejahung von Macht über die Machtlose als erotisch oder empowernd, der emotionale und soziale Rahmen gesetzt für die Fortführung dieser Beziehung, politisch, sozial und ökonomisch. Sadomasochismus füttert den Glauben daran, dass Dominanz unausweichlich und legitimer weise genießbar ist“  – Audre Lorde

Die gesellschaftliche Erotisierung von Gewalt gegen Frauen und von männlicher Gewalt ist eine reelle Gefahr für alle Frauen.  Die Realität im Patriarchat für uns alle lautet: Männer sind die dominante Gruppe, Frauen die untergeordnete Gruppe. Täglich werden Frauen Opfer männlicher Gewalt.

Die Erotisierung von Gewalt führt zu einer grundsätzlichen Akzeptanz von Gewalt gegen Frauen: Nicht mehr wird Gewalt gegen Frauen grundsätzlich abgelehnt, sondern nur unter bestimmten Umständen (wenn sie „nicht-konsensual“ ist).

Macht wird in unserer Gesellschaft sexualisiert. Dies führt zu einem Wandel der sexuellen Normen: Frauen zu verletzen und zu erniedrigen wird sexy. Es ist deshalb nicht verwunderlich wenn Frauen Vergewaltigungsfantasien entwickeln. Wenn sie diese in ihrer Sexualität ausleben sind sie dafür nicht zu verurteilen. Dies gilt jedoch nicht für Männer die ihre Vergewaltigungsfantasien an Frauen ausleben. Dies ist sehr wohl zu verurteilen. Wer davon erregt wird Gewalt an anderen zu verüben sollte darüber nachdenken wie er dem effektiv begegnen kann.

Nur weil ein weibliches Individuum darauf steht Gewalt zugefügt zu bekommen, heißt dies nicht, dass die Erotisierung männlicher Gewalt an Frauen und die männlich dominierte Kultur in der wir leben in keinem Zusammenhang stehen. Nur weil männliche Macht und Dominanz manchmal sexualisiert daher kommt sollen wir denken sie sei nicht von Misogynie geleitet? Absurd!

Gewalt ist keine subjektiv interpretierbare Angelegenheit, sondern liegt objektiv entweder vor oder nicht vor, unabhängig davon ob sie von den Beteiligten als solche wahrgenommen wird.

Nach Audre Lorde ist Sadomasochismus das Ausleben von Überlegenheit und dem Recht zur Dominanz. BDSM erotisiert nicht Konsens, sondern Schmerzen, Verletzungen, Schäden, Dominanz, Zwang und Kontrolle.

Wir müssen neu fokussieren

“Ich bin der Meinung, dass eine Welt nicht denkbar ist, in der Frauen frei sind und gleichzeitig eine Sexualität beschützen, die auf ihrer Unfreiheit beruht. Unsere sexuellen Leidenschaften müssen zu den Leidenschaften unserer politischen Vorstellung passen einet Welt ohne schädliche Hierarchien, inklusive jener, die auf Rasse und Klasse basieren. Nur eine Sexualität der Gleichheit […] macht eine Freiheit von Frauen denkbar” – Sheila Jeffreys

In der öffentlichen Debatte dreht sich die Debatte darum on Frauen submissiv sein dürfen und sich Schmerzen zufügen lassen dürfen. Darum geht es wie gesagt jedoch nicht. Die Frage um die es geht ist, warum Männer Frauen weh tun möchten. Wäre die Debatte ehrlich müssten die Befürworter den Fokus rumdrehen und stattdessen argumentieren „Aber Männer mögen es Frauen weh zu tun! Sie haben das Recht Frauen weh zu tun!“ Besonders feministisch klingt das dann nicht mehr.

Debatten um Sexualität drehen sich komischerweise IMMER um die „freie Wahl“ der Frau. Natürlich können Frauen (Menschen) sich immer für und gegen Dinge entscheiden und wir sollten diese Entscheidungen nicht zum Anlass nehmen sie ihnen vorzuwerfen.  Von radikalfeministischer Seite wird jedoch eine Art von Orgasmus-Politik kritisiert, nach der jeder Orgasmus, egal unter welchen Umständen, als BEFREIEND gilt.

Mit dem Mantra des „Konsens“ wird Frauen, die zunächst schädlichen Handlungen zugestimmt haben, die Möglichkeit genommen, diese Schäden zu thematisieren – denn sie haben diesen ja selbst zugestimmt. Durch das Konsens-Konzept wird darüber hinaus die ethische und politische Betrachtung einer Tat unmöglich gemacht, da keine objektiven Grundsätze mehr existieren für „richtig“ oder „falsch“ / „gut“ oder „schlecht“ – wir bringen die einer Gewalthandlung ausgesetzte Person (und zwar dann jede Person) damit in die Lage sich regelmäßig verteidigen zu müssen vor dem Vorwurf, dass sie vielleicht ihre Grenzen nicht deutlich genug gemacht hat. Objektive Sachverhalte werden dann munter subjektiv interpretiert. Wohin dies führt sehen wir an vielen Beispielen von Vergewaltigungsprozessen. Damit wird die emotionale, soziale und moralische Last der Beweisführung in Bezug auf missbräuchliches und ausbeuterisches Verhalten den jeweiligen Opfern auferlegt – zugunsten der Täter.

Wenn also ein Mann einer Frau im BDSM Kontext weh tut und diese hinterher traumatisiert ist und/oder merkt, dass dies ihr nicht gut getan hat, dann wird ihr der schwarze Peter zugeschoben, dass sie ihre Grenzen falsch definiert hat, nicht gut genug kommuniziert hat, das Safe Word nicht verwendet hat – und der Täter ist fein raus. Er hat nichts Falsches gemacht. Nicht seine Absichten spielen mehr eine Rolle, sondern Frauen werden für etwaige Traumatisierungen selbst verantwortlich gemacht (weil sie eben zugestimmt haben).

Aus dem Blickpunkt gerät so das Handeln der Männer sowie der konkrete Schaden den Frauen davontragen. Die Frage muss deshalb lauten ob es grundsätzlich akzeptabel ist, Frauen unter dem Deckmantel der Sexualität Schmerzen und Schäden zufügen, oder nicht.

Nochmal: Es geht also nicht darum zu beurteilen was Frauen als Angehörige der im Patriarchat untergeordneten Klasse tun, sondern vielmehr darum was Männer ihnen antun.

Radikalfeministinnen kämpfen für die kollektive Befreiung von Frauen, nicht für „choice“ und „agency“. Wichtigster Bestandteil der Analyse müssen die sozialen Normen  und Rahmenbedingungen bleiben, unter denen die Wahlentscheidungen von Frauen wie Männern getroffen werden. Sexuelle Befreiung bedeutet nicht die Freiheit zu haben zu tun was immer wir wollen, sondern es bedeutet die Freiheit zu haben unsere eigene Sexualität finden und rekonstruieren zu können.

Eine Debatte die sich um das Recht der Frau zur Unterordnung dreht bringt die unterdrückende Klasse (der Männer) zum Verschwinden. Radikalfeministinnen setzen sich dafür ein, dass Frauen ein Recht auf ein gewaltfreies Leben haben. Wir setzen uns ein für sichere, gesunde, auf Augenhöhe stattfinde Beziehungen und Sexualität, frei von Unterdrückung, Grausamkeiten, Erniedrigung und Misshandlungen, egal in welchem Kontext. Eine Gesellschaft, die Gewalt gegen Frauen erotisiert und glorifiziert ist diesem Ziel in keinster Weise zuträglich.

 

Quellen und Tipps zur Vertiefung

http://www.feministcurrent.com/2012/07/10/its-not-about-you-beyond-kink-shaming/

http://www.feminist-reprise.org/docs/lordesm.htm

http://www.ontheissuesmagazine.com/1996spring/s96orgasm.php

http://www.feminist-reprise.org/docs/hein.htm

https://antipornfeminists.wordpress.com/category/anti-bdsm/