Schlagwort: catharine MacKinnon

Niemand wurde gezwungen, ein Lächeln für bare Münze zu nehmen

Linda Lovelace

Foto: Bitchflicks

Oralsex ist heute eine jener Sexpraktiken, die zum Standard gehören. Sexpraktiken finden ihren Einzug in das private Sexleben fast immer über die Sexindustrie: Das im Porno gesehene will nachpraktiziert werden, schlägt sich zunächst in der Prostitution in den Freierwünschen und –forderungen nieder, bis eine gesellschaftliche Normalisierung – bis hin zur Normierung – stattgefunden hat. Der Pornofilm, der die Verbreitung des Oralsex eingeleitet hat, war der Film „Deep Throat“. Mit einem Budget von nur 25.000 Euro abgedreht, brachte er den Produzenten bis heute mehrere Milliarden Dollar ein, und hinterließ die Hauptprotagonistin mit einem Schuldenberg.

Ein (liberal-)feministischer Blog bezeichnete die Hauptdarstellerin des Filmes, Linda Lovelace, vor einigen Jahren als „wichtige Akteurin des Blowjobs“ was zu einigem Widerspruch führte, da Linda Boreman, wie sie wirklich hieß, ein Vergewaltigungsopfer und eine zwangsprostituierte Frau war, und sich in den USA den (radikal-)feministischen Kämpfen gegen die Pornographie und die Industrie angeschlossen hatte. Die Kritik wurde erwidert mit der lapidaren Aussage: „„Sie [Linda] ist im Diskurs um das ganze Thema eine wichtige Akteurin. Auch als Betroffene verliert man den Status und die Kompetenz der Handelnden nicht.“

Anlässlich dieser Diskussion hatte ich mir damals vorgenommen, die beiden biographischen Bücher von Linda Boreman, die auch in deutscher Sprache unter den Titeln „Ich packe aus!“ und „Ich bin frei“ erschienen sind, irgendwann einmal zu lesen. Die (lange aufgeschobene) Lektüre hat mir noch einmal eines deutlich gemacht: Die Worte „Vergewaltigung“ und „Zwangsprostitution“ kommen ohne Hintergründe gefüllt fast schon harmlos da her. Sie sind in keinster Weise in der Lage, das unermessliche Leid, was Frauen in unserer Gesellschaft zugefügt wird, in Worte zu fassen und abzubilden. Dass Linda Boreman ihr Martyrium überlebt hat, grenzt für mich an ein Wunder. Der Umgang der Gesellschaft mit ihr ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

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Catharine MacKinnon: Von der Praxis zur Theorie, oder: Was ist überhaupt eine „weiße“ Frau

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Nachfolgend die Übersetzung von Auszügen aus einem Text aus dem Jahr 1991 der US-amerikanischen Juristin und Radikalfeministin Catharine MacKinnon zu der Frage der Intersektionalität von Geschlecht, Ethnizität und Klasse und der Frage, ob Unterdrückung „weiße“, „privilegierte“ Frauen vielleicht gar nicht (be)trifft. Der gesamte Text auf Englisch ist hier zu finden.

„Bin ich denn keine Frau?“ – Sojourner Truth

„Schwarze Feministinnen sprechen als Frauen, weil wir Frauen sind…“ – Audre Lorde

Man sagt häufig, dass etwas zwar in der Theorie gut klingt, aber sich in der Praxis anders erweist. Ich wollte dann immer, dass die Theorie dann wohl nicht so gut ist, nicht wahr? […]  Das konventionelle Bild von der Beziehung zwischen den beiden ist, dass man zuerst eine Theorie hat, und dann die Praxis. Du hast erst eine Idee, dann handelst du nach ihr. […]

Die postmoderne Version dieses Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis ist Diskurs bis zum Umfallen. Theorie erzeugt nicht Praxis, sondern noch mehr Text. Es erscheint so, als könnte man Machtverhältnisse dekonstruieren, indem man ihre Markierungen im Kopf hin und her schiebt. Wie alle anderen formellen Idealismen, gibt es bei diesem Theorieansatz die unbewusste Tendenz existierende Machtverhältnisse zu reproduzieren, zum Teil weil es sich um eine vollkommen verlagerte Elitentätigkeit handelt. […] Nicht die Welt ist der Antrieb, sondern der Kopf.  Erst denkt man über sozialen Wandel nach, dann handelt man. Bücher beziehen sich auf Bücher, Köpfe unterhalten sich mit Köpfen.  Und nicht Körper pressen sich an Körper oder Menschen bewegen Menschen. […]

Die Bewegung zur Befreiung von Frauen […] funktioniert anders herum. Erst kommt die Praxis, dann die Theorie. […] Feminismus war eine Praxis, lange bevor er eine Theorie war. […] Die Frauenbewegung […], in der Frauen sich entgegengesetzt der Festlegungen in Bezug auf andere Frauen bewegen, bleibt mehr Praxis als Theorie. Das ist der Unterschied zum akademischen Feminismus. […] Die Theorie zu dieser Praxis zu schreiben, bedeutet nicht, sich durch Rätsel zu tüfteln […], nicht über Utopien zu fantasieren, nicht zu moralisieren oder Menschen zu erzählen, was sie zu tun haben. Es geht nicht um die Ausübung von Autorität; die Theorie lenkt die Praxis nicht. Die Aufgabe besteht darin, sich auf das Leben einzulassen durch das Entwickeln von Mechanismen, die identifizieren und kritisieren, anstatt soziale Praktiken der Unterordnung zu reproduzieren und sie besteht darin Werkzeuge aus dem Bewusstsein und dem Widerstand von Frauen zu entwickeln, die den praktischen Kampf gegen Ungleichheit unterstützen. Diese Art von Theorie setzt Bescheidenheit voraus und benötigt Partizipation. […]

Ich möchte untersuchen, wie die Realität von Geschlechterungleichheit, die Erfahrungen von Frauen in dieser Welt, die Konturen von Geschlechterdiskriminierung im Gesetz geformt hat/haben.

Geschlechtergleichheit als rechtliches Konzept wurde traditionell nicht theorisiert unter Einbeziehung von sexueller Belästigung oder Reproduktion, weil die Gleichberechtigungstheorie aus der Praxis von Männern entwickelt wurde, nicht der von Frauen. […] Es gibt Männer, die auf diese Art und Weise geschädigt wurden, aber sie sind wenige, und sie werden nicht als geschädigt angesehen weil sie Männer sind, sondern obwohl sie Männer sind oder als abweichend von ihnen betrachtet werden. […] Deshalb werden Sexualität und Reproduktion nicht als Gleichberechtigungs-Themen im traditionellen Ansatz betrachtet. […]

Mechelle Vinson setzte sexuelle Belästigung am Arbeitsmarkt als Geschlechterdiskriminierung nach dem bürgerlichen Recht durch. […] Ihre Sichtweise, dass das was ihr Vorgesetzter Sidney Taylor ihr antat, sein wiederholtes Penisschwingen in ihrer Anwesenheit im Tresorraum der Bank, ihr deshalb angetan wurde, weil sie eine Frau ist, änderte die Theorie der Geschlechterdiskriminierung für alle Frauen. […] Lillian Garland setzte durch, dass die Garantie von unbezahltem Urlaub für schwangere Frauen nach dem Gesetz keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist, sondern ein Schritt in die Richtung zur Beendigung von Geschlechterdiskriminierung. […] Es war ihr Widerstand gegen ihren Arbeitgeber […], der sich weigerte sie nach ihrer Schwangerschaftspause wieder einzustellen; Es war ihre Identifikation dieser Praxis als gesetzwidrige Behandlung, aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau war, die dem Geschlechter-Gleichberechtigungs-Gesetz einen Schubs in die Richtung von Gleichberechtigung gab […].

Was ist also gemeint, wenn hier von einer Behandlung „als Frau“ die Rede ist? Es meint, ein empirisches Statement über die Realität zu machen, um die Realität der Situation der Frau zu beschreiben. […] Unter Einbeziehung aller Unterschiede, können wir über die Gruppe der Frauen sagen, dass sie eine kollektive, soziale Geschichte der Entmachtung, Ausbeutung und Unterordnung hat, die bis in die Gegenwart reicht. „Wie eine Frau“ behandelt zu werden, bedeutet diesem Sinn nach, auf bestimmte Weise benachteiligt zu sein, rührend aus der Tatsache, dem weiblichen Geschlecht zugerechnet zu werden. […]

Andrea Dworkin sagte vor langer Zeit, dass die Situation der Frauen eine neue Art zu Denken voraussetzt, und nicht nur das Denken neuer Dinge. „Frau“ als Abstraktion, Destillation, gemeinsamer Nenner, oder Idee ist die alte Art zu denken […] aber es ist nicht eine neue Art zu denken. Noch ist das Denken „als Frau“, als Verkörperung einer kollektiven Erfahrung, das gleichbedeutend mit „wie eine Frau“ zu denken, was die Reproduktion der Determinanten und zu denken wie ein Opfer bedeuten würde. […]

Theorie auf die konventionelle abstrakte Art zu machen, wie viele es tun, bedeutet die Annahme zu importieren, dass alle Frauen gleich sind, oder sie sind keine Frauen. Was sie zu einer Frau macht ist ihre Passgenauigkeit zu der Abstraktion „Frau“ oder ihre Konformität zu einer festen, postulierten weiblichen Essenz. Die Konsequenz hieraus ist es, Dominanz zu reproduzieren.  […] Einfacher biologischer Determinismus wird so als kritische Theorie des sozialen Wandels präsentiert. […] Hier fehlt die Berücksichtigung männlicher Dominanz. Es gibt in Bezug auf Vergewaltigung keine biologische Notwendigkeit […] Beide hier benannten Frauen sind schwarz. Dies unterstützt meine Ahnung, dass eine Theorie dann nicht wahr ist, oder dann nicht funktioniert, wenn sie nicht […] für alle Frauen gilt. […]

In den jüngsten Kritiken gegenüber feministischer Arbeit wird gesagt, dass Ethnie (race) oder Klasse nicht ausreichend berücksichtigt werden, und dabei ist es lohnenswert zu erkennen, dass die Tatsache, dass es etwas wie „Rasse“ oder „Klasse“ gibt, angenommen wird, obwohl beides normalerweise eher als Abstraktionen behandelt wird um Geschlecht zu attackieren, denn als konkrete Realitäten, wenn sie denn überhaupt zur Sprache kommen. […] Immer werden „Rasse“ und Klasse als unproblematischer weise real betrachtet, und keiner Erklärung oder theoretischen Konstruktion bedürfend. Nur Geschlecht ist nicht real und muss gerechtfertigt werden. […] Dass es einen Unterschied gibt zwischen den Erfahrungen von Männern und Women of Colour, und von Frauen der Arbeiterklasse und Männern unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit, bedeutet nicht zu behaupten, dass „Rasse“ und Klasse keine bedeutsamen Konzepte wären. Ich habe noch niemanden sagen gehört, dass man nicht ohne Geschlechterspezifizierung über „People of Colour“ diskutieren könnte. Jedoch hat die Phrase „People of Colour und „weiße“ Frauen“ das frühere „Frauen und Minderheiten“ ersetzt, von dem Women of Colour zu Recht nicht wahrgenommen haben als würde es sie doppelt beinhalten, und als würden sie einen „weißen“ Standard für Geschlecht verkörpern und einen männlichen für „Rasse“. Aber ich höre zum Beispiel nichts über „alle Frauen und Men of Colour. Es ist bedeutsam darüber nachzudenken, dass wenn Women of Colour sich auf „Menschen, die aussehen wie ich“ beziehen, dass sie Menschen mit anderer Hautfarbe meinen, und nicht Frauen, obwohl sowohl „Rasse“ als auch Geschlecht visuelle Zuweisungen sind, beide sowohl Klarheit als auch Uneindeutigkeit beinhalten, und beide Unterdrückung markieren, und damit Gemeinschaft.

In Verbindung hiermit, habe ich kürzlich mitbekommen, dass es hierbei um die „weiße“ Frau geht, deshalb habe ich mich entschlossen herausfinden zu wollen was das ist. Diese Kreatur ist nicht arm, wird nicht geschlagen, nicht vergewaltigt (nicht wirklich), nicht als Kind sexuell missbraucht, wird nicht als Teenager schwanger, wird nicht prostituiert und auch nicht in die Pornographie gezwungen, sie ist als Mutter nicht von Sozialleistungen abhängig und wird nicht ökonomisch ausgebeutet. Sie arbeitet nicht. Entweder entspricht sie dem Bild, das der „weiße“ Mann von ihr hat – verweichlicht, verhätschelt, privilegiert, beschützt, unbeständig und maßlos – oder sie ist das Bild, das der „schwarze“ Mann von ihr hat – all das genannte, plus das „hübsche weiße Girl“ (was hässlich wie die Nacht bedeutet, aber die ultimative Schönheit bedeutet, weil sie „weiß“ ist). […] Sie schüttelt ihr Haar, fühlt sich immer hübsch, beschwert sich über die Dienste der People of Colour, gibt wenig Trinkgeld, kann nichts, macht nichts, weiß nichts, und fantasiert über Sex mit schwarzen Männern, während sie diese beschuldigt sie vergewaltigt zu haben. Wie Ntozake Shange ausführt, hängt die gesamte Westliche Zivilisation von ihr ab. Und als Krönung besitzt sie die Unverfrorenheit […] zu denken, dass sie befreit werden muss. […]

Dieses Bild ist nur sehr schwer mit der Realität [der „weißen“ Frau] in Einklang zu bringen: Der Tatsache, dass die Mehrheit der Armen „weiße“ Frauen und ihre Kinder sind (mindestens die Hälfte davon sind weiblich); der Tatsache, dass Frauen systematisch in ihrem Zuhause geschlagen werden, von ihnen nahe stehenden Männern und Serienkillern gleichermaßen getötet werden, als Kinder sexuell missbraucht werden, tatsächlich vergewaltigt werden (zumeist von „weißen“ Männern) und dass sogar „schwarze“ Männer, im Durchschnitt, mehr verdienen als sie. Wenn man dies nicht so genau wüsste, dann könnte man durch das Bild des „weißen“ Mannes fehlgeleitet werden. […]

Man könnte meinen, dass der Mythos der „weißen“ Männer, dass sie „weiße“ Frauen schützen, der Wirklichkeit entsprechen würde, und nicht ein rassistisches Cover über ihr exklusives und nicht in Frage gestelltes Recht auf sexuellen Zugriff – was bedeutet, dass sie sie vergewaltigen können, und es auch tun, eine Haltung die sich in dem Ausschluss von Vergewaltigung in der Ehe zeigt und den weitgehend nutzlosen Gesetzen gegen Vergewaltigung im Allgemeinen.  Man könnte meinen, dass die einzigen „weißen“ Frauen in den Bordellen im Süden während des Civil War in „Vom Winde verweht“ existierten. Dies alles soll nicht heißen, dass es so etwas wie Privilegien aufgrund der Hautfarbe nicht geben würde, sondern eher, dass diese „weiße“ Frauen niemals vor der Brutalität und der Frauenverachtung der Männer bewahrt haben, zumeist aber nicht exklusiv von „weißen“ Männern […]. In anderen Worten: Den „weißen Mädchen“ in dieser Theorie geht in der Realität der „weißen“ Frauen und der Praxis der männlichen Vorherrschaft ziemlich viel ab.

Neben der Trivialisierung der Unterordnung der „weißen“ Frau, die implizit in der herablassenden Verspottung „heterosexuelle, weiße, ökonomisch privilegierte Frau“ (Eine Phrase, die zu einem feststehenden Begriff geworden ist […]) deutlich wird, liegt die Auffassung, dass es an sich gar keine Frauenunterdrückung gibt. […]

Drehen wir das Ganze mal rum. Wie ich erwähnt habe, waren sowohl Mechelle Vinson und Lillian Garland afro-amerikanische Frauen. Wurde Mechelle Vinson nicht als Frau sexuell belästigt? Wurde Lillian Garland nicht als Frau schwanger? Sie haben das so gesehen. Der Dreh- und Angelpunkt ihrer Fälle lag darin, dass sie sich als geschädigt „auf der Basis von Geschlecht“ sahen, das heißt, weil sie Frauen sind. Die Täter, und die Gesetze unter denen sie benachteiligt wurden, sahen sie als Frauen. Was ist Frausein, wenn es nicht beinhaltet als eine Frau unterdrückt zu sein? Als die Reconstruction Amendments „Schwarzen das Wahlrecht gaben“, und „schwarze“ Frauen immer noch nicht wählen durften, wurden sie dann nicht „als Frauen“ von der Wahl ausgeschlossen? Wenn afro-amerikanische Frauen doppelt so häufig vergewaltigt werden als „weiße“ Frauen, werden sie dann nicht als Frauen vergewaltigt? Das bedeutet nicht, dass ihre Ethnie irrelevant wäre und es bedeutet auch nicht, dass ihre Verletzungen außerhalb des rassistischen Kontextes verstanden werden können. Es bedeutet vielmehr, dass „Geschlecht“ sich aus den Erfahrungen aller Frauen ergibt, inklusive der ihren. […] Es bedeutet, dass jede Frau, auf ihre Weise, alle Frauen ist.

Die Behandlung von Frauen in der Pornographie zeigt diesen Ansatz in grafischer Weise. Auf irgendeine Weise sind alle Frauen im Porno. Afro-amerikanische Frauen werden dargeboten in Fesseln, sich wehrend, in Käfigen, als Tiere, unersättlich. Wie Andrea Dworkin gezeigt hat, macht die sexualisierte Feindschaft ihnen gegenüber ihre Haut zu einem Geschlechtsorgan […]. Asiatische Frauen sind passiv, träge, so wie tot, grausam gefoltert. Latinas sind heiße Mommas. Fülle den Rest der abwertenden und feindseligen rassistischen Stereotype, die du kennst, ein; dort [im Porno] ist es Sex. Dies wird nicht den Männern angetan, nicht in heterosexueller Pornographie. Was „weißen“ Frauen angetan wird ist eine Art Boden; es ist die beste Weise wie jemand behandelt wird und das reicht von Playboy über SM bis hin zu Snuff. Was „weißen“ Frauen angetan wird, das kann allen Frauen angetan werden […] Das macht „weiße“ Frauen nicht zur Essenz der Weiblichkeit. Es ist eine Realität, dass hieran beobachtet werden kann, was den am meisten privilegierten Frauen angetan werden kann und angetan wird. Dies ist es, was das Privileg als eine Frau dir einbringen kann: am meisten wertgeschätzt zu sein als totes Fleisch. […]

„Weiß“ ist nicht unmarkiert; es ist ein spezifischer Geschmack. So definiert und benutzt zu werden, definiert was Frau sein in der Praxis bedeutet. […]

Meiner Meinung nach ist der Subtext von der Kritik an Unterdrückung „als Frau“, dass die Kritik davon ausgeht, dass es so etwas nicht gibt, und dies ist Ent-Identifizierung mit Frauen. Eine der Konsequenzen daraus ist die Zerstörung jeglicher Basis für eine Rechtsprechung für Geschlechtergleichberechtigung. Ein Argument, dass von vielen WoC vorgebracht ist, ist, dass die Theorie über Frauen alle Frauen einschließen muss, und wenn dies der Fall ist, dann wird die Theorie sich ändern. Auf einer Ebene ist das notwendigerweise richtig. Auf der anderen Seite ignoriert dies die gestaltenden Beiträge von WoC zu feministischer Theorie, seit deren Beginn. Ich habe jedoch das Gefühl, dass viele Frauen, nicht nur WoC und nicht nur Akademikerinnen, nicht einfach „nur Frauen“ sein wollen, [….] weil dies bedeutet in einer Kategorie mit „ihr“ zu sein, der nutzlosen „weißen“ Frau, deren erste Reaktion es ist, wenn es ein bisschen grober wird, in Tränen auszubrechen. Ich habe das Gefühl, dass Menschen mehr Würde darin ausmachen, in einer Gruppe zu sein, die auch Männer beinhaltet, als in einer Gruppe zu sein, die die ultimative Reduzierung auf die Vorstellung von Unterdrückung einschließt, diese Anstifterin von Lynchmobs, diese lächerliche Quenglerin, […] die „weiße“ Frau. Es scheint, dass wenn die Unterdrückung auch einen Mann betrifft, dass du wahrscheinlicher auch als unterdrückt anerkannt wirst, im Gegensatz zu minderwertig. […]

Ungleich zu anderen Frauen teilt die „weiße“ Frau, die nicht arm oder aus der ArbeiterInnenklasse ist, oder lesbisch, oder jüdisch, oder mit Behinderung, oder alt oder jung, ihre Unterdrückung nicht mit einem Mann.  Das macht ihren Zustand in keinster Weise maßgeblicher für die Definition von Frau, als die Situation irgendeiner anderen Frau. Ihre Unterdrückung jedoch zu trivialisieren, weil es nicht potentiell rassistisch oder klassenbasiert oder heterosexistisch oder antisemitisch ist, definiert die Bedeutung von „anti-Frau“ mit einer besonderen Klarheit. Die Vorstellung, Konstruktion und Behandlung der „weißen“ Frau wird zu einem sehr sensitiven Indikator für das Maß in dem Frauen, als solche, verachtet werden. […]

Catharine MacKinnon: Liberalismus und der Tod des Feminismus

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Auszüge aus einer Rede, gehalten am 8. April 1987 an der New York University Law School, veröffentlicht im Sammelband “The Sexual Liberals and The Attack on Feminism“, herausgegeben von Dorchen Leidholdt und Janice G. Raymond im Jahr 1990. Vollständiger Text „Liberalism and the Death of Feminism, Catharine A. MacKinnon“ (auf englisch) auf radfem.org.

Es gab eine Frauenbewegung, die sozialbasierte Taten, wie Vergewaltigung als männliche Gewalt gegen Frauen kritisierte, und als eine Form von sexuellem Terrorismus.  Sie kritisierte Krieg als männliche Ejakulation. … Wenn diese Bewegung Vergewaltigung kritisierte, dann meinte sie Vergewaltiger und die Ansicht, die Vergewaltigung als Sex betrachtete. Wenn sie Prostitution kritisierte, dann meinte sie die Zuhälter und Freier und die Ansicht, dass Frauen geboren seien um Sex zu verkaufen. Wenn sie Inzest kritisierte, dann meinte sie die, die uns das antaten, und die Ansicht, die unsere  Verletzlichkeit und unser erzwungenes Schweigen sexy fand. Wenn sie Körperverletzung kritisierte, dann meinte sie die Schläger, und die Ansicht, dass Gewalt die Intensität der Liebe ausdrücke. Niemand dachte, dass diese Praktiken zu kritisieren, in irgendeiner Weise jemals ihre Opfer meinte.

Die Bewegung kritisierte auch heilige Konzepte vom Standpunkt der materiellen Existenz der Frauen aus, also unserer Realität, Konzepte wie das der „Choice“ zum Beispiel. Es war eine Bewegung, die wusste, dass wenn die materiellen Bedingungen 99% unserer Optionen vorherbestimmten, es nicht sinnvoll ist für das übrige Prozent von „Wahl“ zu sprechen. Diese Bewegung übernahm Konzepte wie „Choice“ nicht. Denn sie wusste, dass wenn Zwang ein normalisierter Teil von Sex ist, wenn ein Nein als ein Ja betrachtet wird, wenn Angst und Verzweiflung Duldung produzieren und Duldung dann Konsens meint, dass Konsens kein bedeutungsvolles Konzept ist. …

Sie kritisierte auch das Konzept der Freiheit, insbesondere der sexuellen Freiheit, und entpackte und demaskierte dieses als ein Cover für die Freiheit zu misshandeln. Wenn Menschen mit Macht ihre Unterdrückung  von Frauen als Freiheit verteidigten, dann wusste die Bewegung um den Thrill der Macht, den sie damit verteidigen. Diese Bewegung war kritisch gegenüber der Freiheit zu unterdrücken, und keine Bewegung, die Frauen erzählte wir seien frei, wenn wir mehr von dieser Unterdrückung bekämen. …

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Männer im Krieg, Männer im Frieden

Plakat: "Jeder Soldat ist strengstens verpflichtet die frei gelieferten Praeservative zu benutzen!"

Bundesarchiv, Bild 101II-MW-1019-10 / Dietrich / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons

Die Bedeutung des Militärs für die Etablierung von Prostitution wird äußerst selten thematisiert. Dabei gibt es umfangreiche feministische Forschung dazu. Insbesondere die amerikanische Politikwissenschaftlerin Cynthia Enloe hat dazu umfassend publiziert.

Militärinterventionen haben einen maßgeblichen Anteil an der weltweiten Globalisierung der Prostitution, denn Prostitution erfüllt einen wichtigen Zweck: Wie Susan Brownmiller ausführt, geht es nicht nur darum, besiegte männliche Bevölkerungen dadurch zu bestrafen, dass ihnen „ihre“ Frauen gestohlen werden, sondern auch darum, die Soldaten zu schlachtbereiter Aggression aufzustacheln.

Das Militär benutzt bewusst Prostitution und Pornografie, um die Truppen zu maskulinisieren und damit die Fähigkeit zu töten anzutrainieren. Sie ermöglichen es, Frauen als „das Andere“ zu sehen. Sie löscht Empathie aus.

Das japanische „Trostfrauensystem“

Beim so genannten „Trostfrauensystem“ handelte es sich um Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei und nicht, wie häufig suggeriert wird, um „freiwillige“ Prostitution. Höhere Stabsoffiziere gaben den Befehl, die Bordelle einzurichten, die euphemistisch als „Spezialwarenhäuser“ (und Frauen damit als zu lagernde „Waren“) bezeichnet wurden.

Die Funktionsweise war ähnlich dem heutigen legalisierten und vielerorts tolerierten Bordellsytem: Die Mädchen und Frauen wurden durch Täuschung oder Verkauf eingehandelt und erlitten schreckliche Gewalt, wenn sie sich widersetzten. Man sagte ihnen, dass sie Schulden hätten und daher vertraglich verpflichtet seien, ihre Körper zur Verfügung zu stellen. Sie mussten außerhalb von Kampfzeiten zehn Männer pro Tag erdulden, davor und danach sogar 30-40 Männer pro Tag.

Wie die Frauen in deutschen Bordellen, berichteten die „Trostfrauen“ von starken Schmerzen, Schwelllungen an den Genitalien und Blutungen.

In der Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg befürchtete die japanische Regierung, dass die US-Besatzungstruppen japanische Frauen vergewaltigen würden, wenn sie nicht mit prostituierten Frauen versorgt werden würden. Neben den bereits in der Prostitution befindlichen Frauen wurden auch „neue“ dem System zugeführt. Es wurde vom Staat –  in Zusammenarbeit mit Besitzern von privaten Clubs und Bordellen –  die Recreation and Amusement Association (RAA) eingerichtet. Die „weltgrößte Handelsvereinigung für weiße Sklavinnen“ rekrutierte „weibliche Angestellte“, um die „stationierten Truppen zu trösten“. Viele Frauen folgten dieser Anwerbung aufgrund massiver Hungersnöte und Arbeitslosigkeit.

Vergewaltigungslager in Bosnien – und dem Nationalsozialismus

Serbische Milizen richteten in Bosnien im Zuge des Völkermordes Vergewaltigungslager ein. Frauen, die nicht mehr von Nutzen waren oder ihren Neuheitswert überschritten hatten, wurden schlichtweg getötet.

Catharine MacKinnon sieht eine Ursache für die Einrichtung der Lager in dem schon vor dem Krieg existierenden, übersättigten Pornografiemarkt in Jugoslawien:

„Wenn Pornografie derart zur Normalität wird, wird eine ganze Gruppe von Männern darauf vorbereitet, Frauen nicht mehr als Menschen zu sehen und sexuelle Gewalt zu genießen.“

Die Gesundheitsabteilung der Nazis hatte dem Warschauer Ghetto die Einrichtung eines Bordells von 50 jüdischen Frauen für die Nutzung durch deutsche Soldaten befohlen. Heinrich Himmler hatte die Einrichtung von mindestens neun Bordellen in Konzentrationslagern zu verantworten. Prostitution war integraler Bestandteil des Völkermords an den Juden und Jüdinnen. Daneben gab es auch andere Praktiken sexueller Gewalt:

„Frauen wurden beim Eintritt in die Lager gezwungen, sich auszuziehen und sich, um die Genitalien zu exponieren, auf zwei Stühle zu stellen, wo sie dann innen untersucht und an den Genitalien rasiert wurden, während man sie sexuell verspottete.“

Trotz der enormen Fülle an Dokumentationen und Aufarbeitungen des Nationalsozialismus bleiben diese Aspekte bis heute weitgehend unberücksichtigt. Weiterlesen