Alle Artikel von Gastbeitrag

Warum Radikalfeminismus nicht „transfeindlich“ ist

Transphobie, laut Duden: „starke Ablehnung von Transsexualität; ausgeprägte Abneigung gegen transsexuelle Personen“, Radikalfeminismus, (lat. radix: Wurzel) will, wie der Name schon sagt, Frauenunterdrückung an der Wurzel packen, diese Wurzel wird im Patriarchat gesehen. Patriarchat bezeichnet eine Jahrtausende alte Gesellschaftsform, die durch die Vormachtstellung von Männern gekennzeichnet ist, und die bis heute unsere gesamtgesellschaftliche Ordnung strukturiert.

Patriarchale Strukturen basieren laut feministisch-historischer Forschung auf der Zueigenmachung und Beherrschung des weiblichen Körpers besonders im Hinblick auf die Funktion der Reproduktion und Generativität, sprich im Fokus dieser Unterdrückung steht insbesondere auch der Faktor Gebärfähigkeit.

Unterdrückung ist dementsprechend immer an den weiblichen Körper gebunden – an den Körper, der gebiert. Dies war und ist auch immer noch Kampffeld männlicher Herrschaft: der weibliche, potentiell gebärende Körper.

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Die große Scham – Feindbild Frau

Ein Gastbeitrag von M.

We raise girls to each other as competitors
Not for jobs or for accomplishments
Which I think can be a good thing
But for the attention of men.

Ein von Beyoncé gesampelter Ausschnitt der wundervollen Chimamanda Ngozi Adichie bei einem TED Talk zum Thema Feminismus. Ich habe mir das Lied unzählige Male angehört und diese Passage hat mir stets einen Stich bereitet. Die längste Zeit meines Lebens sah ich Frauen als Konkurrenz, ich habe sie teilweise mit einer Inbrunst gehasst, dass ich mich bis heute dafür schäme. Von ganzem Herzen.

Die Unterschiede der Geschlechter wurden mir selten so deutlich wie in der Pubertät und der Loyalität untereinander, die sich damals verstärkt entwickelte. Wie oft hörte ich von Jungs und später auch (jungen und nicht mehr so jungen) Männern das gute alte „Bros before hoes“, was nichts anderes ist als die Übereinkunft, dass Frauen sich zum Ficken und Putzen gut eignen und auch sonst ganz reizend sein können, aber eine echte Verbundenheit nur zwischen Männern bestehen kann. Denn nur Männer sind Menschen. Frauen sind eine Art Wurmfortsatz, Untermenschen, nicht vollkommen, schließlich stammen sie vom Mann ab. Bei uns Mädchen war es so, dass Jungs natürlich auf Platz eins standen, sie waren das Thema unserer Pausengespräche, stundenlanger Telefonkonferenzen und Ursache erbitterter Streits. Letztere insbesondere dann, wenn sich ein bis dato gebildetes Pärchen auflöste und der Junge im schlimmsten Fall eine weitläufige Bekannte oder gar Freundin datete. Es hieß so gut wie nie, dass der Junge ein blödes Arschloch sei, wenn er fremdging, oh nein, es hieß vielmehr, das andere Mädchen sei eine billige Nutte, Schlampe, Fotze… Dass der Mann einen ebensolchen Anteil daran trug wurde geflissentlich ignoriert. Bei den Jungs, denen das auch wiederfuhr, trug – wie könnte es anders sein – ebenfalls ausschließlich das Mädchen die Schuld, die den besten Kumpel vom Weg abbrachte, aber der männlichen Solidarität tat dies durchaus keinen Abbruch, siehe oben. Bei uns Mädchen führten derartige Konstellationen zu jahrelangen, unauflösbaren Zerwürfnissen. Wir sahen es nicht als das, was es war, zwischenmenschliche Beziehungen, sondern die Freundin wurde zur Konkurrenz um die Gunst von Männern. Das Feindbild Frau. Damals fing es an.

Ich hatte selbst mehrmals diese Konstellation in meiner Jugend erlebt und danach große Schwierigkeiten, Frauen zu vertrauen und sie zu mögen. Für mich waren Frauen nur eines – eine unkontrollierbare Gefahr im Kampf um männliche Gunst. Die Verantwortung den fremdgehenden Männern zuzuweisen, darauf kam ich nicht. Denn hinter jedem verführten Mann steht eine Eva, die die Verantwortung trägt. Diesem Konflikt entging ich, indem ich nur noch männliche Freunde hatte (dass diese keine echten Freunde waren, geschenkt, dass ich mir in ihrer Nähe puren Frauenhass angeeignet hatte, ebenfalls), ich ertrug Frauen nicht mehr. Meine Unsicherheit und mein Selbsthass waren gigantisch und Frauen, egal welche, waren nichts anderes als eine Bedrohung. Ich hatte Furcht, meine Freundinnen meinem Partner vorzustellen, weil ich dachte, er würde mich sofort verlassen. Ich wusste nicht einmal, was Solidarität bedeutet. Ich habe Frauen verachtet, weil sie in meinen Augen, den Blick geprägt durch männliche Umgebung, sich als entweder billige Nutten darstellten (große Gefahr) oder als frigide Schlampen (langweilig, aber keine Gefahr, gut zum darüber Lustigmachen). Ich sah in allen Frauen Konkurrenz, und zwar ausschließlich um die Interessen der Männer. An Dinge wie Beruf oder ähnliches habe ich keinen einzigen Gedanken verschwendet. Frauen waren für mich schwach, lasch, und Feministinnen hysterische ungevögelte Irre, die lieber dahin gehen sollten, wo es echte Probleme gibt, denn in Deutschland hatten wir ja mehr als genug erreicht. Auch hat mir mein männlicher Umgang mit größtem Erfolg beigebracht, wie schlecht es sei, eine Frau zu sein, wir wissen es alle, sie sind zickig, hysterisch, dumm, quatschen den ganzen Tag, umso stolzer war ich, mir mit meiner burschikosen Art und der den Kerlen angepassten Sprache einen vermeintlichen Platz unter ihnen zu sichern, als „cooles Mädchen“, das so ganz anders war als die ollen Waschweiber. Dass ich nie zu ihnen gehören würde, merkte ich im Laufe der Jahre. Zwar lästerten wir gemeinsam über schlaffe Hintern, hängende Brüste und kurzhaarige Mannsweiber, aber ich spürte stets eine andere Atmosphäre, wenn ich als Fremde in die ausschließlich männlichen Zirkel eindrang. Ich war nie ein echter Teil dieser Kreise. Warum sie mich duldeten? Ich schätze, weil ich ein attraktives Mädchen war und sie die Hoffnung hatten, mich mal knallen zu können. Denn von echter Nähe, wie es in einer Freundschaft sein sollte, war nie die Rede. Ich akzeptierte diesen traurigen Umstand als mein Schicksal und versuchte, Männern zu gefallen, schminkte mich, trug enge Kleidung, lange Haare, hohe Schuhe, gab mich sexuell betont locker, alles, um die Billigung derer zu erhalten, die das weibliche Dasein so prägend bestimmten.

Ich bin jetzt Mitte 20. Bis vor zwei oder drei Jahren habe ich noch genauso gedacht. Dann kam ein Wendepunkt, als ich mich mit Feminismus, den zu verabscheuen und zu lästern mir ins Fleisch und Blut übergegangen war – ich war so stolz, keine „hässliche Emanze“ zu sein – kennenlernte. Nicht den queeren Feminismus. Dieser ist für mich nichts anderes als ein divide et impera der Frauenbewegung, aber das ist hier nicht das Thema. Den radikalen Feminismus. Je mehr ich davon las, desto mehr spürte ich die universelle Wahrheit dessen. Dass es Kasten gibt, nicht nur in Indien, sondern vor unserer Haustür, und dass sie undurchdringlich sind. Dass Männer einander immer den Vorzug geben werden, immer solidarisch sind, egal, ob sie sich kennen oder nicht, ob sie aus verschiedenen Schichten sind, oder nicht. Egal, welche politische Richtung sie favorisieren. Sie eint eines: das Wissen und die feste Überzeugung der eigenen Herrschaft, und dass Frauen nur da sind, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Unter den Frauen indes kann von so einer Solidarität keine Rede sein. Es gibt keine einheitliche Verbundenheit von Frauen. Sie sind darauf getrimmt, einander auszustechen, ja nicht zusammen zu agieren (Warum gibt es wohl nur den Begriff der Vetternwirtschaft?), einander nicht den Rücken zu stärken sondern sich vielmehr gegenseitig in selbigen zu fallen. Schuld sind andere Frauen. Die, die zu „leicht zu haben“ und eine Gefahr für die Treue der Männer (die sich als willenlose Opfer ihrer Biologie darstellen) sind, die, die keine Kinder wollen, ihre Kinder nicht wie gewollt erziehen, die, die Rabenmütter sind oder Glucken, egal was, eine Frau kann nur verlieren. Und eines kann sie dabei nicht: auf die Solidarität ihrer Geschlechtsgenossinnen zählen. Das Schlimmste für mich ist, dass die größten Kämpfe oft von anderen Frauen kommen, diese der anderen nicht die Butter aufs Brot gönnen. Mit Feuereifer nach Schwachstellen suchen, um sich im Kampf um die Männer höher positionieren zu können.

Ich schäme mich noch heute für mein Verhalten vor einigen Jahren. Inzwischen bin ich es, soweit ich kann, überkommen. Wir Frauen sind geeint durch unsere Körper und Geschlechtsorgane. Wir teilen, egal wo wir sind, dieselbe Erfahrung, nämlich die Objektifizierung durch Männer und die mangelnde Solidarität untereinander. Ersterem können wir kaum begegnen, da bin ich pessimistisch, aber wir können zusammenhalten. Wir können sehen, dass die Zwietracht, die auch von Frauen verbreitet wird, ihren Ursprung in einer zutiefst misogynen Gesellschaft hat. Wir können uns hinter andere Frauen stellen, egal, ob sie rechts oder links sind, religiös oder nicht, das ist bedeutungslos. Bedeutsam ist, dass wir einheitlich gegen sexistische Scheiße auftreten und andere Frauen, die darunter leiden, nicht im Stich lassen. Dass wir den allgegenwärtigen Hass nicht weiter reproduzieren. Andere Frauen nicht mehr verurteilen, für ihre Kleidung, ihre Entscheidungen, ihre Art. Ihre Existenz als Frau. Egal, ob sie uns gefällt oder nicht. Ich hasse Frauen nicht mehr. Ich freue mich über jede selbstbewusste und starke Frau, die ich sehe. Sie sind keine Konkurrenz. Ich hasse das Patriarchat und die Attitüde der meisten Männer. Ich habe begriffen, dass wirkliches Verstehen nur unter Frauen existieren kann. Und dass wir noch einen langen Weg zurückzulegen haben.

Ein Teil von mir

Tear, Träne

By NessaLand (tear) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons

Ein Gastbeitrag von Laura Hertzog

Als ich ihn 2011 kennen gelernt habe, habe ich geglaubt das alles wäre ein Traum. Ich war 16 Jahre alt und hatte im Sommer gerade mit dem Abitur angefangen. Mittlerweile war es Winter, genau genommen Januar. Auf einer Disco wurden wir einander vorgestellt und es war sofort ein Draht da. Wir haben uns öfter wieder getroffen und am 12. Februar waren wir schließlich ein Paar. Ob ich wirklich verliebt war, oder ob ich nur in das Gefühl verliebt war, dass er mich scheinbar mochte… Ich weiß es nicht!

Ich weiß nur, dass er mir nach einem halben Jahr die rosarote Brille nicht einfach abgenommen hat, sie wurde mir mit einem Ruck und ohne Vorwarnung vom Kopf gerissen. Die darauffolgenden zweieinhalb Jahre hätte ich mir getrost sparen können. Streit, Wut, ständige Auseinandersetzungen, nie enden wollende Diskussionen, eine Menge Tränen meinerseits und diese Aggression. Diese schiere Kraft, die dieser 190cm Kerl hatte. Es war mehr als nur einmal verdammt knapp an meinem Gesicht vorbei.
Das Loch in der Rehgipswand seiner alten Wohnung erzählt nur eine unzähliger Geschichten, in denen er sich gerade noch zusammen reißen konnte, nicht mich, sondern einen Gegenstand zu schlagen.

Davon ab, dass unsere Beziehung in etwa funktionierte wie ein Blinker. Alle Nase lang trennte er sich von mir und kam dann wenige Tage oder Stunden später wieder zurück.
In der Zwischenzeit hatte ich mein Abitur in der Tasche und begann ein duales Studium. Unbewusst reizte ich ihn damit nur noch mehr, da ich so eine Karriere hinlegte, während er „einfach nur Krankenpfleger“ war – wie er es immer nannte. Er wollte doch so gerne auch mal Abi machen und hätte am liebsten gestern angefangen zu studieren.
Meines Wissens hat er es bis heute nicht gemacht, nicht weil er zu doof wäre, ihm fehlt der Mut einen solchen Schritt zu gehen!

In der Uni und auf der Arbeit habe ich dann gelernt, dass es ja noch andere Menschen neben ihm gibt, die mich nett finden. Ich begann mich viel zu unterhalten und das eben auch mal über Themen, die ich spannend fand! Da waren Leute, die meine Musik mochten. Er hat sie gehasst, wir haben fast nur gehört, was er mochte.
Am 1. März war es soweit! Ich konnte die ganze Nacht nicht einschlafen, habe mich rumgewälzt und gegrübelt, bis ich mich entschlossen hatte, mich von ihm zu trennen. Kaum war dieser Gedanke zu Ende gedacht, bin ich eingeschlafen wie ein Baby.
Am nächsten Tag kam er zu mir und wir führten eine dieser stereotypischen Trennungsgespräche, in denen er nicht einsehen wollte, dass ich es so meine, wenn ich Schluss mache!
Ähnlich wütend wie schon hunderte Male zuvor verließ er mein zu Hause, nur dass er nie mehr wieder kommen würde.

Bis Mitte Juni herrschte absolute Funkstille… bis wir uns auf einem Dorffest wieder über den Weg liefen. Er war äußerst nett zu mir, entschuldigte sich sogar für alle Lügen, die er über mich verbreitet hatte und wir unterhielten uns, über eine Stunde, sehr nett miteinander. In den darauffolgenden Wochen trafen wir uns mehrere Male, um einen Kaffee gemeinsam zu trinken. Immer kam ich mit dem Auto meiner Eltern zum Treffpunkt (sehr bekannte Fast Food Kette) und immer waren es sehr angenehme Abende, an denen wir uns über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft austauschten.

An jenem Abend hatten wir uns wieder einmal kurzfristig per Whatsapp verabredet, doch ich konnte das Auto meiner Eltern nicht haben, da sie selbst weg wollten. Nachdem ich ihn darüber informiert hatte, schlug er vor, er könnte mich ja gerne abholen.

Ich muss dazu kurz etwas einwerfen. Ich bin totaler Bauchmensch. Mein Bauch hat immer Recht. Nur will mein Kopf das nicht einsehen. Ich stehe vor einer Entscheidung und mein Bauch sagt sofort Ja oder eben Nein. Und dann mischt mein Kopf sich ein… er will immer erst mal noch in Ruhe über alles nachdenken, die Situation abwägen etc. Und am Ende kommt er in einem Großteil der Fälle immer auf dieselbe Schlussfolgerung, wie der Bauch sie vor Minuten, Stunden oder Tagen schon gezogen hatte. Auf meinen Bauch ist Verlass!

Ich las die Nachricht mit seinem Vorschlag und sofort schrie mein Bauch laut, ich sollte das bloß nicht machen. „Was ist denn mit dem los?“ meldete sich sofort der Kopf. „Also bitte, ihr trefft Euch ja nicht das erste Mal auf einen Kaffee und er war doch immer total nett, jetzt stell Dich mal nicht so an.“ Die Schlussfolgerung meines Kopfes klang für mich in diesem Moment vollkommen logisch. Ich befahl meinem Bauch Ruhe zu geben und wenige Stunden später stieg ich in den Wagen meines Ex-Freundes.

Mein Bauch spürte sofort, dass da etwas nicht stimmte. Irgendwas war anders. Ständig redete er über unsere Beziehung und lobte sie in den höchsten Tönen. Er erklärte mir den ganzen Abend, was er alles daran vermisse und dass er gerne nur für einen Abend alles wieder aufleben lassen würde. Mein Bauch schimpfte erneut, mein Kopf sagte wieder: „Mach Dich nicht verrückt, ist doch schön, wenn er endlich auch mal die positiven Seiten der Beziehung sieht.“

Und dann wollte er mir seine Wohnung zeigen…
Was er zunächst auch tat, bis wir im Türrahmen seines Schlafzimmers standen.
„Nur noch einen Kuss, einen allerletzten Kuss möchte ich!“ waren seine Worte, doch ehe ich auch nur irgendeine Antwort formulieren konnte, hatte er sein Vorhaben schon in die Tat umgesetzt. Jedes Mal, wenn er seine Lippen ganz kurz von meinen löste, sagte ich „Nein!“ oder „Wir sollten das nicht machen!“ Er presste mich ganz fest gegen den Türrahmen und ich wusste nicht mehr was ich tun sollte.

Wenige Minuten später hatte er mich schon auf sein Bett geschmissen und sich auf mich gestürzt. Ich murmelte immer wieder „Nein!“ Mit jedem Kleidungsstück, um das er mich erleichterte, sagte ich „Lass das!“ Er fasste mich an, genau wie früher immer und es fühlte sich so falsch an. Knappe 100 Kilogramm, verteilt auf 1,90m Mann lagen dort auf mir. Er war forsch, nicht gewalttätig, aber grob. Mit seinen großen Händen kannte er wie immer nur zwei Stellen an meinem Körper, meine Brüste und meinen Schritt. Er knetete meine Brüste so fest, dass ich stöhnen musste vor Schmerz, für ihn wohl ein Signal von Lust, denn kurz darauf…

Vor Angst war ich so angespannt, dass es unwahrscheinlich wehtat. Jeden Millimeter, den er sich nun bewegte löste Hass, Angst und Schmerzen in mir aus. Ich resignierte, nachdem ich gefühlte 100 Mal laut und deutlich „Nein“ gesagt hatte, wusste ich nicht mehr, was ich machen sollte. Ich hörte auf mich aufzubäumen und lies es über mich ergehen. Wenn Du jetzt still hältst, geht es ganz schnell, dachte ich.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich es „über mich ergehen“ lassen habe. Waren es nur wenige Minuten? Es fühlte sich an, wie Stunden, bis endlich, plötzlich seine Wohnungstür aufsprang (direkt gegenüber von der Schlafzimmertür, die nicht geschlossen war!) und seine Nachbarin dort stand und direkt auf uns drauf schaute.

Er sprang erschrocken von mir runter, lachte laut und als ihr erster Schock überwunden war, drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ kichernd die Wohnung. Ich hatte mich nicht einen Millimeter gerührt, als er mich ansah, sich das Kondom abstreifte und mich grinsend beäugte. „Schade, dass wir das nicht zu Ende führen konnten!“ Mit diesen Worten griff er nach seinen Klamotten und begann sich anzuziehen.

Noch immer gelähmt, weil ich einfach schier überfordert mit dieser gesamten Situation war, starrte ich ihn an. „Ich bringe Dich jetzt besser nach Hause!“ sagte er, beugte sich zu mir und küsste mich noch einmal. Sofort spannten sich wieder alle Muskeln meines Körpers an. „Bitte nicht!“ schrie es in mir und er löste sich wieder von mir und verließ den Raum. Ich konnte hören, wie er sich in der Küche eine Zigarette anzündete, als schließlich auch ich aufstand und mich anzog.

Ohne weitere Vorkommnisse fuhr er mich nach Hause. Wir redeten nicht mehr viel. Als ich ausstieg wünschte er mir, mit einem widerlichen Grinsen auf dem Gesicht, eine gute Nacht und süße Träume, am besten vom heutigen Abend. Ich versuchte den Kloß in meinem Hals herunter zu schlucken und krächzte: „Gute Nacht!“ ehe ich die Haustür hinein und geradewegs ins Badezimmer ging.

Ich ging sofort duschen, schmiss alle Klamotten, die ich trug in die schmutzige Wäsche. Ich fühlte mich so dreckig. Als wäre ich mir selbst fremdgegangen und müsste nun alle Spuren beseitigen, damit ich nichts davon erfuhr.

Es klappte, zumindest eine Zeit lang. Ich begann zwei Monate später eine neue Beziehung, die bis heute anhält und wirklich wundervoll ist! Es dauerte zwei Jahre, bis ich verstand was passiert war. Beim Verkehr mit meinem neuen Partner, nach bereits zwei Jahren Beziehung hatte ich das erste Mal einen Flashback. Er lag auf mir, war zärtlich und liebevoll wie immer und plötzlich… ich schrie, ich weinte, ich hatte solche Angst vor ihm, stand kurz vorm Hyperventilieren.

Wie immer reagierte er wunderbar! Er löste sich sofort von mir, nahm mich in den Arm und lie mich einfach weinen und schreien. Er streichelte mich und sagte mir immer wieder, dass er bei mir sei und mich beschützen würde, dass alles gut sei, dass er mich liebe.

Mit diesem Flashback ging ich zu meinem Therapeuten, der mich zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 6 Wochen durch meine Depression begleitete. Nachdem wir uns einige Stunden ausführlich über das geschehene und „ihn“ unterhalten hatten, sagte er die wohl wichtigsten Worte, die jemals einer im Zuge dieses Abends zu mir gesagt hat. „Warum habe ich mich nicht gewehrt? Wie konnte ich so dumm sein und es einfach über mich ergehen lassen? Warum habe ich es nicht wenigstens versucht?“ Er lächelte mich verständnisvoll an und legte seinen Kopf leicht zur Seite. „Ich kenne ihn nicht, aber ich kann ihnen sagen, so wie sie ihn beschrieben haben, hat ihr Unterbewusstsein an diesem Abend genau die richtige Entscheidung getroffen. Sie haben sich nicht gewehrt, weil es alles nur schlimmer gemacht hätte. Er wäre gewalttätig geworden. Er hätte nicht aufgehört!“

Heute, zweieinhalb Jahre später, kann ich darüber reden, ich kann es aufschreiben, ich kann „damit umgehen“. Er wollte mir einfach nach über einem Jahr Trennung beweisen, dass er mich immer noch im Griff hat. Sein Ego hat es nicht verkraftet, dass ich ihn verlassen und damit so bloß gestellt habe.

Damals wie heute habe ich nicht angezeigt. Wie auch? Er war schlau genug ein Kondom zu benutzen und da er nicht gewalttätig war, hatte ich keinerlei Hämatome oder ähnliches vorzuweisen. Aber das ist es nicht, was mich stört. Er wird seine Rechnung bezahlen, dafür werden Karma, Schicksal, Gott oder wie man es auch immer nennen mag schon sorgen. Was mich stört ist nicht die Tat als solche, oder die Bilder, nein!

Mich stört die Tatsache, dass es ein Teil meines Lebens ist und er es entschieden hat, dass ich keinerlei Einfluss darauf hatte. Ich werde es in fünfzig Jahren noch mit mir herum tragen müssen, egal wie präsent die Bilder dann noch sind, ich hatte keinen Anteil an seiner Entscheidung.

Und wieder einmal ist es bestätigt, dass es in den seltensten Fällen „der fremde Besoffene hinterm Busch“ ist, sondern in den meisten Fällen leider jemand, der einem nahe steht. Jemand den ich geliebt habe, mit dem ich drei Jahre meines Lebens verbracht habe und dem ich vertraut habe…

Jammernde Väter

Ein Gastbeitrag von Birgit Gärtner
Dieser Beitrag erschien am 05. August 2010 zuerst auf heise.de und ist Teil einer Reihe unregelmäßig erscheinender Artikel zum Thema Sorgerecht/Väterrechte.  Am 03.08.2010 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass unverheiratete Väter in Zukunft auch gegen den Willen der Mutter das Sorgerecht erhalten können und machte damit den Weg frei zu einer entsprechenden Gesetzesänderung.

Die rechtliche Ohnmacht des Mannes im Allgemeinen und des (ledigen) Vaters im Besonderen widerspricht der Wirklichkeit. Einige Anmerkungen zum Sorgerechtsurteil des Bundesverfassungsgerichts

Justiz und Medien haben eine neue Spezies entdeckt: diskriminierte ledige Väter bzw., Angehörige dieser unterdrückten Minderheit haben sich wirkungsvoll in Szene gesetzt und dieser Tage vor Gericht einen Erfolg in Sachen Sorgerecht erstreiten können – die mediale Zustimmung ließ nicht lange auf sich warten. Auch Telepolis stimmte in das Klagelied der Diskriminierten mit ein (siehe Mehr Recht auf Vater für die unehelichen Kinder). Zeit, dem großen Jammern mal ein paar Fakten entgegenzusetzen.

Die rechtliche Ohnmacht des Mannes im Allgemeinen und des (ledigen) Vaters im Besonderen wäre mir ein völlig neues Phänomen. Familien sind keine virtuelle Erscheinung, diskutiert in Foren und Blogs, sondern eine ganz konkrete Erfahrung im realen Leben – und da findet Vater in aller Regel nicht statt. Was nicht heißt, dass es nicht auch Gegenbeispiele gibt. Aber Väter, die sich gleichteilig in die Kindeserziehung einbringen wie die Mütter sind und bleiben nun mal die Ausnahme. Und Mütter sind ganz garantiert die Letzten, die sie davon abhalten.

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Weiße Menschen, die „Weißen Feminismus“ kritisieren, halten weißes Privileg aufrecht

Feminist Button

Dieser Text von Claire Heuchan erschien am 10. August 2015 auf ihrem Blog Sister Outrider. Wir bedanken uns bei Claire für die Erlaubnis, eine Übersetzung anzufertigen und sie hier zu veröffentlichen.

Wenn du online in feministische Diskurse eingebunden bist, ist es wahrscheinlich, dass dir ein bestimmter Begriff aufgefallen ist, der immer geläufiger wird: Weißer Feminismus. Manchmal wird sogar ein Trademark-Logo zur Unterstreichung hinzugefügt. Der Begriff „weißer Feminismus“ wurde zur Chiffre für ein bestimmtes Versagen innerhalb der feministischen Bewegung; von Frauen mit einem gewissen Grad an Privilegien, die es versäumen, ihren marginalisierteren Schwestern zuzuhören; von Frauen mit einem gewissen Grad an Privilegien, die über diese Schwestern hinwegsprechen; von Frauen mit einem gewissen Grad an Privilegien, die die Bewegung auf die Themen ausrichten, die innerhalb ihres eigenen Erfahrungsspektrums liegen. Ursprünglich wurde der Begriff Weißer Feminismus von Women of Colour benutzt, um Rassismus innerhalb der feministischen Bewegung zu thematisieren – eine notwendige und berechtigte Kritik.

Auch wenn weiße Frauen durch die auf Misogynie (Frauenverachtung) aufgebauten bestehenden sozialen Ordnung auf persönlicher und politischer Ebene benachteiligt sind, sind sie auch Nutznießerinnen von institutionellem Rassismus – ob sie das wollen oder nicht. Sogar Frauen mit dezidiert anti-rassistischen Grundsätzen können nicht einfach aus den Vorteilen eines weißen Privilegs aussteigen, angefangen von der größeren (wenn auch immer noch zu geringen) Medienpräsenz weißer Frauen, über eine größere Lohnlücke für Women of Colour bis zu der deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit von Polizeigewalt, die die Lebenswirklichkeit Schwarzer Frauen bestimmt. So funktioniert weißes Privileg. Wir leben in einer Kultur, die durch Rassismus geprägt ist und in der ein großer Teil des Reichtums unseres Landes aus dem Sklavenhandel stammt. So wie Misogynie braucht es viel Zeit und Bewusstsein, sich Rassismus abzutraineren. Es ist ein Lernprozess, der für uns niemals wirklich abgeschlossen ist. Women of Colour, die Rassismus innerhalb der feministischen Community anfechten, geben uns allen die Möglichkeit, uns bewusst von Verhaltensweisen zu lösen, die innerhalb des weißen rassistischen Patriarchats belohnt werden.

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Ein Aufruf an Feministinnen, sich an das historische und geschlechterbasierte Wesen ihrer Unterdrückung zu erinnern

Das wirklich Brillante am Patriarchat…es verwandelt Unterdrückung nicht nur in etwas Natürliches, es sexualisiert den Unterdrückungsakt. Es erotisiert Dominanz und Unterwerfung. Es institutionalisiert sie als Maskulinität und Feminität. Also normalisiert, erotisiert und institutionalisiert Unterwerfung. Das Brillante am Feminismus ist, dass wir das erkannt haben.
– Lierre Keith

In den vergangenen Monaten wurden in den USA und anderswo so viele Gesetze erlassen oder vorgeschlagen, die eine Eskalation des Kriegs – ja, es ist Krieg – gegen Frauen anzeigen. Das Russische Parlament hat gerade mit 380 zu 3 Stimmen die Entkriminalisierung häuslicher Gewalt entschieden. Es ist ein Land, in dem durchschnittlich 40 Frauen pro Tag – 14.000 Frauen pro Jahr – von ihren männlichen Partnern ermordet werden.

Die Vereinigten Staaten, wo über 1000 Frauen pro Jahr von ihren Partnern ermordet werden, haben gerade einen Präsident gewählt, der damit prahlt, dass „wenn du ein Star bist, lassen sie es dich einfach tun, pack sie an der Pussy“ und in Pornografie und Menschenhandel verwickelt ist. Sein Plan ist es, die finanzielle Unterstützung für 25 Programme gegen häusliche Gewalt zu eliminieren und weiblichen Angestellten zu befehlen, sich „wie Frauen anzuziehen“. Texas denkt darüber nach, Frauen, die eine Abtreibung hatten, ihr Wahlrecht zu entziehen; Arkansas möchte Vergewaltiger in die Lage versetzen, Frauen zu verklagen, die abtreiben.

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Simon Häggström: Shadow`s Law. The True Story of a Swedish Detective Inspector Fighting Prostitution

von Manuela Schon

Simon Häggström ist seit mehr als 10 Jahren Polizeikommissar bei der Anti-Prostitutionseinheit in Stockholm. Er und seine KollegInnen sind verantwortlich für die Umsetzung des so genannten „Sexkaufverbots“ in der schwedischen Hauptstadt. Sprich: Sie überführen Freier und führen sie der für sie vorgesehen Bestrafung zu. Wie das genau abläuft, und dass diese Ermittlungsarbeit kein Hexenwerk ist, davon bekommt man in seinem Buch SHADOW`S LAW, welches nach schwedisch nun auch auf englisch veröffentlicht wurde, einen guten Eindruck.

Wenn über die schwedische Prostitutionsgesetzgebung gesprochen wird hören wir immer die gleichen Argumente und Mythen. Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag dazu mit vielen dieser Mythen aus Sicht der Polizei aufzuräumen. Dabei lässt sich der Autor sehr viel Raum für Selbstkritik und LeserInnen erfahren eine Menge darüber, welchen Lernprozess Institutionen durchlaufen müssen, die mit der Implementierung einer solchen Gesetzgebung beauftragt werden.

Wer von dem Buch eine rosarote Darstellung der schwedischen Gesetzgebung erwartet wird eines besseren belehrt, denn die Schwierigkeiten die richtigen Entscheidungen im Sinne der Betroffenen zu treffen werden an einigen Stellen deutlich und werden von Häggström auch ganz offen benannt. Vor allem das ambivalente Verhältnis der prostituierten Frauen gegenüber der Polizei wird mehrfach betont. Auch übt der Autor da wo es notwendig ist offen Kritik an den Institutionen und zeigt auf wo sie seiner Meinung nach in der Implementierung versagen.

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Deine Privilegien werden dich nicht schützen – Rede von Sagashus Levingston beim Women’s March

Sagashus Levingston

© Sagashus Levingston

Sagashus Levingston von Infamous Mothers hielt am 22. Januar 2017 diese Rede beim Women’s March in Madison, Wisconsin. Wir bedanken uns sehr herzlich dafür und für die Genehmigung, eine Übersetzung anzufertigen und hier zu veröffentlichen.

Wo und wie betrete ich diesen Ort? Die Erwartung an mich ist, dass ich hier stehe und die Art und Weise beleuchte, in der weiße Frauen diesem Land am 8. November 2016 geschadet haben. Manche erwarten von mir, dass ich sagen soll: „Während ihr mit Aufklebern herumgefahren seid, auf denen ‚Ich bin für sie‘ stand (‚I’m with her‘ war der Slogan für Hillary Clinton, Anmerkung d. Übersetzerin), waren 94% der schwarzen Frauen und 63% der Latina in den Wahlkabinen und haben sie gewählt. Nur 47% von euch waren da.“ Für manche besteht die Erwartung darin, dass ich euch sagen soll, wie wenig wir euch vertrauen. Wie sehr schwarze und braune Frauen es satt haben, euer Chaos zu beseitigen, nur um sofort nach Erledigung der Arbeit wie Müll herausgeworfen und abserviert zu werden. Andere wollen, dass diese Rede über unsere Verweigerung geht, mit euch Bündnisse einzugehen, bis ihr euch dafür entschuldigt habt, in der Geschichte eure eigenen Bedürfnisse und Wünsche vor unsere und die anderer Frauen gestellt zu haben – und für eure Rolle in der Unterdrückung der Marginalisierten. Aber dies von mir zu wollen, bedeutet, von mir zu wollen, dass ich etwas tue, das nicht zu mir passt und jemand zu sein, die ich nicht bin. Es gibt Frauen, die viel qualifizierter sind als ich, dieses Gespräch mit euch zu führen und diese Rede zu halten. Das, was ich euch heute, jetzt, bieten kann, bin ich. Ich zeige mich als Frau an einem Ort der Frauen. Ich zeige mich als verletzlich.

Heute stehe ich an der Intersektion vieler Identitäten: schwarz, kahlköpfig, volle Figur, alleinerziehende Mutter von sechs Kindern, vier verschiedene Väter, arm …. Doktorandin …. Geschäftsfrau …. Frau. Und ich gebe mich euch ganz, denn das ist alles, was ich zu geben habe.

Ich erzähle euch von dieser sehr persönlichen Entscheidung, weil jede gute Feministin weiß, dass das Persönliche IMMER auch das Politische ist. Das bedeutet, dass ihr wie ich hier an der Intersektion vieler Identitäten steht – alle durch Race, Klasse, Sexualität und Fähigkeiten geformt und beeinflusst. Welchen Teil davon sollen wir wegschneiden? Welche Feministinnen hier herausstellen: Weiße, Schwarze, Latina …? Wen lassen wir zurück – feministische Männer, Muslime, Muslima, Menschen aus Asien, Mitglieder der LGBTQUIA? Und was werden unsere Entscheidungen uns kosten? Wer von uns hier braucht kein Gesundheitssystem, keine gleiche und langfristige Bezahlung, keine saubere Luft und kein sauberes Wasser? Sind dies Fangfragen? Wenn wir eine Identität über die andere stellen, stimmen wir dann gegen uns selber, gegen alle Frauen? Amputieren wir Teile eines kollektiven Rechts auf Gleichstellung und Gerechtigkeit, des Rechts, Unterdrückung abzuwerfen? Und wenn wir das tun, müssen wir uns fragen, wessen Zielen wir dienen, wenn diese Ziele nicht uns alle anerkennen. Und ist das klug?

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Die Abgewöhnung des Mitgefühls

Blumenwiese

Bild via Pixabay, Public Domain

Als kleines Kind fragte ich meine Mutter, warum sie gerade eben unseren Hund geschlagen hatte. Unser Hund war ein junger Bernhardiner, er war keine 6 Monate alt und hatte in den Flur gepinkelt. Als ich meiner Mutter diese Frage stellte, scheuerte sie mir eine. Und sagte, aus dem Hund müsse nun mal ein gut erzogener werden (so wie aus mir offensichtlich eine gut erzogene Frau werden sollte). Ich kann mich an diese Situation nicht deshalb so gut erinnern, weil sie den Hund und mich nur dieses Mal geschlagen hat, sondern, weil sie eine der wenigen Situationen war, in denen ich widersprach („es wagte“). Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, nur, dass ich noch in den Kindergarten ging, und ich sagte ihr, dass der kleine Hund doch noch klein ist und schwach und noch viel lernen muss und doch viel weniger Kraft hat als ein Mensch. Ich sagte, dass ich das nicht fair finde, wenn ein Hund so behandelt wird. „Fair, was ist schon fair“, sagte meine Mutter, „gewöhn dir das ab“. „So funktioniert die Welt nicht.“

Meine Mutter war selbst so groß geworden, mit exakt diesem Glauben und dieser Überzeugung, dass Mitgefühl haben etwas Lächerliches und ein Zeichen der Schwäche ist, etwas Illusorisches und Unrealistisches, etwas, das sich nicht schickt, nicht in die moderne Zeit passt und einfach nur ein Produkt von Menschen ist, deren Brillengläser zu rosa sind. Sie durfte nicht weinen, also ließ sie auch ihre Kinder nicht weinen. Eine „Heulsuse“ war ich. Wann immer ich Gefühle, aber vor allem Mitgefühl zeigte. Als in den 80-er-Jahren beispielsweise Greenpeace zu dem Wal- und Robben-Abschlachten publizierte, las ich heimlich unter der Bettdecke Berichte darüber, aber vor allem weinte ich heimlich. Ich konnte  und wollte es einfach nicht verstehen – diese Grausamkeit. Außerhalb meiner Bettdecke schluckte ich jede Träne runter. Lief doch eine hinunter, gefährdete das meine körperliche Unversehrtheit. Bei Berichten über den Holocaust sollte ich „das ist vorbei“ sagen und meine Sprachlosigkeit ob dieser Brutalität war lediglich das Zeugnis einer Seele, die so nie bestehen kann. Nicht einer, die in einer weiteren Stufe des Lebens schmerzlich erkennt, was für Folgen Gewalt und die Abwesenheit von Mitgefühl hat. Das Lächerlichmachen meiner Mitschülerin vor der gesamten Klasse durch unseren Deutschlehrer sollte kein Gefühl in mir regen, „zu nah am Wasser gebaut“, „irgendwas wird diese dumme Schülerin schon falsch gemacht haben“. Und so weiter und so fort.

Fühle nicht. Dann fühlt auch keiner mit dir. Und dann bist du sicher.

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„Women`s March on Washington“ Wie schlimm es wirklich um Frauenrechte bestellt ist

Am kommenden Freitag (20. Januar 2017) übernimmt Donald J. Trump offiziell die Amtsgeschäfte des noch amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama.
Grund für Frauen in den USA diesem Tag mit Unwohlsein – oder gar Angst, wie ich sie bei vielen meiner Mitstreiterinnen wahrnehme – entgegenzublicken gibt es wahrlich genug.
Donald Trump entspricht dem Prototypen der männlichen Anspruchshaltung auf Frauen. Die nachfolgende Liste ist nicht vollständig, aber das Muster sollte klar werden:

– Er, selbst bereits längst die 70er Altersmarke überschritten, nimmt sich das selbstverständliche Recht heraus Frauen nach ihrer Attraktivität zu bewerten. Eine republikanische Mitbewerberin zum Beispiel hielt er für unqualifiziert, weil doch niemand ernsthaft eine Frau mit einem solchen Gesicht als Präsidentin haben wolle. Steffi Grafs Gesicht habe er sich hingegen noch nie anschauen können, weil ihr Körper so heiß sei. Frauen, die er nicht mag bezeichnet er auch schonmal gerne als „Bimbo“, „Hund“ oder „fettes Schwein“.

– Mit einer absoluten Selbstverständlichkeit sucht er sich natürlich auch vorzugsweise Partnerinnen und Sexualpartnerinnen, die drei Generationen jünger sind als er.

– Frauen haben seiner Meinung nach ihre Jobs nur aufgrund ihres Äußeren, nicht aufgrund irgendeiner Qualifikation

– Er plauderte ungeniert darüber, dass er Paris Hilton total heiß fand, als die erst 12 Jahre alt war. Er kommentierte auch schonmal die attraktiven Babybeine seiner Tochter Tiffany oder die Üppigkeit der Brüste seiner Tochter Ivanka und gab bekannt er würde sie daten, wenn sie nicht seine Tochter wäre.

– Die sexuellen Eskapaden Bill Clintons (die vor allem gekennzeichnet sind durch sexuelle Gewalt) führte er darauf zurück, dass Hillary offenbar nicht in der Lage sei ihren Ehemann sexuell zu befriedigen.

– Sein Frauenhass wird deutlich, wenn er Frauen ihre Menstruation zum Vorwurf macht („That Megyn Kelly had blood coming out of her „wherever“) oder wenn er sagt er fände Stillen ekelhaft. Auch fand er es eines Kommentars wert, dass Hillary Clinton während einer Debatte die Toilette aufsuchte – denn auch das fand er ekelhaft.

– Er äußerte die Hoffnung, dass wenn seine Tochter Ivanka jemals Opfer von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wird, sie den Job aufgibt und ihre Karriere woanders weiterbetreibt.

– Er ist der Meinung, dass es doch logisch ist, dass es zu sexuellen Übergriffen kommt wenn man Männer und Frauen zusammen an einen Ort lässt – als Kommentar auf einen Bericht über 26.000 nicht angezeigte sexuelle Übergriffe beim US-Militär.

 

 

 

 

– Dazu passt auch sein Kommentar aus dem Video welches kurz vor der Wahl geleaked wurde, in dem er von sich sagte, dass er einfach gar nicht anders kann als schöne Frauen zu küssen:

„You know I’m automatically attracted to beautiful — I just start kissing them. It’s like a magnet. Just kiss. I don’t even wait. And when you’re a star, they let you do it. You can do anything … Grab them by the pussy. You can do anything.“

– Er sprang so denn auch passenderweise dem CEO von Fox News, Roger Ailes, zur Seite, als diesem sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde. Ailes sei ein guter Typ, er habe schon vielen Frauen geholfen.

– Gegen ihn liegen eine Vielzahl von Vorwürfen sexueller Gewalt vor: Von Katie JohnsonJill Harth, Ivana Trump; sowie eine sehr lange Liste von sexuellen Übergriffen.

– Trump stand (genauso wie Bill Clinton) auf der Passagierliste des verurteilten Pädokriminellen Jeffrey Epstein und flog in dessen Privatflieger zu der als „Sex Slavery Island“ bekannt gewordenen Insel, auf der es regelmäßig zu „Sexparties“ mit minderjährigen „Sexsklavinnen“ kam. Trump sagte 2005 über Epstein:

„Ich kenne Jeff seit 15 Jahren, ein klasse Typ. Es macht Spaß, mit ihm Zeit zu verbringen. Man sagt, er mag schöne Frauen genauso wie ich – und viele von ihnen sind auf der jüngeren Seite.“

– Es gibt darüber hinaus eine sehr gute Recherche zu Trumps Modelagentur, die als Cover-Up für Menschenhandel fungiert. Diese wurde auf Daily Kos veröffentlicht.  Ebenso wurde im Dignity Journal ein sehr guter und empfehlenswerter Text zu Trump und der Sexindustrie veröffentlicht.

Dass Trump trotz all dieser nicht unbekannten und viel diskutierten Dinge trotzdem Präsident werden konnte weist natürlich auf ein Problem, welches weit über Trump hinaus geht, hin: Die Akzeptanz eines solchen Verhaltens bei Millionen von AmerikanerInnen, die sich offensichtlich trotzdem von ihm vertreten fühlen. Oder gerade weil, denn meine These wäre es auch, dass sehr viele Männer nicht nur kein Problem mit einem solchen Verhalten haben, sondern es insgeheim sogar bewundern wie ein Mann Frauen mit einer völligen Selbstverständlichkeit abwertet, als männliches Konsumgut betrachtet und sich auch einfach mal nimmt was er möchte. Sein Erfolg ist Ausdruck der Rape Culture und kann nicht losgelöst davon betrachtet werden.

Wie nachvollziehbar wäre es also, seinen Wahlerfolg zum Anlass zu nehmen und auf die Straße zu gehen gegen all die sexistische Kackscheisse, mit der Mädchen und Frauen sich alltäglich rumschlagen müssen. „Women`s March on Washington“ – das klingt super. Es klingt nach Frauen, die die Schnauze voll haben von diesem ganzen Wahnsinn und es könnte eine Aufbruchstimmung signalisieren. Das Frauen etwas bewegen können, wenn sie massenhaft auf die Straße gehen, haben nicht nur der Frauenstreik in Island im Jahr 1975 oder die Frauen im vergangenen Jahr in Polen im Kampf gegen das dort verhängte Abtreibungsverbot gezeigt.

Nun gibt es also diesen so genannten „Frauenmarsch auf Washington“, von weltweiten Solidaritätsveranstaltungen begleitet wird. Bei genauerer Betrachtung fallen jedoch ein paar nicht unbedeutende Probleme ins Auge. Mit denen will ich mich im Folgenden auseinandersetzen:

1. Der Name „Women`s March“ – Wer geht da eigentlich auf die Straße?

Der Name der Veranstaltung(en) suggeriert, dass hier Frauen auf die Straße gehen. Jedoch weit gefehlt: Es sind explizit alle Menschen eingeladen teilzunehmen, Männer sind darüber hinaus sowohl bei der Organisation als auch der Finanzierung beteiligt. Da stellt sich gleich die Frage: Warum nennen die das Ding Frauenmarsch? Sie könnten es doch auch eigentlich gleich „People`s March“ nennen.

2. Für wen wird auf die Straße gegangen?

Erster Gedanke: „Na bestimmt für Frauenrechte“. Weit gefehlt: Darum geht es nämlich gar nicht, sondern um „weltweite Menschen- und Bürgerrechte“. Das mit Menschen oft Frauen gar nicht mitgemeint sind, das musste nicht nur Olympe de Gouges erfahren als sie 1793 für ihre unverschämte Forderung, dass die in der Französischen Revolution erkämpften Menschenrechte nicht nur Männerrechte bleiben sollen, geköpft wurde.

Männliche Gewalt gegen Frauen wird im Programm der Veranstaltung übrigens gar nicht erst genannt.

Eine Kommentatorin macht ihrem Unmut in einer Facebook-Veranstaltung zum Women`s March in Frankfurt Luft:

„Ich finde es richtig schade, dass der Women`s March […] zu einem Allgemeinplatz „verkommt“. Warum können wir uns nicht wenigstens einmal auf Frauenrechte konzentrieren? Demos mit denen im Aufruf enthaltenen Inhalten gibt es wöchentlich und Frauen kümmern sich eh schon immer mehr um alle anderen, als um sich selbst. Ich war in den 80ern auf riesigen Frauendemos in Bonn oder Frankfurt, auf denen es fast ausschließlich um Frauenthemen ging. Warum ist sowas nicht mehr möglich?“

Ähnliche Statements lesen wir auch in den Veranstaltungen aus den USA oder anderen Ländern.

3. Gehts vielleicht doch eher Männerrechte?

In den Auseinandersetzungen dazu wurde es dann spannend, denn ganz schnell wurde klar, dass die Forderungen unter anderem auch die Unterstützung der Sex-Work-Position beinhalten, sprich: der Women`s March kämpft für das männliche Recht auf Zugriff auf den weiblichen Körper (Prostitution).

Nachdem beim Women`s March Canada für ganze zwei Stunden eine Änderung durchgesetzt werden konnte von protestierenden Frauen, war es damit jedoch kurz darauf wieder Essig.

 

 

 

 

 

SPACE International, eine internationale Organisation, die aus Überlebenden der Prostitution besteht, kommentierte dann folgerichtig:

„Solange der Women`s March für das Recht von Männern Frauen zu kaufen marschiert, marschiert ihr nicht für Frauen“

Darüber hinaus geht man auch gegen „Cis Privilege“ auf die Straße, Privilegien die man als Mensch mit XY-Chromosomen angeblich hat. Auch hierbei geht es letztlich nicht um Frauen-, sondern um Männerrechte – und eine völlige Negierung der Lebensrealität von Frauen, die allein aufgrund der Tatsache mit einer Vagina und nicht mit einem Penis geboren zu sein, mit zahlreichen Diskriminierungen zu kämpfen haben.

4. Dürfen denn jetzt eigentlich alle Frauen mitmachen?

Nein. Die Aktivistinnen von Nordic Model Now!, einer Initiative die sich für das Nordische Modell einsetzt (welches eine Freierbestrafung vorsieht und die Prostitution abschaffen will), stellen laut der Londoner OrganisatorInnen eine „Bedrohung“ für andere TeilnehmerInnen da, wenn sie Banner gegen Sexkauf mitbringen. Das ist deshalb nicht erwünscht.

„TERFs“, also verächtlich so bezeichnete genderkritische Feministinnen oder Gender-Abolitionistinnen, werden in den Veranstaltungen beschimpft (z.B. als „you fuckin TERFy bitch“) und auf Forderung von TransaktivistInnen bewusst vom March ausgeschlossen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Veranstaltung ist also nicht nur offen für Männer, sondern schließt auch bewusst Frauen mit „falschen Meinungen“ aus. Nicht nur das: Konkrete Gewaltdrohungen gegen Frauen dürfen unverhohlen ausgesprochen werden und die VeranstalterInnen positionieren sich auf der Seite der drohenden Perspnen, nicht der Bedrohten.

Kritische Posts wurden übrigens auch reihenweise gelöscht, wer eine „falsche Meinung“ hat wird gnadenlos zensiert. Wenn also Radikalfeministinnen vorgeworfen wird, sie würden andere ausschließen, dann sagt mir mal wie „exclusionary“ das hier eigentlich ist. Ein weiteres Beispiel von Women Erasing Liberal Feminism (WELF).

5. Wie ist das ganze eigentlich politisch einzuordnen?

Wenn man sich mit dieser Frage beschäftigt, wird auch ganz schnell klar, warum Frauenreche in dieser Veranstaltung keine Rolle spielen KÖNNEN.

 

 

 

 

 

 

Die ACLU gehört unter anderem zu den größten Verfechtern der Pornoindustrie. Sie spielte eine große Rolle im Kampf gegen das von Andrea Dworkin und Catharine MacKinnon eingebrachte Anti-Pornographie-Gesetz und ist als Organisation eng verbandelt mit der Sexindustrie (Playboy, Penthouse etc.)

MoveOn ist eine NGO, die dem Millardär George Soros gehört. Soros zahlreiche NGOs investieren viel Geld im Sinne der Sexindustrie.

Die Human Rights Campaign ist u.a. mit der Pritzker Foundation, einem der größten Geldgeber der Transaktivisten-Szene verbandelt.

Hauptsponsor und „Premium Partner“ ist Planned Parenthood, das amerikanische Pro Familia, die sich ebenfalls für Prostitution aussprechen, und auch Werbevideos für BDSM veröffentlichten.

Zu den Sponsoren gehören außerdem mit Amnesty International, die sich bei ihrer Prostitutionspolitik von verurteilten MenschenhändlerInnen und Zuhältern haben beraten lassen, und Human Rights Watch – zwei weitere Soros-Organisationen.

Linker und rechter Frauenhass

George Soros und die Pritzker Familie gehörten übrigens auch zu den Hauptsponsoren von Hillary Clinton`s Wahlkampf und sind auch als Sponsoren in Verbindung zu bringen mit der Clinton Foundation. Die Verbindungen sind vielfältig. Dies sollte in der notwendigen Auseinandersetzung mit Trump nicht vergessen werden. Die Ausrichtung der angeblich feministischen Anti-Trump-Proteste ist nur verständlich, wenn man wie Andrea Dworkin den Frauenhass sowohl von rechts wie auch von links analyisiert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser „Women`s March“ keine feministische Veranstaltung ist und von ihr keine Fortschritte für die Verbesserung der Situation von Frauen zu erwarten sind.

Ich freue mich ja schon wahnsinnig auf die vielen zu erwartenden Fotos, der Tausenden von Frauen mit pinken „Pussyhats“, die extra für das Event genäht wurden…. Was für eine starke, feministische Botschaft, die alle Unterdrücker das Fürchten lehrt, nicht wahr? (Manchmal hilft leider nur noch Sarkasmus)

Was noch zu sagen ist

Einige meiner Mitaktivistinnen wollen ihn international als Möglichkeit nutzen um Präsenz zu zeigen und auch andere Botschaften (gegen Männliche Gewalt an Frauen, gegen die Sexindustrie, für die Befreiung der Frau) auszusenden. Das ist legitim und unterstützenswert. Wir wissen, dass auch die Existenz einer sichtbaren Minderheit anderen Frauen eine Stimme gibt, sie sensibilisiert, ihnen bewusst macht, dass es nicht nur liberalen Mainstream-Feminismus gibt, bei dem es irgendwie um alles geht, nur nicht um Frauen. Einen leichten Stand werden sie nicht haben, deshalb ist dieser Mut nicht hoch genug einzuschätzen. Vergnügungssteuerpflichtig wird das jedoch sicherlich nicht.

Eine Gefahr besteht meines Erachtens darin, dass eine Teilnahme von Medien unkritisch als Unterstützung der vom Marsch ausgehenden frauenfeindlichen Positionen ausgelegt wird. Hier gilt es jeweils individuell abzuwägen wie viel Sinn es macht einer solche Veranstaltung, die programmatisch Frauenrechte mit Füßen tritt, beizuwohnen.

Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Women`s March gibt es auch bei Feminist Current.

Darüber hinaus gibt es auch massive Kritk von schwarzen Frauen, wegen der Aneignung eines Marsches schwarzer Frauen im Jahr 1997.

Manuela Schon

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