Die Sackaffäre

Löwe

[Public Domain]

Eigentlich ist genug gesagt worden über Jogi Löw und sein Sackkraulen mit anschließender Geruchsprobe. Alle Medien, ob sozial oder nicht, machten dieses Verhalten zum Thema. Allerdings ist die Frage, was denn letztendlich über das „Sackkraulen“ oder sein Griff in den „Schritt“ gesagt wurde.

Zu denken, dass hier eine Abwertung und Reflektion über widerliches männliches Verhalten stattfinden würde, weit gefehlt. Es wird gefeiert. Mittlerweile.

Joachim Löw ist schließlich ein Held des Fußballs, des Sports der wahren Männlichkeit. Eine Ikone. Was er tut, wird zum Vorbild. Befürchte ich.

Wahrscheinlich wird es sogar zu einem neuen Ritual der Männlichkeit sogar für Kinder.

Es wurde in den letzten Tagen zum Inbegriff der wahren, wahrhaftigen Männlichkeit und Zeichen des Alphatiers.

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Pornokonsum und seine Folgen

Eine Auswahl an Studienergebnissen dokumentiert:

Pornokonsum erhöht das Aggressionspotential des Konsumenten

M. Allen, D. D’Allesio & K Brezgel: A meta-analysis summarizing the effects of pornography II, Human Communication Research, 22 (2) (1995): 258-283

Pornokonsum erhöht die Akzeptanz von Vergewaltigungsmythen beim Konseumenten (z.B. Wenn eine Frau einen kurzen Rock trägt, trägt sie eine Mitverantwortung, …)

M. Allen et al: Exposure to pornography and acceptance of rape myths, Journal of Communication, 45 (1) (1995), 5-26

Es gibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Nutzung von Porno und positiven EInstellungen in Bezug auf Gewalt gegen Frauen.

Hald et al: Pornography and attitudes supporting violence against women

Pornonutzung erhöht die Wahrscheinlichkeit sexuelle Straftaten zu begehen

E. Oddone-Paolucci, M. Genius & C. Violato: A meta analysis of the published research on the effects of pornography, in: C. Violato, E. Oddone-Paolucci & M. Genius: The changing family and Child Development (Ashgate, 2000), Weiterlesen

Der Fall Gina-Lisa – Eine historische Chance für ein neues Sexualstrafrecht? #TeamGinaLisa

Frauen-Demo in Island

Frauen Islands - Quelle: FatGirlfoodsquad

Bereits seit 2012 kämpft Claudia D. gegen den Vorwurf der Falschbeschuldigung: Der ehemalige Fernseh-Wettermoderator Jörg Kachelmann, der aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde, versucht auf diesem Wege, alles daran zu setzen, ihre Glaubwürdigkeit zu diskreditieren. Der nächste Prozesstag im Schadensersatzprozess vor dem Landgericht Frankfurt findet im Juli statt. Die Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt verfolgt den Fall von Beginn an, eine Übersicht der bisherigen Ereignisse ist auf deren Blog zu finden.

Der Fall Gina-Lisa ist also kein Einzelfall. Zu der Scham und der Angst, eine Tat sexueller Gewalt anzuzeigen, da „einem eh nicht geglaubt wird“, kommt für viele Betroffene nun die Last dazu, eine Tat eindeutig beweisen können zu müssen, weil sonst droht, selbst eine Verurteilung zu kassieren. Verfahren, in denen die Betroffenen im Übrigen wieder und wieder drangsaliert und retraumatisiert werden. Jahre, in denen man nicht mit dem schrecklichen Geschehen (so gut es geht) abschließen kann – Jahre die der Verarbeitung eines traumatisierenden Erlebnisses im Wege stehen.

Deutschland und das Sexualstrafrecht

Deutschland hat eine durchschnittliche Verurteilungsquote bei sexueller Gewalt von rund 8%. Wenn man die Vielzahl der erst gar nicht angezeigten Fälle (siehe auch #ichhabnichtangezeigt) hinzuzieht, dann muss man konstatieren, dass sexuelle Gewalt ein nahezu strafloses Verbrechen ist.

Im Mai 2011 verabschiedete der Europarat die so genannte Istanbul-Konvention, nach denen die Staaten offensiv gegen jegliche Form von Gewalt gegen Frauen vorzugehen haben. Dazu gehört auch eine konsequente Strafverfolgung der Täter. Jene Initiativen, die sich für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt einsetzen, halten eine Reform des Sexualstrafrechts für dringend erforderlich. Deutschland hat die Konvention bis heute nur unterschrieben, aber nicht ratifiziert. Der zuständige Minister, Bundesjustizminister Heiko Maas, sah bis Ende 2015 „keinen Handlungsbedarf“.

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Ein Nachtrag zur Nachhilfe und anderen Posts

Blumenwiese

Bild via Pixabay, Public Domain

Wisst ihr, ich habe heute Nacht wach gelegen, wie davor die Nacht auch. Eine Sache, die mich umtrieb, war die Frage, ob ich mit meinem letzten Post diesen Blog und meine lieben Redakteurinnen, die mir diese Plattform geben, blamiert habe oder ob ich mich in der Dokumentation dessen, was ich lächerlich finde, nicht selbst lächerlich mache oder mich ins gleiche Fahrwasser begebe. Tausendmal lag meine Maustaste auf dem Schalter, alle meine Beiträge wieder in den Entwurfsmodus zu versetzen. Weil sie auch etwas mit mir anrichten, aber das ist jetzt was anderes. Bei der Frage gestern und vorgestern habe ich mehr im Fokus gehabt, dass es im Grunde relativ sinnfrei ist, einen offenen Fight zu führen und die Leserinnenschaft in Unkenntnis über Details zu lassen. Dafür, das möchte ich betonen, bitte ich um Entschuldigung.

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Nachhilfe für Liberalfeministinnen: Silencing

Ein lachender Bleistift (Comic)

Ich möchte mal kurz damit beginnen, wer ich bin, ich bin eine Prostitutionsüberlebende, wahrscheinlich – so die Glaskugel von Libfem X (nennen wir sie mal so)  –  weiß,  denn als Weiße hab ich es gut,  von unzähligen Typen gefickt zu werden und kenne keine Unterdrückung. Ich bin weiß und eine Frau – so die Glaskugel, wobei bei Frau bin ich mir nicht ganz so sicher – ist aber auch ein recht unwichtiges Kriterium geworden. Den WoC, den Roma-Frauen – ach was, lasst mal diese rassistische Komponente raus. Ist fieß.  AGENCY!!!! Die brauchen diese Überlebensmöglichkeit. Also bitte. Bitte.

Und die Frau mit der Glaskugel ist gerade unfassbar unterdrückt und zwar von Gören wie mir. Gemein.

Ich wollte ein paar Sachen erklären, auch wenn ich wenig Hoffnung in mir trage, dass es etwas nützt (setzt Introspektionsfähigkeit voraus, meine Prognose: ungünstig):

Silencing:

Silencing ist, Menschen mundtot zu machen. Menschen, die auf Realitäten aufmerksam machen. Frauen mundtot zu machen. Insbesondere dann, wenn sie von Gewalt, Vergewaltigung und anderen Widerlichkeiten erzöhlen.

Frauen haben auf gesilencte Stimmen aufmerksam gemacht und ihr formuliert es um. Ziemlich praktisch.

Wisst ihr,  der Grund warum man auf gesilencte Stimmen aufmerksam macht, ist Solidaritat. Das ist aber ein Konzept, das ihr entweder nicht verstanden oder vergessen habt.

Ja, die holde Gefolgschaft der Libfemfraktion betreibt gerade son bisschen Faktenverdrehung, ist ja nicht so, dass ich das nicht kenne, ich kenne ja die Lobby. Weiterlesen

Die Störenfrieda des Monats: Vandana Shiva

Dr. Vandana Shiva

Augustus Binu [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Wir brauchen eine neue Bewegung, die uns von der dominanten, alles durchdringenden Kultur der Gewalt, der Zerstörung und des Todes wegbringt hin zu einer Kultur der Gewaltlosigkeit, des Lebens und kreativen Friedens.Vandana Shiva

Vandana Shiva wurde am 5. November 1952 als Tochter eines Forstbeamten und einer Schulrätin in Dehradun, am Fuße des Himalayas in Indien geboren.

Ihre Eltern quittierten den Staatsdient und ließen sich später als Bauern nieder. Inspiriert durch diese lernte sie die Natur lieben und realisierte sehr früh die gravierenden Folgen der wirtschaftlichen Erschließung auf die Umwelt.

Vandana Shiva absolvierte zunächst ein Physikstudium und schloss das Studium mit einer Promotion in Quantenphysik ab. Sie arbeitete anschließend im ersten Kernreaktor ihres Heimatlandes, ohne sich über die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlenwirkung bewusst zu sein – im Studium lernte man darüber nichts. Gespräche mit ihrer Schwester, einer Ärztin, zu dieser Thematik führten zu einem Wendepunkt. [1]

In den 1970er Jahren schloss sich Vandana Shiva der ersten großen Umweltschutzbewegung Indiens, der Chipko-Bewegung, an und kämpfte gemeinsam mit vor allem Dorfbewohnerinnen gegen die kommerzielle Abholzung des Waldes, in dem sie aufgewachsen war und den ihr Vater als Förster bewirtschaftet hatte sowie gegen die daraus resultierende Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Die Frauen ketteten sich an Bäumen fest, um die Abholzung zu verhindern – mit Erfolg.

„Durch Patente und Gentechnik werden neue Kolonien geschaffen. Das Land, die Wälder, die Flüsse, die Ozeane, die Atmosphäre – alle sind sie kolonialisiert, ausgelaugt und verschmutzt. Jetzt braucht das Kapital neue Kolonien, in die es für seine weitere Akkumulation eindringen und die es ausbeuten kann. Diese neuen Kolonien sind sind aus meiner Perspektive die Innenräume der Körper von Frauen, Pflanzen und Tieren.“ Vandana Shiva [2]

Später richtete Vandana Shiva ein Umweltinstitut im Kuhstall ihrer Eltern ein, um Artenvielfalt zu erforschen. Sie erstellte ihre Umwelt- und Sozialstudien in enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung und sozialen Organisationen und sie erlangten hohes Ansehen.

Sie widmete sich in ihren aktivistischen Tätigkeiten und Publikationen insbesondere den Bereichen der Biodiversität, Biotechnologie und Bioethik, kämpfte gegen neoliberale Wirtschaftspolitik, Produktpiraterie und Genfood und machte sich für einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft stark [3]. Weiterlesen

Wenn Frauen Frauen verraten und was das für Gewaltopfer bedeutet

Darkness

Hannu-Pekka Peuranen via Unsplash, Public Domain

Ein Gastbeitrag einer Frau, die anonym bleiben möchte

Es ist mitten in der Nacht und ich starre auf den Bildschirm mit diesem Inhalt. Eigentlich habe ich den ganzen Tag nichts anderes gemacht. Nur gestarrt. Und Fassungslosigkeit gespürt. Und Ohnmacht. Zwischendurch habe ich mich – unter dieser Beeinflussung – über andere Sachen aufgeregt. Wunderbare Nebenschauplätze, die den Schmerz kurz tilgen. Manche Aufreger beziehen sich auf Nichtigkeiten, ich meckere Freundinnen an – wegen Belanglosigkeiten. Ablenkung, die nur kurz funktioniert.

Ich fühle mich betäubt, sprachlos und schaue diesem Geschehen zu, das ich nicht stoppen kann. Ich müsste mir das nicht geben und tue es trotzdem – weil ich fassungslos bin und mir diese Fassungslosigkeit gestatte. Sicher – ich sollte jetzt besser etwas anderes tun. Meine Gefühlsreaktion ist ohnehin übertrieben – hallo patriarchale Infiltrierung.

Kommentare, die mich kräftigen, mich aufbauen, verschwinden – einer nach dem anderen. Kommentare, die für sich sprechen, die darauf aufmerksam machen, wie es Menschen, wie mir geht oder ging.

Ich war noch nie gut darin oder sagen wir besser, ich gestatte es mir ungern, Frauen zu kritisieren: Im Patriarchat ist der Mann unser gemeinsamer Feind und die Frauen, also, die, die es nicht erkannt haben, sie schlafen noch, oder so ähnlich. Irgendwie. Und irgendwann wachen sie auf. „Übe dich in Geduld“, sagt mir mein patriarchal konditioniertes Gehirn, das in diesen Momenten die Fusion mit Frauensolidarität eingeht. Aber es gibt Momente, in denen ich diese Haltung nicht bewahren kann, in denen meine Psyche und mein Körper dieser – im Grunde maßlosen – Anforderung nicht gewachsen sind.

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Deutschland ist das „Bordell Europas“ – und wir sollten uns dafür schämen

Dieser Artikel erschien am 10. Mai in englischer Sprache auf dem kanadischen Blog Feminist Current. Wir freuen uns,eine deutsche Version als Gastbeitrag veröffentlichen zu dürfen.

Wenn wir als deutsche Abolitionistinnen international über die Prostitution in Deutschland sprechen, dann bekommen wir immer wieder das Gleiche zu hören: „Du verarschst mich jetzt aber, oder?“,  oder „Wie kann das alles sein?“. Bei Vorträgen im Ausland kommt es häufig vor, dass Menschen im Publikum in Tränen ausbrechen oder nach 15 Minuten um eine Pause bitten, um etwas frische Luft zu schnappen. Die gleichen Vorträge in Deutschland führen zwar auch zu Entrüstung, jedoch stellen wir fest, dass insgesamt eine stärkere Gewöhnung oder Abstumpfung erkennbar ist. Es ist auch immer wieder erstaunlich wie freimütig – manchmal auch stolz – sich Männer als Sexkäufer outen. Ein Sexkäufer zu sein, ist in Deutschland nichts, wofür mann sich schämen muss. Dies sind für uns besorgniserregende Anzeichen dafür, wie Jahrzehnte legalisierter und liberalisierter Prostitution eine Gesellschaft prägen.

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Entsolidarisierung mit Gewaltopfern

Drei Affen - Nichts hören, nichts sehen

By Jakub Hałun (Own work) [GFDL or CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

Eigentlich finde ich den Titel etwas zu harmlos für das, was ich hier in relativer Kurzfassung beschreiben möchte. Ich bin nämlich – mal wieder – in Rage und hatte andere Vorschläge im Kopf, die aber alle aus dem Vulgärspektrum kommen, obwohl … vielleicht … doch … passender? Lassen wir das.

Es geht darum, dass von Frauen, die sexuelle (und andere Formen von) Gewalt erfahren haben, erwartet wird, sie mögen sich doch bitteschön etwas „sachlicher“, „rationaler“ und – oh, wie ich dieses Wort inzwischen hasse – „differenzierter“ zu ihrer Sache äußern.

Das ist nichts Neues, eigentlich ’ne patriarchale Silencing-Strategie deluxe (merken die nur nicht, aber wen wundert’s?). „Sei doch mal nicht so „hysterisch““ und so. Und: „Du bist viel zu emotional!“ Ihr kennt das alles …

Aber es gibt einen erneuten Anlass:

Huschke Mau, Aktivistin und Prostitutionsüberlebende hat eine astreine Replik auf den unsäglichen Positonierungsbeschluss der linksjugend [’solid] veröffentlicht und der geht ziemlich viral (Huschke, das war so auf die 12 – danke noch einmal an dieser Stelle) und wird ziemlich gemocht! Gefallen tut das natürlich nicht allen, der Lobby nicht und ihren FreundInnen und ClaqueurInnen auch nicht:

Einer LINKEN-Politikerin beispielsweise, dem „Sexarbeiterinnen“-Narrativ verfallen und offensichtlich Lobby-verblendet fällt als Reaktion auf den Post von Huschke zunächst einmal Folgendes ein (ich erwähne diese Zitate lediglich exemplarisch aus aktuellem Anlass, das ist mitnichten ein „neues Phänomen“):

„Diese Art Texte helfen doch nicht wirklich weit. Vielleicht wäre eine rationale Auseinandersetzung eine Alternative zur Meinungsbildung.“

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„Gewalt unter der Geburt“ Buchempfehlung

Buchcover: Gewalt unter der Geburt

Christina Mundlos: "Gewalt unter der Geburt - Der alltägliche Skandal", Tectum Verlag, 2015

Mit ihrem Buch „Gewalt unter der Geburt“ möchte die Autorin, Christina Mundlos, eines der letzten Tabus in unserer Gesellschaft aufbrechen. Die Geburt eines Kindes wird im Allgemeinen als etwas Positives dargestellt, eines der wichtigsten Momente im Leben einer Frau. Es wird nicht über die oft brutalen Erfahrungen, die so viele Frauen während der Geburt erleben müssen, so offen berichtet.

Der Begriff Gewalt im Kontext von Geburt ist erst einmal sehr ungewohnt und somit vielleicht verstörend. Gewalt und Geburt werden üblicherweise nicht in einen Zusammenhang gebracht.  Christina Mundlos versucht, vielleicht auch deshalb, zum Verständnis Gewalt zu definieren, beginnend mit der sehr umfangreichen Definition von Galtung, dem Begründer der Friedens- und Konfliktforschung, und sie stellt fest, dass es tatsächlich keine allgemeingültige Definition geben kann, sondern eine Definition von Gewalt immer auch ein Werturteil beinhaltet. Sehr deutlich aber sagt Christina Mundlos:

„[…] unter der Geburt geht körperliche Gewalt mit psychischer Gewalt einher, oder die zunächst „nur“ psychisch ausgeübte Gewalt geht zu einem späteren Zeitpunkt in physische Gewaltanwendung über […]“

Als Beispiele für psychische Gewalt werden zum Beispiel das Hinwegsetzen von Wünschen der Gebärenden bezeichnet und Beispiele für unnötige Interventionen, die auch als Körperverletzung gesehen werden können, sind die Eröffnung der Fruchtblase oder langanhaltende Kontrolle der Wehen mit CTG. Weiterlesen