Vorbemerkung
In den vergangenen Tagen gab es auf der Facebook-Seite des von uns eigentlich hochgeschätzten Blogs Indyvegan eine heftige Diskussion, die sich um das Konglomerat „Transphobie“, „Cis-Sexismus“, Gender, biologisches Geschlecht und die Legitimation vermeintlich „neutraler“ Fremdbezeichnungen wie T(W)ERF (TERF = Trans Excluding Radical Feminist, TWERF = Trans Woman Erasing Radical Feminists) – analog zu SWERF (Sex Worker Excluding Radical Feminists) – drehte.
Zunächst einmal ist es sehr begrüßenswert, dass Indyvegan hier zunächst keine vorschnellen Schlüsse gezogen hat, sondern sich interessiert gezeigt hat an der Ebnung einer Debattenkultur, die eine – weitgehend – sachliche Auseinandersetzung ermöglichen soll. Das ist im hiesigen Feminismus, der vom Queerfeminismus und dem liberalen – oder auch postmodernen – Feminismus dominiert wird, äußerst selten.
Im Laufe der Debatte änderte sich diese Haltung jedoch zusehends. Während die Menschen von Indyvegan zunächst noch „mangelnde Fachkompetenz“ ihrerseits proklamierten (dessen öffentliches Eingeständnis von Größe zeugt und damit unseren Respekt verdient) und um niedrigschwellige ErklärbärInnentexte von beiden Seiten baten, bezog die Seite dann jedoch schnell Position für die „Betroffenenseite“. Sich erklären durften nur noch Trans*personen und den an der Diskussion beteiligten RadikalfeministInnen wurde die Betroffenenposition im Patriarchat abgesprochen. Später wurde ihnen mit dem – auch auf Nachfragen nicht näher erläuterten – Vorwurf von „Transfeindlichkeit“, unter Androhung von der Seite gebannt zu werden, das Wort verboten. Lediglich das Recht „Verständnisfragen“ an die Betroffenen zu stellen, wurde eingeräumt.
Ironischerweise wurde dieses Vorgehen als „emanzipativ“ bezeichnet, denn den irregeleiteten „TERFS“ solle ja die Möglichkeit gegeben werden sich fortzubilden und ihre Meinung zu ändern. Realsatirisch wurde es, als eine Kommentatorin einen Beitrag postete, mit dem sie durch Zitate von Trans*personen mit eindeutigen Hassbotschaften und Morddrohungen gegen „TERFS“ belegen wollte, dass „TERF“ eben keine „neutrale Bezeichnung“ sei, sondern in der Tat eine Beleidigung, die eigentlich nicht mit den Diskussionsregeln von Indyvegan im Einklang steht. Begründung: Die Webseite („Terf is a Slur“), der diese Zitate entnommen wurden, habe „transfeindliche Inhalte“ beinhaltet. Spannend: Sind diese zitierten Trans*personen selbst „transfeindlich“ oder wie soll das verstanden werden? Offenbar konnte Indyvegan das selbst nicht so genau erklären: Auch hier wurden entsprechende Nachfragen nicht beantwortet.
Dieser Beitrag ist ein Versuch, einen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten und Standpunkte zu den Kernthemen, an denen die „Diskussion“ chronisch eskaliert, beizusteuern. Er ist auch ein Versuch, die Differenz zwischen Radikal- und Queerfeminismus, die im hiesigen Feminismus kaum Raum bekommt oder bekommen soll, zu beleuchten. Es ist eine Einladung an Indyvegan und alle anderen Interessierten zur Diskussion und Aufarbeitung der Geschehnisse der letzten Woche.
Inhaltsübersicht
- „Man wird nicht als Frau geboren“
- Biologisches Geschlecht
- Lesben – oder wer hat hier mit wem ins Bett zu steigen?
- Der Unterschied zwischen (sexuellem) Begehren und Genderidentität
- Sozialisation und Frauenräume
- „TERF“ – eine „neutrale“ Fremdattribuierung?
- Das Verschwinden von Frauen
„Man wird nicht als Frau geboren“
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Das war nicht nur die Erkenntnis von Simone de Beauvoir, sondern in seiner Essenz zentraler Gegenstand der zweiten feministischen Welle und der radikalfeministischen Bewegung.
Gender – Begriffsbestimmung
Der Begriff Gender taucht in den Debatten immer wieder auf, und ein Teil der Probleme entsteht vielleicht durch seine mehrfache Bedeutung. Einerseits wurde und wird er besonders im englischsprachigen (und auch deutschen) Raum verwendet, um eine Art geschlechtliche Identität von einer biologischen Gegebenheit abzugrenzen. Im radikalen Feminismus wird er zusätzlich verstanden als die Zuweisung von Geschlechterrollen und Stereoptypen: Gender ist ein toxisches und wirkmächtiges Konstrukt, das uns das Patriarchat geschaffen hat und der Unterdrückung von Frauen und Mädchen dient.
Denn: Es gibt keine typisch weiblich oder typisch männlichen Gefühle, Hobbys, Vorlieben usw. – diese sind sozial konstruiert. Oder um es an einem von vielen Beispielen zu verdeutlichen:
Dass Frauen und Mädchen in MINT nach wie vor unterrepräsentiert sind, hat nichts damit zu tun, dass sie MINT nicht können, sondern dass das Patriarchat sie und die kindliche Sozialisation so infiltriert, dass sie denken, es nicht zu können; und als nette „Begleiterscheinung“ hat das Patriarchat den Männern in diesen Berufsbereichen das ganz selbstverständliche Recht eingeräumt, ihren weiblichen Kolleginnen das Leben zur Hölle zu machen.
Zunächst besteht hier – zumindest im akademischen Bereich – weitestgehend noch Einigkeit zwischen den meisten VertreterInnen eines radikalfeministischen Ansatzes und vielen QueerfeministInnen. Der Unterschied kommt im nächsten Schritt:
Gender – radikal- und queerfeministische Differenz
Aufbauend auf den Schriften Judith Butlers, die als Philosophin eher erkenntnistheoretisch unterwegs ist, wird im Queerfeminismus der Gedanke des sozialen Konstrukts bereits auf das (biologische) Geschlecht an sich übertragen. Das Konstrukt ist also nicht nur die anlässlich des biologischen Geschlechts aufgesetzte, toxische Stereotypisierung oder Rollenzuweisung, sondern bereits das Geschlecht selbst. Eine Wahrnehmung oder Bezeichnung einer biologischen Gegebenheit als „männlich“ oder „weiblich“ gilt damit bereits als grundlegend falsch. Dies hebt gewissermaßen die Unterscheidung zwischen „sex“ (= Geschlecht) und „gender“ (= Geschlechterrolle) völlig auf und stellt sie auf die gleiche Ebenen.
Queerfeminsmus sieht darin eine Befreiung von sämtlichen Rollen, radikale FeministInnen eine Beseitigung jeglicher sinnvoller Analyseinstrumente, ein Beenden sinnvoller Machtanalysen, eine Beseitigung der Frage nach der Ursache der Unterdrückung von Frauen und damit ein Auslöschen ihrer Stimme.
QueerfeministInnen (also diejenigen, die Butler et al. tatsächlich gelesen haben) finden, radikale FeministInnen zementieren schädliche Kategorien, radikale FeministInnen finden, dass die diskursive Abschaffung der Kategorie „weiblich“ jede Frau einem neo-liberalen Feld des anything goes überlässt – ohne Möglichkeit einer kollektiven Betrachtung ihrer Situation, ohne Chancen auf eine Machtanalyse und ohne eine einzige Diskriminierung auch nur ansatzweise zu ändern.
Trans*aktivismus – zumindest so, wie wir ihn fast ausschließlich erleben – geht allerdings in eine andere Richtung als beide Richtungen:
Im Gegensatz zu der Erkenntnis, das Geschlechterrollen eben sozial konstruiert sind und damit Stereotypen und keine biologisch determinierten Wahrheiten, sagen Trans*personen, dass sie aufgrund ihrer „Geschlechtsidentität“ im „falschen“ Körper geboren seien. Einige streben eine anatomische Geschlechtsangleichung an, um dieses Problem zu beheben.
QueeraktivistInnen unterstützen das, weil sie der Ansicht sind, dass Konstrukte eben Konstrukte sind und weil sie diese als individuell veränderbar sehen. Radikale FeministInnen finden, dass dies sämtliche feministische Analysen vom Tisch fegt, unmöglich macht und außerdem gerade die biologischen Grundlagen der Unterdrückung (sprich die Gebärfähigkeit von Frauen als Gruppe, die über die Zuordnung von Kindern als eine der wesentlichen Ursachen für das Patriarchat gilt) verschweigt. Außerdem kämpfen FeministInnen seit Jahren darum, es endlich gesellschaftlich zu verankern, dass nicht „der Körper“ das Problem ist – sei er weiblich, männlich oder intersexuell, sei er dick oder dünn, groß oder klein, hell oder dunkel – sondern die Gesellschaft um diesen Körper herum. Deswegen lehnen sie die gesamte Schönheitsindustrie mit ihren Operationen auch ab.
Zurück nun zum Trans*aktivismus und der gefühlten Identität:
Wie fühlen sich Männer oder wie fühlen Frauen (anders), wenn wir uns eben noch darüber einig waren, dass es keine essentialistischen Geschlechter gibt, in denen bestimmte Verhaltensweisen, Emotionen und Einstellungen festgeschrieben sind? Was kann dies dann anderes bedeuten, als eine Essentialisierung gesellschaftlicher Konzepte, Stereotypen und damit eine Festschreibung des gesamten toxischen Gender-Systems als zugewiesene Rollen?
Es ist nachvollziehbar, dass das im Queerfeminismus innewohnende Genderkonzept, in dem, salopp formuliert, nun jede_r alles sein kann, als Angriff auf eine zentrale feministische Erkenntnis verstanden wird.
In der Logik einer „falschen Geschlechtsidentität“ kann jemandes Geschlecht oder Sexualität nur dann „falsch“ sein, wenn es im Kontrast ein „richtig“ gibt. Geschlechterausdruck (und sexuelles Begehren) als „falsch“ zu beschreiben, wenn sie auf Individuen mit bestimmten Körpern oder Genitalien abzielt, manifestiert den heteronormativen Status Quo des „richtig“ und „falsch“. Dies ist extrem konservativ.
Niemand müsste sich hochgradig invasiven medizinischen Behandlungen wie der einer Transition oder Hormonbehandlungen unterziehen, wenn dieses Gender-Konzept (sozial konstruiertes Geschlecht) nicht mehr existieren würde. Männer würden ohne Angst vor Anfeindungen Röcke tragen, sich schminken oder rosa mögen, ganz einfach deshalb, weil diese Vorlieben nicht mehr aufgrund unserer sexistisch strukturierten Gesellschaft stereotyp an ein bestimmtes Geschlecht gekoppelt wären. In bestimmten Szenen ist dies bereits möglich: Zum Beispiel käme kaum jemand auf die Idee, Röcke tragenden Männern aus der Gothicszene oder Make-Up-tragenden Männern in der Hair-Metal-Szene das „Mannsein“ abzusprechen (wenngleich die Reaktionen außerhalb der genannten Szenen ggf. anders aussehen). Wenn Gender – also der Gedanke an „männliche“ oder „weibliche“ Eigenschaften – abgeschafft wäre, könnten Frauen in MINT-Bereichen arbeiten, ohne einem Klima permanenter Unterdrückung ausgesetzt zu sein.
Es ist auch nicht befreiend für Frauen (und Männer), mit Geschlechterrollen „spielerisch“, „performativ“ oder mit „performativity“ ganz befreit umzugehen und sie damit „nachzuspielen“, denn so werden diese – meistens mit einem auffälligen Bodensatz an üblicher Frauenverachtung – verfestigt.
Übrigens: Stereotype Weiblichkeit wird nicht nur – wie oft behauptet – an Trans*frauen kritisiert. Gesellschaftlich wären die unsäglichen „Blondinen-Witze“ ein Beispiel. Innerhalb der radikal-feministischen Theorie – und wer und welche sich damit befasst, kann das sehr schnell feststellen – wird diese stereotype Weiblichkeit von vielen FeministInnen als ein schädliches soziales Konstrukt betrachtet wird, das keine Person übernehmen, vollziehen, zelebrieren oder sich damit identifizieren sollte. Jene Kritik richtet sich also nicht exklusiv an Trans*frauen, sondern auch an Frauen. Es handelt sich um eine grundsätzliche Kritik an einem sehr problematischen Konzept.
Gender und die daran geknüpften Rollenkonzepte abzuschaffen, muss dringliches Ziel aller FeministInnen sein, sozial konstruiertes Geschlecht macht alle Menschen unfrei.
Aus diesem Grund kämpfen RadikalfeministInnen für die Abschaffung von Gender, in dem sie das innewohnende Konzept kritisieren, nicht Trans*menschen. Dieser radikalen Kritik „Transphobie“ unterzuschieben (mit dem offensichtlichen Ziel, radikalfeministische Positionen zu silencen), ist unfundiert, verfehlt die Radikalität dieser Analyse und ist folglich nicht haltbar.
Biologisches Geschlecht (sex)
„Es gibt kein biologisches Geschlecht …“
„es ist doch egal, was zwischen den Beinen baumelt …“
„biologisches Geschlecht abschaffen …“
Zunächst einmal: Doch, es gibt ein biologisches Geschlecht, sonst würden wir uns nämlich u. a. nicht vermehren können, sonst würden Frauen beispielsweise nicht in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen menstruieren und sonst wäre z. B. ein Kampf um §218 StGB niemals notwendig gewesen. Darüber hinaus: Ist es nicht aus feministischer Perspektive sehr zynisch zu behaupten, ein z. B. biologisch weibliches Geschlecht existiere nicht, habe keine Relevanz oder mache mich zu einer Person mit „Vagina-Privileg“?
Genitalien sind materielle Realitäten, die unsere Lebenserfahrungen und sozialen Rollen prägen. Genderkritische FeministInnen fühlen sich nicht einem Naturalismus von sozialen Geschlechterrollen verpflichtet, viele Trans*personen tun das jedoch. Anstatt zu behaupten, dass es feststehende, binär kodierte Geschlechterrollen von „Frauen“ und „Männern“ als essentiellen Teil unseres Selbst gibt – was eine sehr konservative Sichtweise ist – glauben genderkritische FeministInnen, wie bereits formuliert, dass diese sozialen Rollen schädliche Konstrukte sind, die eine gefährliche Rechtfertigung für die Fortführung von Unterdrückung und Entmenschlichung von Frauen liefern.
Das biologische Geschlecht beeinflusst von Geburt an maßgeblich die jeweilige Sozialisation. Ein Blick auf den Globus und in unsere Geschichte reicht aus:
Frauen wird weltweit der Zugang zu reproduktiven Rechten verwehrt, was für sie global und individuell massive gesundheitliche Folgen hat und de facto tödlich ist. Es ist also sehr relevant, ob ich z. B. eine Gebärmutter habe oder nicht. Weibliche Genitalverstümmelung ist gängige Praxis in zu vielen Ländern dieser Erde. Frauen werden verstümmelt, indem man ihnen die Klitorisvorhaut „entfernt“, die Klitoris oder Schamlippen abschneidet oder die Vaginalöffnung zunäht. Auf der ganzen Welt sind in überwiegender Mehrheit Mädchen und Frauen aufgrund ihres biologischen Geschlechts von sexueller Gewalt betroffen und Vergewaltigung ist zielgerichtet eingesetztes Kriegsmittel. Auf der ganzen Welt wird Frauen und Mädchen der Zugang zu Bildung und beruflicher Autonomie verwehrt und auf der ganzen Welt werden hauptsächlich Frauen in der Prostitution wie SklavInnen ausgebeutet. Das waren nur ein paar Beispiele von unzähligen mehr.
Es ist sehr relevant, ob ein Mensch mit weiblichen Genitalien auf die Welt kommt oder nicht. Zu negieren also, dass das Ausgestattetsein mit weiblichen Geschlechtsorganen ganz konkrete Auswirkungen auf Diskriminierungs- und Gesundheitspolitiken mit gravierenden gesundheitlichen Folgen für Frauen und Mädchen hat, ist nicht mit einem feministischen Grundverständnis vereinbar. Und im Gegensatz dazu, Frauen ein „Privileg“ zu attestieren, scheint nicht nur unter Betrachtung dieses Vergrößerungsglases absurd.
„Cisgender-Privilegien“ oder „Vagina-Privilegien“
„Das Glück, mit einer Vagina geboren zu sein“ existiert nicht. Männer, die sich geschlechtskonform verhalten, werden dafür gesellschaftlich anerkannt. „Maskuline“ Männer werden für geschlechtsadäquates Verhalten niemals unterdrückt. Das gleiche gilt jedoch nicht für Frauen. Eine Anpassung an die gesellschaftlichen Geschlechterrollen schützt Frauen nicht vor Unterdrückung: nicht vor Sexismus, nicht vor sexueller Belästigung oder vor Diskriminierung. Das Konzept von „cisgender-Privilegien“ suggeriert, Männer und Frauen seien gleichberechtigt und es blendet die sexistische gesellschaftliche Hierarchie aus, die Frauen entwertet. Es macht schlichtweg keinen Sinn, Frauen solche Privilegien im Kontext von Geschlecht und Unterdrückung zuzuordnen.
Es ist ein Unterschied, eine Frau oder eine Trans*frau zu sein. Das zu äußern, hat nichts mit Essentialismus oder „Transphobie“ zu tun, es ist schlicht der dringliche Hinweis auf die bittere und nackte Realität des Patriarchats und: Biologie.
Ganz abgesehen davon, dass es auch sonst einen Unterschied macht, ob ein Individuum für sich Freiheit haben möchte, ohne sich von der eigenen geschlechtlichen Identität zu distanzieren oder ob ein Individuum versucht, Zugang zu einer Gruppe zu bekommen und mit dieser Identität wahrgenommen zu werden.
Lesben – oder wer hat hier mit wem ins Bett zu steigen?
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Ausgehend von dem feministischen Grundkonsens, dass Frauen sich ihre Sexualpartnerinnen gemäß ihrem sexuellen Begehren selbst aussuchen dürfen, sollte es folgerichtig und legitim sein, wenn Lesben äußern, dass Trans*frauen für sie nicht als Sexualpartnerinnen in Frage kommen. Traurigerweise ist dem nicht so, denn Lesben, die sich so äußern, gelten mit der Äußerung dieser Präferenz (oder eben auch Nicht-Präferenz) als „transphob“ und „cis-sexistisch“, ausgehend von der vermeintlichen Anmaßung, dass sie, salopp gesagt, Menschen mit Penissen aus ihrer Parnerinnen-Wahl ausschließen.
FeministInnen sollten sich darüber einig sein, dass jeder nicht einvernehmliche Sex sexuelle Gewalt ist; andererseits wird Lesben „Transphobie“ attestiert, wenn sie sich nicht dazu zwingen, mit einer Menschengruppe Sex zu haben, den sie nicht wollen. Lesben, das impliziert der Begriff bereits, begehren nun mal keine Männer als Sexual-/Intimpartner und das ist (zumindest in feministischen Kreisen) legitim, nicht legitim aber ist es, wenn sie sagen, dass sie Trans*frauen als Sexualpartnerinnen ablehnen. Das passt nicht zusammen.
Lesben haben wie alle anderen Frauen dieser Erde das Recht zu bestimmen, mit wem sie sexuelle Kontakte und Lebenspartnerinnenschaften eingehen oder nicht. Und by the way: Lesben sind, überspitzt formuliert, Frauen, die Frauen lieben. Eigentlich ist dieser Satz bereits ausreichend, die Forderung von Rechtfertigungen dazu ist unnötig und im Kern antifeministisch.
Lesben, die nicht mit Trans*frauen schlafen möchten, machen ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung deutlich. Es geht hier um ein von FeministInnen seit Jahren erkämpftes fundamentales Recht, das es aus feministischer Perspektive zu verteidigen gilt. Stattdessen sind Lesben mit haarsträubenden Anweisungen, doch endlich diese „Penis-Abneigung“ und eine ihr vermeintliche innewohnende Bigotterie zu überwinden, ausgesetzt („Overcoming the Cotton Ceiling„). Das ist alles, aber nicht feministisch.
(Auffällig ist übrigens, dass in dieser Debatte Angriffe auf Lesben überproportional sind, jedenfalls sind Angriffe dieser Größenordnung auf Schwule, denen die Pflicht aufoktroyiert wird, mit Trans*-Männern zu schlafen, nicht bekannt.)
Der Unterschied zwischen (sexuellem) Begehren und Genderidentität
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Während homosexuelle Personen nicht darauf abzielen, das Wesen und die Lebenserfahrungen einer anderen Gruppe zu definieren, tun dies männlich sozialisierte Trans*frauen sehr wohl: Sie streben eine Umdefinition von „Frauen“ an, um sich selbst miteinschließen zu können. Schwule und lesbische Individuen verlangen nicht von anderen, ihre Zweifel an der materiellen Realität ihrer Körper und Leben aufzuheben. Noch geht irgendjemand davon aus, dass Homosexualität ein „Zustand“ ähnlich eines biologischen Fehlers sei, der biologisch behoben werden kann – oder soll. Im Gegenteil kämpfen Lesben und Schwule für einen eigenen Platz in der Gesellschaft und dafür, so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Sie haben dafür gekämpft, dass Homosexualität nicht länger als mental-psychische Störung betrachtet wird und lehnten und lehnen eine Therapie zur „Umwandlung“ entschieden ab, da die Pathologisierung eines Individuums aufgrund eines harmlosen, nicht gesellschaftskonformen Handelns als missbräuchlich und schädlich angesehen wird.
Insofern gibt es entscheidende Unterschiede zwischen den politischen Zielen von lesbischen und schwulen Menschen und selbstdefinierten Trans*personen.
Sozialisation und Frauenräume
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Autonome Frauen- (und Lesben-) strukturen waren eine feministische Errungenschaft der zweiten Welle. Im Kern ging es darum, Räume zu schaffen, in denen sich Frauen zurückziehen und mit ihren gemeinsamen Sozialisierungs- und Diskriminierungserfahrungen auseinandersetzen können. Räume, in denen sie weitgehend geschützt vor patriarchaler Gewalt Politik betreiben und Erfahrungen austauschen können.
Es gibt einen sehr signifikanten Unterschied in der Tatsache, männlich oder weiblich sozialisiert zu sein. Als weiblich sozialisierter Mensch und als Frau im Sinne von Mensch mit weiblichen Geschlechtsorganen, bin ich in unserer sexistischen strukturierten Gesellschaft Diskriminierungen ausgesetzt, die ein männlich sozialisierter Mensch oder Mann im Sinne von Mensch mit männlichen Geschlechtsorganen de facto nicht ausgesetzt ist. Aus diesem Grunde haben Frauen für den Erhalt dieser Frauenstrukturen gekämpft und diese Forderung beinhaltet, dass weiterhin auch Räume für Frauen existieren, in denen Trans*frauen keinen Zugang haben. Frauen und Trans*frauen haben nicht die gleichen Diskriminierungs- und Sozialisationserfahrungen. Die Forderung des Erhalts von women only-spaces wird aus queerfeministischer Perspektive mehrheitlich als „transphob“ eingestuft, FeministInnen, die dafür kämpfen, werden unhinterfragt als „TERF“ betitelt. Das ist problematisch und irreführend. Denn es ist ganz einfach:
Wenn Schwarze Menschen/PoC sich zwecks Zusammenschluss wegen eines gemeinsamen Erfahrungshorizontes in einen geschlossenen Raum zurückziehen, dann habe ich da als weiße Frau nichts zu suchen, ich werde nicht rassistisch diskriminiert. Wenn an Unis Empowerment-Gruppen für Menschen aus der ArbeiterInnen-/Armutsklasse entstehen, dann ist dieser für diese und nicht für die der oberen Mittelklasse bestimmt. Wenn Trans*frauen für sich Räume kreieren, in denen sie unter sich ihre Lebenswirklichkeit und Diskriminierungserfahrungen austauschen, dringe ich als Frau dort nicht ein. Warum ist dann aber die Forderung nach geschlossenen Frauenräumen im oben formulierten Sinn nicht mehr feministisch, sondern „transphob“? Das ist nicht nachvollziehbar.
Es geht darum, für ganz wenig Zeit in unserem ganzen Leben in einem geschützten Raum unter sich mit den gleichen Diskriminierungserfahrungen zu sein. Diese Räume zu erhalten, muss gemeinsames Ziel von FeministInnen jedweder Strömung sein und bleiben. Sie sind ein Mittel, gemeinsam Unterdrückungsmechanismen verschiedener Form den Kampf anzusagen.
„TERF“ – eine „neutrale“ Fremdattribuierung?
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Kurze Antwort: Nein. Lange Antwort:
Trans Exclusive Radical Feminist – das klingt sehr harmlos und die Verwendung ist so üblich wie inflationär geworden. Doch reicht eine Recherche im Netz, dass es sich bei dieser Fremdbezeichnung längst nicht um einen Begriff handelt, der die (vermeintliche) Gesinnung von RadikalfeministInnen neutral und angemessen beschreibt. „TERF“ war von Anfang an eine Beschimpfung und unter dem Hashtag „TERF“ spielt sich auf Twitter ein reinstes Hatespeech-Festival ab. Hier einige Beispiele (unter dem Bild steht jeweils die deutsche Übersetzung):
Auf diese eindeutig nicht neutrale Verwendung des Begriffes „TERF“ in der Diskussion hingewiesen, reagierte eine mitdiskutierende Person bei Indyvegan auch prompt wie folgt:
Getoppt wurde das dann noch mit der Unterstellung, MitdiskutantInnen wollten Trans*frauen „auslöschen“ und TERF wurde durch TWERF ergänzt („trans women eradicating radical feminist“).
Solche Bezeichnungen sind nicht neutral, sie haben die Absicht zu beleidigen und genderkritische Feministinnen mundtot zu machen. Wie schnell das gelingt, hat man in dieser Diskussion schnell feststellen können. In diesem Artikel wird jedoch lediglich eine Facebookdiskussion – von unzähligen mehr, wie sie im feministischen Netz stattfinden – beleuchtet, bei der Feministinnen mit anderen Positionen der Mund verboten wurde.
International können wir massive Tendenzen dahingehend erkennen, dass:
- vermeintlich transfeindliche Personen von Veranstaltungen ausgeladen werden
- vermeintlich transfeindliche Personen aus ihren Jobs gedrängt werden sollen
- genderkritische Trans*personen massiv gedisst werden und zum Schweigen gebracht werden sollen
- die akademische Reputation von genderkritischen Personen geschädigt werden soll
Von daher ist die Attributierung als TERF oder TWERF nicht neutral, sondern rufschädigend und ein gezieltes politisches Kampfmittel um andere Meinungen zu unterdrücken. Es ist alarmierend, dass sich einige Personen zu der Thematik öffentlich nicht äußern wollen in der Angst, dass ihnen ähnliches passieren könnte. Es ist: wirkmächtiges Silencing von Frauen.
Die genderkritische Trans*frau Miranda Yardley sagte dazu in einem Interview mit Feminist Current:
„Something I have said on many occasions is that ‘if you want to see real misogyny, look at the trans community.’ There are numerous examples of an almost institutionalised misogyny, even reducing ‘woman’ to an identity erases women’s biological reality, never mind the oppressive effect of socialisation. I suspect it is a lack of awareness, not just of feminist ideas but also themselves which causes this.
Fundamentally, feminism is centered on women, and the transactivist approach appears to attempt to change this. Let’s be honest: it’s not feminism if it centers transwomen and it is not feminism if ‘trans inclusive feminism’ seeks to concede women’s hard-fought ground (for example spaces, support institutions, even the ability to use language that differentiates women from men). That is not feminism, it is men’s rights activism.
I have grave objections to the use of the words ‘TERF’ and ‘cis’. I have always been consistent on this: TERF is used as a dehumanising hate object, ‘cis’ is unnecessary: we have a word for biological adult females who are not trans, and that is ‘women’.“
„Etwas, das ich schon bei vielen Gelegenheiten gesagt habe ist „wenn du echten Frauenhass sehen willst, schau dir die Trans-Community an.“ Es gibt zahlreiche Beispiele von fast schon institutionalisiertem Frauenhass, schon das Reduzieren von „Frau“ auf eine Identität, radiert die biologische Realität aus, ungeachtet des unterdrückenden Effekts von Sozialisation. Ich vermute, es ist ein Mangel an Bewusstsein, nicht nur in Bezug auf feministische Ideen, sondern auch auf sich selbst, die das verursacht.
Grundlegend stehen beim Feminismus Frauen im Mittelpunkt und der transaktivistische Ansatz scheint das ändern zu wollen. Lasst uns ehrlich sein: Es ist kein Feminismus, wenn Trans*frauen im Mittelpunkt stehen und es ist nicht Feminismus wenn „transinklusiver Feminismus“ anstrebt, in von Frauen hart erkämpften Boden einzudringen (zum Beispiel Räume, Unterstützungsorganisationen oder sogar die Möglichkeit, Sprache zu benutzen, die Frauen von Männern unterscheidet). Das ist nicht Feminismus, das ist Männerrechtsaktivismus.
Ich erhebe erheblichen Widerspruch gegen die Benutzung von Worten wie „TERF“ und „cis“. Dabei war ich immer konsequent: TERF wird benutzt als entmenschlichendes Hassobjekt, „cis“ ist unnötig: Wir haben bereits ein Wort für erwachsene, biologische Frauen, die nicht trans sind und das ist „Frau“.
Es ist an dieser Stelle anzufügen, dass genderkritische Transfrauen oder –männer den gleichen Hasstiraden ausgesetzt sind, wie (radikale) FeministInnen.
Silencing von Frauen unter Zuhilfenahme von Beleidungungen, Beschimpfungen, Bedrohungen und Rufschädigung haben eine lange Tradition im Patriarchat. Vielleicht sollten sich FeministInnen und ihre Allys überlegen, inwieweit das im Einklang mit ihrer eigenen Bewegung steht, sich in diesem Fahrwasser anti-feministischer Colour zu bewegen.
Das Verschwinden von Frauen
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Obwohl es ehemals eine starke und schlagkräftige Frauenbewegung gab, sind die Stimmen von Lesben in der öffentlichen Debatte durch LGBTI und Queer so gut wie verschwunden. Es drängt sich der Eindruck auf, als nächstes sollen auch Frauen zum Verschwinden gebracht werden.
Es ist jedenfalls besorgniserregend, wenn Frauen mehr und mehr aus dem Fokus des Feminismus verschwinden.
Stephanie Davies-Arai hat in einer Analyse der Seite „Everyday Feminism“ Erstaunliches herausgefunden:
„For an overall picture of priorities in feminism today I did a quick analysis of 109 articles published in the online blog Everyday Feminism during a six week period from April 1st. Intersectional categories came out at Race: 26 articles; Class: 2; Lesbians get a paltry 1 article; Bi-sexual, Queer, Asexual and Intersex get 9 between them and Transgender gets a whole 15 posts to itself. General categories include Violence at 10 posts, only 2 posts on Work, Parenting at 6; Sex: 9; Love: 6; Self-worth: 7 and Body: 18.
The difference in the balance and content of these articles is striking: articles on race examine and reference political campaigns, struggles and demonstrations in the public arena and are focused on action for change. Articles on trans people focus on their rights and include lists of rules for non-trans people. The articles for women, in contrast, are overwhelmingly focused on individual issues and personal change and transformation. In case the message isn’t clear, Everyday Feminism provides readers with a helpful pop-up advertisment for their ‚Self Love course‘ which will enable you to ‚free yourself from toxic self-talk and give yourself the love you deserve.‘ Women heal yourselves!“
„Für einen Gesamtüberblick darüber, wie der Feminismus heutzutage seine Prioritäten setzt, habe ich eine kurze Analyse von 109 Artikeln, die auf dem Online Blog „Everyday Feminism“ über einen Zeitraum von sechs Wochen veröffentlicht wurden, vorgenommen. Die intersektionellen Kategorien brachten hervor: Rassismus: 26 Artikel, Klassismus: 2 Artikel, Lesben dürfen sich mit einem kärglichen Artikel zufrieden geben; Bi-sexual, Queer, Asexuell und Intersex teilen sich 9 Artikel und Transgender bekommen ganze 15 Artikel für sich selbst. Die Hauptkategorien beinhalten bei 10 Posts „Gewalt“, nur zwei Artikel zu „Arbeit“, „Elternschaft“ 6, „Sex“ 9, „Liebe“ 6, „Selbstwert“ 7 und „Körper“ 18.
Der Unterschied in der Gewichtung und dem Inhalt dieser Artikel ist augenfällig: Artikel zu Rassismis befassen sich und beziehen sich auf politische Kampagnen, Kämpfe und Demonstrationen im öffentlichen Raum und fokussieren sich auf Möglichkeiten für einen Wandel. Artikel über Transpersonen konzentrieren sich auf deren Rechte und beinhalten eine Liste von Regeln für Nicht-Transpersonen. Die Artikel für Frauen jedoch thematisieren überwiegend individuelle Anliegen und persönlichen Wandel und Veränderung. Falls die Botschaft nicht klar sein sollte, Everyday Feminism liefert seinen LeserInnen eine hilfreiche Pop-Up-Werbung für den „Weg zur Selbstliebe“, der es dir ermöglichen soll „dich selbst von giftigen Selbstgesprächen zu befreien und dir selbst die Liebe zu geben, die du verdienst“. Frauen heilt euch selbst!“
Davies-Arai weist darauf hin, dass zwei Gruppen, die als Gruppe so gar nicht unter das Kriterium von Intersektionalität fallen, nämlich „SexarbeiterInnen“ und Transpersonen, die öffentliche feministische Debatte dominieren. Doch zu den „SexarbeiterInnen“ werden auch auch Bordellbetreibende und ZuhälterInnen gezählt, zu der „sexuellen Minderheit“ Sexkäufer. „Prostituierte Frauen“ oder Frauen in der Prostitution fallen durchaus unter das Kritierium der Intersektionaliät und werden auch so von radikalen FeministInnen gesehen, dies wird aber als Begrifflichkeit von liberalen FeministInnen abgelehnt. Und Frauenunterdrückung überkreuzt sich nicht damit, biologisch als Mann geboren und als Mann sozialisiert zu sein. Eine Identifikation als „Frau“ ändert nichts an dieser zentralen Tatsache. Die Benachteiligung anderer durch toxische Gender (Gender als System) ist gegeben, aber nicht in erster Linie Thema eines (intersektionalen) Feminismus.
Wundert es einen dann noch, wenn die Trans*frau die den „Feministing“-Blog betreibt, twittert:
Vielleicht – und wenn man die massiven liberalfeministischen Bemühungen betrachtet, patriarchale Institutionen wie Prostitution und Pornografie zu legitimieren, drängt sich die Vermutung auf – geht es einfach nur darum, radikalen Feminismus platt zu machen, weil er einer der wenigen gebliebenen Ansätze ist, in denen noch kollektiv gedacht und analysiert wird. Und das passt irgendwie so gar nicht in den Neoliberalismus.
Im deutschsprachigen Raum habe ich eine gender-kritische Haltung bisher sehr vermisst und bin heilfroh, dass es hier nicht nur liberale „Querfeministinnen“ gibt, die Diskussionen über dieses Thema unmöglich machen. Vielen Dank für diesen Beitrag!
Im deutschsprachigen Raum gibt es mittlerweile sehr viele Veranstaltungen, die sich kritisch (positiv als auch negativ) mit Gender auseinandersetzen; dazu gab es auch ganze öffentlich besuchbare und öffentlich wahrgenommene Veranstaltungen, sei es von Pro-Aktivist_innen als auch z. B. von AfD-Veranstaltungen inklusive „Demo für alle“/Bildungsplangegner_innen. Ich habe eher erlebt, dass radikale Feministinnen solche Diskussionen ums Thema nicht möglich gemacht und total abgeblockt haben, was auf z. B. dem althergebrachten LesbenFrühlingsTreffen schon zu ganz krassen Eklats geführt hat. Vielen Dank für diesen wichtigen Artikel, den alle Menschen gelesen haben sollten, um überhaupt halbwegs vernünftig mitdiskutieren zu können.
Für mich sind diese Diskussionen reine Augenwischerei und Nebelpetarden, die von den immer noch ungelösten „Frauenfrage“ ablenken sollen. Trans, Terf, Swerf, BGTS, und was auch immer kommt wie auch die politische Korrektheit aus den USA. Das sagt eigentlich schon alles! Alles Ablenkungsmanöver. Natürlich gibt es 2 Geschlechter und Biologie! Man soll halt Biologie nicht mit Biologismus verwechseln, genau so wenig wie SEX mit Sexismus! Diese Gender-Aussenseiterinnen, die Aufmerksam heischen und kreischen und sich benehmen wie „Crybabies“ , bekommen viel zuviel Aufmerksamkeit. auch bei gewissen neuen „Feministinnen“
scheint der subjektive Betroffenheitsfaktor die Richtschnur zu sein, statt objektive Fakten. Da hat schon Sonia Johnson in ihren Büchern darauf hingewiesen. Wenn Frauen sagen, also ICH wurde ja noch NIE vergewaltigt, heisst das noch lange nicht, dass keine Vergewaltigungen stattfinden. Tststs, alles passt so genau zu der narzisstischen Selfie-Kultur und verunmöglicht eine objektive Analyse, da über Begriffe und Form statt Inhalt gestritten wird. Aber das ist ja vermutlich Absicht. Wie: Vergewaltigen darf Mann, aber darüber sprechen darf Frau nicht…… Einfach abartig!
Ich will nicht bestreiten, dass es männlich sozialisierte Trans*Frauen gibt. Ist mir auch bereits negativ aufgefallen, und ich empfinde manchmal die Vehemenz mit der so manche in Frauenräume drängen, als zutiefst männliches Verhalten. Das ist, insbesondere bei lesbischen Trans*frauen, nicht die Regel.
Dabei würde ich vielleicht einen ähnlichen Standpunkt vertreten wie die Autorin. Es sind alles Männer, weil mit Schwanz geboren. Es sind alles keine Frauen, weil nicht mit Eierstöcken geboren. Ausgrenzen. Punkt. Als nicht cis-Frau, als eben im falschen Körper geborene, muss ich differenzieren – oder ich kann mich gleich erschießen. Ja, als Feministin will ich auch (nicht nur) Räume nur für Frauen. Da ich noch nicht so klar habe, inwieweit ich dem Patriarchat meinen Körper als Experimentierfeld zur Konstruktion einer Weiblichkeit überlasse, sehe ich eher männlich aus. Ganz zu schweigen vom Penis. So gehe ich nur und ausschließlich dann in Frauenräume, wenn ich dort Vertraute habe die mich dazu auffordern und das vorher geklärt haben. Gibt es Widerspruch, gehe ich. Ist klar, auch wenn’s mal wehtut.
Was ich aber eigentlich schreiben will, ist dass hier schon eine verkürzte Sichtweise zu finden ist. Neben dem biologischen Geschlecht (sex), mit dem die allermeisten eindeutig geboren werden (bei *inter nicht eindeutig) und der veränderbaren Rolle (Gender), veränderbar durch Äußeres wie Umwelt und Sozialisation bzw. durch Inneres wie den freien Willen und Fantasie, gibt es noch die sexuelle Identität (sex identity). Diese definiert durch Hirnfunktionen, welchem Geschlecht ein Mensch angehört, und das muss nicht mit dem Geburtsgeschlecht übereinstimmen. Die sexuelle Identität bildet sich teils pränatal, teils in den ersten Lebensmonaten heraus; bis zum 3. Lebensjahr ist die Einstellung grundsätzlich abgeschlossen. Warum das passiert und wie, und warum manchmal etwas entsteht, was mit dem Körper nicht überein stimmt, ist nicht geklärt. Genauso wenig, wie die Frage, woher eine gleichgeschlechtliche Präferenz kommt, auch wenn ich hier Identität und Orientierung nicht vermischen will.
Mit anderen Worten: Viele Trans*Menschen erleben schon als kleines Kind einen Widerspruch zwischen ihrem Körper und ihrem Verhalten. In der Regel fehlt in der frühen Kindheit das Bewusstsein dafür, einem anderen Geschlecht anzugehören, aber bereits vor der Pubertät wissen Trans*Menschen Bescheid. Daher kann ich die These, sämtliche Geschlechter sind konstruiert, nicht wirklich ernst nehmen.
Wirkliche Informationen und echte Klarheit gibt es aber erst, wenn du Berichte, Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen findest. Als ich das Glück hatte, mit Lesben die mich eingeladen hatten und schützten, den Hamburger CSD laufen zu können, sah ich viele Crossdresser und Transvestiten. Ich hatte und habe mit denen keine Gemeinsamkeit (außer dass ich mich manchmal gerne verkleide) – es sind Männer. Ich bin kein Mann, und entsprechend meiner Identität erlebte und erlebe ich seit meiner Kindheit dieses andauernde, teilweise Wiedererkennen in anderen Frauen, ob alt oder jung.
Bitte versucht zu differenzieren. Ja, ist anstrengend, angesichts des Geschreis aus den verschiedensten Ecken, geschenkt. Und doch könnte das diesen elenden Queerfeminismus auf ein Level bringen, das was nützt.
„Viele Trans*Menschen erleben schon als kleines Kind einen Widerspruch zwischen ihrem Körper und ihrem Verhalten.“
Das impliziert die Existenz eines essenziellen geschlechtsspezifischen Verhaltens. Diese Ansicht ist zutiefst sexistisch.
„Viele Trans*Menschen erleben schon als kleines Kind einen Widerspruch zwischen ihrem Körper und ihrem Verhalten.“
Das impliziert die Existenz eines essenziellen geschlechtsspezifischen Verhaltens. Diese Ansicht ist zutiefst sexistisch.
O, da ist dir ein Fehler aufgefallen, den ich übersehen hatte. „Verhalten“ ist natürlich falsch, auch wenn es bei der Wahrnehmung eine Rolle spielt. Es geht um das Ich – so würde ich das korrigieren.
Sonst ist da nichts zu kommentieren?!
Nichts für ungut, aber…. wenn die Geschlechtsrolle körperlich determiniert wäre, so wie Chris sagt, dann gäbe es eine dem biologischen Geschlecht entgegengestellte Geschlechtsidentität ja garnicht.
Genau! Diese Schubladisierung und die Zuschreibung von Verhalten zu einem Geschlecht sind Sexismus pur. Es gab und gibt immer wilde „Bubenmädchen“ und weiblich-sanfte, eher introvertierte „Mädchenbuben“ und das ist auch gut so, denn es hilft aus den jahrtausendealten Clichées auszusteigen. Da müssen nicht „neue“ Clichées und Stereotypen erschaffen werden.
Vor allem die Transmenschen halten sich ja an stereotypische Clichées von männlich und weiblich und bekräftigen diese so noch!
Es gibt aber kein typisches weibliches oder männliches Verhalten! Nur Clichées, Vorurteile und Verhaltensregeln!
@ Charybdis Ich bin keine Neurologieexpertin. Ich kann nur wiederholen, was ich aufgeschnappt habe. Und da heißt es, dass die Entwicklung der Geschlechtsorgane von anderen Hirnregionen gesteuert werden als die Herausbildung der geschlechtlichen Identität. Ich habe nichts davon geschrieben, dass die Rolle körperlich determiniert wird, stimmt ja auch nicht.
@ Yvonne Du hast meinen Text anscheinend nicht gelesen. Die „Schubladisierung“ kommt darin gar nicht vor, und neue Klichées bzw, Stereotypen erschaffe ich auch nicht.
@Chris:
Dass die Entwicklung der Geschlechtsorgane und die Geschlechtsidentität von unterschiedlichen Gehirnteilen gesteuert werden deckt sich durchaus mit dem was ich im Rahmen meines Studiums in Neuropsychologie und Humanbiologie gelernt habe. Allerdings findest das zu unterschiedlichen Zeiten statt. Die Entwicklung der Geschlechtsorgane beginnt bereits im Fötalstadium und ist fast ausschliesslich hormongesteuert. Die Herausbildung einer Geschlechtsidentität beginnt erst im vierten Lebensjahr und ist unabhängig vom Hormonstatus.
Ich will aber jetzt nicht unnötig herumintellektualisieren. Es geht mir überhaupt nicht darum, Transpersonen das Gefühl abzusprechen, im falschen Körper zu stecken. Ich kenne dieses quälende Gefühl sehr gut, bis hin zu Selbstmordgedanken. Nicht auf das Geschlecht bezogen, sondern auf die Körperform. (Ich bin seit meiner Kindheit dick.) Und dieses Gefühl ist absolut real. Allerdings finde ich es wichtig, dass sich alle Betroffenen bewusst werden, dass diese Gefühle nicht eine Folge bestimmter Hirnfunktionen sind, sondern aufgrund von massivem und brutalem gesellschaftlichem Druck entstehen, wie mensch zu sein hat. Dieses Bewusstsein würde vielen Betroffenen chirurgische Massnahmen, Hormonbehandlungen, etc ersparen. Denn dieses Bewusstsein ist eine Voraussetzung dafür, eine Ich-Identität unabhängig von gesellschaftlichen Normen zu entwickeln.
Konkret auf die Geschlechtsidentität bezogen meine ich damit: Ein Cis-Mann muss sich nicht umoperieren lassen, damit er sich schminken und Kleider und High Heels tragen darf. (Ein absolut geiles Beispiel dafür war Davis Bowie als Ziggy Stardust und Aladdin Sane.) Aber er muss lernen, sich das entgegen des gesellschaftlichen Drucks zuzugestehen. Eine Frau muss sich ebenfalls nicht umoperieren lassen damit sie sich den Kopf kahlscheren, sich Muskeln antrainieren und mit schweren Schnürstiefeln herumtrampeln darf. Aber gegen den gesellschaftlichen Druck behaupten muss sie sich natürlich ebenso. Aber darum kommt mensch ja auch als umoperierte Transperson nicht herum.
Dass es Schutzräume gibt in die Meschen mit einer bestimmten Geschlechtssozialisation nicht reindürfen finde ich jetzt nicht a priori transfeindlich. Allerdings ist mir bewusst dass die Diskussion darüber oft sehr respektlos und feindseelig ist. Und natürlich können alle mit ihren Körpern machen was sie wollen ohne dass es andere was angeht.
„O, da ist dir ein Fehler aufgefallen, den ich übersehen hatte. „Verhalten“ ist natürlich falsch, auch wenn es bei der Wahrnehmung eine Rolle spielt. Es geht um das Ich – so würde ich das korrigieren.“
Was Kinder wahrnehmen, ist nicht der „Widerspruch zwischen ihrem Körper und ihrem Verhalten“, denn der Körper eines Kindes determiniert nicht dessen Verhalten. Ein Kind benötigt keinen Penis, um mit Autos spielen zu wollen.
Kinder empfinden einen Widerspruch zwischen den Rollenzuweisungen und ihrem Verhalten.
Wirklich sehr befreiend für mich als Frau mit Körperdysphorie, endlich mal Genderkritik auf Deutsch zu finden. Vielleicht ist das jetzt etwas abwegig, aber ich finde es wichtig zu erwähnen, dass die Genderdebatte eben wohl sehr viel mit Feminismus zu tun hat. Es geht um das Verschwimmen von Grenzen, die wir zur antipatriarchalen Analyse zwingend brauchen. Ich denke es ist kein Zufall, dass der Begriff einer sogenannten „Gender Identity“ noch ziemlich neu ist und sich mit dem ersten Wort eindeutig auf die soziale Geschlechtsrolle „Gender“ bezieht. Mensch kann dies verinnerlichen und so wird’s zu einer Identität. In dem das Patriarchat nun die Idee einer Gender Identity schafft (und diese nun auch legislativ zu festigen und schützen versucht), soll dem Feminismus und Gender-Abolitionismus der Weg versperrt werden.
Wovon Chris spricht, dem Gefühl „im falschen Körper“ zu stecken, ist die sogenannte Geschlechtsdysphorie. Dysphorie ist das Gegenteil von Euphorie, es ist ein einengendes, dissoziatives Gefühl, welches meist zu Depressionen bei Betroffenen führt. Der Kopf stellt sich einen anderen Körper vor. Manche empfinden sogenannte Phantomgenitalien. Es ist eine psychische Krankheit, kein Beweis für eine innerliche, gesellschaftlich unbeeinflusste Identität.
Die Trans/Gender-Affäre hat auch ganz klare homo- und lesbophobe Anzeichen, die sich jetzt schon ganz stark in Amerika zeigen. Viele homosexuelle Frauen und Männer zeigen geschlechts- und körperdysphorische Symptome. Außerdem haben auch viele Probleme mit der Geschlechtsrolle (Gender). Viele empfinden es als die einfachere Lösung, zur Frau oder zum Mann zu „werden“ als einfach als genderunkonforme und homosexuelle Menschen ihr Leben zu leben. Die Transition wird hier oft als Mittel eingesetzt um die heterosexuelle Norm aufrechterhalten.
Als Frau mit Dysphorie bezüglich dem Körper und der Geschlechtsrolle wurde mir keine Alternative zur Transition geboten. Als ich den Radikalfeminismus und die Genderkritik entdeckt habe, wurde mir bewusst, wie viel meiner Dysphorie auf Gendersozialisierung zurückzuführen ist. Sehr befreiend, aber da wir ja als „TERFs“ gebranntmarkt und beiseite geschubst werden, wird das nicht vielen dysphorischen Männern und Frauen bewusst.
Bezüglich der Körperdysphorie- auch diese hat oft Wurzeln in Traumata und verinnerlichten Rollen. Ich vermute dass die Minderheit der sich als trans-identifizierten Menschen schwerwiegende, schon frühkindlich vorhandene Dysphorie bezüglich ihres Geschlechts empfinden. Viele (vor allem Frauen) haben eine Aversion gegenüber ihrem Geschlecht aus der beinahe traumatischen Gendersozialisierung der „Weiblichkeit“ heraus. Bei Jungs und Männern liegen die Wurzeln oft in den rigiden Normen der maskulinen Dominanz und darausfolgenden Problemen, aus dieser Rolle herauszubrechen. Auch für genderunkonforme Männer sieht das Leben nicht allzu rosig aus, man rufe sich nur den Stereotyp der „femininen Schwuchtel“ in das Bewusstsein.
Ich könnte jetzt noch unheimlich lange über das Thema sinnieren. Mir bereitet die Angelegenheit Gender und Trans sehr viel Wut und auch Schmerz, da ich ja mit betroffen war und bin.
Auf meinem Tumblr-Blog finden sich englischsprachige Posts über das Thema in den Tags #dysphoria und #transition sowie #gender.
Die Queer- und Gendertheorie sind die neuverpackte Form der patriarchalen Basis und sind absolut regressiv.
Grüße aus dem Nordwesten Deutschlands!
Meinen Blog findet man unter der URL vulvapunk.tumblr.com. 🙂
Danke für einen wunderbaren Artikel. Nur eine Anmerkung: ihr schreibt „QueerfeministInnen (also diejenigen, die Butler et al. tatsächlich gelesen haben)….“. Ich bin Radikalfeministin und habe Judith Butler gelesen, weil ich es für notwendig gehalten habe. Wie soll ich mit Queerfeministinnen in die Diskussion gehen, wenn ich ihre wichtigste Autorin nicht gelesen habe?
Absolut sollte man sie gelesen haben – nur viele haben sie nicht gelesen, beziehen sich aber trotzdem auf sie 😉 So war das gemeint.