Schlagwort: Liberalfeminismus

Privilegierte weiße Akademikerinnen!?

Pixabay- Public Domain

Ich habe bereits vor einer Weile über den Irrtum des so genannten „intersektionalen Feminismus“ geschrieben, der ein bedeutsames Konzept der Frauenbewegung (das Konzept der Mehrfachunterdrückung) so um-interpretiert, dass plötzlich Frauen, trotz ihrer untergeordneten Position in der patriarchalen Gesellschaft, trotz der hohen Gewaltbetroffenheit völlig unabhängig von sozialer Schicht, etc. als „privilegiert“ erscheinen lässt.

Ich hatte darüber geschrieben, wie das feministische Verständnis und Bewusstsein von Frauen als sozialer Klasse, die Unterdrückung qua Geschlecht erfährt – zumeist ausgeübt über den biologisch weiblichen Körper – zunehmend verloren geht

In den vergangenen zwei Jahren hat sich diese Tendenz weiter fortgesetzt. Immer häufiger begegnet mir die Aussage weiße Frauen, insbesondere weiße Akademikerinnen, seien privilegiert. Genauso, wie ja die Feministinnen der so genannten ersten Frauenbewegung ja auch „bürgerliche“ Frauen mit ganz vielen Privilegien gewesen seien. Wie geschichtsvergessen, verstießen doch viele von ihnen nicht nur gegen gängige gesellschaftliche Konventionen (unverheiratet, nicht selten in Partnerschaften mit Frauen lebend, …) Sie brachen darüber hinaus Tabus, brachten selbstbewusst Themen auf die Agenda, wie Pornographie und Prostitution, über die Frauen nicht öffentlich zu reden hatten – und schon gar nicht in Gegenwart von Männern. Dies war weder genderkonform (der Geschlechterrolle entsprechend), noch und schon gar nicht konsequenzenlos. Viele von ihnen zahlten einen sozialen Preis für ihr Engagement.

Nun jedoch zu den vermeintlich ach so privilegierten weißen Akademikerinnen heute, und nun mal persönlich:

Ja, ich bin weiß und die Migrationsbewegungen meiner Familie bewegten sich in den zurückliegenden sieben Generationen ausschließlich zwischen Deutschland und Luxemburg.

Ja, ich habe einen akademischen Abschluss.

Und damit werde ich vom „intersektionalen Feminsmus“  oberflächlich „privilegiert gelesen“. 

An meinem Abschluss nicht ablesen lässt sich jedoch die Tatsache einer doch recht einfachen sozialen Herkunft – und auch da können wir wieder viele Generationen meiner Familiengeschichte heranziehen: Bauern, Handwerker, vagabundierende und im Wald lebende Holzfäller und Holzhackerinnen, Dienstmägde, Hilfsarbeiter, … und das bis einschließlich der Generation meiner Großeltern. In der Elterngeneration: Volkschulabschluss und Mittlere Reife. Es ist allgemein bekannt, dass erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine allmähliche Bildungsexpansion einsetzte und einige den Sprung in die (heute wieder erodierende) „Mittelschicht“ schafften. Nach wie vor, bis heute, ist jedoch die soziale Herkunft der Eltern nicht unentscheidend für den eigenen Bildungserfolg, wenngleich das Bildungssystem durchlässiger geworden ist als anno dazumal.

Mein Glück war vielleicht, dass ich zum einen sehr viel Support durch das Elternhaus in schulischen Dingen bekam. Unvergessen die frustrierenden Momente, in denen ich vor Klausuren von meiner Mutter abgefragt wurde und alles was ich oben in meinem Zimmer noch gekonnt hatte, ein Stockwerk weiter unten wieder vergessen war. Lernen fiel mir immer nur dann leicht, wenn die Inhalte mich begeistern konnten. Der sanfte „Zwang“ zum Pauken leistete sicher seinen Beitrag. Ein weiterer Faktor war sicher meine generelle Wissbegierigkeit, dass ich grundsätzlich gerne in die Schule ging, viel las – und der schon immer vorhandene Biss selbst gesetzte Ziele auch mit Fleiß und Beharrlichkeit zu erreichen. 

Auch die Zeit auf dem Gymnasium war für mich nicht das reinste Zuckerschlecken. Phasenweise war Mobbing an der Tagesordnung und zu Teilen meines Jahrgangs fand ich bis zum Schluss keinen Zugang: Weder konnte (und wollte) ich mir Markenklamotten leisten, noch konnte ich bei den tollen Geschichten über den alljährlichen Skiurlaub „mithalten“. Meine Eltern sparten das ganze Jahr eisern um uns einmal im Jahr einen Familienurlaub zu ermöglichen. So konnte ich – was fantastisch ist – schon früh sehr viele Länder bereisen. Skifahren war jedoch nie drin. 

Und überhaupt: Mit 12 Jahren habe ich begonnen mein eigenes Geld zu verdienen. Erst ein Taschengeld durch Putzen bei meiner Oma, Austeilen von Werbeprospekten im Dorf (Stundenlohn etwa 1 DM), ab ca. 15 Jahren Weinlese in den Herbstferien, neben dem Abitur dann später Nachtdienste in der Erlebnisgastronomie (mit Kegelclubs und Fussballvereinen zu „all you can Drink“ – ein ganz großes Vergnügen, ihr könnt es euch vorstellen. Sexuelle Belästigungen = Tagesgeschäft). 

Auch mein Studium habe ich mir zu weiten Teilen selbst finanziert, durch Jobs in der Gastro, dann im Baumarkt und später dann im Punk-Mailorder (geilster Job!)- und mehr oder weniger noch meinen damaligen Partner mit durchgefüttert, der zwar wesentlich mehr verdiente, aber bereits am zweiten vom Monat wegen unkontrolliertem Konsumverhalten keine Kohle mehr hatte.

Ich kann mich noch sehr gut an die unzähligen Male erinnern, bei denen wir die letzte Woche des Monats vom Flaschenpfand, Nudeln mit Maggi und granuliertem Eistee gelebt/überlebt haben. Kein Wunder, dass ich die erstmögliche Gelegenheit ergriff gutes Geld zu verdienen – auf Kosten meines Diplomabschlusses, den ich eigentlich schon fast in der Tasche hatte, die Diplom-Prüfungen schon in der Regelstudienzeit absolviert und das Studium dann doch mitten in der Diplom-Arbeit abgebrochen. Den akademischen Abschluss habe ich dann tatsächlich erst einige Jahre später im zweiten Anlauf nachgeholt.

Angesichts der hohen Gewaltprävalenzen bei geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen kann ich nur sagen, dass ich weitgehend Glück gehabt habe. Und auch wenn ich vergleichsweise wenig eigene Gewaltbetroffenheit habe, spielt u.a. die transgenerationale Traumaweitergabe auch in meiner Biographie eine Rolle – und war – aus heutiger Sicht betrachtet – vielleicht völlig unbewusst ein Motor zu meinem Engagement für Frauenrechte und in meiner Arbeit gegen Gewalt gegen Mädchen und Frauen.

Nicht angepasst zu sein und die vorgesehene Geschlechterrolle zu erfüllen, sondern laut für gleiche Rechte und gegen Unterdrückung einzutreten, hat mir wie vielen anderen Feministinnen neben vielen schönen und motivierenden Erfolgen vor allem eins eingebracht: Ausgrenzung, Hatespeech und Bedrohungen. Hier hat sich realistisch betrachtet überhaupt nichts seit der ersten Welle der Frauenbewegung geändert.

Ganz zu schweigen von (meist männlichen) Narzissten, die in mir nicht selten eine Projektionsfläche für ihre  pathologischen Handlungen gefunden haben. Wie extrem belastend so ein Verhalten sein kann, habe ich erst gemerkt, als ich mich diesen toxischen Strukturen (in dem Fall: Parteienpolitik) bewusst entzogen hatte und wieder frei atmen konnte, Nächte nicht mehr von durch Panikattacken geprägten Träumen begleitet wurden. 

Ich möchte jetzt auch gar nicht davon anfangen, wie eine Gesellschaft mit einer ganz bewusst unverheirateten und kinderlosen Frau umgeht. Welche Sprüche und Abwertungen ich mir seit spätestens meinem 30ten Lebensjahr dafür regelmäßig anhören muss, statt einfach anzuerkennen, dass das mein frei gewählter Lebensstil ist. Und wie oft ich schräg dafür angesehen werde, weil ja schließlich irgendetwas mit mir nicht stimmen muss und „irgendwann merkst du, was du im Leben verpasst hast, spätestens wenn die biologische Uhr abgelaufen ist“. – Ähm … NEIN!

Und jetzt habe ich noch gar nicht über meine Kindheit als „Tomboy“ gesprochen und das ständige Gefühl „The Odd One Out“ und durch Beschäftigung mit vermeintlichem „Jungskram“ irgendwie ein „Freak“ zu sein.

Es ist schlicht nicht zu verleugnen, dass fast alle negativen Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen musste, auf mein (biologisches) Geschlecht und Geschlechterrollenerwartungen zurückzuführen sind. 

All das zählt jedoch für den „intersektionalen Feminismus“ nicht. Weiß, Akademikerin, Stempel drauf, fertig. 

Nicht, dass das hier falsch verstanden wird: Ich hadere mit nichts und bin glücklich über mein Leben und meinen Lebensweg, die wertvollen Erfahrungen die ich sammeln konnte – selbst dann wenn sie negativ waren. So abgedroschen es klingt: Alles davon hat mir geholfen zu der Person zu werden, die ich heute bin. 

Aber was ich mir verbitte, ist die Unterstellung eines vermeintlichen Privilegs.

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen der (völlig korrekten) Aussage „Es gibt Frauen, die sind nicht nur als Frau, sondern mehrfach unterdrückt“ und der (schlicht falschen) Aussage, es gäbe privilegierte Frauen im Patriarchat. Einer Gesellschaft, die Männern grundsätzlich mehr Wert zumisst als Frauen. 

Unsere Frage der Woche: Wie seid ihr zum Radikalfeminismus gekommen?

Wie in unserem jüngsten Podcast angekündigt:

Diesmal interessiert uns euer Weg zum Radikalfeminismus (not the fun kind):

Wie habt ihr den denn für euch entdeckt? Ward ihr schon immer Radfem oder habt ihr zunächst (wie viele von uns) den Umweg über den Liberal-Feminismus oder andere feministische Strömungen (falls ja, welche?) genommen?

Gab es ein bestimmtes Thema, welches euch zum Umdenken gebracht hat?

Oder sympathisiert ihr zwar mit dem Radikalfeminismus, habt aber an bestimmten Punkten einen für euch entscheidenden Dissens?

Vielleicht lest ihr aber auch nur interessiert mit, könnt aber mit Radikalfeminismus eigentlich so gar nichts anfangen?

Oder ihr pickt euch aus verschiedenen feministischen Richtungen die für euch passenden Analysen und wollt euch gar nicht so recht festlegen?

Wir sind schon jetzt sehr gespannt auf eure Erfahrungen und Meinungen.

In der nächsten Folge unseres Podcasts besprechen wir den Unterschied von Radikalfeminismus zu anderen Feminismen und möchten dort sehr gerne auch eure Erfahrungen einbringen.

Feminismus 2020. Bestandsaufnahme anlässlich des 8. März in Berlin.

Bild- Text: „Dies ist keine Fiktion. Dies ist real. Die Freiheit der Rede für Frauen beginnt mit ihrer körperlichen Integrität, die wahr und real und ehrlich und absolut ist. Es gibt keine Ausnahmen.“
„Es gibt keine Ausnahmen für Männer, die privilegiert sind, um einzudringen. Und es gibt keine Ausnahmen für Frauen, wo gesagt wird: ‚Ach ja, das darfst Du nicht mit dieser Frau machen, aber siehst du die da drüben? Ja, das ist okay, mach es mit ihr. Die vermisst keine.‘ “ Wir vermissen sie. Wir wollen sie zurück. Andrea Dworkin, zu Pornografie und „Redefreiheit“.

Frauenbezogene Kontroversen 2020: „Wir entschuldigen uns für die Existenz anderer Meinungen“ …. zum „Frauen*kampftag“ in Berlin

Der Internationale Frauenkampftag hat eine stolze Geschichte. Er begann mit Gewalt gegen politisch aktive Frauen:

Am 8. März 1909 wurde er das erste Mal als Tag der Rechte von Arbeiterinnen und der Frauenrechte in den USA abgehalten. Organisiert hatte ihn die Socialist Party of America, die damit an den 8-tägigen Streik der Textilarbeiterinnen aus dem Jahr 1908 erinnerte, der wiederum der Streiktage von Textilarbeiterinnen aus den Jahren 1857 und 1858, ebenfalls in New York, gedachte. 1857 brach während des Streiks in der Fabrik ein Brand aus, und da die Türen und Notausgänge verschlossen waren, um eine Zusammenarbeit der Frauen mit anderen Arbeitern während des Streiks zu verhindern, starben 129 Textilarbeiterinnen im Feuer.  (1)

1910 schlug die deutsche Sozialistin Luise Zietz (2) auf dem 8. Internationalen Sozialistenkongress der Sozialistischen Internationalen (3) in Kopenhagen vor, diesen Tag grundsätzlich zum Internationalen Tag der Frau zu erklären. Die Delegierten, darunter 100 Frauen aus 17 Ländern, verpflichteten sich gleiche Rechte für Frauen und das Frauenwahlrecht zu unterstützen. Vorausgegangen war Ende August die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz (4), auf der Clara Zetkin (5) die Einführung eines internationalen Frauentags eingebracht hatte. Am 19. März 1911 wurde der Internationale Tag der Frau erstmalig in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz abgehalten, über 1 Million Frauen und Männer nahmen daran teil. 1913 organisierten Frauen in Russland ihren ersten internationalen Frauentag, am 8. März 1914 demonstrierten Frauen europaweit für Solidarität und Frieden, 1917 hielten wieder russische Frauen einen Tag für „Brot und Frieden“ ab.  Holland, Frankreich, Schweden und nach 1918 die damalige Tschechoslowakei zogen nach. In den 20er-Jahren gewann der Internationale Frauentag als Kampftag immer mehr an Bedeutung und es kamen Länder der ganzen Erde dazu: China, Japan, England, Finnland, Estland, Litauen, Polen, Bulgarien, Rumänien, Türkei und Iran. Zu Beginn der 30er-Jahre wurden die Internationalen Frauentage angesichts der drohenden faschistischen Gefahr ein Sammelbecken gegen den Faschismus. Unter den faschistischen Diktaturen in Europa wurde der Internationale Frauentag verboten. (6)

Die UN zog nach, als sie 1975 als das Internationale Jahr der Frau und den 8. März zum internationalen Tag der Frau (und des Friedens) ausriefen.  Der Song dazu kam von Helen Reddy: I’m a woman, hear me roar. (7)

Nun zu Berlin, Deutschland, 2020.

Da die Frauenbewegung idealerweise aus sehr vielen Frauen mit vielen verschiedenen Erfahrungen besteht, die durch ihre verschiedenen Positionen innerhalb der patriarchalen Gesellschaft sehr unterschiedliche Wahrnehmungen mitbringen und sehr verschiedene Einblicke deutlich machen können, sind Meinungsverschiedenheiten zu erwarten und vor allem zu wünschen: Wie sollte eine Bewegung alle Frauen erreichen und ihre Ziele einbinden, wie könnten wir zu echten Gemeinsamkeiten kommen, wenn es diese Kontroversen nicht gäbe? Und was bedeutet es für uns, wenn solche Kontroversen nicht engagiert, aber dennoch vernünftig ausgetragen werden können?

Die Organisator*innen des 8. März in Berlin haben in ihrem Statement nach der Demonstration befunden, dass Schilder mit Aufschriften zur Abschaffung der Prostitution und gegen die Essentialisierung von Geschlechterrollen eine schlimmere Gewalt darstellen als eine auf Frauen geworfene Glasflasche.

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Eine radikalfeministische Perspektive auf die ‚freie Wahl‘

Feministisches Symbol

By weegaweek - File:Feminist philosophy.png, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=72704008

Ein Gastbeitrag von Ines

Früher hielt ich, wie viele Menschen das tun, BDSM für eine Facette des privaten Sexlebens, die man ausleben kann oder auch nicht. Die meisten verbinden damit die gängigen Utensilien wie Peitschen, Handschellen und Fetischoutfits, auf die man sich in der Gesellschaft teils humorvoll teils verschämt bezieht. Deutlich seltener kommen die zugrundeliegenden Mechanismen von Unterwerfung und Unterworfenwerden öffentlich zur Sprache. Diese symbollastige Verklärung sorgt dafür, dass BDSM gemeinhin als eine Frage des persönlichen Geschmacks deklariert wird. Auch der Nachdruck, mit dem von BDSM-Seite bisweilen auf den Unterschied zwischen den BDSM-Praktiken und dem ‚eigentlichen Leben‘ hingewiesen wird, den sogenannte Vanillas nicht richtig verstünden, verstärkt diesen Eindruck. Setzt man sich mit BDSM (theoretisch oder auch praktisch in der Szene) auseinander, wird einem allerdings bewusst, dass dort ähnliche asymmetrische Geschlechterverhältnisse bestehen, wie man sie von clichéhaftem Vanilla-Sex und auch grundsätzlich in den Gesellschaftsstrukturen kennt.

Leider gibt es wenige aussagekräftige Statistiken zu dem Thema – was meine Annahme, dass BDSM als Privatsache gilt, verstärkt –, daher muss ich mich auf meine Eindrücke und die anderer, in BDSM involvierter Menschen sowie die spärlichen zur Verfügung stehenden Quellen zum Thema und gängigen Portale (fetlife, joyclub) beziehen. Dabei erhärtet sich der Eindruck, dass sich mehr Männer relativ gesehen zum (insgesamt größeren1) männlichen Anteil in der BDSM-Szene als „(extrem) dominant und sadistisch“ beschreiben, hingegen deutlich mehr Frauen2 relativ gesehen zum (insgesamt kleineren) weiblichen Anteil in der BDSM-Szene sich als „(extrem) devot und masochistisch“ beschreiben.3 Noch signifikanter wird die Asymmetrie, wenn man nur heterosexuelle Menschen berücksichtigt. Manche Quellen, die etwas vereinfacht in dominante und submissive Rollen unterschieden, sprechen von einer 75%igen dominanten Präferenz bei Männern und gar bis zu 96%igen submissiven Präferenz bei Frauen4 – ein Verhältnis, das ungeachtet der genauen Zahlen meinen Eindruck der beiden Tendenzen bestätigt.

So sehr unterscheidet sich das Bild der BDSM-Szene also auch nicht von den anderweitig anzutreffenden stereotypen Rollenverteilungen. Dass es auch sogenannten außererotischen BDSM gibt, macht zudem deutlich, dass BDSM keineswegs nur eine sexuelle Präferenz ist, sondern mit dem ‚eigentlichen Leben‘ fest verwoben ist. Die Besonderheit von BDSM liegt vielmehr darin, dass Verhaltensweisen und Machtverhältnisse, die man aus dem alltäglichen Leben kennt, im BDSM explizit gemacht werden. Hierin sehe ich übrigens den großen Vorteil von BDSM gegenüber den impliziten alltäglichen Formen, Menschen zu unterwerfen oder sich ihnen zu unterwerfen: Die Machtverhältnisse werden expliziert und somit verhandelbar. Aber wo werden diese Machtverhältnisse und ihr Kontext zum alltäglichen Leben letztlich verhandelt? Erstaunlich selten wie mir scheint. Weiterlesen

Willkommen im Patriarchat: Sonderpreis für Vergewaltigungs-Diskurs

"Take rape seriously" - Protester with Placard Reproductive rights activist Shelby Knox.

by Women's eNews via Flickr, [CC BY 2.0]

Man kann nun wirklich nicht sagen, dass Mithu Sanyal durch ihren empörenden Vorschlag, Opfer sexueller Gewalt wertneutral als Erlebende zu bezeichnen (da man ja nicht wisse, wie sie die ihnen angetane Tat selbst einordnen) und der daraus folgenden, erhitzten Debatte irgend etwas an Reputation eingebüßt hat.

Ganz im Gegenteil, sie bekam nachdem belegbar aus rechten Kreisen gegen sie lancierten Shitstorm – gegen den Radikalfeministinnen sie trotz inhaltlicher Kritik verteidigten und denen sie dennoch den schwarzen Peter zuschob und als Initatorinnen von Vergewaltigungsdrohungen bezichtigte (und damit aktiven Täterschutz betrieb) sehr viel trostspendende Anerkennung.

Während sie ein Interview nach dem anderen geben durfte, interessierte man sich im medialen Mainstream so gut wie nicht für die Position der Initatorinnen, des sich kritisch mit ihren Positionen auseinandersetzenden Offenen Briefes – darunter zahlreiche Betroffene sexueller Gewalt. Während ihr und ihrer Sichtweise also breiter Raum eingeräumt wurde, ignorierte man die Gegenseite so gut es ging. Die TAZ richtete sogar derweil eine eigene Kolumne mit dem Titel „Mithulogie“ für Sanyal ein, Titel wie „Das Piss-Manifest“ lassen den inhaltlichen Tiefgang bereits erahnen.

Zum Tode Hugh Hefners, dem Playboy-Gründer, der Nacktfotos von Marilyn Monroe auf dem Cover seines Magazins ohne deren Konsens abdruckte, der mit Fotos von Minderjährigen pädokriminelle Fantasien anheizte und legitimierte und über den wir von ehemaligen „Bunnies“ erfahren, wie mies er sie behandelte und dass er die von Bill Cosby gerne für seine sexuellen Gewalttaten eingesetzten KO-Tropfen als „Schenkelöffner“ bezeichnete, bescherte sie diesem Frauenfeind einen äußerst wohlwollenden Nachruf:

„Hugh Hefner habe sich bereits in den 1950er- und 60er-Jahren für Empfängnisverhütung und Abtreibung eingesetzt, betont Mithu Sanyal. Er habe sich später auch für die Ehe für alle und gegen Waffen und die Todesstrafe ausgesprochen. „Frauen haben ein eigenes sexuelles Begehren“, habe Hefner in einer Zeit gesagt, als das noch undenkbar war. „Die Playmates haben einem immer in die Augen geguckt. Die hat man nicht irgendwie beobachtet, sondern die haben einen angeguckt und gesagt: Hey, ich will was aktiv!“

Auf ihrer Facebook-Seite schreibt sie allen ernstes:

„Denn der Ober-Playboy und Viagra-Fan Hugh Hefner ist durchaus eine faszinierende, komplexe Figur. Ja, der Playboy ist auch sexistisch, aber er ist eben auch feministisch – zumindest wenn es nach Hugh Hefner geht.“

Kein Wort auch darüber, dass Hefner eng mit der Mafia verbunden war, darunter Linda Boremans Zuhälter und Ehemann Chuck Traynor, dass er einen maßgeblichen Anteil an dem Vorantreiben der Objektifizierung von Frauen trug oder auch nur den Hauch einer Ahnung davon, welche Vorteile sein Kampf für Abtreibungsrechte vielleicht für Männer, die Frauen sexuell ausbeuten wollen, haben könnte. Immer wieder erwische ich mich dabei, mich zu fragen ob Sanyal und die Liberalfeministinnen die Zusammenhänge wirklich NICHT SEHEN, aus Blindheit oder Unvermögen, oder ob sie BEWUSST UND AKTIV den Boden für das Patriarchat ebnen.

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Prostituiert euch!

By i_hate_sult (http://www.webcitation.org/5zQfwo653) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Eigentlich hab ich mir ja abgewöhnt jeden Pups aus dem Popfeminismus-Häppy-Sexwörk-Libfem-Queer-Prostitution-ist-Sexarbeit-s-Lager zu kommentieren, aber zwei brandaktuelle Artikel sind so dermaßen schräg, dass ich es mir nicht verkneifen kann.

Erst wurde mir ein Artikel, der beim STERN, bzw. NEON (Kernzielgruppe: „Menschen zwischen 20 und 35 Jahren mit hohem Bildungsstand und überdurchschnittlichem Einkommen“) veröffentlicht wurde, in die Facebook-Timeline gespült. Titel: „Warum du dich lieber an Huren statt an Barbies orientieren solltest. Du willst Dich schöner fühlen? Vergiss die klassischen Beautytipps und lerne von Prostituierten, erstelle Dir ein Profil bei einer Escort-Seite und übe Dominaposen.“

Zunächst einmal springt einem bereits in dieser Überschrift das Patriarchat mit nacktem Arsch ins Gesicht, wies doch bereits der Soziologe Pierre Bourdieu, bewusst anknüpfend an die brillanten Analysen der Radikalfeministinnen der 1970er Jahre, darauf hin, dass „Körper für andere (Männer) machen“ müssen, eines der zentralen Kennzeichen der „Männlichen Herrschaft“ ist. Und wieso sollen sich junge Frauen eigentlich zwischen „Huren“ und „Barbie“ entscheiden müssen?

Über die Autorin erfahren wir:

„Die Schriftstellerin Anna Basener hat für ihren Roman „Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ ein illegales Ruhrpott-Bordell erfunden. Sie hat dafür mit Prostituierten, Dominas und Bordellwirtschafterinnen gesprochen und gelernt, dass Moralisieren keinem hilft, am wenigsten den Sexarbeiterinnen.“

Besagte Autorin leitet in ihrem Text nach ihren Gesprächen mit ein paar prostituierten Frauen, die sich als Sexarbeiterinnen verstehen, aus deren individuellen Sichtweisen allgemeingültige Aussagen ab. Nun, that`s not exactly how Gesellschaftsanalyse works. Okay, vielleicht wollte sie auch nur einen (in ihren Augen) unterhaltsamen Text schreiben, aber ich will mal exemplarisch an ein paar Beispielen deutlich machen, warum hier was gründlich schief gelaufen ist.

„Marleen ist 26, Studentin und Hure. Sie hat in ihrer Jugend gelernt, dass sie zu dünn ist. Keine Kurven, wenig Busen, das ist nicht sexy, dachte sie bis sie angefangen hat anzuschaffen. Jetzt weiß sie, dass sie heiß ist. Umgekehrt gibt es aber auch dicke Prostituierte, deren Geschäftsmodell es ist, Männer zu befriedigen, die dünne Frauen geheiratet haben mutmaßlich aus Prestigegründen. Sie machen eine „Riesenmark“ damit, dass es gesellschaftsfähiger ist, auf Barbie-Blaupausen zu stehen, auch wenn man selbst lieber was zum Anfassen hätte.“

Gewagte These: Eigentlich sind es gar nicht die Frauen, die hier unterdrückt sind, sondern die armen Männer, die nicht zu ihren wahren Fetischen stehen dürfen (denn nichts anderes ist es, wenn man SexualpartnerInnen aufgrund von zum Beispiel optischen Vorlieben auswählt), sondern gesellschaftskonform ihre Ehefrauen auszuwählen haben? Huh? Nun ist es ja tatsächlich so, dass die Ehefrau oder Partnerin nicht selten als Statussymbol (in Bourdieus Worten „symbolisches Kapital“) fungiert, aber, dass die Bordelle jetzt überdurchschnittlich mit „dicken Prostituierten“ gefüllt sind, das entbehrt nun wirklich jeder Grundlage. Und was hier auch nicht erwähnt wird, ist, dass Freier sehr häufig auf Abwechslung stehen: Heute dick, morgen dünn, übermorgen ne „MILF“, nächste Woche mal ein „Teenie“ und auch in Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit erweist Freier sich gerne als „welterfahren“ und „Kosmopolit“. Der Pro-Prostitutions-Verein Dona Carmen spricht diesbezüglich von „Völkerverständigung von unten“. Isses nich HERRlich?

Im Grund gar nicht so verkehrt ist das hier:

„Eine These: Weil Bordelle beweisen, dass den konventionellen Schönheitsidealen nicht zu trauen ist. Es sind Orte, an denen der Wert eines Körpers nicht von Hollywood, Fashionshows oder Werbung definiert wird, sondern vom Markt. Ob ein Angebot auch auf Nachfrage stößt, lässt sich schlicht und ergreifend am Preis ablesen.“

Da steckt empirisch belegbar sehr viel Richtiges drin. Nämlich: Dass es sich um einen Prostitutionsmarkt handelt, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt, und dass es Preisunterschiede gibt. Nur das mit den „konventionellen Schönheitsidealen“, die sich hier angeblich nicht wiederfinden, das stimmt so nicht, Frau Basener. Hätten sie mal in den sehr aufschlussreichen Artikel des Economist geschaut, dann hätten sie es besser gewusst.

Die haben nämlich Freierforen und sage und schreibe 190.000 Angebotsprofile aus 84 Städten und 12 Ländern im Zeitraum von 1999 bis 2014 ausgewertet in Bezuf auf die körperlichen Attribute der prostituierten Frauen, sowie die angebotenen Leistungen und Preise. – Diese Ökonomen! –  Die höchsten Preise sind mit dünnen Frauen mit sehr langen, blonden Haaren oder mit vollen Brüsten zu erzielen. Huch! Erkennbar blondierte Haare sind preismindernd, jedoch immer noch unter den „Premium“-Angeboten. Zwischen kleinen Brüsten und einem D-Cup liegen 40 Dollar Preisunterschied, weshalb eine Brustvergrößerung (die mit 3.700 Dollar Kosten beziffert wird) sich ökonomisch bereits nach 90 Stunden amortisiert. – Wie nüchtern die doch solche Zusammenhänge darstellen können!

Jetzt könnte man noch einwerfen: Aber Aussehen ist nicht alles! Denn preisgestaltend sind Studien zufolge ja auch die existentielle Not und der Freiwilligkeitsgrad derjenigen, die sich anbieten (müssen). Eine gehandelte Frau, eine aus rassistischen Gründen in der Hierarchie ganz unten stehenden Romni oder eine Drogenprostituierte, die ihren nächsten Schuss braucht, sind in der Regel „günstiger zu haben“, als beispielsweise die deutsche Hobbyprostituierte, deren Existenz grundsätzlich bereits anderweitig gesichert ist. Auch das abzuringende Leistungsspektrum ist bei den genannten Personengruppen, die unter besonders viel Druck stehen und auch jenen, deren persönliche Grenzen durch massive Gewalterfahrungen extrem verletzt wurden, sehr viel größer. Man könnte auch sagen „viel für wenig Geld“ ist einem großen Teil der Freier wichtiger als die Optik. Aber auf solche Zusammenhänge hinzuweisen wäre ja auch ein bisschen zu viel verlangt.

Weiter geht’s mit einem Pro-Tipp:

„Natürlich müsste man sich gar nicht darum scheren, irgendjemandem zu gefallen. Begehrt zu werden kann nicht der einzige Schlüssel zu einem besseren Verhältnis zum eigenen Aussehen sein. Eigentlich muss das von innen kommen, klar. Ist aber leichter gesagt als getan, denn: Wie kommt das Bewusstsein für die eigene Schönheit überhaupt erst in einen hinein? […]. Lernen wir also von den Huren. Was hilft, ist die Dominapose: Breitbeinig stehen, Hände in die Hüften, Kinn hochnehmen. Stärkt das Selbstwertgefühl und schreibt sich in den Körper. Kat Rix […] wollte eine geile Frau sein, also hat sie entschieden, dass sie eine ist. Das klingt einfacher, als es ist, und braucht Zeit. Aber was hilft, ist die Dominapose. [Die Dominas haben …] der Männerwelt schon vor Wonder Woman‘s Erfindung ihre Schönheit und Stärke entgegengeschleudert.“

Fhlks9a0aßd98sfd97(=D()S=(D(=  [<——- das sind die Tastenabdrücke, die ihr die nächsten Tage auf meiner Stirn bewundern könnt).  Ach, wisst ihr was, ich lass das einfach mal für sich sprechen….  (Ob ihr bewusst ist, dass sich das tatsächliche Machtverhältnis auch nicht rumdreht, wenn der Freier dafür bezahlt den devoten Part zu übernehmen – und dennoch genauestens und bis ins letzte Detail bestimmt was genau gemacht wird?)

Die Autorin endete damit den Leserinnen folgendes vorzuschlagen:

„Eine praktische Übung fürs Selbstwertgefühl: Erstell dir ein Profil auf einer Escort-Seite (oder auch komplett offline) und trag zusammen, warum du attraktiv bist so attraktiv, dass Sex mit dir Geld kostet. Nicht falsch verstehen: Ich spreche hier nur von einer Übung, nicht davon, das Profil wirklich hochzuladen oder anschaffen zu gehen. Es geht mir nicht um Berufsberatung, sondern um einen neuen Blick auf Schönheit. Es geht auch nicht um den tatsächlichen Preis, den du verlangen könntest, sondern um deinen Wert.“

Seufz. Das ist also die Botschaft an die jungen Frauen, die NEON lesen: Euer Wert bemisst sich in eurer Schönheit, und die Hoheit über diese zu befinden liegt bei euch selbst. Lassen wir mal den flapsigen Ton beiseite: Es ist doch einfach furchtbar, wie durchtränkt dieser gesamte Artikel, der am Ende mit diesem „praktischen Vorschlag“ gekrönt wird, mit den Vorstellungen der patriarchalen Unterordnung der Frau, deren Wert sich darin bemisst, wie schön, wie attraktiv, sie ist und schließlich, wie gut sie sich auf einem Markt verkaufen kann – sei es als tatsächlich prostituierte Frau mit materieller Entgeltung oder nur in dem hier angedachten symbolischen Sinn. Ich weiß nicht, aber das ist doch irgendwie unendlich traurig???

Der Titel des zweiten Textes, zu dem ich was sagen möchte, knüpft an dieser Stelle wunderbar an: Für „Huren sind wir alle“ bekommt das liberalfeministische Missy Magazine gerade mal wieder in der ihrigen Facebook-Kommentarspalte ordentlich die Hucke voll. Meines Erachtens völlig zu Recht.

Der Autor, „Christian Schmacht, geboren 1989, queerer Autor und Sexarbeiter, […] mag es […] sehr, das hart verdiente Geld für Luxusartikel auszugeben“, steigt ein mit der Schilderung einer „konsensualen Sexzene, die an Erfahrungen von sexualisierter Gewalt erinnern kann.“ Auf eine Zitierung meinerseits wird verzichtet, die Schlagworte Kehlenfick, Tränen, Würgereflex, Kotze, Gesichtsbesamung dürften reichen.

Irgendwie spricht es für sich selbst, wenn man angesichts von deutlichen Schilderungen von Gewalt und Erniedrigung extra darauf hinweisen muss, dass es sich um konsensuale Handlungen handelt. Das liegt daran, dass mit dem Konsens-Konzept auch die brutalsten Foltermethoden legitimiert werden können, denn „er/sie wollte es ja so“. Nicht hinterfragt wird dabei, woher diese Wünsche, diese Zustimmung überhaupt herrührt. Das alles führt, wie wir schon häufig erläutert haben, dazu, dass es keinen objektiven Gewaltbegriff mehr in Bezug auf die Sexualität gibt, obwohl ein Gewaltakt nun mal auch dann ein Gewaltakt bleibt, wenn er von demjenigen oder derjenigen, der/die ihn erfährt subjektiv nicht als Gewalt aufgefasst wird. Liberale Konfusionsarbeit at its best.

Die ehemalige Prostituierte Huschke Mau kommentiert dies richtigerweise wie folgt:

Echt schade, dass ihr anscheinend nicht wisst, was sexualisierte Gewalt ist. Denn ja, wenn mir jemand den Schwanz reinschiebt bis ich kotzen muss, obwohl das nicht abgesprochen war, dann IST das sexualisierte Gewalt und keine „konsensuale Sexszene“ die an „sexualisierte Gewalt erinnern kann“. Ich als Exprostituierte danke trotzdem für den Artikel: Das Sexgeschäft wird in ihm realistisch dargestellt. Wenn auch, wie man bei euch nach diesem Artikel ja vermuten muss, unfreiwillig und nicht bewusst. Aber es wird klar, Freier sind grenzüberschreitende, gewaltausübende Täter. Danke dafür.“

Der Autor fährt fort:

Dann gehe ich mich waschen und lasse unterwegs das Kotzhandtuch verschwinden und denke daran, wie wir gerade erst diesen Song von SXTN gehört haben, Skyler und ich: „Hass Frau, du nichts, ich Mann. Blase, bis du kotzt, aber kotz auf meinen Schwanz.“ Sie haben die Stimme von Alice Schwarzer gesampelt, die sich in einer Talkshow über HipHop empört, und dazu rappen sie von Frauenhass. Das war gestern, als wir nachts über die Autobahn fuhren. Wir redeten über die Lyrics und waren uns einig, dass sie uns gefallen und dass wir Alice Schwarzer hassen und dass SXTN es schaffen, gleichzeitig Typen zu dissen und sich über Alice-Schwarzer-Feminismus lustig zu machen.“

Das ist Feminismus 2.0.: Frauenhass im allgemeinen (SXTN Lyrics) und Frauenhass im konkreten (Hass auf Alice Schwarzer) sind damit ganz offensichtlich problemlos kompatibel. Und klar: Das allseits beliebte Alice Schwarzer Bashing funktioniert in gewissen Kreisen sowieso IMMER. So ein durchschaubares fishing for sympathies. Warum echte Gesellschaftskritik üben, wenn einen die Herzen der Sexualliberalen auch schon für „Schlag die Alice“ zufliegen.

Und auch die Rapperin Sooke, die in gewissen Kreisen durch einen vermeintlich transphoben Songtext in Ungnade gefallen ist, bekommt nochmal eins mitgegeben:

„Die queere Rapperin Sookee hat einen Song gemacht über Sexarbeit auf ihrem neuen Album. Der Song heißt „Hurensohn“ und handelt vom Sohn einer Hure und davon, dass er ein richtig liebenswerter Bursche ist, der seine Mutter respektiert. Ich höre ihn mir manchmal an, weil er so unangenehm ist, wie auf einem entzündeten Pickel rumzudrücken, um den Schmerz zu spüren und den Eiter fließen zu sehen. Ich frage mich, warum Sookee nicht stattdessen über sich selbst schreibt. Darüber, warum sie selbst keine Sexarbeiterin ist (falls sie keine Sexarbeiterin ist), oder wie oft in ihrem Leben sie schon sexuelle Dienstleistungen gegen andere Vorzüge eingetauscht hat?“

Das klingt ein bisschen so, als solle sie sich – vermutlich eigentlich wir alle –  jetzt dafür rechtfertigen, dass /wenn sie/wir selbst keine „Sexarbeiterin“ / „Hure“ ist/sind. Denn eigentlich und überhaupt, wisst ihr:

„Sexuelle Dienstleistungen gegen Aufmerksamkeit ist ein bewährter Deal, dafür brauchen wir uns nicht zu schämen. Klar hat sie mehr verdient, ich auch, wir alle. Aber im Leben gibt es viele miese Deals.“

Eine Kommentatorin fasst trefflich zusammen: „Neoliberal as fuck, literally.“ Yup, genau das ist es! Forderungen, Vorschläge, Ideen dass und wie sich etwas in dieser Gesellschaft ändern kann sucht man hier vergebens. Stattdessen die übliche Leier, wir prostituieren uns eh ALLE, die einen so und die anderen so, aber „so ist das Leben“ und schön, dass wir mal drüber geredet haben und das wars? Ahjo.

Das Missy Magazine unterstreicht in der Kommentarspalte das Anliegen des Autors die Grenzen in Bezug auf die Gruppe von Menschen, die als Prostitutierte zu bezeichnen sind, auszuweiten:

„Der Text weist auf etwas hin, was sehr viele Sexarbeitsgegner*innen verkürzen beziehungsweise nicht mitdenken: Wo beginnt Sexarbeit eigentlich?“

Hätten die Missys vielleicht mal Radfem Klassiker wie „Pornographie“ von Andrea Dworkin gelesen, dann wüssten sie, dass diese von ihnen vertretene Sichtweise urpatriarchal ist. In der patriarchalen Lesart gibt es genau zwei Arten von Huren: 1) Die Ehe-Hure, die der Privatbesitz eines einzigen Mannes ist, und diesem sexuell zur Verfügung zu stehen hat (wir erinnern uns vielleicht daran, dass Vergewaltigung in der Ehe erst seit den späten 1990er Jahren ein Straftatbestand ist?) und 2) die Hure, die Allgemeinbesitz ist, und an der sich alle Männer erfreuen dürfen. Welche dieser beiden für uns vorgesehenen Rollen, die beide eine Seite der selben patriarchalen Medaille sind, uns genehm ist, das dürfen wir uns aussuchen, wenn es nicht für uns ausgesucht wird.

Also, was sollen wir in unserer Gesellschaftsanalyse denn bitte noch erweitern, liebe Missys? Die von euch konstatierte Verkürzung trifft doch vor allem auf euch selbst zu.

Aber dankbar können wir euch ja irgendwie schon sein für diesen Peak-Libfem-esken-Artikel, macht ruhig weiter so, denn wie einer bei euch so schön schreibt:

„Zumindest danke ich dafür, dass ich einen Text habe, mit dem ich unkompliziert vermitteln kann, weshalb ich keinen käuflichen Sex will.“

Andrea Dworkin: Rechter und linker Frauenhass

Andrea Dworkin

By Open Media Ltd. (Uploaded by Open Media Ltd. (AnOpenMedium)) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Auszüge aus einer Rede, gehalten am 8. April 1987 an der New York University Law School, veröffentlicht im Sammelband “The Sexual Liberals and The Attack on Feminism“, herausgegeben von Dorchen Leidholdt und Janice G. Raymond im Jahr 1990. Vollständiger Text „Woman-Hating Right and Left, Andrea Dworkin“ (auf englisch) auf radfem.org.

Es ist lange her, dass wir zusammengekommen sind, um zu sagen, was wir meinen, was Feminismus ist und warum der Kampf für die Freiheit der Frau so bedeutsam für uns ist, dass wir ihm unser ganzes Leben widmen: nicht drei Stunden am Samstagnachmittag; nicht ein gelegentlicher Brief hier und da; nicht ein empörtes „Oh mein Gott, das meinst du nicht wirklich!“. Wir denken tatsächlich nicht, dass unsere Leben trivial sind. Stellt euch das vor. Und wir denken nicht, dass die Verbrechen, die an uns begangen werden, unbedeutend und klein sind. Das bedeutet, dass wir einen phänomenalen Fortschritt darin gemacht haben zu verstehen, dass wir menschliche Wesen sind, die Rechte haben; dass niemand uns diese Rechte nehmen darf; dass wir geschädigt werden durch eine systematischen Unterordnung von Frauen und dadurch, dass wir systematisch sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Wir haben uns politisch organisiert um zurückzuschlagen und die Gesellschaft, in der wir leben, von Grund auf zu verändern.

Ich denke, als Feministinnen schauen wir auf eine Art und Weise auf Probleme, die andere Menschen nicht zu verstehen scheinen. Um Namen zu nennen, die Rechten und die Linken scheinen nicht zu verstehen, was wir Feministinnen zu tun versuchen. Wir versuchen eine Geschlechterhierarchie zu zerstören, eine Rassenhierarchie (race hierarchy), eine ökonomische Hierarchie, in der Frauen geschädigt werden, entmachtet sind und in der die Gesellschaft eine Brutalität an uns zelebriert und uns die körperliche Integrität und unsere Würde verweigert.

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Catharine MacKinnon: Liberalismus und der Tod des Feminismus

No machine-readable author provided. Crunk~commonswiki assumed (based on copyright claims). [Public domain], via Wikimedia Commons"

Auszüge aus einer Rede, gehalten am 8. April 1987 an der New York University Law School, veröffentlicht im Sammelband “The Sexual Liberals and The Attack on Feminism“, herausgegeben von Dorchen Leidholdt und Janice G. Raymond im Jahr 1990. Vollständiger Text „Liberalism and the Death of Feminism, Catharine A. MacKinnon“ (auf englisch) auf radfem.org.

Es gab eine Frauenbewegung, die sozialbasierte Taten, wie Vergewaltigung als männliche Gewalt gegen Frauen kritisierte, und als eine Form von sexuellem Terrorismus.  Sie kritisierte Krieg als männliche Ejakulation. … Wenn diese Bewegung Vergewaltigung kritisierte, dann meinte sie Vergewaltiger und die Ansicht, die Vergewaltigung als Sex betrachtete. Wenn sie Prostitution kritisierte, dann meinte sie die Zuhälter und Freier und die Ansicht, dass Frauen geboren seien um Sex zu verkaufen. Wenn sie Inzest kritisierte, dann meinte sie die, die uns das antaten, und die Ansicht, die unsere  Verletzlichkeit und unser erzwungenes Schweigen sexy fand. Wenn sie Körperverletzung kritisierte, dann meinte sie die Schläger, und die Ansicht, dass Gewalt die Intensität der Liebe ausdrücke. Niemand dachte, dass diese Praktiken zu kritisieren, in irgendeiner Weise jemals ihre Opfer meinte.

Die Bewegung kritisierte auch heilige Konzepte vom Standpunkt der materiellen Existenz der Frauen aus, also unserer Realität, Konzepte wie das der „Choice“ zum Beispiel. Es war eine Bewegung, die wusste, dass wenn die materiellen Bedingungen 99% unserer Optionen vorherbestimmten, es nicht sinnvoll ist für das übrige Prozent von „Wahl“ zu sprechen. Diese Bewegung übernahm Konzepte wie „Choice“ nicht. Denn sie wusste, dass wenn Zwang ein normalisierter Teil von Sex ist, wenn ein Nein als ein Ja betrachtet wird, wenn Angst und Verzweiflung Duldung produzieren und Duldung dann Konsens meint, dass Konsens kein bedeutungsvolles Konzept ist. …

Sie kritisierte auch das Konzept der Freiheit, insbesondere der sexuellen Freiheit, und entpackte und demaskierte dieses als ein Cover für die Freiheit zu misshandeln. Wenn Menschen mit Macht ihre Unterdrückung  von Frauen als Freiheit verteidigten, dann wusste die Bewegung um den Thrill der Macht, den sie damit verteidigen. Diese Bewegung war kritisch gegenüber der Freiheit zu unterdrücken, und keine Bewegung, die Frauen erzählte wir seien frei, wenn wir mehr von dieser Unterdrückung bekämen. …

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