Schlagwort: transgender

J.K. Rowling schreibt über die Gründe für ihre Äußerungen zur Geschlechts- und Genderthematik.

Photography Debra Hurford Brown © J.K. Rowling 2018

Photography Debra Hurford Brown © J.K. Rowling 2018

Veröffentlichung der Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Dank an die Radfems Deutschland für die Übersetzung. Originaltext hier.

10. JUNI 2020

Achtung: Dieser Text ist nicht für Kinder geeignet.

Es fällt mir – aus Gründen, auf die ich in Kürze genauer eingehen werde – nicht leicht, diesen Text zu schreiben. Doch ist mir bewusst geworden, dass es an der Zeit ist, mich zu einem Thema zu erklären, das in einer vergifteten Atmosphäre stattfindet. Ich schreibe diese Zeilen ohne den geringsten Wunsch zu dieser Vergiftung beizutragen.

Falls Sie es verpasst haben: Letzten Dezember (Anm. Dezember 2019) postete ich auf Twitter, dass ich Maya Forstater unterstütze. Maya Forstater ist eine Steuerberaterin, die wegen sogenannter ‘transphober’ Tweets ihre Arbeit verlor. Sie brachte ihren Fall vor ein Arbeitsgericht. Bei der Verhandlung ging es um die Frage, ob die philosophische Überzeugung, dass das Geschlecht durch die Biologie bestimmt sei, gesetzlich geschützt ist. Richter Tayler (Anm. James Tayler) verneinte dies in seinem Urteil.

Mein persönliches Interesse an der Transthematik entstand bereits vor fast zwei Jahren – noch vor Mayas Fall. Die Debatte um das Konzept der Geschlechtsidentität verfolgte ich in diesen beiden Jahren aufmerksam. Ich traf Transpersonen und las verschiedene Sachbücher, Blogs sowie Artikel von Transpersonen, Gender-Spezialist*innen,  intergeschlechtlichen Menschen, Psycholog*innen, Expert*innen für den Schutz der Menschenrechte, Fachleuten aus der Sozialarbeit und Ärzten und Ärztinnen. Den entsprechenden Diskurs habe ich online und in den traditionellen Medien verfolgt. Mein Interesse an diesem Thema ist zum einen professionell, weil ich eine Krimiserie schreibe, die in der Gegenwart spielt und deren fiktive Detektivin in einem Alter ist, in dem sie sich selbst für diese Themen interessiert und davon betroffen ist. Aus anderen Gründen ist es, wie ich gleich erläutern werde, sehr persönlich.

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Vom Antifeminismus der Transaktivisten

Warum warnen Radikalfeministinnen eigentlich bereits seit Jahren davor, dass die hart erkämpften Frauenräume erhalten bleiben müssen? Dass wir geschlechtersegregierte Duschen, Umkleideräume und Toiletten brauchen? Und warum Transfrauen weder in Frauenhäuser noch in Frauengefängnisse gehören?

Vielleicht weil wir den Frauenhass spüren, der uns von ihnen entgegengebracht wird? Weil sie immer und immer wieder unsere eindringlichen Warnungen bestätigen? Hier ein paar Beispiele

1) David Warfield aka Dana Rivers und die Michfest-Morde

Von 1976 bis 2015 fand jedes Jahr in Hart, Michigan das „Michigan Womyn`s Music Festival“ statt. Ein Festival selbstorganisiert von Lesben für Frauen, auf PRIVATEM GRUNDBESITZ von Lesben. Eine Errungenschaft der sogenannten zweiten Welle der Frauenbewegung.  Trotz der ausdrücklichen „Frauen geborenen als Frauen“-Ausrichtung des Festivals nahmen alljährlich auch Transfrauen am Festival teil und Lisa Vogel, eine der Gründerinnen, ausdrücklich sehr darauf bedacht, dass angesichts der vielen Butch-Frauen auf dem Festival zu deren Schutz niemand das Geschlecht einer Person in Frage stellte.

Dennoch wurde das Festival Zielscheibe von Transaktivisten, die ihr „Camp Trans“-Protestcamp vor den Toren des Festivals errichteten und die Teilnehmerinnen belästigten und emotionale Erpressung und Manipulation gegen Künstlerinnen auffuhren, sollten diese sich wagen auf dem Festival spielen. Das Ende vom Lied: Das Festival war seit 2015 erstmal (Frauen-)Geschichte. [Edit: 2020 findet glücklicherweise wieder ein Michfest statt – danke an die aufmerksame Leserin für den Hinweis]

Einer der Organisatoren und Teilnehmer des Festivals war David Warfield aka Dana Rivers. Warfield hatte als Lehrer transitioniert und in den USA landesweite Berühmtheit dadurch erlangt, dass er seinen Arbeitgeber wegen Diskriminierung verklagt hatte. Er gab Aussagen von sich wie beispielsweise, dass „Pornographie ihm geholfen habe, sein geschlechtsdeviantes Gehirn als gesund, geistig normal und erfrischend irrational verstehen zu können“. Nur kurz nach dem fragwürdigen „Erfolg“, dass Michfest in die Annalen katapultiert zu haben, ermordete Warfield/Rivers auf brutalste Weise zwei langjährige lesbische Teilnehmerinnen des Festivals: Patricia Wright und Charlotte Reed und ihr Adoptivsohn wurden verprügelt, erstochen und erschossen und anschließend verbrannt. Seitdem  sitzt Warfield/Rivers im Santa Rita Jail – angeblich im Frauenbereich – und wird statistisch als weibliche Mörderin geführt.

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Der Gender-Raub

Arzt mit Spritze

Der Original-Artikel „The Hijacking of Gender: A Feminist Take on Transgenderism“ wurde verfasst von T M Murray, PhD. Sie ist die Autorin von „Thinking Straight About Being Gay: Why it Matters If We’re Born That Way„.

Wir bedanken uns für die Erlaubnis, eine Übersetzung anzufertigen und diese hier zu veröffentlichen.

Übersetzung von Anna Strom.

Eine feministische Auseinandersetzung mit Transgenderismus

Das Gender-Konzept war mal cool. Unbeugsame Feministinnen wie Simone de Beauvoir, nutzten es um das, was zwischen den Beinen ist (sex [Anm. d. Übers: biologisches Geschlecht]) von dem zu unterscheiden, was zwischen den Ohren ist (gender [Anm. d. Übers: soziales Geschlecht]). Mit dem ersten kamst du zur Welt. Das letztere wurde dir anerzogen. Das zwischen deinen Ohren wurde dir durch die Indoktrination der patriarchalen Kultur eingepflanzt.

Grafik Spielfiguren männlich/weiblichAls Frauen begannen, Rollen oder Positionen einnehmen zu wollen, die nur für Männer reserviert waren, griffen die Patriarchatspropagandisten auf die „Natur“ zurück, um dem patriarchalen System den Rücken zu stärken. Diese Taktik ging auf, weil unsere Kultur so voll gestopft ist mit Stereotypen, dass diese beinah „natürlich“ wirken. Die Theorie des biologischen Determinismus wurde benutzt um zu erklären, warum das Patriarchat keine politische Angelegenheit sondern eine biologische Zwangsläufigkeit sei. Soziobiologen wie E.O. Wilson vertraten vehement, dass das Patriarchat andauert, weil Gene die Kultur bedingen.
Der Ansatz war nicht neu. Freud hatte die patriarchale Kultur in Penis und Vagina (vor allem im allmächtigen Penis) verankert. Christliche Traditionalisten betrachteten schon von Beginn an die Verknüpfung der patriarchalen sozialen Ordnung mit den reproduktiven Funktionen als etwas durch die „Schöpfung“ Gegebenes, entsprechend für die Frau verbunden mit der Rollenzuschreibung als Mutter und Ehefrau. Evas Sünde und ihre Bestrafung durch Gott festigte die unterwürfige Beziehung der Frau zu ihrem Ehemann weiter. Paulus gab noch eine Prise Autorität des neuen Testaments hinzu, indem er von Frauen forderte, „ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn.“ Die heilige Institution der Ehe war eine menschliche Erfindung, enthielt aber die Absicht „Gottes“.

Ein paar sture Feministinnen weigerten sich, diese „Vernatürlichung“ des Patriarchats und seinen begleitenden biologischen Determinismus mitzumachen, und sahen die Erklärung für männliche Dominanz stattdessen in sozialen, kulturellen, theologischen, akademischen und wirtschaftlichen Institutionen. Existenzialisten wie Simone de Beauvoir verabscheuten es, Erklärungen für menschliches Verhalten zu akzeptieren, die behaupteten, dass dieses durch ein unverrückbares „Wesen“ festgelegt sei. Jean-Paul Sartre bestand darauf, dass sich der Charakter eines Individuums in Resonanz zu seinen Umständen, durch seine freien Entscheidungen, entwickelt. Wir werden hier hineingeworfen, in situ, konfrontiert mit unserem freien Willen, und wir müssen unsere Entscheidungen vor einem Hintergrund an Tatsachen treffen, die wir nicht beeinflussen können, wie beispielsweise dem biologischen Geschlecht in das wir hineingeboren werden. Aber was wir damit „machen“, liegt bei uns selbst. Während klar ist, dass nur Frauen Kinder gebären können, sind die damit verbundenen Konsequenzen nicht vorherbestimmt und die aktuelle Arbeitsaufteilung nur ein mögliches Arrangement einer Palette der uns zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Orgnaisationsformen.

So wie die einstigen Feministinnen, überschritten ursprünglich auch mal schwule, lesbische und bisexuelle Individuen die Geschlechterstereotype, die die Gesellschaft ihnen anerzogen hatte. Den normativen und weit verbreiteten heterosexistischen Gendermythen entsprechend, wurden diese „queeren“ Leute als „Butch“, „Sissies“, „Dykes“ und „Fairies“ gelabelt – Beleidigungen, die dazu dienen sollten, all jene zu stigmatisieren, die sich weigerten sich entsprechend der sexistischen und heterosexistischen Geschlechterrollen, die ihnen beigebracht wurden, zu verhalten und zu kleiden. Also entschlossen sich „Schwuchteln“ und „Lesben“ diese abfälligen Spitznamen zurückzuerobern, sie an sich zu nehmen und durch sie, als Zeichen des Widerstands, der Intoleranz der Kulturmythenschmiede den Spiegel vorzuhalten. Weiterlesen

Robert Jensen: The End of Patriarchy

Robert Jensen: The End of Patriarchy

Interessanterweise höre ich in regelmäßigen Abständen (und immer häufiger), dass meine Facebook-Posts oder radikalfeministischen Statements einen konkreten Nutzen durch Denkanstöße für männliche Freunde haben, bzw. sie – für sich ganz persönlich – mit „meinem Feminismus“ etwas anfangen können. Daran wurde ich immer wieder bei der Lektüre von Jensens „Das Ende des Patriarchats. Radikaler Feminismus für Männer“ erinnert.

Man könnte angesichts des Titels versucht sein zu glauben, dass der amerikanische Journalismus-Professor und „Culture Reframed“-Aktivist Robert Jensen hier ein „Ich erkläre euch mal den Feminismus“-Buch vorlegt hat – aber das ist weder sein Anspruch, noch sein Ziel. Vielmehr geht es ihm darum, aus seiner männlichen Position heraus, zu erläutern, warum radikaler Feminismus für ihn als Mann einen unschätzbaren Wert hat. Oder wie Autor Jeffrey Masson sagt: Es ist kein „Mansplaining“-Buch, sondern das Gegenteil davon: ein „Mann-hört-auf-Frauen“-Buch. Wer also tiefgreifende radikalfeministische Analysen lesen will, sollte nach wie vor (und sowieso) zu den Klassikern greifen.

Freimütig räumt Jensen im Vorwort ein, dass sich in ihm zunächst alles gegen die feministische Analyse gesträubt hat, dass jedoch irgendetwas in ihm wollte, dass er weiterliest – seine Hauptmotivation war geprägt von Eigennutz, der Suche nach einem Ausweg aus dem ständigen Wettkampf „ein Mann zu sein“. (S. 3) Jensen nutzt die feministische Theorie, um seine Erfahrungen in einer sexistischen Gesellschaft (den Vereinigten Staaten von Amerika) für sich erklärbar zu machen (S. 16). Er sieht seine Aufgabe als privilegiertes Mitglied der herrschenden Gruppe darin, die Ergebnisse seines Selbstreflektions-Prozesses öffentlich zur Diskussion zu stellen (S. 17).

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Sheila Jeffreys: Schönheitspraktiken und Frauenhass

Bildquelle: http://www.sheilajeffreys.com/

Im Nachfolgenden handelt es sich um Auszüge einer Rede, gehalten von Sheila Jeffreys auf der Andrea Dworkin Commemorative Conference am 7. April 2006

[Ich möchte heute darüber sprechen] wie inspirierend [Andrea Dworkins Buch „Women Hating“ aus dem Jahr 1974…] für das Schreiben meines Buches „Beauty and Misogny“ war. Auch möchte ich ein wenig über „Right Wing Women“ sprechen, ein weiteres wichtiges Buch, ich glaube aus dem Jahr 1977.

Als ich Anfang der 1970er Jahre Feministin wurde, wusste ich nichts von „Women Hating“. […] Erst später habe ich die Bücher gefunden. […] Wenn ich über Weiblichkeit und Männlichkeit spreche, dann rede ich von nichts dergleichen, wie der verrückten modernen postmodernen Idee, dass man sein Geschlecht wählen oder verändern kann, sondern ich verstehe [darunter] die Verhaltensweisen männlicher Dominanz, Männlichkeit, und weiblicher Unterordnung,  Weiblichkeit. Es geht um Verhaltensweisen in der Machthierarchie, und ich möchte das gerade heraus sagen, ich glaube nicht, dass Gender diese umfasst.

[…]

[Dworkin] analysiert in „Woman Hating“ die Idee von Schönheit als einem Aspekt aufgrund dessen  Frauen gehasst werden in der männlich dominierten Kultur und sie klagt diese Kultur des Frauenhasses als verantwortlich für die Tode, Verletzungen und Gewalt gegen Frauen an, und sagt, dass der Feminismus nach Alternativen sucht um die Kultur, wie wir sie kennen, zu zerstören, und nach unseren Vorstellungen neu aufzubauen. Ich finde das Wort „zerstören“ ist stark, es ist gut und es ist ausschlaggebend. Es geht nicht darum an den Rändern der Kultur etwas herumzuflicken, sondern ich bitte euch heute, euch Gedanken darüber zu machen, wie wir dieses Gender, wie es manchmal genannt wird, zerstören können, von dem ich glaube, dass Geschlechterrollen es passender umschreibt.  […] Heute spricht kaum einer mehr von der Zerstörung der Kultur, denn wir leben in konservativen Zeiten. Wir alle haben gelernt unsere Sprache zu mäßigen, denke ich. Andrea hat das nicht getan. Sie hat es abgelehnt ihre Sprache zu mäßigen. Es ist nach wie vor notwendig die Kultur zu zerstören, aber ich glaube der Optimismus der späten 1970er Jahre über die Möglichkeiten eines radikalen, sozialen Wandels existiert meines Erachtens nicht mehr.

Als ich für mein aktuelles Buch, „Beauty and Misogyny“ recherchiert habe, habe ich nach feministischen Schriften gesucht, die deutlich und unmissverständlich die Schäden durch die Schönheitspraktiken des Westens benennen, sowie die Notwendigkeit sie zu beseitigen. Kaum etwas von diesen Denkweisen der frühen Siebziger […] ist tatsächlich nieder geschrieben worden. Andrea hat es getan, aber ich habe diese Politiken, die sich radikal mit Schönheitspraktiken beschäftigen, kaum sonst wo gefunden. Die einzige andere Person, die ich finden konnte, war Sandra Bartky in den späten 1970er Jahren.

[…]

Andrea Dworkin sieht Schönheitspraktiken als erheblich schädigende Effekte auf die Körper und Leben von Frauen auslösend an […] :

„Schönheitsstandards beschreiben präzise die Beziehungen, die Individuen zu ihrem eigenen Körper haben werden. Sie schränken ihre Mobilität ein [denkt an Absatzschuhe, enge Röcke], die Spontaneität, die Körperhaltung, den Gang, das, wofür sie ihren Körper nutzen können.“

Und dann sagt sie, in Anführungszeichen:

„Sie definieren präzise die Dimensionen der physischen Freiheit.“

Das ist für mich entscheidend. […] Schönheitspraktiken sind nicht nur eine Art optionaler Wahl, zusätzlich, sondern sie konstruieren grundlegend, wer eine Frau ist und deshalb deren Vorstellungskraft, denn sie beschränken ihre Bewegungen und erschaffen erst die möglichen Verhaltensweisen ihres Körpers.

Sie sagt auch, dass Schönheitspraktiken psychologische Effekte auf Frauen haben, denn das Verhältnis zwischen physischer Freiheit und psychischer Entwicklung, intellektuellen Möglichkeiten und kreativem Potential, ist ein verbundenes.

[…]

Sie weist darauf hin, dass in unserer Kultur [… ] nicht ein einziges Teil des weiblichen Körpers unberührt oder unverändert bleibt. […]  Von Kopf bis Fuß, jeder Teil ihres Gesichts und jeder Teil ihres Körpers wird Gegenstand der Modifizierung und Veränderung.

[…]

Heute müssen wir uns mit invasiveren und schädigenderen […]  Praktiken auseinandersetzen [als zu Andreas Zeiten]. 1974 waren [zum Beispiel noch] nicht viele Frauen gepierced […] [Nehmen] wir die „Fotze“, das Wort welches wir damals benutzt haben, ich war jetzt nicht so besonders scharf darauf es so zu nennen, aber ok. Die Fotze wird heute deodoriert, rasiert und einparfümiert. Wir müssen sagen komplett rasiert, denn die Frauen in westlichen Kulturen machen heute Brazilian Waxing um das Haar vollständig zu entfernen. 1974 wurde vielleicht nur ein bisschen an den Rändern rasiert, wer weiß. Und heute gibt es Labioplastik, wo Chirurgen Teile der Labia entfernen, weil Frauen sagen, dass sie unansehnlich ist, oder weil ihnen (von Chirurgen) erklärt wird, dass es besser beim Geschlechtsverkehr sei, weil man sich sonst dabei verhakt. Und ich denk mir, Donnerwetter, ich war mal heterosexuell, und ich kann mich nicht an dieses Problem erinnern, und auch nicht, dass andere von diesem Problem erzählt hätten ([Gelächter]

[…]

Es gibt heute viel mehr Brustimplantate als noch 1974, […] es gibt viel mehr gewöhnlichere kosmetische Chirurgie, die schon fast wie Make-Up ist. Frauen lassen sich Botox in ihre Gesichter spritzen um ihre Muskeln zu paralysieren, als etwas völlig alltägliches, jeden Monat zu erneuern, und so weiter. Worüber ich also in meinem Buch schreibe, ist, dass im Vergleich zu den Praktiken von 1974, […] das was wir heute haben sehr viel invasiver ist, die Praktiken jetzt unter die Haut gehen, mit Blut verbunden sind, und sehr viel brutaler und scherzhafter sind, als die Praktiken von damals.

Was Andrea auch sagt über diese Praktiken, ist, dass „Schönheitspraktiken lebenswichtig für die Wirtschaft sind“. Das ist wahr, aber es gab nur sehr wenig Untersuchungen dazu, WIE unerlässlich sie für die Wirtschaft sind, und: „Sie sind ein zentraler Inhalt von männlich weiblicher Unterscheidung, die unmittelbarste physische und psychische Realität eine Frau zu sein.“ In anderen Worten schaffen sie Geschlechterdifferenzierung. Diese Praktiken – sehr schädigend, schmerzhaft, extrem teuer, zeitverschwendend und den Körper einschränkend, sowie das beeinflussend was Frauen denken können – sie schaffen Geschlechterdifferenzierung. Wie könnten wir sonst wissen wer oben und wer unten ist, und es ist grundlegend für männliche Dominanz, dass wir wissen, wer oben und wer unten ist. Sonst kann das System nicht arbeiten. Ich denke sie erklärt das wirklich gut.

[…]

[Und heute] hat sich nichts verändert, Frauen sind nicht frei aus dem Haus zu gehen, mit beiden Füssen auf dem Boden, die Hände in den Taschen, ohne sich Sorgen machen zu müssen wie sie aussehen, mit unverhülltem Gesicht. So ist es nicht gekommen. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass das passieren kann, dass Frauen dieses Menschenrecht und die Freiheit haben können, die Männer haben, einfach nur auf dieser Welt zu sein, die Straße entlang zu laufen. So ist es nicht gekommen.

[…]

Die kosmetischen Chirurgen beschneiden auch Gender, und schreiben Gender ein, in die Körper der Männer, die trans-sexen und trans-gendern. Und dieselben Chirurgen entfernen die Labia von Frauen und erschaffen Labia, angeblich von Frauen, für Männer, die trans-gendern. Es gibt Webseiten auf denen sie all das Zeug anbieten. Was sie [anbieten] wird immer heftiger, ich vermute mal, in Zukunft wird es auch die Entfernung von Gliedmaßen auf Nachfrage geben, denn das ist der neueste Schrei, dahin geht es. Es nennt sich „Body Integrity Disorder“, die vor allem Männer haben, ich glaube die meisten von ihnen schwule Männer, die sich wünschen ihre Arme oder Beine abgenommen zu bekommen […] Ich glaube es gibt nicht wirklich Grenzen für die extraordinären Formen aggressiver Operationen, die von plastischen Chirurgen durchgeführt werden.

Als Antwort auf die feministische Ablehnung von Schönheitspraktiken […] habe ich selbst solche Praktiken im Jahr 1973 abgelegt. Der Grund dafür war die Lektüre zweier Bücher, „Sexual Politics“ [von Kate Millett] und „The Female Eunuch“ [von Germaine Greer] in den Jahren 1970 und 1971. Davor hatte ich langes, glattes Haar, welches mir ins Gesicht fiel. Ich wollte nicht, dass die Leute mein Gesicht sehen, und es war gefärbt. Ich habe alle möglichen Arten von Make-Up benutzt, inklusive vieler verschiedener Farben um meine Augen, falsche Augenbrauen, und so weiter. Ich habe mir die Achseln und Beine enthaart, ich habe High Heels getragen, ich hab den ganzen Kram gemacht. Ich war heterosexuell und ich habe akzeptiert, dass ich den sexuellen Frondienst ableisten muss.

Andrea Dworkin hat diese Schönheitspraktiken allesamt fallen lassen, und das ist einer der aussagekräftigsten Weisen, mit denen ihre KritikerInnen sie immer wieder an den Pranger gestellt haben. Aber ihre lebenslange Entschlossenheit in der Ablehnung dessen, was sie Geschlechterrollen nannte, und was die jetzt Gender nennen, und Weiblichkeit war schon immer eine Inspiration für andere Feministinnen. Nur wenige amerikanische Feministinnen haben Weiblichkeit vollständig abgelehnt. Trotz ihrer zweifellos wichtigen Verdienste, haben sie Weiblichkeit nicht genauso entschieden und geradlinig zurückgewiesen wie Andrea das im Verlauf ihrer Karriere getan hat.

Wir leben in einer Welt, in der die sozialen und politischen Voraussetzungen nicht durch ideologische Kontrolle in die Gedanken der BürgerInnen eingeimpft, sondern in ihr Fleisch eingeschnitten werden. Im Besonderen werden die physischen Voraussetzungen, die das richtige Gender darstellen sollen, in die Brüste von Frauen, ihre Labia und Lippen geschnitten, und auf die Körper von Männern, die sich entscheiden Frauen zu sein. Und die Brutalität dieser Praktiken ist ein Indikator dafür, dass wir unter einem anspruchsvolleren Gender-Regime leben [als je zuvor]. Ich nehme an, dass ihr euch in vielerlei Hinsicht in einer schlechteren Position in Bezug auf Gender befindet, als wir vorher. […] Der Begriff Gender war in den 1970er Jahren nicht geläufig, als Andrea Dworkin ihre Schriften verfasste, und sie verwendete den Begriff Geschlechterrollen. Und ich mag diesen Begriff, denn der macht deutlich, dass die Verhaltensweisen, die er beschreibt, sozial konstruiert sind. Es handelt sich um einen netten, geradlinigen Begriff, der aus der Soziologie kommt.  In den 1990er Jahren wurde der Begriff Gender von vielen Feministinnen übernommen […] und ich habe das nie so Recht verstanden und ich habe den Begriff Gender auch nie gemocht.

Was schnell klar geworden ist, ist, dass […] der Begriff Gender sehr schnell von jenen angeeignet wurde, die eine völlig andere Politik verfolgen als der Feminismus, und die tatsächlich in vielen Fällen Antifeminismus betreiben. In den 90er Jahren wurden die Frauenstudien in den Universitäten von den Gender Studies übernommen. Die Frauenabteilungen in den Buchläden, wurden durch die Genderabteilungen übernommen. Und in der Zwischenzeit […] durchlief der Begriff „Gender“ eine Metamorphose […] hin zu seinen Ursprüngen. […] Die Sexologen hatten den Begriff in den 50er Jahren verwendet und ihm eine biologische Basis gegeben, sie sagten es gäbe ein biologisches Substrat im Gehirn von Männern und Frauen, welches bedeute, dass sie das richtige Geschlechterverhalten entweder lernen oder nicht lernen können. [Dass sich eine Person in einem anderen und falschen Gender befindet] […] kann man nicht beweisen, aber es wird heute als biologische Basis für Transgender betrachtet.

„Gender“ wurde zu einem alternativen Wort für Geschlecht, Geschlecht wurde von Feministinnen immer als biologisch und Gender als sozial konstruiert angesehen, schließlich wurde „Gender“ die Vertretung für Geschlecht […] Sex und Gender sind im öffentlichen Bewusstsein eine Metamorphose eingegangen. […] Heute sind Transgenderisten für ihre neuen Identitäten den tradtionellen Auffassungen von Gender  […] verpflichtet, während Feministinnen der siebziger und achtziger Jahre der Meinung waren, dass Geschlechterrollen abgeschafft werden müssen, damit Frauen Freiheit erlangen können. Transgender versuchen [hingegen] Gender vor Kritik abzuschotten.

[…]

Judith Butler nennt uns jetzt „Bio-Frauen“. So dass Transgenderismus ein Konzept von wahren Frauen entwirft, und Frauen, die nicht Transgender sind, jetzt eine Vorsilbe vor ihrem Namen brauchen und „nicht-trans“ oder „bio“ werden. Hallo, Bio-Frauen! [Gelächter]

[…]

In der Gesetzgebung [des Gender Recognition Act] wird Gender synonym mit Geschlecht (sex) verwendet. Das Gesetz erlaubt es Männern oder Frauen […] ein Zertifikat zu erhalten, welches sie nun einem anderen Gender zuschreibt. Dieser Prozess bedarf keiner Operation oder einer Hormonbehandlung, sondern nur eines Dokumentes von einem Mediziner/einer Medizinerin, die attestiert, dass diese Person den Real Life Test gemacht hat, die Kleidung des anderen Geschlechts zu tragen. Das ist alles, was notwendig ist.

[…]

Eines der Dinge, die ich rätselhaft finde, ist, dass wenn ich mir die Debatte im House of Lords anschaue, ich am meisten mit der radikalen Rechten übereinstimme. Die Person, mit der ich am meisten übereinstimme, und ich denke er wird darüber nicht sehr erfreut sein, ist Norman Tebbitt [von der Conservative Party]. Als Reaktion auf den Gender Recognition Act sagte er, nachdem er eine sehr gute Definition von Gender als soziales Konstrukt gegeben hat, in eurem Gesetz habt ihr da was durcheinander gebracht, es sollte wohl sex heißen und nicht gender. Und Lord Filkin, der für die Regierung spricht, die für die Gesetzgebung verantwortlich ist, sagt, dass sex und gender das Gleiche sind und überhaupt, was spiele es denn für eine Rolle? Ist das nicht außergewöhnlich? Tebbitt bezichtigt ihn dann des linguistischen Relativismus. Was ich gut finde (Gelächter) Ich hätte es nicht besser benennen können. Tebbitt sagt auch, dass wir die brutale Verstümmelung des Transgenderismus eine schädliche kulturelle  Praxis nennen würden, wenn sie in anderen Kulturen, außerhalb von Großbritannien durchgeführt würde […] Er macht all diese Argumente von der politischen Rechten aus gesehen, und das ist ziemlich peinlich in meinen Augen, aber ich muss es sagen, dass die fortschrittlichen und linken Leute die Menschenrechtsverletzungen des Transgenderismus nicht anerkennen und auch nicht anerkennen, wie verrückt diese Gesetzgebung ist.  […] Jeder muss verrückt werden um diese Gesetzgebung zu verstehen oder auf sie zu antworten.

Was mich sehr besorgt ist, dass […] wenn der Staat jetzt durch das Gesetz Gender reguliert, und nicht nur noch Geschlecht (sex) […] was sage ich denn dann, wenn ich vor dieses Gender Recognition Panel komme? Ich kann dann nicht mehr „nein danke“ zu denen sagen. Ich glaube wir haben eine dramatische Stufe erreicht, auf der Staat und Gesetzgebung daran beteiligt werden Gender zu regulieren, auf eine unglaublich traditionelle und sehr fiese, irgendwie auch brutale, Weise.

Warum sind […] eine solche Praxis des Transgenderismus und diese Gesetzgebung akzeptabel? Ich denke, weil es eine sehr tiefsitzende Annahme in westlichen Gesellschaften und vielleicht allen Kulturen gibt, dass so etwas wie Gender existiert, existieren muss, dass wir uns diesem nicht entledigen können, dass es einen irgendwie unvermeidlichen biologischen Unterschied gibt […] . Was sich niemand vorstellen kann, ist dass Gender überwunden werden kann, […] und entfernt werden kann, so dass alle Frauen mit ihren Füssen auf dem Boden stehen können. Das ist meines Erachtens das Grundlegende an der Arbeit von Andrea Dworkin und an „Woman Hating“, wenn sie sagt „Wir müssen die Kultur, wie wir sie kennen, zerstören.“ Nicht Gender passend machen mit außergewöhnlicher Gesetzgebung, schrecklichen verstümmelnden Operationen und Hormonen […] für diese unglücklichen Menschen, die vom Gendersystem, in dem wir derzeit leben, verwirrt und kaputt gemacht wurden.

[…]

Andrea Dowrkins Arbeit sorgt dafür, dass ich mich geistig gesund fühle. Sie hilft mir dabei, dass es sich für mich sinnvoll anfühlt, auf die Abschaffung von Gender hinzuarbeiten. Und sie hilft mir in meiner Überzeugung, dass Feminismus wiederkommen wird. […] Die Tatsache, dass junge Frauen Interesse an der Arbeit von Andreas Dworkin haben, macht mich zuversichtlicher gegenüber der Zukunft. Danke euch. [Applaus]

“Gender Hurts” von Sheila Jeffries

Buchcover: Gender Hurts

Sheila Jeffreys: Gender Hurts, Routledge, 2014

Im Frühjahr 2014 erschien das Buch „Gender Hurts“ von Sheila Jeffries, die Professorin für feministische Politik an der „School of Social and Political Sciences, University of Melbourne“, in Australien ist. Das Buch erschien leider bisher nur auf Englisch.

Das Thema Transgender ist bei uns in Deutschland ein sehr kontroverses Thema, aber durch die zunehmende Diskussion dieses Themas in allen Medien, und die zunehmende Eskalation im Zusammenhang von Transgender und Frauenrechten in den Vereinigten Staaten und Australien, ist eine kurze Zusammenfassung dieses Buches als Themeneinstieg notwendig geworden.

Wir werden als Feministinnen diesem Thema nicht ausweichen können und Sheila Jeffries macht dies in ihrem Buch auch sehr deutlich.

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