Schlagwort: Rassismus

Das Missverständnis um die Intersektionalität – und die Konsequenzen daraus

Seit geraumer Zeit stellen wir immer wieder fest, dass das wichtige Konzept der Intersektionalität im Queer-/Liberalfeminismus in einer Art und Weise gebraucht wird, welches es in seinem ursprünglichen Sinn und Intention unbrauchbar macht. Wie so viele feministische Konzepte im Laufe der Zeit „geschrottet“ wurden, so erging es auch diesem.  

Ich konnte bisher nie so ganz greifen, was genau da schief gelaufen ist. Bis zu dieser Woche, bei einer Veranstaltung an der Uni Mainz mit der Taz- und Missy Magazin-Autorin Hengameh Yaghoobifarah. Bisher dachte ich nämlich immer, der Fehler in der Rezeption bestünde ausschließlich darin, dass Mehrfachdiskriminierungen von der Kategorie Geschlecht (im Sinne von „sex“, nicht „gender“) abgetrennt und munter aufaddiert würden. Tatsächlich habe ich jetzt verstanden, dass der Dritte Welle Feminismus einem grundlegenden Missverständnis aufgesessen ist, welches mir nun auch einige irritierende politische Aktionen aus diesen Reihen der letzten Jahre erklärt.  Aber dazu am Ende mehr.

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Bauchtanzromantik und Prostitution: die „Ouled Nail“

Auguste MAURE - Collection privée Gilles Dupont

Auguste MAURE - Collection privée Gilles Dupont

Wer kennt Sie nicht, die Bilder und Fotos von früher, vor vielen Jahrzehnten, auf denen halbnackte Frauen orientalischer Herkunft verträumt in die Kamera schauen oder den Maler zu betrachten scheinen. Diese Bilder schufen früher Sehnsucht, insbesondere bei Männern, und waren mitverantwortlich oder begründeten die sogenannte „Haremsromantik“. Schöne Frauen, die nichts mehr liebten wie in glitzernder Kleidung Granatäpfel und Feigen in die Münder der Männer aus den Kolonialländern zu stopfen und Ihnen sinnlich, erotisch jeden sexuellen Wunsch zu erfüllen. Ganz im Gegenteil zu den prüden und erschöpften Frauen Europas im 17ten und 18ten Jahrhundert, die nur Kartoffelsuppe zu bieten schienen.

Schon früher hatten Männer ein Hang dazu, die „bessere“ Frau zu präsentieren. Heute sind es prostituierte Frauen aus Bulgarien und Rumänien, die für ein paar Euro in Deutschland jeden Wunsch erfüllen müssen und gleichsam verachtet werden, da sie jeden Wunsch erfüllen. Oder früher, vor zwanzig Jahren, waren es die „unterwürfigen“ thailändischen Frauen, die noch geheiratet werden mussten um in Deutschland sexuell zur Verfügung zu stehen. Die Beispiele sind endlos, es gibt und gab immer eine noch bessere Frau in der Unterwürfigkeit und im Gehorsam. Die Frauen werden häufig verkauft als „Exotik“ bis hin zu Sex Dolls in der heutigen Zeit. Mehr ist dann wirklich nicht vorstellbar. Diese „Exotik“ ist und war Rassismus, triefend von sexuellen Zuschreibungen basierend auf Herkunft.

In Algerien wurden die prostituierten Frauen der „Ouled Nail“, Frauen aus der Stadt Bou-Saada, im vorigen Jahrhundert vom deutschen Fotografen Rudolf Lehnert fotografiert.  Wahrscheinlich nicht nur fotografiert, da er sich offensichtlich in den geschlossenen Räumen der Prostitution aufhielt. Die Bilder sind eine schreckliche Dokumentation des Kolonialismus und der Prostitution. Blutjunge Mädchen präsentieren sich halbnackt, verewigt zum Abwichsen auf Postkarten für die Masturbationsbedürfnisse europäischer Männer. Wahrscheinlich blieben sie ohne zusätzliche finanzielle Kompensation für ihre „Vervielfältigung“.

Rudolf Lehnert, zusammen mit Ernst Heinrich Landrock (L und L), waren vor mehr wie hundert Jahren sehr bekannt als Fotografen der Orientalistik. R. Lehnert reiste 1904 nach Tunesien und eröffnete in Kooperation mit Landrock ein Fotostudio in Tunis. Fotos aus dem Orient waren seine „Passion“, insbesondere eben die Fotoreihen blutjunger Mädchen. Er fotografierte auch die jungen Mädchen der Ouled Nail aus Bou-Saada.

Die Geschichte der „Ouled Nail“ ist aber weniger exotisch und erotisch wie es uns die  Orientromantik der Vergangenheit glauben machen wollte. Diese ist sowieso heute fast völlig verschwunden, stehen Frauen, auch früher in Bou-Saada übrigens völlig verschleiert, nicht mehr so einfach dem europäischen Mann sexuell zur Verfügung. Es gibt tatsächlich noch Burkaporno, aber es gibt sowieso jeglichen Fetisch den Mann sich ausdenken kann. Mir fällt jedenfalls keine andere Erklärung ein für das Verschwinden der Orienterotik beim westlichen Mann. Wahrscheinlich spielt aber auch das „Überangebot“ der Ware Frau aus aller Welt eine Rolle.

Die Prostitution der Ouled Nail in Bou-Saada entspricht der Entwicklung der Prostitution überall.

Das Militär kam, ließ sich mit einer Garnison nieder, und brauchte Frauen für die Soldaten, in anderen Worten, Männer mit Geld verlangten Frauen und bekamen sie. Hier können wir dem Ganzen nur noch Bauchtanz und sehr sehr viel Schmuck beifügen als Element der ewig gleichen Geschichte der Prostitution. Dazu kommt vermeintlich einen Hauch von Fernwehromantik und Exotik. Und die Idee der Selbstbestimmung und Mitwirkung der prostituierten Frauen gehört auch dazu. Die Einheimischen, sprich Eingeborenen, wollten es nicht anders und sind einfach so. Ähnlich wird das Konzept noch heute reproduziert im „interracial porn“. Verschiedene Ethnien sind sexuell anders und „brauchen es“.

Die Bevölkerung Bou-Saadas bestand ursprünglich, vor dem 18ten Jahrhundert, aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen wie Araber, Juden, Mozabiten, Europäer, dem Militär und den „öffentlichen Frauen“ (filles publiques), aus denen die Ouled Nail hervorgingen. Sie tanzten bei Festen und Veranstaltungen und führten traditionelle Tänze auf. Als Bou-Saada kolonialisiert wurde im Jahre 1845, lebten hier 5000 Menschen. In diesem Zeitraum zog eine Garnison von 500 Männern  in den Ort.

Am Abend saßen die Händler und die Soldaten in den maurischen Cafes um sich abzulenken. Die jungen Mädchen der Ouled Nail begannen dort mit ihrer festlichen Kleidung und Verzierungen zu tanzen. Da sich aus diesem Entertainment schnell Prostitution entwickelte, entstand das „Asyl der Naila“, ein abgeschlossenes Gebiet. 1930 hatte Bou-Saada schon 50 000 Einwohner und es entstand eine „Toleranzzone“, die auch als Straße der Ouled Nail bezeichnet wurde. 1952 gab es hier zwanzig Häuser mit durchschnittlich fünf prostituierten Mädchen oder Frauen.

Bou-Saada war immer eine touristische Stadt und so wurden die Abende „m`bita“ initiiert, an denen gesungen und getanzt wurde. Die Tänze entsprachen zuerst traditionellen Tänzen, wie der Tanz Saadaoui, der auch Naili genannt wurde. Die Kostüme wurden immer ausgefallener und auffälliger um für die Männer interessant zu bleiben. Es kam schließlich zum „Nackttanz“ am zweiten Teil des Abends. Die Musiker haben dann in der Regel ihre Gesichter gegen die Wand gerichtet und gespielt. Als Muslime wollten sie die nackten Frauen nicht sehen. Die Frauen der Ouled Nail verzichteten in den geschlossenen Räumen der Prostitution auf ihre Schleier, aber außerhalb trugen sie den Schleier bu`awina, der nur noch ein Ohr zu sehen ließ. Unter dem Schleier trugen die Ouled Nail ihren kompletten Schmuck und ihre Kostüme. Vollverschleierung war ein traditionelles Gebot für alle Frauen in Bou-Saada, inklusive der Ouled Nail.

Die jungen prostituierten Frauen der Ouled Nail rekrutierten sich aus der Familie oder aus der Dorfgemeinschaft. Für die Initiierung in den Tanz, der den Eintrittspunkt in die Prostitution darstellte, war eine längere „Ausbildung“ notwendig. Fatima die Kapitänin zum Beispiel besaß 20 junge Tänzerinnen, die sie aus ihrem Dorf rekrutiert hatte und Yamina hatte alle ihre Schwestern und Nichten in den orientalischen Tanz und entsprechend in die Prostitution eingeführt. Wenig mehr ist bekannt. Die Verwaltung von Bou-Saada setzte die Steuern fest und legte die Prostitutionstage für die einzelnen Gruppen zur Konfliktvermeidung fest (Militär und Zivil getrennt). Regeln für die Prostitution wurden auch von der Verwaltung in Algier festgelegt, ebenso Gesundheitskontrollen.

Die Prostitution finanzierte den Familien der Ouled Nail Häuser, Gärten und Viehbesitz. Es erlaubte ihnen zu leben.

Es gab Kinder, da traditionelle Verhütung nicht immer effektiv war. Die Mädchen waren dann auch vorbestimmt für die Prostitution, sprich Bauchtanz, und die Jungen konnten durch Bildung eventuell das Milieu verlassen oder „verwalteten“ die Angelegenheiten der prostituierten Familienangehörigen.

Viele der „Ouled Nail“ waren bald gezeichnet vom Alkohol und vom Tabak und verelendeten. Auch hier in einer anderen Zeit und Kultur war die Benutzung des Körpers durch fremde Männer anscheinend nur mit Suchtmittelkonsum erträglich. Einige Frauen schafften den Ausstieg. Teilweise konnten sie den Weg Gottes als Option wählen. Sie kamen dann zur Gemeinschaft der Schwestern im Islam und spendeten Geld an wohltätige Zwecke. Wenn genug Geld vorhanden war, wurde in eine Reise nach Mekka investiert.

Jüngere „Ouled Nail“ konnten manchmal heiraten als Option des Ausstiegs. Der Prophet Mohammed empfahl den gläubigen Männern die Heirat einer prostituierten Frau um die Prostitution zu beenden. Wie man gläubig sein kann und Zugang zu Frauenkörpern kaufen kann, ist natürlich fraglich. Christliche Männer wurden nie geheiratet (oder umgekehrt, sie heirateten keine Ouled Nail).

Nach 40 Tagen Kontaktabbruch zum zukünftigen Ehemann war eine Hochzeit möglich. Diese Zeitperiode der Abstinenz ist im Koran vorgeschrieben, um vor einer Ehe sicher zu stellen, dass eine Frau nicht schwanger ist und ganz im Sinne des Patriarchats die Vaterschaft vermeintlich sicher festlegen zu können.

Die Prostitution der „Ouled Nail“ verschwand mit der algerischen Unabhängigkeit, ebenso verschwanden viele nähere Informationen zu diesem Thema.

Insgesamt war in Algerien die Geschichte der Prostitution vor der Kolonialzeit eine Geschichte der Sklaverei und „Geliebten“. Regeln der Prostitution wurden erst von der Kolonialverwaltung aufgestellt, da die Gesundheit der Soldaten gewährleistet werden musste. Gott bewahre, die Truppen sollten alle an Syphillis verrecken und die ehrenvoll keusch wartenden Ehefrauen im französischen Vaterland etwas von den sexuellen Aktivitäten ihrer Ehemänner oder Verlobten erfahren. Daran hat sich bis heute nichts geändert; nur die wenigsten Partnerinnen von Soldaten, egal welcher Nation, ahnen etwas von deren sexueller Ausbeutung von einheimischen Frauen. Der Zusammenhang von Prostitution und Militär ist eng, immer und überall, aber die eigenen Ehemänner sind sicherlich immer edel und gut.

Frauen in der Prostitution in Algerien waren immer einheimische Frauen, unabhängig ihrer männlichen Benutzer. Auch die prostituierten Frauen für die Soldaten Nordafrikas im zweiten Weltkrieg in Europa kamen aus Algerien, nicht aus Europa. In der untersten Ebene der Hierarchie der Prostitution fanden und finden sich immer mehrheitlich die Ethnien, die am meisten verachtet wurden und werden. Trotz aller Möglichkeiten sich sexuell selbst zu verwirklichen, haben sich also keine Frauen der französischen Oberschicht gefunden um sich durch die Prostitution mit algerischen Soldaten in Frankreich ein eigenes Einkommen zu verschaffen…

1859 gab es in Algier 15 Häuser der Prostitution. Später gab es getrennte Häuser für Europäer und für Algerier, aber die prostituierten Frauen waren immer einheimische Frauen. Nur die Männer sollten sich nicht mischen, aber die unterste Schicht der Frauen, kolonialisierte Frauen, waren für alle benutzbar. Auch nach der algerischen Unabhängigkeit blieben 19 Häuser der Prostitution, ganz legal, aber völlig versteckt, und seit 1995 floriert die Prostitution in den Luxushotels. Ebenso findet Prostitution in Diskotheken statt, wahrscheinlich für Menschen aus Europa kaum erkennbar. Nach einer Befragung des Institutes Abassa aus dem Jahr 2007 gibt es 1,2 Millionen prostituierte Frauen in Algerien. Geschätzte 4 Millionen (bei einer Bevölkerung von heute 40 Millionen) leben direkt oder indirekt von dem Geld der Prostitution. Diese Zahlen machen sprachlos.

In dem Bordell Europas, Deutschland, soll es nur 400 000 prostituierte Frauen geben. Ich kann nicht sagen, ob entweder die deutschen Zahlen stark übertrieben sind, oder ob eigentlich ganz Algerien ein Bordell ist. Ich vermute, dass die deutschen Zahlen leicht untertreiben sind.

Kurz gefasst, frühere männliche Orientromantik war eigentlich nur eine idealisierte Geschichte der sexuellen Ausbeutung von Frauen. Bauchtanz, der Tanz von halbbekleideten Frauen für Männer für Geld, ist ein Tanz der Prostitution. Die ist eigentlich auch körpersprachlich nahe liegend. Bauchtanz für fremde Männer ist die orientalische/nordafrikanische Form des Table Dance sozusagen.

Frauen wurden in der Kolonialzeit zwar prostituiert, und durch das Militär benutzt, aber zeitgleich wurde damit gewoben, die Rolle der Frau in Algerien zu verbessern, durch Kampagnen, auch mit dem Ziel der Entschleierung. Man finde den Fehler; die Kampagnen waren nicht von Erfolg gekrönt.

1959 wurden schließlich 2 Millionen Algerier und Algerierinnen zwangsinterniert. Die französische Armee setzte auch hier in einem nicht mehr ermittelbaren Ausmaß sexuelle Gewalt gegen Frauen ein. Vielfach wird noch heute erzählt, dass Mädchen und Frauen in den Dörfern vor der Internierung versucht haben sich mit Dreck zu beschmieren, sich nicht zu waschen, sich die Haare abzurasieren. Sie hatten Angst vor Vergewaltigungen durch französische Soldaten. Genützt hat es wahrscheinlich so viel wie es anderen Frauen in anderen Ländern genützt hat die ähnliche Maßnahmen ergriffen haben. Gar nicht. Sie glaubten aber, es gehe bei Vergewaltigung um sexuelle Lust und nicht um Macht und Erniedrigung. Orientalische angebliche Mystik und Sinnlichkeit hatten hier jedenfalls keinen Platz.

Was aber noch mehr erschreckt, immer wieder, ist die ewig gleiche Geschichte der Prostitution und ihrer Verklärung bis hin zu, in diesem Fall, „Romantik“ der orientalischen Frau im letzten und vorletzten Jahrhundert.

Und um ganz ehrlich zu sein widert mich zusätzlich der Soldatenkult immer wieder neu an. Die Unterwerfung und Benutzung von Frauen überall auf der Welt durch das Militär, ob im Krieg oder danach ist erschreckend. Ob ich als Frau durch John, Tarek, Reinhard, oder Miguel prostituiert oder vergewaltigt werde, bleibt sich irgendwie gleich.

Nacktfotos von Lehnert https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Orientalist_nude_photographs_by_Lehnert_%26_Landrock

https://algeriepart.com/2017/10/08/enquete-lhistoire-meconnue-de-prostitution-algerie/

https://journals.openedition.org/clio/584  La danseuse prostituée dite « Ouled Naïl », entre mythe et réalité (1830-1962). Des rapports sociaux et des pratiques concrètes, B. Ferhati.

Aufnahmen Youtube der Ouled Nail:

https://www.youtube.com/watch?v=Guc_SvyGBkI

 

 

 

Catharine MacKinnon: Von der Praxis zur Theorie, oder: Was ist überhaupt eine „weiße“ Frau

No machine-readable author provided. Crunk~commonswiki assumed (based on copyright claims). [Public domain], via Wikimedia Commons"

Nachfolgend die Übersetzung von Auszügen aus einem Text aus dem Jahr 1991 der US-amerikanischen Juristin und Radikalfeministin Catharine MacKinnon zu der Frage der Intersektionalität von Geschlecht, Ethnizität und Klasse und der Frage, ob Unterdrückung „weiße“, „privilegierte“ Frauen vielleicht gar nicht (be)trifft. Der gesamte Text auf Englisch ist hier zu finden.

„Bin ich denn keine Frau?“ – Sojourner Truth

„Schwarze Feministinnen sprechen als Frauen, weil wir Frauen sind…“ – Audre Lorde

Man sagt häufig, dass etwas zwar in der Theorie gut klingt, aber sich in der Praxis anders erweist. Ich wollte dann immer, dass die Theorie dann wohl nicht so gut ist, nicht wahr? […]  Das konventionelle Bild von der Beziehung zwischen den beiden ist, dass man zuerst eine Theorie hat, und dann die Praxis. Du hast erst eine Idee, dann handelst du nach ihr. […]

Die postmoderne Version dieses Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis ist Diskurs bis zum Umfallen. Theorie erzeugt nicht Praxis, sondern noch mehr Text. Es erscheint so, als könnte man Machtverhältnisse dekonstruieren, indem man ihre Markierungen im Kopf hin und her schiebt. Wie alle anderen formellen Idealismen, gibt es bei diesem Theorieansatz die unbewusste Tendenz existierende Machtverhältnisse zu reproduzieren, zum Teil weil es sich um eine vollkommen verlagerte Elitentätigkeit handelt. […] Nicht die Welt ist der Antrieb, sondern der Kopf.  Erst denkt man über sozialen Wandel nach, dann handelt man. Bücher beziehen sich auf Bücher, Köpfe unterhalten sich mit Köpfen.  Und nicht Körper pressen sich an Körper oder Menschen bewegen Menschen. […]

Die Bewegung zur Befreiung von Frauen […] funktioniert anders herum. Erst kommt die Praxis, dann die Theorie. […] Feminismus war eine Praxis, lange bevor er eine Theorie war. […] Die Frauenbewegung […], in der Frauen sich entgegengesetzt der Festlegungen in Bezug auf andere Frauen bewegen, bleibt mehr Praxis als Theorie. Das ist der Unterschied zum akademischen Feminismus. […] Die Theorie zu dieser Praxis zu schreiben, bedeutet nicht, sich durch Rätsel zu tüfteln […], nicht über Utopien zu fantasieren, nicht zu moralisieren oder Menschen zu erzählen, was sie zu tun haben. Es geht nicht um die Ausübung von Autorität; die Theorie lenkt die Praxis nicht. Die Aufgabe besteht darin, sich auf das Leben einzulassen durch das Entwickeln von Mechanismen, die identifizieren und kritisieren, anstatt soziale Praktiken der Unterordnung zu reproduzieren und sie besteht darin Werkzeuge aus dem Bewusstsein und dem Widerstand von Frauen zu entwickeln, die den praktischen Kampf gegen Ungleichheit unterstützen. Diese Art von Theorie setzt Bescheidenheit voraus und benötigt Partizipation. […]

Ich möchte untersuchen, wie die Realität von Geschlechterungleichheit, die Erfahrungen von Frauen in dieser Welt, die Konturen von Geschlechterdiskriminierung im Gesetz geformt hat/haben.

Geschlechtergleichheit als rechtliches Konzept wurde traditionell nicht theorisiert unter Einbeziehung von sexueller Belästigung oder Reproduktion, weil die Gleichberechtigungstheorie aus der Praxis von Männern entwickelt wurde, nicht der von Frauen. […] Es gibt Männer, die auf diese Art und Weise geschädigt wurden, aber sie sind wenige, und sie werden nicht als geschädigt angesehen weil sie Männer sind, sondern obwohl sie Männer sind oder als abweichend von ihnen betrachtet werden. […] Deshalb werden Sexualität und Reproduktion nicht als Gleichberechtigungs-Themen im traditionellen Ansatz betrachtet. […]

Mechelle Vinson setzte sexuelle Belästigung am Arbeitsmarkt als Geschlechterdiskriminierung nach dem bürgerlichen Recht durch. […] Ihre Sichtweise, dass das was ihr Vorgesetzter Sidney Taylor ihr antat, sein wiederholtes Penisschwingen in ihrer Anwesenheit im Tresorraum der Bank, ihr deshalb angetan wurde, weil sie eine Frau ist, änderte die Theorie der Geschlechterdiskriminierung für alle Frauen. […] Lillian Garland setzte durch, dass die Garantie von unbezahltem Urlaub für schwangere Frauen nach dem Gesetz keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist, sondern ein Schritt in die Richtung zur Beendigung von Geschlechterdiskriminierung. […] Es war ihr Widerstand gegen ihren Arbeitgeber […], der sich weigerte sie nach ihrer Schwangerschaftspause wieder einzustellen; Es war ihre Identifikation dieser Praxis als gesetzwidrige Behandlung, aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau war, die dem Geschlechter-Gleichberechtigungs-Gesetz einen Schubs in die Richtung von Gleichberechtigung gab […].

Was ist also gemeint, wenn hier von einer Behandlung „als Frau“ die Rede ist? Es meint, ein empirisches Statement über die Realität zu machen, um die Realität der Situation der Frau zu beschreiben. […] Unter Einbeziehung aller Unterschiede, können wir über die Gruppe der Frauen sagen, dass sie eine kollektive, soziale Geschichte der Entmachtung, Ausbeutung und Unterordnung hat, die bis in die Gegenwart reicht. „Wie eine Frau“ behandelt zu werden, bedeutet diesem Sinn nach, auf bestimmte Weise benachteiligt zu sein, rührend aus der Tatsache, dem weiblichen Geschlecht zugerechnet zu werden. […]

Andrea Dworkin sagte vor langer Zeit, dass die Situation der Frauen eine neue Art zu Denken voraussetzt, und nicht nur das Denken neuer Dinge. „Frau“ als Abstraktion, Destillation, gemeinsamer Nenner, oder Idee ist die alte Art zu denken […] aber es ist nicht eine neue Art zu denken. Noch ist das Denken „als Frau“, als Verkörperung einer kollektiven Erfahrung, das gleichbedeutend mit „wie eine Frau“ zu denken, was die Reproduktion der Determinanten und zu denken wie ein Opfer bedeuten würde. […]

Theorie auf die konventionelle abstrakte Art zu machen, wie viele es tun, bedeutet die Annahme zu importieren, dass alle Frauen gleich sind, oder sie sind keine Frauen. Was sie zu einer Frau macht ist ihre Passgenauigkeit zu der Abstraktion „Frau“ oder ihre Konformität zu einer festen, postulierten weiblichen Essenz. Die Konsequenz hieraus ist es, Dominanz zu reproduzieren.  […] Einfacher biologischer Determinismus wird so als kritische Theorie des sozialen Wandels präsentiert. […] Hier fehlt die Berücksichtigung männlicher Dominanz. Es gibt in Bezug auf Vergewaltigung keine biologische Notwendigkeit […] Beide hier benannten Frauen sind schwarz. Dies unterstützt meine Ahnung, dass eine Theorie dann nicht wahr ist, oder dann nicht funktioniert, wenn sie nicht […] für alle Frauen gilt. […]

In den jüngsten Kritiken gegenüber feministischer Arbeit wird gesagt, dass Ethnie (race) oder Klasse nicht ausreichend berücksichtigt werden, und dabei ist es lohnenswert zu erkennen, dass die Tatsache, dass es etwas wie „Rasse“ oder „Klasse“ gibt, angenommen wird, obwohl beides normalerweise eher als Abstraktionen behandelt wird um Geschlecht zu attackieren, denn als konkrete Realitäten, wenn sie denn überhaupt zur Sprache kommen. […] Immer werden „Rasse“ und Klasse als unproblematischer weise real betrachtet, und keiner Erklärung oder theoretischen Konstruktion bedürfend. Nur Geschlecht ist nicht real und muss gerechtfertigt werden. […] Dass es einen Unterschied gibt zwischen den Erfahrungen von Männern und Women of Colour, und von Frauen der Arbeiterklasse und Männern unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit, bedeutet nicht zu behaupten, dass „Rasse“ und Klasse keine bedeutsamen Konzepte wären. Ich habe noch niemanden sagen gehört, dass man nicht ohne Geschlechterspezifizierung über „People of Colour“ diskutieren könnte. Jedoch hat die Phrase „People of Colour und „weiße“ Frauen“ das frühere „Frauen und Minderheiten“ ersetzt, von dem Women of Colour zu Recht nicht wahrgenommen haben als würde es sie doppelt beinhalten, und als würden sie einen „weißen“ Standard für Geschlecht verkörpern und einen männlichen für „Rasse“. Aber ich höre zum Beispiel nichts über „alle Frauen und Men of Colour. Es ist bedeutsam darüber nachzudenken, dass wenn Women of Colour sich auf „Menschen, die aussehen wie ich“ beziehen, dass sie Menschen mit anderer Hautfarbe meinen, und nicht Frauen, obwohl sowohl „Rasse“ als auch Geschlecht visuelle Zuweisungen sind, beide sowohl Klarheit als auch Uneindeutigkeit beinhalten, und beide Unterdrückung markieren, und damit Gemeinschaft.

In Verbindung hiermit, habe ich kürzlich mitbekommen, dass es hierbei um die „weiße“ Frau geht, deshalb habe ich mich entschlossen herausfinden zu wollen was das ist. Diese Kreatur ist nicht arm, wird nicht geschlagen, nicht vergewaltigt (nicht wirklich), nicht als Kind sexuell missbraucht, wird nicht als Teenager schwanger, wird nicht prostituiert und auch nicht in die Pornographie gezwungen, sie ist als Mutter nicht von Sozialleistungen abhängig und wird nicht ökonomisch ausgebeutet. Sie arbeitet nicht. Entweder entspricht sie dem Bild, das der „weiße“ Mann von ihr hat – verweichlicht, verhätschelt, privilegiert, beschützt, unbeständig und maßlos – oder sie ist das Bild, das der „schwarze“ Mann von ihr hat – all das genannte, plus das „hübsche weiße Girl“ (was hässlich wie die Nacht bedeutet, aber die ultimative Schönheit bedeutet, weil sie „weiß“ ist). […] Sie schüttelt ihr Haar, fühlt sich immer hübsch, beschwert sich über die Dienste der People of Colour, gibt wenig Trinkgeld, kann nichts, macht nichts, weiß nichts, und fantasiert über Sex mit schwarzen Männern, während sie diese beschuldigt sie vergewaltigt zu haben. Wie Ntozake Shange ausführt, hängt die gesamte Westliche Zivilisation von ihr ab. Und als Krönung besitzt sie die Unverfrorenheit […] zu denken, dass sie befreit werden muss. […]

Dieses Bild ist nur sehr schwer mit der Realität [der „weißen“ Frau] in Einklang zu bringen: Der Tatsache, dass die Mehrheit der Armen „weiße“ Frauen und ihre Kinder sind (mindestens die Hälfte davon sind weiblich); der Tatsache, dass Frauen systematisch in ihrem Zuhause geschlagen werden, von ihnen nahe stehenden Männern und Serienkillern gleichermaßen getötet werden, als Kinder sexuell missbraucht werden, tatsächlich vergewaltigt werden (zumeist von „weißen“ Männern) und dass sogar „schwarze“ Männer, im Durchschnitt, mehr verdienen als sie. Wenn man dies nicht so genau wüsste, dann könnte man durch das Bild des „weißen“ Mannes fehlgeleitet werden. […]

Man könnte meinen, dass der Mythos der „weißen“ Männer, dass sie „weiße“ Frauen schützen, der Wirklichkeit entsprechen würde, und nicht ein rassistisches Cover über ihr exklusives und nicht in Frage gestelltes Recht auf sexuellen Zugriff – was bedeutet, dass sie sie vergewaltigen können, und es auch tun, eine Haltung die sich in dem Ausschluss von Vergewaltigung in der Ehe zeigt und den weitgehend nutzlosen Gesetzen gegen Vergewaltigung im Allgemeinen.  Man könnte meinen, dass die einzigen „weißen“ Frauen in den Bordellen im Süden während des Civil War in „Vom Winde verweht“ existierten. Dies alles soll nicht heißen, dass es so etwas wie Privilegien aufgrund der Hautfarbe nicht geben würde, sondern eher, dass diese „weiße“ Frauen niemals vor der Brutalität und der Frauenverachtung der Männer bewahrt haben, zumeist aber nicht exklusiv von „weißen“ Männern […]. In anderen Worten: Den „weißen Mädchen“ in dieser Theorie geht in der Realität der „weißen“ Frauen und der Praxis der männlichen Vorherrschaft ziemlich viel ab.

Neben der Trivialisierung der Unterordnung der „weißen“ Frau, die implizit in der herablassenden Verspottung „heterosexuelle, weiße, ökonomisch privilegierte Frau“ (Eine Phrase, die zu einem feststehenden Begriff geworden ist […]) deutlich wird, liegt die Auffassung, dass es an sich gar keine Frauenunterdrückung gibt. […]

Drehen wir das Ganze mal rum. Wie ich erwähnt habe, waren sowohl Mechelle Vinson und Lillian Garland afro-amerikanische Frauen. Wurde Mechelle Vinson nicht als Frau sexuell belästigt? Wurde Lillian Garland nicht als Frau schwanger? Sie haben das so gesehen. Der Dreh- und Angelpunkt ihrer Fälle lag darin, dass sie sich als geschädigt „auf der Basis von Geschlecht“ sahen, das heißt, weil sie Frauen sind. Die Täter, und die Gesetze unter denen sie benachteiligt wurden, sahen sie als Frauen. Was ist Frausein, wenn es nicht beinhaltet als eine Frau unterdrückt zu sein? Als die Reconstruction Amendments „Schwarzen das Wahlrecht gaben“, und „schwarze“ Frauen immer noch nicht wählen durften, wurden sie dann nicht „als Frauen“ von der Wahl ausgeschlossen? Wenn afro-amerikanische Frauen doppelt so häufig vergewaltigt werden als „weiße“ Frauen, werden sie dann nicht als Frauen vergewaltigt? Das bedeutet nicht, dass ihre Ethnie irrelevant wäre und es bedeutet auch nicht, dass ihre Verletzungen außerhalb des rassistischen Kontextes verstanden werden können. Es bedeutet vielmehr, dass „Geschlecht“ sich aus den Erfahrungen aller Frauen ergibt, inklusive der ihren. […] Es bedeutet, dass jede Frau, auf ihre Weise, alle Frauen ist.

Die Behandlung von Frauen in der Pornographie zeigt diesen Ansatz in grafischer Weise. Auf irgendeine Weise sind alle Frauen im Porno. Afro-amerikanische Frauen werden dargeboten in Fesseln, sich wehrend, in Käfigen, als Tiere, unersättlich. Wie Andrea Dworkin gezeigt hat, macht die sexualisierte Feindschaft ihnen gegenüber ihre Haut zu einem Geschlechtsorgan […]. Asiatische Frauen sind passiv, träge, so wie tot, grausam gefoltert. Latinas sind heiße Mommas. Fülle den Rest der abwertenden und feindseligen rassistischen Stereotype, die du kennst, ein; dort [im Porno] ist es Sex. Dies wird nicht den Männern angetan, nicht in heterosexueller Pornographie. Was „weißen“ Frauen angetan wird ist eine Art Boden; es ist die beste Weise wie jemand behandelt wird und das reicht von Playboy über SM bis hin zu Snuff. Was „weißen“ Frauen angetan wird, das kann allen Frauen angetan werden […] Das macht „weiße“ Frauen nicht zur Essenz der Weiblichkeit. Es ist eine Realität, dass hieran beobachtet werden kann, was den am meisten privilegierten Frauen angetan werden kann und angetan wird. Dies ist es, was das Privileg als eine Frau dir einbringen kann: am meisten wertgeschätzt zu sein als totes Fleisch. […]

„Weiß“ ist nicht unmarkiert; es ist ein spezifischer Geschmack. So definiert und benutzt zu werden, definiert was Frau sein in der Praxis bedeutet. […]

Meiner Meinung nach ist der Subtext von der Kritik an Unterdrückung „als Frau“, dass die Kritik davon ausgeht, dass es so etwas nicht gibt, und dies ist Ent-Identifizierung mit Frauen. Eine der Konsequenzen daraus ist die Zerstörung jeglicher Basis für eine Rechtsprechung für Geschlechtergleichberechtigung. Ein Argument, dass von vielen WoC vorgebracht ist, ist, dass die Theorie über Frauen alle Frauen einschließen muss, und wenn dies der Fall ist, dann wird die Theorie sich ändern. Auf einer Ebene ist das notwendigerweise richtig. Auf der anderen Seite ignoriert dies die gestaltenden Beiträge von WoC zu feministischer Theorie, seit deren Beginn. Ich habe jedoch das Gefühl, dass viele Frauen, nicht nur WoC und nicht nur Akademikerinnen, nicht einfach „nur Frauen“ sein wollen, [….] weil dies bedeutet in einer Kategorie mit „ihr“ zu sein, der nutzlosen „weißen“ Frau, deren erste Reaktion es ist, wenn es ein bisschen grober wird, in Tränen auszubrechen. Ich habe das Gefühl, dass Menschen mehr Würde darin ausmachen, in einer Gruppe zu sein, die auch Männer beinhaltet, als in einer Gruppe zu sein, die die ultimative Reduzierung auf die Vorstellung von Unterdrückung einschließt, diese Anstifterin von Lynchmobs, diese lächerliche Quenglerin, […] die „weiße“ Frau. Es scheint, dass wenn die Unterdrückung auch einen Mann betrifft, dass du wahrscheinlicher auch als unterdrückt anerkannt wirst, im Gegensatz zu minderwertig. […]

Ungleich zu anderen Frauen teilt die „weiße“ Frau, die nicht arm oder aus der ArbeiterInnenklasse ist, oder lesbisch, oder jüdisch, oder mit Behinderung, oder alt oder jung, ihre Unterdrückung nicht mit einem Mann.  Das macht ihren Zustand in keinster Weise maßgeblicher für die Definition von Frau, als die Situation irgendeiner anderen Frau. Ihre Unterdrückung jedoch zu trivialisieren, weil es nicht potentiell rassistisch oder klassenbasiert oder heterosexistisch oder antisemitisch ist, definiert die Bedeutung von „anti-Frau“ mit einer besonderen Klarheit. Die Vorstellung, Konstruktion und Behandlung der „weißen“ Frau wird zu einem sehr sensitiven Indikator für das Maß in dem Frauen, als solche, verachtet werden. […]

Heulender Wolf: über hohle Einigkeit und die linke Liebe zu verletzten Männern

Es gibt in Tim O’Briens „Was sie trugen“ / „The Things They carried“ eine Geschichte von einem Amerikaner, der mit 20 seinen Marschbefehl vom US Militär erhält, nachdem er aktiv gegen den Vietnam Krieg protestiert hat. Bevor er den Marschbefehl erhielt, so erinnert er sich später, war er dummerweise, mit einer Art überheblicher Arroganz, die er sich später nicht mehr vorstellen konnte, davon ausgegangen, dass die Probleme des Tötens und Sterbens nicht zu seinen persönlichen Angelegenheiten gehörten. Als er den Brief erhielt, fühlte er „eine Wut im Bauch“, die später zu schwelendem Selbstmitleid und dann zu Empfindungslosigkeit wurde.

Er beschreibt, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, nach Kanada zu fliehen, in dem er von einem Fischerboot gesprungen und 20 Meter bis zur Küste geschwommen wäre. Er nahm die Möglichkeit nicht wahr. „Intellekt hatte sich gegen Gefühle gestellt“, sagte er später. „Worauf das hinauslief, dummerweise, war ein Gefühl der Schande. Heiße, dumme Schande. Er wollte nicht, dass seine Leute schlecht von ihm dachten.
In ihrer Bezugnahme auf die Geschichte in “Unmaking War Remaking Men“ schreibt Kathleen Barry zu der Entscheidung des Mannes, er habe „die Anforderungen der Männlichkeit über die seiner Menschlichkeit gestellt. Es ist eine Entscheidung, die dazu führte, dass er andere tötete und die ihn viele Jahre lang verfolgte.“

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Die schwarze feministische Frauenbewegung-Black History Month

sitting back not giving a fuck about what black men think or say

Wir alle kennen, oder hören immer öfter,  die neuen Schlagwörter wie „white feminism“, „critical whiteness“, die mittlerweile fast wie Beleidigungen, aber zumindest vorwurfsvoll, klingen und sich auf weiße Feministinnen und ihren Feminismus beziehen. Diese Begriffe ignorieren tatsächlich die Unterdrückungsmechanismen des schwarzen Patriarchats und fokussieren sich zunehmend ausschließlich auf weiße Frauen. Nicht, dass weiße Frauen es nicht auch verdient hätten kritisiert zu werden. Aber wie sieht wirklich der Ursprung des schwarzen Feminismus aus, der den Begriff der „Intersektionaliät“ schuf und Mechanismen der Unterdrückung anders betrachtete.

Die schwarze feministische Frauenbewegung (Black Feminist Movement) entstand tatsächlich als Antwort auf die schwarze Befreiungsbewegung (Black Liberation Movement) und der amerikanischen Frauenbewegung. Schwarze Frauen fühlten sich unterdrückt, und wurden unterdrückt, durch den herrschenden Rassismus in der, mehrheitlich weißen, Frauenbewegung. Gleichzeitig waren sie aber auch Opfer von Sexismus in der schwarzen Befreiungsbewegung. „Schwarzsein“ wurde sozusagen gleichgesetzt mit schwarzen Männern. Schwarze Frauen existierten nicht in diesem Konzept.  „Frausein“ und Feminismus wurde ebenso gleichgesetzt mit weißen Frauen.  Schwarze Frauen wurden auch hier nicht wahrgenommen, nicht wirklich. Das Ergebnis war, dass schwarze Frauen sich als unsichtbar betrachteten,  und sie erkannten, dass ihre Bedürfnisse nicht gesehen wurden. Weder in der einen Bewegung, noch in der anderen.

Die schwarze Befreiungsbewegung und einige Abgründe:

Die schwarze Befreiungsbewegung bestand eigentlich aus verschiedenen Bewegungen, wie die Bürgerrechtsbewegung,  der schwarze Nationalismus, Nation of Islam,  die Black Panthers, „the Student Nonviolent Coordinating Committee“, und viele mehr. Alle diese Teile der schwarzen Befreiungsbewegung besaßen eine Gemeinsamkeit, ein bindendes Glied sozusagen, denn das Glied, die Geschlechterzugehörigkeit zum „Mann“ spielte hier die entscheidende Rolle. Alle dieser Bewegungen richteten sich prinzipiell nur an schwarze Männer und ihre Befreiung. Freiheit wurde sozusagen gleichgesetzt mit Männlichkeit, und die Erlangung dieser Freiheit mit der Wiedererlangung von schwarzer Männlichkeit. Eine Idee die viel Verbreitung fand, war zum Beispiel, dass Männer durch Rassismus ihre Männlichkeit verlieren und verloren haben, da sie keine Macht mehr besaßen. Sie mussten in der Vergangenheit zusehen, wie ihre Partnerinnen von weißen Männern vergewaltigt wurden oder zur Zucht von einer neuen Generation von Sklaven benutzt wurden. Viele Männer in der Bewegung wollten ebenfalls die Sexualität schwarzer Frauen kontrollieren. Die sexuelle Ausbeutung schwarzer Frauen durch weiße Männer wurde ständig thematisiert und stand im Vordergrund. Sexuelle Beziehungen schwarzer Frauen zu weißen Männern wurden abgelehnt, aber für die schwarzen Männer in der Bewegung war es in Ordnung selbst sexuelle Beziehungen zu weißen Frauen zu haben. Auch in dieser Bewegung ging es sozusagen letztendlich darum, dass ein Teil der Freiheit bedeuten solle, dass Männer sexuellen Zugang zu allen Frauen haben können.

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Warum seid ihr nur so still? – DIE LINKE und der Rassismus

Der erste Einsatz der Bundeswehr im Ausland nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus wurde nur möglich durch die Zustimmung der Grünen: Kosovo bedeutete diesbezüglich einen Tabubruch. Wenn selbst die pazifistischen Grünen meinen es ist notwendig, dann kann es ja nicht so schlimm sein, oder?

Die Agenda 2010, die de facto eine Zerschlagung des Sozialstaates (für den Deutschland international bekannt war) bedeutete, war nur deshalb überhaupt erst möglich, weil sich die deutsche Sozialdemokratie dafür verantwortlich zeigte. Wenn selbst die Sozialdemokraten meinen, dass es notwendig ist, dann kann es ja nicht so schlimm sein, oder?

Parteien stehen natürlich immer für mehrere Inhalte, aber jede hat so ihre Kernthemen , bei denen man in aller Regel auf sie bauen kann. Würde man zumindest meinen. In diesen Kernkompetenzen kommt ihren Aussagen entsprechend ein besonderes Gewicht zu. Bei einer Partei die „links“ im Namen trägt sind dies nicht zuletzt antirassistische Positionen. Doch was man diesbezüglich im Moment so teilweise liest und hört, lässt einem doch das ein oder andere Haar zu Berge stehen.

Natürlich werden nun manche sagen: „DIE LINKE war doch schon immer eine Sozialdemokratie light“ oder „Der große Anteil an ehemaligen SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen lässt doch gar nichts anderes erwarten.“

Rechtfertigen diese nicht unzutreffenden Feststellungen nun aber die ohrenbetäubende Stille zu bestimmten die Partei betreffenden Fragestellungen?

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Stimmen zu Köln

We All Can Do It - Poster

We all can do it - Poster by Valentin Brown, via Soirart/Tumblr

Wir haben für euch einige Stimmen verschiedener Frauen zu Köln gesammelt:

Sultana Sha: „Übergriffe in Köln: Als Muslima erlebt man desselbe“ (Huffington Post, 8. Januar 2016)

Ich bin aus Frankfurt und hier gibt es Orte, die ich tagsüber sogar vermeide. Dort sind viele Männer, die – je nachdem – in einem Café sitzen, Drogen verticken oder halt nach Frauen Ausschau halten (ganz nah neben einer Polizeidienststelle). Viele Männer aus einer bestimmten Region, mit einem bestimmten Migrationshintergrund, suchen explizit nach Frauen, die Kopftücher tragen. Ich muss sagen, dass ich keine 2 Minuten dort bin ohne irgendeine dumme Bemerkung zu hören. Und es vergeht kein Tag dort, ohne dass mindestens ein Typ kommt und nach der Nummer fragt. Ihm ist es glaube ich egal, ob ich sein Typ bin oder nicht, er sieht das Kopftuch und das zählt irgendwie.

Hilal Sezgin: „Ich bin es leid“ (Die Zeit, 6. Januar 2016)

Ich bin es leid, dass jede öffentliche Diskussion über sexualisierte Gewalt – falls überhaupt mal eine geführt wird – so schnell vor den Karren unzähliger anderer politischen Agenden gespannt wird, dass sie eigentlich schon keine Diskussion über sexualisierte Gewalt mehr ist. […] Dieselben Kommentatoren, die noch vor drei Jahren fanden, die junge Dame solle sich doch bitte nicht so anstellen, wenn der FDP-Opi was Nettes über ihren Busen sagt, wissen auf einmal ganz viel über die Sexualnot von Flüchtlingen und ziehen kühne kulturelle Bögen von Köln bis Kairo und Kabul.

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„Deutschlands neue Asoziale“ – Rassismus ein Bildungsproblem?

"Rassismus führt zum Verlust Ihres Mitgefühls."

Dierk Schäfer via Flickr [CC BY 2.0]

Am 24. Juli 2015 erschien bei der Huffington Post ein Artikel mit dem Titel „Die neuen Asozialen: Eure Dummheit bringt Deutschland zum Abgrund“.

Dieser Artikel wurde unter meinen FacebookfreundInnen gefeiert – dutzendfach erschien er auf meiner Pinnwand, weshalb ich mich zu einer Erwiderung entschieden habe. Kritik zu äußern, fällt mir in diesem Fall nicht leicht, denn die Autorin Sabrina Hoffmann fiel mir vor genau einem Jahr – im Juli 2014 – sehr positiv auf, als sie sich als eine der ersten deutschsprachigen Journalistinnen mit einem sehr guten Artikel, „Prostitution: Warum Deutschland Sexkauf verbieten muss“ , für ein Sexkaufverbot nach schwedischem Modell in Deutschland ausgesprochen hatte.

Ich möchte diese Replik deshalb als konstruktive und wertschätzende Kritik verstanden wissen.

Im Artikel wird die These aufgestellt, dass es nicht „die Zuwanderer [sind], die das Bildungsniveau senken“ in Deutschland, sondern „es … die Deutschen selbst“ sind. „Und zwar ausgerechnet jene, die bei Facebook gegen Ausländer hetzen.“. Fremdenfeindliche „gebildete und intelligente Menschen“ bezeichnet sie als Ausnahme. Und sie sieht es als Gefahr an, dass sich ungebildete Menschen „von Gefühlen beherrschen lassen“.

Hoffmann beendet den Text mit

„Diese Menschen sind blind für die Not anderer. Sie sehen nur sich selbst. Und die Probleme, die sie bekommen könnten, wenn eines Tages zu viele Zuwanderer in Deutschland leben. Sie verstehen nicht, was Menschlichkeit ist. Sie stehen mit dem Kopf zur Wand und sehen nur Tapete. Wenn wir die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland in den Griff bekommen wollen, müssen wir hier ansetzen. Alles andere ist nur Kosmetik.“

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Sojourner Truth – ein Leben als Kampf für ihre Wahrheit

Sojourner Truth

By Unidentified Artist (Details of artist on Google Art Project) [Public domain], via Wikimedia Commons

[…] If the first woman God ever made was strong enough to turn the world upside down all alone, these women together ought to be able to turn it back and get it right-side up again. […]”Sojourner Truth (1851)Ain’t I a Woman?

[…] wenn die erste Frau, die Gott je schuf, stark genug war, die Welt von oben nach unten zu drehen, dann sollten diese Frauen zusammen in der Lage sein, sie wieder richtig zu drehen und die richtige Seite nach oben zu kriegen.[…]

Sojourner Truth war eine Abolitionistin der Sklaverei und eine Frauenrechtlerin, die allerdings auch streng religiös war. Ihre eigene Lebensgeschichte war von schrecklichem Leid und Gewalt geprägt.

Sie hat durch ihre Verbissenheit einen wichtigen Baustein für das Frauenwahlrecht für schwarze Frauen gelegt, auch wenn dieses Ziel erst lange nach ihrem Tod erreicht wurde.

Sojourner wurde ca. 1797 als Isabella Baumfree geboren. Sie war eines von ungefähr 12 Kindern der Sklaven James und Elisabeth Baumfree in New York. Die Familie  befand sich im Besitz des Colones Hardenbergh, der nur holländisch sprach.

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Humpahumpatätaräää, Helau und Alaaf – Alles nur Jux und Tollerei?

Beispielplakat Mainzer Hurenball - Hier von 2010. Quelle. Facebook

Habt ihr ihn auch noch in den Ohren den Schlachtruf der letzten Wochen? „Satire darf alles!“ – Rassismus, Sexismus, Homophobie. Alles scheiss egal, ist halt Satire. Und wer das geschmacklos und nicht lustig findet, soll sich nicht so anstellen. Meinungsfreiheit und so.

Samstag in die Stadt zum Einkaufen gefahren und die bittere Erkenntnis: Fastnacht steht vor der Tür und es wird bald wieder Zeit für Menschen, die das Vergnügen haben in einer „Fastnachtshochburg“ zu leben, sich mindestens eine Woche zu Hause einzusperren um diesem Wahnsinn irgendwie halbwegs unbeschadet zu entgehen. Überall „lachten“ mich wieder unsägliche Plakate an. Rotlicht ist dieses Jahr offenbar wieder ein beliebtes Thema im Rhein-Main-Gebiet. Ob die 10. Auflage des „Mainzer Hurenballs“ oder in Wiesbaden die Neuauflage der Party „Rotlicht, Kiez und Leichtmatrosen“. Das Bühnenbild in Aulhausen zeigt die weit gespreizten, bestrapsten Beine einer Frau, Motto „Auf St. Auli brennt noch Licht“ (Danke an MS für den Hinweis). Sehr originell. Wirklich. Schade, dass es hier keinen „rollende-Augen-Smiley“ gibt.

Aulenburger Fastnacht 2015, Quelle: Facebook

Aulenburger Fastnacht 2015, Quelle: Facebook

Lassen wir mal außen vor, dass bei der Fastnacht die so genannten Elferräte fast ausschließlich männlich besetzt sind und Frauen sich in der Regel nur als Funkenmariechen oder im Prinzenpaar verdingen können. Obwohl okay, sie haben ja ihre „(Alt-)Weiber“-Fastnacht und dürfen Männern ihre Krawatte abschneiden. Vielleicht seh ich das einfach zu eng.

Schauen wir uns mal die genannten Veranstaltungen (exemplarisch) etwas näher an.

Die „Mega-Party“ „Rotlicht, Kiez und Leichtmatrosen“ wird wie folgt beworben:

„Ob Nutten und Luden, Matrosen und Showgirls – alles was auf dem Hamburger Kiez Rang und Namen hat feiert an diesem Fastnachtsfreitag bei uns in der Schmelze bis in die frühen Morgenstunden“

Die Rollenverteilung ist klar: Als Frau kann ich mich für eine Verkleidung (und Rolle) der „Nutte“ oder „Showgirl“ entscheiden. Ich stell mich wahrscheinlich einfach nur an, wenn das für mich irgendwie so keine Option sein will. Nicht mal als Verkleidung.

Beim „Mainzer Hurenball“ kann ich sogar noch einen Schritt weiter gehen und, wie so viele andere, im Netz eine Anzeige schalten „Wer will mich denn begleiten und es beim Hurenball wild treiben? TG (Taschengeld) erwünscht“

In der Ankündigung heißt es

„An 364 Tagen im Jahr verstehen Menschen das Wort „Hure“ eher negativ. Doch an Fastnacht ist alles ein bisschen anders. Denn der Mainzer Hurenball ist eine feste Institution zur Weiberfastnacht geworden.“

An Fastnacht darf Frau also mal einfach „Hure spielen“ – und wenn sie will das Video hinterher auf die einschlägigen Videoportale stellen. Unter dem Stichwort „Mainzer Hurenball“ finden sich zumindest zahlreiche Treffer von der „geilen Nathalie“, zu „besoffenen Piss-Exzessen“ und „drunken gang bang“ – alles dabei.

Dass die Fastnachtszeit auch eine beliebte Zeit für den Einsatz von KO-Tropfen und für Vergewaltigungen ist, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Im Zweifelsfall schiebt man das eben in bekannter Victim Blaming Manier den Opfern selbst in die Schuhe:

„Es gibt 14-, 15-Jährige, die werden Opfer sexueller Übergriffe, die wissen nicht mehr, was sie tun, wenn sie volltrunken auf dem Rosenmontagszug herumfallen.“  (Wiesbadener Kurier)

Problem gelöst: Jugendliche sollen einfach weniger trinken, nicht etwa Männer weniger sexuell übergriffig werden.

Nun zu einem anderen Aspekt: dem Rassismus

Vereinssymbol, Quelle: Google +

Vereinssymbol, Quelle: Google +

In Frankfurt beispielsweise gibt es einen Carnevalsverein, der sich „Die Kameruner“ nennt. Die hielten noch bis vor wenigen Jahren ihre „Negersitzung“ ab und sprangen braun angemalt im Baströckchen auf der Bühne herum.

Auch wenn die Sitzung, vor allem wegen des Protests der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ inzwischen umbenannt wurde in „Hulla Rumba Sitzung“ – wirklich verstanden wurde die Kritik nicht. Blackfacing findet nach wie vor statt – und der 1922 gegründete Verein macht natürlich auch keine Anleihen an den Kolonialismus der Deutschen in Kamerun. NEEEIEN, wer kommt denn auf solche abwegigen Ideen?

Karneval Megastore, Modell "Sexy Zigeunerin"

Karneval Megastore, Modell „Sexy Zigeunerin“ (http://www.karneval-megastore.de/html/product_info.php?products_id=45641)

Laut Aussagen von Kostümläden sind die beliebtesten und am schnellsten vergriffenen Kostüme „Zigeunerin“ (klassisch und sexy), „der Mohr“, „Native American“ oder auch, Achtung kombiniert mit Homophobie, “die Afrotucken“.

Übrigens beim Kostüm der Zigeuner-Wahrsagerin schließt sich dann der Kreis wieder:

„Zu dieser Wahrsagerin kommen hauptsächlich männliche Kunden – und auch diese nur nebensächlich wegen Ratschlägen zu ihrer Zukunft.“ http://www.phaeoshop.de/fasching/Karnevalskost%25FCme%2BKlassiker/?seite=3

Interessant ist immer wieder festzustellen, dass selbst eingefleischte AntifaschistInnen von Kritik an diesen zweifelhaften Verhaltensmustern nichts wissen wollen. Wenn es um Fastnacht geht ist political correctness nicht besonders gefragt.

„Kein Narr will irgendwen beleidigen, alles Jux und Tollerei“ – ach was sind wir doch wieder für verklemmte und spießige Spaßbremsen.