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Algerien-Aufbruch oder Salafismus

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/eb/Algiers_harbor_1899.jpg

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Seit mehreren Wochen ist Algerien erwacht. Es finden Massendemonstrationen gegen des fünfte Mandat des Präsidenten Bouteflika statt. Die Wahlen sind am 18 April geplant. Allerdings wird ein Systemwechsel gefordert, nicht nur das Ende seiner Präsidentschaft.

Abdelaziz Bouteflika befindet sich im Universitätskrankenhaus in Genf und mittlerweile hat amüsanterweise eine Algerierin eine gesetzliche Betreuung für ihn in der Schweiz beantragt, da er nicht mehr für sich selbst entscheiden können soll.

Bisher waren die Proteste friedlich, aus Angst vor davor, dass Algerien eine ähnliche Entwicklung wie Libyen oder Syrien nehmen könnte (das Ausland will an die Buletten sozusagen, an das Erdöl und an das Gasvorkommen), und aus Angst vor der Zeit des „schwarzen Jahrzehntes“ in den 90er Jahren.

Ab heute beginnt ein Generalstreik in ganz Algerien. Am 08. März demonstrierten Frauen, Kinder und Männer friedlich gemeinsam, was deutlich in den Medien betont wurde. Die Ferien der Universitäten wurden gestern um eine Woche vorgezogen und beginnen ab heute, da die Studenten und Studentinnen maßgeblich an den Protesten beteiligt waren und dies weiter verhindert werden soll. An den Universitäten liegt der Frauenanteil der Studierenden übrigens auch bei über der Hälfte (in den wissenschaftlichen Studiengängen bei 54 Prozent).

Algerien ist reich an Erdöl und Erdgas, mit engen Verbindungen zu Frankreich. Wenn Algerien zerfällt,  betrifft dies Europa nochmals mehr wie Syrien und Libyen.

Im Moment wirken die Proteste einheitlich und dies wird betont gefeiert, als „ein vereintes Algerien“, dass den Aufbruch geschafft hat zu einer neuen Zeit.

Aber ist es das wirklich, vereint?

Nein, Algerien ist nicht wirklich vereint und eine Spaltung im Land bestand schon länger. Was wird also passieren wenn der gemeinsame „Feind“, Bouteflika und die „Macht/das System“ (le pouvoir) besiegt sein sollten?

Es ist eine spannende Zeit. Wird dafür optiert, die Kandidatur von Bouteflika doch zu beenden, aus gesundheitlichen Gründen um die „Macht“ fortführen zu können? Wer wird das Machtvakuum füllen?

Vor Allem, wie sah die Situation im Land vorher aus?. Was wird im Augenblick durch die Proteste überdeckt? Jede Thematisierung eines eventuellen internen Konflikts in Algerien wird im Moment als Gefahr gesehen, auch wenn dieser Konflikt, insbesondere die Zunahme des Salafismus, vorher ein offenes Thema war.

Viele bezeichnen Algerien seit längerer Zeit als Tschkoupistan-eine Wortmischung aus Scheiße/Idiotisch und Afghanistan. Das liegt auch an der Zunahme des religiösen Extremismus, es bezieht sich deshalb ja auf Afghanistan. Der Salafismus  nahm zu ohne nennenswerten Widerstand des Staates. Und angesichts der Auswirkung auf Frauen und zunehmende salafistische Übergriffe auf Frauen, sind die Strukturen im Hintergrund dieser Entwicklung spannend, für Frauen, für uns.

In Algier, auf den Straßen, waren 2018 mehrheitlich nur dunkel verschleierte Frauen zu sehen. Dies war noch vor wenigen Jahren nicht der Fall; es waren nur vereinzelte Frauen dunkel verschleiert. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Geschäften die dunkle muslimische Kleidung bis hin zur Burka verkaufen. Unverschleierte Frauen sind im Straßenbild wirklich nicht mehr präsent. In der Kabylei, Heimat der Imazighen, Berber, nur wenige hundert Kilometer von der Hauptstadt Algier entfernt, zeigt sich ein völlig anderes Bild. Nur wenige Frauen tragen ein Kopftuch, und mehrheitlich werden bunte kabylische Kleider getragen.

Allerdings stellt auch das Tragen kabylischer Kleider eine Art Zwang für Frauen dar. Die eigene Identität als Imazighen muss durch die weibliche Kleidung Aufrecht erhalten werden. Männer tragen westliche Kleidung, auch wenn man sie im Winter teilweise noch Burnus tragen sieht.

Kabylen wurden durch Araber im siebten Jahrhundert besiegt, und ihre Kultur sozusagen kolonialisiert. Viele Kabylen wünschen sich immer noch häufig die Trennung des Staates von der Religion, einen „etat laic“. Der Hass auf alles arabische ist groß. Viele bezeichnen sich offen als Rassisten gegenüber Arabern.

Umgekehrt ist die Abwertung auch groß. Es wird gesagt, dass Kabylen nicht gläubig sind, da sie Alkohol trinken (was sie tun) und Wildschwein essen. In einem Museum in Algier zum Beispiel sieht man in einer Ausstellung Figuren in einem Dorf der Kabylei, wie sie Wildschwein rösten. Das ganze wird untermalt durch bestialischen Schinkengeruch, damit es auch jede/r wahrnimmt.

Männer in der Kabylei trinken tatsächlich Alkohol in Mengen (im Vergleich zu dem Rest Algeriens, und natürlich nicht alle Männer), was zwar gegen eine Islamisierung spricht, aber das knappe Familieneinkommen wird trotzdem für den Alkohol ausgegeben und den Frauen sozusagen entzogen. Frauen „dürfen“ keinen Alkohol trinken, sofern sie als einigermaßen respektabel gelten möchten. Da das Leben in dörflichen Gemeinschaften stattfindet, sind die Optionen zu anderem Handeln gering. Die soziale Kontrolle ist stark. Frauen werden im öffentlichen Raum nicht belästigt, da jeder jeden kennt. Oder um einen Bekannten zu zitieren “ Ich weiß nicht, was die Männer hier machen würden, wenn sie bei Belästigungen keine auf das Maul bekommen würden..“

Es gibt, sehr wenige, Diskotheken mit Alkoholausschank, Orte der Prostitution. Die Welt ist geteilt, Algier und die Bergregion der Kabylei. Ja, es gibt noch andere Teile Algeriens, aber die Bevölkerung lebt mehrheitlich im Norden des Landes und der Unterschied der „Welten“ ist hier besonders groß.

Die Träume über eine matrifokale Kultur der BerberInnen liegen weit in der Vergangenheit, Jahrhunderte weit. Und auch die Tuareg, die dies noch eher bewahren konnten, kämpfen durch die Klimaveränderung nur noch um ihr nacktes Überleben.

Männer können, im Geheimen, trinken und prostituierte Frauen kaufen. Mädchen und Frauen suchen ihren Ausweg im Bereich Bildung. Die Studiengänge in Algerien sind mehrheitlich besetzt durch Frauen und sie erreichen auch schon vorher in viel höheren Zahlen das Äquivalent des Abiturs.

Was diese Entwicklung bringen wird, wird spannend. Jetzt schon wird von gebildeten Frauen und „Eseln“ auf der Straße (Männern) gesprochen, wenn es um diese Bildungskluft zwischen Männern und Frauen geht. Immer mehr Frauen, ob mit Kopftuch oder ohne, drücken ihre Aversion gegen Männer in den sozialen Netzwerken aus, beschimpfen Sie für sexuelle Übergriffe in Algerien und im Ausland. Die Begeisterung in den sozialen Netzwerken bei Übergriffen von Algeriern im Ausland ist immer groß…“die Affen ruinieren unseren Ruf auch noch in Europa, überall wo sie herumhängen“.

Salafistische Frauen stellen das andere Spektrum dar.

Der Organisationsgrad der religiös extremistischen Strukturen ist bemerkenswert und wird ebenso zunehmend in den sozialen Medien thematisiert.

Moscheen werden mit verschiedenen Methoden von salafistischen Imamen übernommen, die Stadtteile Draria, Hydra, Kouba etc in Algier gehören dazu. Ein Gläubiger berichtet davon, dass seine Schwester, die Kopftuch trägt, in der Moschee zum Freitagsgebet von anderen Frauen wegen ihrer Kleidung zurückgewiesen wurde, da sie nicht komplett verschleiert war und keine Burka trug.

Es wird davon gesprochen, dass Salafisten einen wahren Angriff auf Moscheen durchführen, die nicht der wahren Religionsauslegung folgen, sondern der algerischen Variante des Islam folgen.

Es wird von verschiedenen Methoden berichtet, die angewandt werden um die Kontrolle der Gesellschaft zu übernehmen, und die eigene Auslegung des Korans zu predigen. Imame berichten davon, dass ihnen zum Beispiel Geld geboten wurde, und sie schließlich mit körperlicher Gewalt bedroht wurden um Platz zu machen für Salafisten in ihren Moscheen.

Die Organisation der Salafisten ist extrem strukturiert und organisiert. Die einzelnen Teile des Landes sind in Regionen aufgeteilt, mit jeweils einem Verantwortlichen. Der Salafismus wird durch soziale Medien verbreitet und ebenso durch Fernsehkanäle, auf allen Ebenen. Professionelles Propagandamanagement sozusagen.

In den Moscheen wird eine unendliche Anzahl von Broschüren wahabistischen Inhalts verteilt. Die Broschüren werden überall ausgelegt, zwischen die ausliegenden Exemplare des Korans.

Es wird in den Broschüren zum Beispiel dazu aufgerufen nicht den Geburtstag des Propheten zu feiern, wie sonst üblich, denn dies sei eine Feierlichkeit Satans. Ebenso wird sich mit der möglichen Rocklänge von Frauenkleidern befasst, es wird verboten Musik zu hören, oder Photos zu machen. Sufismus wird auch als das Werk Satans angeprangert.

Die Beamte des algerischen Ministeriums für religiöse Angelegenheiten konfiszierten hunderttausende dieser Broschüren bei ihren Überprüfungen, die der „Reinigung“ der Moscheen von anderen Auslegungen des Islam dienen. Einige der Broschüren kommen aus Saudi- Arabien, andere haben keinen Hinweis auf die Herausgeber oder überhaupt den Ort der Druckerei.

Die Broschüren sind mittlerweile auch in Arztpraxen zu finden, in den Wartezimmern.

Die Salafisten versuchen größere Ansammlungen von Moscheen zu übernehmen. Sie bieten freiwillig ihre Hilfe an um sich leicht Zugang zu verschaffen.

Die Kabylei und der Süden des Landes wurden angeblich als Orte des Djihad gegen die Häretiker erklärt.

In einigen Orten in der Kabylei wurden die Kontrolle über Moscheen schon durch Salafisten übernommen, laut einer Quelle sind 8 von 10 Moscheen schon in der Hand der Salafisten. Die Kabylei hat die größte Konzentration von Moscheen im gesamten Land, so dass das Ministerium für religiöse Angelegenheiten nicht alle Imamstellen besetzen kann. Die Situation ist insgesamt bekannt. Kabylen selbst sagen, dass die Kabylei ein Unruheherd sei und deshalb versucht wird durch Moscheen über Religion die Kontrolle zu bekommen.

Der algerische Unabhängigkeitskrieg hatte auch seinen Ursprung in der Kabylei und die Kultur hat, wie gesagt, viele Stimmen, die Säkularismus als Staatsform fordern.

Kabylische Medien sind einfach zu lesen, da sie in der Regel in Französisch veröffentlicht werden. Arabisch ist in diesem Teil des Landes verpönt, auch wenn es jede/r spricht, wenn notwendig. Eine kulturelle Spaltung, die sich durch den Salafismus bis über die Schmerzgrenze hinaus verstärken kann.

Aber auch in der Kabylei sind die Moscheen zur Freitagspredigt voll, sehr viel voller wie vor Jahrzehnten. Die Predigten werden, netterweise, über Lautsprecher verbreitet, so dass es kein Entkommen gibt. Durch die große Anzahl der Moscheen hört man die Predigt der nächsten Moschee, wenn man sich von einer Moschee räumlich entfernt hat und diese leiser wird. Dies war wahrscheinlich der Traum eines jeden Dorfpfarrers vor Jahrzehnten-die Predigt direkt nach draußen schallen zu lassen…

Einige der Moscheen, mit unklarer Finanzierungsquelle, sind größer wie das ganze Dorf. Teilweise schürt sich Widerstand gegen neue Konstruktionen in der Bevölkerung der Kabylei. Vor kurzem wurde in einem Ort in der Kabylei mit Gewalt gedroht, sollte ein weiterer geplanter Moscheebau durchgeführt werden.

In der Kabylei wird davon berichtet, dass viele Salafisten nicht aus der Region kommen, sondern aus Algier oder Blida.

Die Kabylei und der Süden des Landes sind „sensible Orte“. Wenn der Salafismus hier weiter zunimmt, werden religiöse Konflikte geschaffen und einige gehen davon aus, dass dies geplant ist, von wem auch immer. Die Salafisten kommen nicht in den Süden oder in die Kabylei um Urlaub zu machen, so schön es dort ist, sondern verfolgen eine andere Agenda.

Vor einigen Jahren hat der Saudi-arabische Prinz Mohammed Ben Salmane in Zeitungsberichten behauptet, dass die Förderung des Wahabismus in anderen arabischen Ländern von amerikanischen und anderen Verbündeten vor Jahrzehnten gefordert wurde, um im kalten Krieg die Einflussnahme der Soviet Union auf arabische Länder zu verhindern und durch Religion selbst mehr Einfluss nehmen zu können. Eine wirklich spannende Idee, geostrategisch gedacht, vielleicht auch heute noch.

Seit einiger Zeit wird sich in Deutschland politisch und medial auf die Türkei konzentriert, aber was ist mit Saudi- Arabien angesichts der übergreifenden Einflussnahme? Ist dies nicht viel interessanter? Sollten wir nicht eher auf Saudi-Arabien achten?

Saudi-Arabien hat über Wohlfahrtsorganisationen (islamische Weltliga, Islamic Relief Organisation), schon im Kosovo, in Bosnien und in Albanien Moscheen und Imame finanziert, unter anderem.

Vorfälle im Kontext wahabitischer Gruppen gibt es seit den 90er Jahren vermehrt; hunderte von Kosovoalbanern sind dem Djihad im mittleren Osten beigetreten. In Libyen wurden salafistische Gruppierungen gegen Ghaddafi auch mit Geld überhäuft, mit Geld aus Saudi-Arabien.

2018 gab es über 100 Köpfungen in Saudi-Arabien. Eine der bekanntesten Tötungen war die der Menschenrechtsaktivistin Esra Al Ghamgam am 20 August 2018. Das Schweigen der internationalen Medien und der Politik hierzu war bemerkenswert. Es gab keinen Aufschrei, nichts.

Es gab ein paar Diskussionen in Europa auf politischer Ebene angesichts der Kriegsführung im Jemen und deutscher Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. Das war es aber auch schon.

Wieso interessiert sich der Westen nicht wirklich für Saudi- Arabien, auch angesichts des „Überschwappens“ des Salafismus in den Westen?  Die Übernahme der Definitionsmacht des Islams mit der strengen Auslegung des Wahabismus, der alle, die dieser Auslegung nicht folgen, zu Ungläubigen erklärt ist bedenklich. Dies erinnert irgendwie an den IS, denn die Rigidität des Glaubens ist ähnlich, irgendwie.

Und natürlich, wieso interessiert sich niemand für Saudi-Arabien und die wahabistische Auslegung der Frauenrolle, die plötzlich zu einer islamischen Rolle umdefiniert wurde. War nicht die Rolle der Frau in Afghanistan so wichtig für den Westen im Kampf gegen die Taliban? Fragen über Fragen.

Man mag sich fragen, welchen Europäer sollte es interessieren, wenn Algerien im Bürgerkrieg endet. Wer interessiert sich überhaupt für Algerien, das Land der Bakterien und 2018 der Cholera? Algerien hat eine Bevölkerung von 40 Millionen Menschen, von denen schon im Augenblick viele ihre Lebenssituation als so unerträglich finden, dass sie davon träumen „Harraga“ zu machen, das heißt ihr Leben mit einem „Glücksboot“ (Glück in Bezug auf am Leben zu bleiben) zu riskieren und über das Meer nach Europa zu fahren. Die Entfernung zu Europa ist nicht wirklich unüberbrückbar, wenn man den Tod in Kauf nimmt.

Sollte es durch die Islamisierung und Spaltung der Gesellschaft zu einem Bürgerkrieg kommen, nach den Demonstrationen der letzten Wochen,  oder zu einer Situation wie im „schwarzen Jahrzehnt“ in den 90er Jahren, als Menschen durch Terror ermordet wurden und Ausgangssperre herrschte, wird der Flüchtlingsstrom ein neues Ausmaß annehmen.

Insbesondere aber Frauen werden im Patriarchat des Wahabismus zu Grunde gehen, und sich für die Anpassung durch religiöse Unterwerfung entscheiden müssen. Vielleicht schafft Algerien aber auch den Weg zu einem neuen System, dass Staat und Religion trennt, da die Angst vor einem völligen Bürgerkrieg eine wahabistische Übernahme unmöglich machen könnte. Die Angst vor der „fremden Hand“ ( „la main etrangere“), den ausländischen Geheimdiensten, ist ebenso groß. Es bleibt spannend in den nächsten Wochen und Monaten.

Bauchtanzromantik und Prostitution: die „Ouled Nail“

Auguste MAURE - Collection privée Gilles Dupont

Auguste MAURE - Collection privée Gilles Dupont

Wer kennt Sie nicht, die Bilder und Fotos von früher, vor vielen Jahrzehnten, auf denen halbnackte Frauen orientalischer Herkunft verträumt in die Kamera schauen oder den Maler zu betrachten scheinen. Diese Bilder schufen früher Sehnsucht, insbesondere bei Männern, und waren mitverantwortlich oder begründeten die sogenannte „Haremsromantik“. Schöne Frauen, die nichts mehr liebten wie in glitzernder Kleidung Granatäpfel und Feigen in die Münder der Männer aus den Kolonialländern zu stopfen und Ihnen sinnlich, erotisch jeden sexuellen Wunsch zu erfüllen. Ganz im Gegenteil zu den prüden und erschöpften Frauen Europas im 17ten und 18ten Jahrhundert, die nur Kartoffelsuppe zu bieten schienen.

Schon früher hatten Männer ein Hang dazu, die „bessere“ Frau zu präsentieren. Heute sind es prostituierte Frauen aus Bulgarien und Rumänien, die für ein paar Euro in Deutschland jeden Wunsch erfüllen müssen und gleichsam verachtet werden, da sie jeden Wunsch erfüllen. Oder früher, vor zwanzig Jahren, waren es die „unterwürfigen“ thailändischen Frauen, die noch geheiratet werden mussten um in Deutschland sexuell zur Verfügung zu stehen. Die Beispiele sind endlos, es gibt und gab immer eine noch bessere Frau in der Unterwürfigkeit und im Gehorsam. Die Frauen werden häufig verkauft als „Exotik“ bis hin zu Sex Dolls in der heutigen Zeit. Mehr ist dann wirklich nicht vorstellbar. Diese „Exotik“ ist und war Rassismus, triefend von sexuellen Zuschreibungen basierend auf Herkunft.

In Algerien wurden die prostituierten Frauen der „Ouled Nail“, Frauen aus der Stadt Bou-Saada, im vorigen Jahrhundert vom deutschen Fotografen Rudolf Lehnert fotografiert.  Wahrscheinlich nicht nur fotografiert, da er sich offensichtlich in den geschlossenen Räumen der Prostitution aufhielt. Die Bilder sind eine schreckliche Dokumentation des Kolonialismus und der Prostitution. Blutjunge Mädchen präsentieren sich halbnackt, verewigt zum Abwichsen auf Postkarten für die Masturbationsbedürfnisse europäischer Männer. Wahrscheinlich blieben sie ohne zusätzliche finanzielle Kompensation für ihre „Vervielfältigung“.

Rudolf Lehnert, zusammen mit Ernst Heinrich Landrock (L und L), waren vor mehr wie hundert Jahren sehr bekannt als Fotografen der Orientalistik. R. Lehnert reiste 1904 nach Tunesien und eröffnete in Kooperation mit Landrock ein Fotostudio in Tunis. Fotos aus dem Orient waren seine „Passion“, insbesondere eben die Fotoreihen blutjunger Mädchen. Er fotografierte auch die jungen Mädchen der Ouled Nail aus Bou-Saada.

Die Geschichte der „Ouled Nail“ ist aber weniger exotisch und erotisch wie es uns die  Orientromantik der Vergangenheit glauben machen wollte. Diese ist sowieso heute fast völlig verschwunden, stehen Frauen, auch früher in Bou-Saada übrigens völlig verschleiert, nicht mehr so einfach dem europäischen Mann sexuell zur Verfügung. Es gibt tatsächlich noch Burkaporno, aber es gibt sowieso jeglichen Fetisch den Mann sich ausdenken kann. Mir fällt jedenfalls keine andere Erklärung ein für das Verschwinden der Orienterotik beim westlichen Mann. Wahrscheinlich spielt aber auch das „Überangebot“ der Ware Frau aus aller Welt eine Rolle.

Die Prostitution der Ouled Nail in Bou-Saada entspricht der Entwicklung der Prostitution überall.

Das Militär kam, ließ sich mit einer Garnison nieder, und brauchte Frauen für die Soldaten, in anderen Worten, Männer mit Geld verlangten Frauen und bekamen sie. Hier können wir dem Ganzen nur noch Bauchtanz und sehr sehr viel Schmuck beifügen als Element der ewig gleichen Geschichte der Prostitution. Dazu kommt vermeintlich einen Hauch von Fernwehromantik und Exotik. Und die Idee der Selbstbestimmung und Mitwirkung der prostituierten Frauen gehört auch dazu. Die Einheimischen, sprich Eingeborenen, wollten es nicht anders und sind einfach so. Ähnlich wird das Konzept noch heute reproduziert im „interracial porn“. Verschiedene Ethnien sind sexuell anders und „brauchen es“.

Die Bevölkerung Bou-Saadas bestand ursprünglich, vor dem 18ten Jahrhundert, aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen wie Araber, Juden, Mozabiten, Europäer, dem Militär und den „öffentlichen Frauen“ (filles publiques), aus denen die Ouled Nail hervorgingen. Sie tanzten bei Festen und Veranstaltungen und führten traditionelle Tänze auf. Als Bou-Saada kolonialisiert wurde im Jahre 1845, lebten hier 5000 Menschen. In diesem Zeitraum zog eine Garnison von 500 Männern  in den Ort.

Am Abend saßen die Händler und die Soldaten in den maurischen Cafes um sich abzulenken. Die jungen Mädchen der Ouled Nail begannen dort mit ihrer festlichen Kleidung und Verzierungen zu tanzen. Da sich aus diesem Entertainment schnell Prostitution entwickelte, entstand das „Asyl der Naila“, ein abgeschlossenes Gebiet. 1930 hatte Bou-Saada schon 50 000 Einwohner und es entstand eine „Toleranzzone“, die auch als Straße der Ouled Nail bezeichnet wurde. 1952 gab es hier zwanzig Häuser mit durchschnittlich fünf prostituierten Mädchen oder Frauen.

Bou-Saada war immer eine touristische Stadt und so wurden die Abende „m`bita“ initiiert, an denen gesungen und getanzt wurde. Die Tänze entsprachen zuerst traditionellen Tänzen, wie der Tanz Saadaoui, der auch Naili genannt wurde. Die Kostüme wurden immer ausgefallener und auffälliger um für die Männer interessant zu bleiben. Es kam schließlich zum „Nackttanz“ am zweiten Teil des Abends. Die Musiker haben dann in der Regel ihre Gesichter gegen die Wand gerichtet und gespielt. Als Muslime wollten sie die nackten Frauen nicht sehen. Die Frauen der Ouled Nail verzichteten in den geschlossenen Räumen der Prostitution auf ihre Schleier, aber außerhalb trugen sie den Schleier bu`awina, der nur noch ein Ohr zu sehen ließ. Unter dem Schleier trugen die Ouled Nail ihren kompletten Schmuck und ihre Kostüme. Vollverschleierung war ein traditionelles Gebot für alle Frauen in Bou-Saada, inklusive der Ouled Nail.

Die jungen prostituierten Frauen der Ouled Nail rekrutierten sich aus der Familie oder aus der Dorfgemeinschaft. Für die Initiierung in den Tanz, der den Eintrittspunkt in die Prostitution darstellte, war eine längere „Ausbildung“ notwendig. Fatima die Kapitänin zum Beispiel besaß 20 junge Tänzerinnen, die sie aus ihrem Dorf rekrutiert hatte und Yamina hatte alle ihre Schwestern und Nichten in den orientalischen Tanz und entsprechend in die Prostitution eingeführt. Wenig mehr ist bekannt. Die Verwaltung von Bou-Saada setzte die Steuern fest und legte die Prostitutionstage für die einzelnen Gruppen zur Konfliktvermeidung fest (Militär und Zivil getrennt). Regeln für die Prostitution wurden auch von der Verwaltung in Algier festgelegt, ebenso Gesundheitskontrollen.

Die Prostitution finanzierte den Familien der Ouled Nail Häuser, Gärten und Viehbesitz. Es erlaubte ihnen zu leben.

Es gab Kinder, da traditionelle Verhütung nicht immer effektiv war. Die Mädchen waren dann auch vorbestimmt für die Prostitution, sprich Bauchtanz, und die Jungen konnten durch Bildung eventuell das Milieu verlassen oder „verwalteten“ die Angelegenheiten der prostituierten Familienangehörigen.

Viele der „Ouled Nail“ waren bald gezeichnet vom Alkohol und vom Tabak und verelendeten. Auch hier in einer anderen Zeit und Kultur war die Benutzung des Körpers durch fremde Männer anscheinend nur mit Suchtmittelkonsum erträglich. Einige Frauen schafften den Ausstieg. Teilweise konnten sie den Weg Gottes als Option wählen. Sie kamen dann zur Gemeinschaft der Schwestern im Islam und spendeten Geld an wohltätige Zwecke. Wenn genug Geld vorhanden war, wurde in eine Reise nach Mekka investiert.

Jüngere „Ouled Nail“ konnten manchmal heiraten als Option des Ausstiegs. Der Prophet Mohammed empfahl den gläubigen Männern die Heirat einer prostituierten Frau um die Prostitution zu beenden. Wie man gläubig sein kann und Zugang zu Frauenkörpern kaufen kann, ist natürlich fraglich. Christliche Männer wurden nie geheiratet (oder umgekehrt, sie heirateten keine Ouled Nail).

Nach 40 Tagen Kontaktabbruch zum zukünftigen Ehemann war eine Hochzeit möglich. Diese Zeitperiode der Abstinenz ist im Koran vorgeschrieben, um vor einer Ehe sicher zu stellen, dass eine Frau nicht schwanger ist und ganz im Sinne des Patriarchats die Vaterschaft vermeintlich sicher festlegen zu können.

Die Prostitution der „Ouled Nail“ verschwand mit der algerischen Unabhängigkeit, ebenso verschwanden viele nähere Informationen zu diesem Thema.

Insgesamt war in Algerien die Geschichte der Prostitution vor der Kolonialzeit eine Geschichte der Sklaverei und „Geliebten“. Regeln der Prostitution wurden erst von der Kolonialverwaltung aufgestellt, da die Gesundheit der Soldaten gewährleistet werden musste. Gott bewahre, die Truppen sollten alle an Syphillis verrecken und die ehrenvoll keusch wartenden Ehefrauen im französischen Vaterland etwas von den sexuellen Aktivitäten ihrer Ehemänner oder Verlobten erfahren. Daran hat sich bis heute nichts geändert; nur die wenigsten Partnerinnen von Soldaten, egal welcher Nation, ahnen etwas von deren sexueller Ausbeutung von einheimischen Frauen. Der Zusammenhang von Prostitution und Militär ist eng, immer und überall, aber die eigenen Ehemänner sind sicherlich immer edel und gut.

Frauen in der Prostitution in Algerien waren immer einheimische Frauen, unabhängig ihrer männlichen Benutzer. Auch die prostituierten Frauen für die Soldaten Nordafrikas im zweiten Weltkrieg in Europa kamen aus Algerien, nicht aus Europa. In der untersten Ebene der Hierarchie der Prostitution fanden und finden sich immer mehrheitlich die Ethnien, die am meisten verachtet wurden und werden. Trotz aller Möglichkeiten sich sexuell selbst zu verwirklichen, haben sich also keine Frauen der französischen Oberschicht gefunden um sich durch die Prostitution mit algerischen Soldaten in Frankreich ein eigenes Einkommen zu verschaffen…

1859 gab es in Algier 15 Häuser der Prostitution. Später gab es getrennte Häuser für Europäer und für Algerier, aber die prostituierten Frauen waren immer einheimische Frauen. Nur die Männer sollten sich nicht mischen, aber die unterste Schicht der Frauen, kolonialisierte Frauen, waren für alle benutzbar. Auch nach der algerischen Unabhängigkeit blieben 19 Häuser der Prostitution, ganz legal, aber völlig versteckt, und seit 1995 floriert die Prostitution in den Luxushotels. Ebenso findet Prostitution in Diskotheken statt, wahrscheinlich für Menschen aus Europa kaum erkennbar. Nach einer Befragung des Institutes Abassa aus dem Jahr 2007 gibt es 1,2 Millionen prostituierte Frauen in Algerien. Geschätzte 4 Millionen (bei einer Bevölkerung von heute 40 Millionen) leben direkt oder indirekt von dem Geld der Prostitution. Diese Zahlen machen sprachlos.

In dem Bordell Europas, Deutschland, soll es nur 400 000 prostituierte Frauen geben. Ich kann nicht sagen, ob entweder die deutschen Zahlen stark übertrieben sind, oder ob eigentlich ganz Algerien ein Bordell ist. Ich vermute, dass die deutschen Zahlen leicht untertreiben sind.

Kurz gefasst, frühere männliche Orientromantik war eigentlich nur eine idealisierte Geschichte der sexuellen Ausbeutung von Frauen. Bauchtanz, der Tanz von halbbekleideten Frauen für Männer für Geld, ist ein Tanz der Prostitution. Die ist eigentlich auch körpersprachlich nahe liegend. Bauchtanz für fremde Männer ist die orientalische/nordafrikanische Form des Table Dance sozusagen.

Frauen wurden in der Kolonialzeit zwar prostituiert, und durch das Militär benutzt, aber zeitgleich wurde damit gewoben, die Rolle der Frau in Algerien zu verbessern, durch Kampagnen, auch mit dem Ziel der Entschleierung. Man finde den Fehler; die Kampagnen waren nicht von Erfolg gekrönt.

1959 wurden schließlich 2 Millionen Algerier und Algerierinnen zwangsinterniert. Die französische Armee setzte auch hier in einem nicht mehr ermittelbaren Ausmaß sexuelle Gewalt gegen Frauen ein. Vielfach wird noch heute erzählt, dass Mädchen und Frauen in den Dörfern vor der Internierung versucht haben sich mit Dreck zu beschmieren, sich nicht zu waschen, sich die Haare abzurasieren. Sie hatten Angst vor Vergewaltigungen durch französische Soldaten. Genützt hat es wahrscheinlich so viel wie es anderen Frauen in anderen Ländern genützt hat die ähnliche Maßnahmen ergriffen haben. Gar nicht. Sie glaubten aber, es gehe bei Vergewaltigung um sexuelle Lust und nicht um Macht und Erniedrigung. Orientalische angebliche Mystik und Sinnlichkeit hatten hier jedenfalls keinen Platz.

Was aber noch mehr erschreckt, immer wieder, ist die ewig gleiche Geschichte der Prostitution und ihrer Verklärung bis hin zu, in diesem Fall, „Romantik“ der orientalischen Frau im letzten und vorletzten Jahrhundert.

Und um ganz ehrlich zu sein widert mich zusätzlich der Soldatenkult immer wieder neu an. Die Unterwerfung und Benutzung von Frauen überall auf der Welt durch das Militär, ob im Krieg oder danach ist erschreckend. Ob ich als Frau durch John, Tarek, Reinhard, oder Miguel prostituiert oder vergewaltigt werde, bleibt sich irgendwie gleich.

Nacktfotos von Lehnert https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Orientalist_nude_photographs_by_Lehnert_%26_Landrock

https://algeriepart.com/2017/10/08/enquete-lhistoire-meconnue-de-prostitution-algerie/

https://journals.openedition.org/clio/584  La danseuse prostituée dite « Ouled Naïl », entre mythe et réalité (1830-1962). Des rapports sociaux et des pratiques concrètes, B. Ferhati.

Aufnahmen Youtube der Ouled Nail:

https://www.youtube.com/watch?v=Guc_SvyGBkI

 

 

 

Mein Land mag keine Frauen-Imane Chibane

Imane Chibane

© Imane Chibane

Algerien verachtet die Frau…eine Situationsbeschreibung und ein Aufruf

Die Straßen meines Landes mögen keine Frauen. Einfach zu laufen, Gesicht, Haare, und Arme frei an der Luft, wird in diesem sozialen Kontext zu einer Handlung des Aufbegehrens mit großem Risiko….Eine Revolution, ein Akt des Widerstandes….Ich übertreibe? Versuche diesen Körper mit femininen Zügen und Rundungen zu einzunehmen und laufe, gehe, und versuche naiv einfach nur von der Sonne zu profitieren. Das wird zu einer Unmöglichkeit.

Algerien verachtet die Frau.
Die interessantesten meiner schlechten Erlebnisse fanden vor dem algerischen Parlament statt, zwischen dem Viertel „Quartier populaire und Quartier chic“, sogar im Herzen der Hauptstadt, sind wir nicht in Sicherheit.

Kaum wichtig welche Alltagskleidung wir tragen, nicht relevant der soziale Rang oder der ausgeübte Beruf. Wenig relevant ist es, Algerien verachtet die Frau. Und ich, die nie schweigt, sogar nicht bei den Blicken voller Hasses auf mir, der Frustration, den Worten gegenüber, die Dich auf ein Nichts reduzieren. Wie wollen Sie es schaffen, dass ich mein Gesicht senke und weitergehe, als wenn ich nie etwas gesehen habe, nie etwas gehört habe? Ja, ich halte an, ich beleidige, ich blicke zurück….ich spucke in ihr Gesicht.

Sei die Veränderung

Wir, die Frauen in Algerien, sind die Mehrheit in allen Bereichen, aber wir bleiben unterdrückt, zu schwach um eine Revolution anzuführen oder nur um einfach „Schluss, Barakat“ zu sagen. Macht die Veränderung, seit die Veränderung, gegen das Gesetz das uns nicht beschützt, gegen das Schulbuch, das immer noch diktiert, dass unser Platz in der Küche ist schon ab 10 Jahren, und welches die Diktatur des Patriarchats in die jungfräulichen Gehirne brennt.

Revolte? Oder Revolution? Gegen den Iman, der dazu aufruft uns zu unterdrücken, zu schlagen, uns zu unterwerfen durch Zwang…..Aufzustehen, Wiederaufzustehen, aufzuhören zu krepieren unter den Schlägen von denen, die im Namen Gottes aus uns die ewige Sklavin machen wollen.  Gegen den Macho Code der Familie (Gesetz: Code de la Famille); gegen die Firmen, die aus unseren Körper ein Objekt des Marketings machen,; gegen die rückschrittliche Gesellschaft,; gegen diese ganzen Vergewaltiger, diese Diebe, diese Irren; gegen uns, die Frauen, die zu schwach sind um unser Leben wieder in die Hand zu nehmen. Das Absurde ist es, in einem Land zu leben das Dir das Recht gibt Präsidentin zu werden! Aber nicht zu heiraten, zu reisen, oder zu atmen ohne Aufseher.

Lasst uns gegen diese Frauen revoltieren die wir sind, die ihren Töchtern beibringen, wie man sich sittsam verhält, wie man sich anpasst an den Status des Bürgers der zweiten Klasse, anstatt ihnen zu zeigen wie man sich befreit.

Marschiert mit dem Kopf hoch, liebt, sucht Eure Partner aus, oder seid einfach frei dazu, keinen zu haben.
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Burkini – es ist kompliziert

Women in Islam

By Petar Milošević (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Eigentlich wollte ich nichts zur Diskussion über den Burkini beitragen. Es wurde schon sehr viel geschrieben und viele scheinen Antworten zu haben. Ich habe keine Antwort, nicht wirklich.

Ich sehe im Patriarchat nicht wirklich die Freiheit zu tragen, was wir möchten und auch nicht das zu tun, was wir wirklich möchten, nicht wirklich und nirgendwo.

Es gibt auch nicht „die Burkini-Trägerin“: damit fängt das Problem an und wird kompliziert.

Die Entscheidungen einen Burkini zu tragen sind so vielfältig wie Frauen unterschiedlich sind. Eine europäische Burkini-Trägerin hat andere Beweggründe als eine Frau in einem islamischen Land, und auch islamische Länder sind völlig unterschiedlich kulturell geprägt.

Ich kann nur über Algerien wirklich sprechen, aber einige Aspekte sind übertragbar.

Und da die Burkini-Diskussion besonders Frankreich betrifft und hier angefangen hat, ist es unabdingbar über Algerien zu sprechen. Es geht gar nicht anders.

Wir müssen deshalb auch in die Vergangenheit blicken, in die Kolonialzeit, die ein Ende mit dem algerischen Unabhängigkeitskrieg hatte, 1962. Es ist nicht wirklich lange her. Die Gräueltaten der Franzosen sind präsent in Algerien, immer, viele der Mudjahedin, Revolutionskämpfer, leben noch.

Die algerische Nationalhymne spricht Frankreich direkt an: „Oh Frankreich, die Zeit der Unterdrückung ist vorüber, wir schlossen sie wie ein Buch, oh Frankreich, die Zeit der Abrechnung ist gekommen, so bereite Dich auf unsere Antwort vor.“

Algerien spricht von 1 ½ Millionen toten Algerier und Algeriererinnen in der Zeit des Krieges von 1954 bis 1962, Frankreich hat natürlich andere Zahlen. Aber schon 1945 kam es zum Massaker von Setif und Guelma, wo 45.000 Algerierinnen abgeschlachtet wurden von französischen Soldaten.

Das Denkmal der Revolution, le Monument, und das Museum befinden sich in Alger mit nachgestellten Szenen der Folterungen durch das französische Militär. Die FLN, die RevolutionskämpferInnen, hat 154.000 Menschen von insgesamt 336.000 verloren, also die Hälfte der Menschen, die ihr Leben für ein freies Algerien opfern wollten.

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Algerien-deutsche Waffenexporte und Frauenrechte…1,2,3 Viva L`Algerie

Government Place, Algiers, Algeria

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Algerien (Djazair), für viele ein mehr oder weniger unbekanntes Land, ist seit einiger Zeit in den Schlagzeilen aufgrund von deutschen Waffenexporten, und natürlich auch wegen der Weltmeisterschaft in Brasilien. Algerien ist jetzt zum wichtigsten Exportland für deutsche Waffen geworden. Der jetzt bekannt gewordene Rüstungsexportedeal wird sich auf 10 Milliarden Euro im Laufe von 10 Jahren belaufen. Rheinmetall wird eine komplette Panzerproduktionsfabrik in Algerien bauen und es sollen 980 Fuchs Panzer produziert werden. Die weiteren involvierten Konzerne sind die üblichen Verdächtigen: Thyssen Krupp und Daimler. Mit dem Waffenexport soll Algerien die Möglichkeit haben gegen Terrorismus zu kämpfen, da die Konflikte der angrenzenden Länder (Mali, Libyen) Algeriens Stabilität gefährden könnten.

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