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Statement zum lesbisch-feministischen Block im Berliner Dyke*March

My Vulva is a female only space

Dyke*March, Berlin, 2024 – zur Einordnung des Statements:

Damit Lesben in der schwul-lesbischen, inzwischen LGBTQIA*+ Bewegung und bei Pride Festivitäten sichtbar bleiben, gibt es in mehreren Städten traditionell am Tag oder Abend vor dem CSD Straßenfeste oder eigene Lesbendemos. Der Dyke*March Berlin 2024 stand in dieser Tradition – wobei das jeweilige Orga-Team festlegt, wer teilnimmt, welche Statements nach außen gehen etc.

Der Dyke*March Berlin bekam schnell wegen eines einseitigen Statements zum Nahostkonflikt und vor allem dem Umgang mit Kritik daran Aufmerksamkeit – die Frage, inwiefern jüdische Lesben sich dort sicher fühlen können, musste gestellt werden. Persönliches Statement: Ich freue mich, dass sie in einem erkennbaren lesbischen Block mit entsprechenden Fahnen teilgenommen haben. Für eine Diskussion dieses Themas sei auf diesen Artikel bei QN – Queer Nations – verwiesen.

Die zweite Kontroverse betraf wie immer das * hinter „Dyke“ und den Umgang mit Lesben, die auf der körperlichen Komponente ihres lesbischen Begehren beharren und die eine Öffnung der Kategorie „Lesben“ bis zur Inkludierung praktisch aller Menschen, die diese Kategorie irgendwie interessant finden, kritisch ablehnen: Sie erkennen, dass diese Öffnung nur die Probleme gegenüber Lesben (und damit allen Frauen) aus der Gesamtgesellschaft in die Lesbenbewegung hineinzieht: eigenständiges Begehren von Frauen wird spätestens dann abgelehnt, wenn es sichtbar wird, Lesben als politische Gruppe verschwinden, seit Aufstieg des Transaktivismus werden ihre Anliegen durch Forderungen aus einer angeblichen Gemeinsamkeit mit TTTT*Q+etc. vollständig verdrängt.

Das vor diesem Hintergrund von Teilnehmerinnen am Berliner Dyke*March2024 verfasste Statement beleuchtet ebenso wie ein weiterer bei Queer Nations veröffentlichter Artikel die Situation von Lesben in der deutschen „queeren“ Bewegung. Das „queer“ ist hier in Anführungszeichen gesetzt, da unabhängig von Diskussionen zur Wortbedeutung innerhalb der Szene „queer“ heutzutage nichts anderes bezeichnet als eine frauenfeindliche Mainstream Bewegung. Lesben werden entweder rundweg abgelehnt oder so wie Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (früher „intersex“) und wie Menschen mit tiefen Problemen der geschlechtlichen Wahrnehmung lediglich benutzt.


Statement zum lesbisch-feministischen Block im Berliner Dyke*March

Wir sind Teil einer Gruppe lesbischer Feministinnen, die an die Stärke kollektiver politischer Aktion glauben. Wir sind aus Berlin und Umgebung, aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Unser Alter, unsere Nationalitäten und unsere Muttersprachen sind vielleicht nicht die gleichen, aber wir sind alle stolz darauf Lesbisch zu sein. Aus diesem Grund wollen wir als Lesben UND als Feministinnen sichtbar sein, weswegen wir im vereinten Lesbisch-Feministischen Block am Berliner Dyke*March 2024 teilnahmen. 

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Self-ID Gesetz – Frauenappell an den Bundestag (Offener Brief)

Wir dokumentieren im Folgenden den o.g. Offenen Brief

Fachtagung Frauenrechte
Unsere Körper Unsere Sprache Unsere Räume

Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Mützenich, SPD
Sehr geehrte Frau Fraktionsvorsitzende Dröge, Bündnis 90/Die Grünen
Sehr geehrte Frau Fraktionsvorsitzende Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen
Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Dürr, FDP
Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Merz, CDU
Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Bartsch, Die Linke
Sehr geehrte Frau Fraktionsvorsitzende Mohamed Ali, Die Linke

Frauen-Initiativen aus ganz Deutschland haben sich am vergangenen Wochenende zu einer Tagung in Berlin versammelt. Sie haben beraten, wie das geplante „Selbstbestimmungsgesetz“ verhindert werden kann.

Wir haben uns in den vergangenen Jahrzehnten für viele Gesetze engagiert, die die Situation von Frauen in der Bundesrepublik verbessert haben.
Das „Selbstbestimmungsgesetz“ steht nicht in dieser Tradition.

Es sind die Fraktionen im Bundestag, die über Gesetze entscheiden. Ihre Verantwortung ist es, vorher die Folgen Ihres Tuns abzuschätzen.

Kein Parlament der Welt kann das biologische Geschlecht mit einer Abstimmung abschaffen. Toleranz lässt sich nicht mit einem Bußgeld erzwingen. Verständnis und Respekt können Sie
nicht staatlich anordnen. Dass die Mehrheit der Fraktionen im Bundestag dies versuchen will, ist besorgniserregend.

Bitte lesen Sie den beiliegenden Appell des FrauenAktionsBündnisses FAB. Setzen Sie sich mit den Warnungen und Bedenken darin inhaltlich auseinander. Jede und jeder Abgeordnete wird nicht nur heute oder morgen, sondern auch noch in 20 oder 30 Jahren die Frage beantworten müssen, ob sie die Verabschiedung dieses Gesetzes unterstützt haben.
Frauen- und Kinderrechte brauchen den Schutz des Bundestages.

Mit freundlichen Grüßen

Monne Kühn, Prof. Dr. Eva Rieger
i.A. der Fachtagung Frauenrechte, Berlin, 9. bis 11. Dezember 2022

Download Appell

Wir Teilnehmerinnen der Fachtagung „Frauenrechte“ unterzeichnen namentlich die heute verabschiedete Resolution „Nein zum Selbstbestimmungsgesetz“, stellvertretend für alle 60 Teilnehmerinnen, auch für diejenigen, die aus Sorge um mögliche politische, berufliche und persönliche Konsequenzen ihre Unterschrift nicht geben können.

  1. Bappert, Regina, Journalistin
  2. Prof. Dr. Barz, Monika, Frauen- und Geschlechterforschung
  3. Beck, Julia, Feministin, Kundenberaterin
  4. Bell, Inge, Unternehmensberaterin, Stv. Vorsitzend von TERRE DES FEMMES
  5. Binek, Barbara, Aktivistin
  6. Bischoff, Susanne, Dipl. Sportlehrerin, Körpertherapeutin
  7. Bobsin, Mica, Dipl. Päd., Psychotherapeutin
  8. Constabel, Sabine, Dipl. Soz. Arb.
  9. Duwe, Rona, Grafik- Designerin, Autorin
  10. Engelken, Eva, Juristin, PR-Beraterin
  11. Eren, Güleren, Feministin
  12. Guth, Barbara
  13. Heinze, Claudia, Rentnerin
  14. Jurczok-Steding, Tatjana, Ärztin
  15. Konrad, Ilona, Designerin, Programmiererin
  16. Kühn, Monne, Dipl. Päd.
  17. Lahrssen, Nina, Sozialpädagogin
  18. von Lengerke, Christiane, St. Dir. i. R.
  19. Dr. Long, Julia, Sozialwissenschaftlerin
  20. Manthey, Astrid, Sozialwissenschaftlerin
  21. Mengel, Monika, Journalistin
  22. Meyer, Claudia, Journalistin
  23. PD Dr. Nierop, Jantine, Theologin, Pfarrerin
  24. Dr. Osterland, Astrid, Sozialwissenschaftlerin
  25. Perincioli, Cristina, Regisseurin
  26. Prof. Dr. Pusch, Luise, Sprachwissenschaftlerin
  27. Prof. Dr. Rentmeister, Cillie, Kunsthistorikerin
  28. Prof. Dr. Rieger, Eva, Musikwissenschaftlerin
  29. Schwathe, Hilde, für die Initiative „Geschlecht zählt“
  30. Senft, Solveig, Gymnasiallehrerin, Künstlerin
  31. Smith, Maren, Übersetzerin
  32. Schon, Manuela, Sozialwissenschaftlerin
  33. Wagner, Andrea, Frauen-Lesbenrechtsaktivistin
  34. Wagner, Ina, Dipl. Wirt. Ing.
  35. Wandt, Bodil, WDI, Womens Declaration International, Schweden

Appell des FrauenAktionsBündnis FAB: zum „Selbstbestimmungsgesetz“!

Worum geht es?

Die Ampelkoalition plant ein Gesetz, das an die Stelle des derzeit gültigen Transsexuellengesetzes (TSG) mit seinen Regelungen zur Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsrecht treten soll. Bisher setzt eine solche Än- derung ein Verfahren mit Sachverständigen-Gutachten und spezifischen Maßnahmen voraus. Vorgesehen ist jedoch, dass das TSG nicht nur reformiert, sondern abgeschafft wird. Stattdessen soll ein neues Gesetz eingeführt werden, das die Personenstandsänderung nicht nur einer Minderheit, sondern allen Menschen gestattet, und zwar vorausetzungslos und ohne objektivierbare Kriterien. Bisher liegt für diesen Gesetzentwurf ein Eckpunktepapier vor, dieses wurde am 30.06.22 vorgestellt.

Das neue Gesetz wird als „Selbstbestimmungsgesetz“ bezeichnet – korrekter ist jedoch der Begriff „Selbst- identifikation“, in Kurzform „Self-ID“, denn das ist der Kern des geplanten Gesetzes. Jeder Person ab 18 Jahren soll ermöglicht werden, durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Nicht mehr das unveränderliche biologische Geschlecht soll grundsätzlich der Rechtskategorie „Geschlecht“ zugrunde liegen, sondern die Selbstauskunft einer Person, eine bestimmte „Geschlechtsidentität“ zu haben. Weiterhin sieht das Eckpunktepapier vor, dass der Geschlechtseintrag jährlich änderbar ist. Darüber hinaus soll das Ansprechen mit dem früheren Geschlechtseintrag, Pronomen oder Namen mit einem Bußgeld bestraft werden können. Schon bei Kindern soll der Geschlechtseintrag auf Wunsch der Eltern geändert werden können. Jugendliche ab 14 dürften dies gegen den Willen der Eltern gerichtlich erwirken. Eine gesetzliche Forderung nach explorativer oder sachlich-neutraler Begleitung dieser Minderjährigen im Vorfeld ist nicht geplant.

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„Kollateralschaden“: Die Invasion in der Ukraine erinnert uns an die Kosten der Leihmutterschaft und wer den Preis dafür zahlt

Pixabay, Public Domain

Bei dem nachfolgenden Beitrag handelt es sich eine Übersetzung eines bei ABC erschienen Textes, mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen.

Der Begriff „Kollateralschaden“ wird im militärischen Kontext in Bezug auf die Immunität von nichtmilitärischen Personen im Sinne des Grundsatzes der Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Zielen verwendet. Die Verwendung des Begriffs verweist auf die Anerkennung der Tatsache, dass militärische Aktionen Auswirkungen haben, einige davon beabsichtigt und andere nicht, für die die Akteure moralisch und rechtlich verantwortlich gemacht werden können. In seiner häufigeren und zynischeren Verwendung ist „Kollateralschaden“ zu einem beschönigenden Code für mutwillige Zerstörung geworden, die von denen, die „mit der Wahrheit umgehen können“,  mit einem Schulterzucken hingenommen wird. Spätestens seit der Zeit des Irakkriegs bezieht sich der Begriff nicht mehr auf die Inkaufnahme „unbeabsichtigter Schäden“ – wie in der traditionellen katholischen Moralvorstellung – sondern auf „beabsichtigte Schäden“, die berechnet und in die Planung einer militärische Mission einkalkuliert werden. Jede und jeder weiß das auch, auch wenn wir es nicht immer laut sagen.

Auch die internationale Industrie der Leihmutterschafts kalkuliert die Schäden ein, die sie den Leben von Frauen zufügt. Dies liegt zum Teil daran, dass das Leihmutterschaftssystem nach einem Franchise-Modell funktioniert. Mit anderen Worten: Es erscheint uns nicht wie ein Teil des globalen Spätkapitalismus. Es erscheint uns als Schaffung glücklicher Familien. Und diese „Familien“ werden nicht als das dargestellt, was sie sind: Teil des Schadens und der Ausbeutung durch den globalen Kapitalismus. Stattdessen zeigen die Bilder auf Webseiten für Leihmutterschaft wie im Bilderbuch Menschen, die eine „Reise“ unternommen haben sollen: eine „Leihmutterschaftsreise“.

Diese hübschen Bilder und diese hübsche Sprache tarnen – wir behaupten sogar, haben die Absicht zu tarnen – eine schmutzige Industrie, die sowohl mit dem Leben von Frauen als auch mit dem Leben von Neugeborenen Handel betreibt. Sie läuft parallel zu anderen Industrien, die den Körper von Menschen mit einem Preis versehen, wie zum Beispiel dem Handel mit Körperorganen, -teilen und -flüssigkeiten. Aber Organhandel ist rechtswidrig. Der Organhandel ist einer der Aspekte im Globalen Aktionsplan der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Menschenhandels. Die jüngste Resolution der UN-Generalversammlung zur Bekämpfung des Organhandels wurde im Jahr 2018 verabschiedet. Es gibt nur wenige Menschen, die den Organhandel verteidigen.

Nicht so bei der Leihmutterschaft. Die Reise der Leihmutterschaft wird getragen von unzähligen Philosophen und Akteurinnen und Akteuren aus dem Gesundheitssystem, die die Branche und ihre Praktiken verteidigen. Eine ihrer effektivsten rhetorischen Verteidigungen besteht darin, die sogenannte „altruistische Leihmutterschaft“ als ein Beispiel dafür anzusehen, wie Leihmutterschaft aussehen könnte, wenn sie besser organisiert und reguliert wäre. 

Aber es ist nur ein weiteres hübsches Bild, das als Projektionsfläche für eine Industrie dient, die auf der Kommodifizierung der Person basiert: Eine Frau, die in einen Behälter für einen Embryo verwandelt wurde, sei es gegen Bezahlung oder Erstattung der Unkosten. Alle Staaten und Territorien in Australien unterscheiden rechtlich zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Leihmutterschaft (mit Ausnahme des Northern Territory, das keine Gesetzgebung zu dieser Frage hat), wobei erstere in allen Staaten rechtswidrig ist. Im Fall von New South Wales, Queensland und des ACT (Australisches Hauptstadtterritorium, Anm. der Übers.) ist der Abschluss internationaler Verträge für Leihmutterschaft ebenfalls rechtswidrig und wird mit einer hohen Geldstrafe und/oder Gefängnis geahndet. Die Realität ist, dass altruistische Leihmutterschaft – allgemein definiert als jene Vereinbarungen, bei denen kein Geld, sondern nur das Baby den Besitzer wechselt – einfach ein Zweig des wesentlichen Teils der Industrie der Leihmutterschafts ist.

Frauen sind der Kollateralschaden der Industrie der Leihmutterschaft – nicht nur ihr unbeabsichtigter Schaden, sondern ihr beabsichtigter und einkalkulierter Schaden. Für die Branche und diejenigen, die sie „Kunden“ nennt, wird der Schaden, der jener Frau zugefügt wird, die die Rolle der „Ersatzperson“ ausfüllt, als vollkommen proportional zum „Happy End“ – einem neuen, gesunden Baby – angesehen, welches das Verkaufsargument der Branche ist .

Leihmutterschaft ist eine Menschenrechtsverletzung der Frau, die zur Züchterin des „Produkts“ gemacht wird, eines Embryos, der von der IVF-Industrie hergestellt wurde und in ihrem Körper zu einem Baby herangewachsen ist, das dann entfernt wird (meistens durch Kaiserschnitt). Oft darf sie das Kind, das sie wahrscheinlich nie wiedersehen wird, nicht einmal halten.

Leihmutterschaft ist auch eine Menschenrechtsverletzung des Kindes, das nie zugestimmt hat, ein „Take Away“-Baby zu sein. Die Praxis der Leihmutterschaft verstößt gegen mehrere internationale Konventionen. Es kann mit der Sklaverei verglichen werden, die in Artikel 1 des Sklavereiabkommen von 1926 definiert ist als „der Status oder Zustand einer Person, über die einige oder alle mit dem Eigentumsrecht verbundenen Befugnisse ausgeübt werden“. Dies wird heute allgemein als grundlegende Definition der Sklaverei akzeptiert, mit dem Status des jus cogens im Völkerrecht. Die Bedingungen von Standard-Leihmutterschaftsverträgen lassen wenig Zweifel am Status der und Zwang gegenüber jener, die viele Käufer als „meine Leihmutter“ bezeichnen. Leihmutterschaft verletzt auch die Rechte des Kindes zutiefst. Artikel 35 der UN-Kinderrechtskonvention fordert: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten nationalen, bilateralen und multilateralen Maßnahmen, um die Entführung, den Verkauf oder den Handel mit Kindern zu verhindern.“

Diese wichtigen Bestimmungen in internationalen Konventionen werden von denen ignoriert, die von der Industrie der Leihmutterschaft profitieren. Eine gängige Verteidigung der Leihmutterschaftsbranche ist, dass das Geld nicht für das Baby den Besitzer wechselt, sondern für die „Dienstleistungen“ der „Leihmutter“. Aber die Branche beruht auf der Bereitstellung eines Babys – und eines Babys in einem bestimmten Zustand – ohne den eine Zahlung wahrscheinlich nicht erfolgt. 

Dies haben herzzerreißende Geschichten über die verlassenen Kinder der ukrainischen Leihmutterschafts-Industrie deutlich gemacht. Es gibt einfach keinen Ansatz um Leihmutterschaftsvereinbarungen als etwas anderes darzustellen als eine Verwertung der Frau, die entbindet, und des Kindes, für das bezahlt wird. Die Ukraine ist in bestimmten Kreisen als „Gebärmutter Europas“ bekannt geworden. Dies ist selbst ein Euphemismus in Bezug auf die Vektoren der Ausbeutung von Frauen in ärmeren Ländern. Die ehemaligen Leihmutterschaftszentren Indien, Nepal und Thailand haben Schritte unternommen, um die internationale kommerzielle Leihmutterschaft zu verbieten, infolgedessen wird die Ukraine als eines der ärmeren Länder Europas zu einem neuen Zentrum der Branche. Es ist kein Zufall, dass die Ukraine auch zu einem Herkunftsland für die Bordelle Westeuropas geworden ist. 

Vermutlich geht die Mehrheit der Frauen Leihmutterschaftsvereinbarungen in der Ukraine über das Unternehmen BioTexCom ein, obwohl es schwierig ist, hierzu eine genaue Schätzung abzugeben. Denn selbst unter den Bedingungen der Legalität in der Ukraine hält ein erheblicher Teil der Branche dort nicht mal die minimalen Vorgaben des Gesetzes ein. Diese Probleme in der Ukraine und die daraus erwachsenen Auswirkungen werden von Apologeten der Branche hingenommen und sie sind auch für die meisten derjenigen offensichtlich, die durch solche Arrangements ein Kind bekommen. Zum Beispiel berichtete Sam Everingham, Direktor der australischen NGO Growing Families und Koordinator von Seminaren in allen Hauptstädten mit eingeladenen Befürwortern der Leihmutterschaft aus Überseeländern, folgendes:

„Die Verträge zwischen Leihmutterschaftsunternehmen und den beabsichtigten Eltern besagen im Wesentlichen: ‚Du bist nach der Geburt auf dich allein gestellt‘. Es gibt einige ausgezeichnete Kliniken in der Ukraine, aber weil sie kleinere Marketingabteilungen im Vergleich zu BioTexCom haben, ist es für ausländische Paare schwieriger, etwas über sie zu erfahren.“

Everingham sagte, dass sich Paare oft darüber beschweren, dass Kliniken ihre Embryonen „verloren“ haben oder die Gründe für eine fehlgeschlagene Embryonenimplantation nicht erklären, was einige dazu zwingt, rechtliche Schritte einzuleiten. In anderen Fällen, fügte er hinzu, erhielten Leihmütter, die eine Fehlgeburt hatten oder eine Totgeburt hatten, keine Zahlung.

„Einige Unternehmen haben es so eingerichtet, dass sie nicht für negative Ergebnisse verantworten müssen. Es ist so wichtig, dass die Menschen sich selbst über die Risiken kundig machen.“

Es wird selten so formuliert, außer mit Bezug auf diese Branche, dass die Antwort auf „negative Ergebnisse“ (ein weiterer Euphemismus, der an Kollateralschäden erinnert) darin besteht, „sich kundig zu machen“. Es ist auch klar, dass Everingham mit „den Risiken“ in erster Linie die Risiken meint, dass ein Baby nicht in einem bestimmten Zustand zur Welt kommt. Was er nicht erwähnt, ist, dass gerade in den von ihm angebotenen Seminaren – auch in australischen Bundesstaaten, in denen internationale Leihmutterschaft strafbar ist – potenzielle Babykäufer von den Vertretern von Leihmutterschaftskliniken der Ukraine und anderen ärmeren Ländern über ihre Möglichkeiten informiert werden.

Mit anderen Worten, ohne die (bezahlte) „Hilfe“ von Growing Families hätten sogenannte „Wunscheltern“ nichts von der Möglichkeit eines Leihmutterschaftsvertrags mit einer Klinik in diesem Land gewusst, geschweige denn einen Vertrag mit diesen abgeschlossen. Die von Everingham gebilligten Vereinbarungen haben jene Frauen, die mit Babys für ausländische Käufer schwanger sind, in große Gefahr gebracht. Die Absprachen haben auch die Käufer selbst in Bedrängnis gebracht: „Kunden“, die befürchten, dass ihr „Auftragsprodukt“ – das Baby – möglicherweise nicht mehr auf dem Markt ist. Und es ist klar, dass es diese „Not“ ist, die die Rentabilität der Leihmutterschaftsbranche gefährdet, nicht der Zustand oder Status der Frauen, die das Produkt tragen.

Inmitten der russischen Invasion in der Ukraine wurde die Sprache der Leihmutterschaft auf das Wesentliche reduziert: Profit und seine Maximierung. Verschiedene Berichte zeigen eine gemeinsame Reaktion der Leihmutterschaftsindustrie und ihrer Käufer auf Katastrophen in den Herkunftsländern. Zum Beispiel gerieten die Kunden der Branche nach dem Erdbeben 2015 in Nepal (damals ein Zentrum für Leihmutterschaft) in Panik – nicht wegen der Menschen in Nepal oder der sogenannten „Leihmutter“. Sie waren besorgt darüber, ob „Kunden“ in der Lage sein würden, „ihre“ bezahlten Babys in Besitz zu nehmen. Viele Käufer flogen nach Nepal, um ihre Babys zu „retten“. In ähnlicher Weise lesen wir jetzt mit Bezug auf die Ukraine Berichte von Käufern aus Argentinien, Spanien, England, (Deutschlandergänzt durch d. Übers.) und Australien (neben anderen Ländern) und von ihrer Panik ihr Kind in einem Kriegsgebiet mit Atomalarmbereitschaft abzuholen – und ihre Erleichterung, wenn sie wie in einigen Fällen geschehen in der Lage waren, mit dem Kind „rauszukommen“, wobei die Frauen unbeachtet zurückgelassen werden. 

In solchen Zeiten klärt sich der Blick auf die Leihmutterschaftsindustrie – ihre Sprache ist so offen brutal wie die Praktiken, die sie widerspiegelt. So wird Sam Everingham in einem kürzlich erschienenen Bericht zitiert, der sich auf die „alptraumhaften“ Erfahrungen eines Mannes namens Adam und seiner Frau als mit der Leihmutterschaft in der Ukraine bezieht:

Die Ukraine ist auch ein wichtiger Anbieter von Eizellen. Während Adam und seine Frau ihren eigenen Embryo verwendeten, fliegen viele Paare Sperma ein, um ein Ei zu befruchten, das von einer ukrainischen Spenderin bereitgestellt wurde.

„Viele Menschen machen sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Embryonen, wenn Kiew bombardiert wird. Einige geben dort drüben viel Geld für Spenderinnen aus, sie wollen sicherstellen, dass diese Embryonen sicher sind.“

Die Schamlosigkeit dieser Sprache, die Wert auf die Sicherheit der Geldanlage in Embryonen legt, ohne die Frauen zu erwähnen, die beim Ausbrüten der Embryonen wie Objekte behandelt werden, ist erschütternd. Wir müssen unseren Blick dringend auf diejenigen richten, die die eigentlichen Kosten tragen und den Preis für den völlig vorhersehbaren „Albtraum“ zahlen, nämlich das System der Leihmutterschaft selbst. Und anstatt ihren Organisatoren und Propagandisten zu folgen und eine stärkere Legalisierung zu fordern, um zu verhindern, dass die Branche und die damit verbundenen Praktiken „weiter in den Untergrund“ gehen (wo auch immer), ist es an der Zeit, die Abschaffung der ausbeuterischen Leihmutterschaftsindustrie mit all ihrem Elend zu fordern und all den Schmerzen, die sie insbesondere armen Frauen zufügt.

Wir müssen uns weigern, Frauen als den vorhergesehenen und kalkulierten Kollateralschaden von Leihmutterschaftsvereinbarungen zu behandeln, sei es im Krieg oder in der Zeit, die wir Frieden nennen – bevor Frauen, die als „Leihmütter“ bekannt sind, schwanger werden und bevor ihre Babys geboren werden.

Helen Pringle ist Associate Professor an der School of Social Sciences der Universität von New South Wales.

Dr. Renate Klein ist eine feministische Kritikerin der Reproduktions- und Gentechnik, einschließlich der Leihmutterschaft. Zuletzt hat sie zu „Towards the Abolition of Surrogate Motherhood“ beigetragen, herausgegeben von Marie-Josèphe Devillers und Ana-Luana Stoicea-Deram.

Das sagen Feministinnen dazu …

Grafik mit Schriftzug: Selbstbestimmt Frau

Grafik: © RadFem Munich

Dies ist eine Übersetzung des Artikels „Esto decimos las feministas“ von Pilar Aguilar Carrasco (*1946 in Siles/Spanien, Feministische Soziologin, Wissenschaftlerin, feministische Film- und Fernsehkritikerin), die uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde von Radfem Munich.
Hinweis: Das generische Femininum war ausdrücklich gewünscht :-).

Man kann mit den Vorwürfen, die viele Feministinnen gegen das sogenannte „Trans-Gesetz“ erheben, einverstanden oder nicht einverstanden sein. Aber es ist inakzeptabel, dass uns Handlungen, Positionen, Worte vorgeworfen werden, die uns nicht gehören.

Wir treten dafür ein, dass Menschen, ihre Rechte, ihre Gefühle, und ihre Art zu sein, respektiert werden müssen. Wir fordern es für jeden Menschen. Es ist auch das, was die aktuelle Gesetzgebung unseres Landes vorschreibt.

Und brauchen bestimmte Gruppen, die als besonders benachteiligt, wehrlos oder verletzlich gelten (wie Transsexuelle, Flüchtlinge, Lesben, Schwule, Menschen mit Behinderungen oder Angehörige ethnischer Minderheiten usw.) einen besonderen Schutz? Brauchen sie Gesetze, die für sie spezifische Aspekte festlegen, sie speziell vor Aggressionen schützen und diejenigen bestrafen, die sie demütigen und misshandeln? Selbstverständlich und Feministinnen sind NICHT DAGEGEN.

Aber Feministinnen, wie auch viele andere Menschen, sind der Meinung, dass dieser Schutz keineswegs bedeutet, dass eine Selbstdefinition ausreicht, um de facto zu einer Gruppe zu gehören, die besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Niemand kann sich selbst als behindert bezeichnen, niemand kann sich selbst als Vollwaise bezeichnen, niemand kann sich selbst als Flüchtling bezeichnen, niemand kann sich selbst als arbeitslos bezeichnen … Kurz gesagt: sie können es, aber die rechtliche Anerkennung fordert bestimmte Voraussetzungen.

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J.K. Rowling schreibt über die Gründe für ihre Äußerungen zur Geschlechts- und Genderthematik.

Photography Debra Hurford Brown © J.K. Rowling 2018

Photography Debra Hurford Brown © J.K. Rowling 2018

Veröffentlichung der Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Dank an die Radfems Deutschland für die Übersetzung. Originaltext hier.

10. JUNI 2020

Achtung: Dieser Text ist nicht für Kinder geeignet.

Es fällt mir – aus Gründen, auf die ich in Kürze genauer eingehen werde – nicht leicht, diesen Text zu schreiben. Doch ist mir bewusst geworden, dass es an der Zeit ist, mich zu einem Thema zu erklären, das in einer vergifteten Atmosphäre stattfindet. Ich schreibe diese Zeilen ohne den geringsten Wunsch zu dieser Vergiftung beizutragen.

Falls Sie es verpasst haben: Letzten Dezember (Anm. Dezember 2019) postete ich auf Twitter, dass ich Maya Forstater unterstütze. Maya Forstater ist eine Steuerberaterin, die wegen sogenannter ‘transphober’ Tweets ihre Arbeit verlor. Sie brachte ihren Fall vor ein Arbeitsgericht. Bei der Verhandlung ging es um die Frage, ob die philosophische Überzeugung, dass das Geschlecht durch die Biologie bestimmt sei, gesetzlich geschützt ist. Richter Tayler (Anm. James Tayler) verneinte dies in seinem Urteil.

Mein persönliches Interesse an der Transthematik entstand bereits vor fast zwei Jahren – noch vor Mayas Fall. Die Debatte um das Konzept der Geschlechtsidentität verfolgte ich in diesen beiden Jahren aufmerksam. Ich traf Transpersonen und las verschiedene Sachbücher, Blogs sowie Artikel von Transpersonen, Gender-Spezialist*innen,  intergeschlechtlichen Menschen, Psycholog*innen, Expert*innen für den Schutz der Menschenrechte, Fachleuten aus der Sozialarbeit und Ärzten und Ärztinnen. Den entsprechenden Diskurs habe ich online und in den traditionellen Medien verfolgt. Mein Interesse an diesem Thema ist zum einen professionell, weil ich eine Krimiserie schreibe, die in der Gegenwart spielt und deren fiktive Detektivin in einem Alter ist, in dem sie sich selbst für diese Themen interessiert und davon betroffen ist. Aus anderen Gründen ist es, wie ich gleich erläutern werde, sehr persönlich.

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Frauen aus Till Lindemanns Porno-Musikvideo erhalten Todes- und Vergewaltigungsdrohungen

Wir veröffentlichen nachfolgend ein Statement von russischen Feministinnen

Ende Februar hat der Rammstein Sänger Till Lindemann einen Porno mit russischen Frauen veröffentlicht. Aufgrund des Inhaltes wurde das Video nicht auf den regulären Social Media Kanälen des Sängers veröffentlicht, sondern auf einer Porno-Plattform. Nutzer von russischen Seiten wie “2ch” und des frauenverachtenden sozialen Netzwerkes “Männlicher Staat” (Мужское государство) haben die Identität einiger dieser Frauen enttarnt und deren Instagram-Profile, Profile auf dem russischen Netzwerk VK und sogar einige Privatadressen öffentlich verfügbar gemacht. Danach erhielten die Frauen hunderte von Nachrichten mit Beleidigungen, Todes- und Vergewaltigungsdrohungen. Bald darauf haben die meisten der Frauen ihre Online-Profile gelöscht.

Die Journalistin und Gründerin des feministischen Telegram-Kanals “Female Power”, Zalina Marshenkulova (Залина Маршенкулова) setzte sich für die Frauen in dem Video ein und erhielt daraufhin ebenfalls Beleidigungen und Drohungen. Sie erstattete Anzeige bei der Polizei und wies daraufhin, dass man sie verprügeln, vergewaltigen und mit Säure verätzen will. Zalina ist schwanger und leider angreifbar, da die russische Regierung ihr Personenschutz verweigert.

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What the actual fuck!? Ein Rant über Täter, die um eine „zweite Chance“ betteln

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Als wir 2013 begannen die Morde in der Prostitution in unserem Projekt „Sexindustry Kills“ zu dokumentieren, waren wir uns dessen bewusst, dass die Dokumentation der Schicksale jener Frauen, die in der Prostitution einen gewaltvollen Tod fanden ein zweischneidiges Schwert ist: Auf der einen Seite war es uns wichtig, dass diese Frauen nicht vergessen werden. Deutlich zu machen, dass sie unsere Schwestern sind, die fehlen. Zu vermitteln, dass sie Frauen mit Schicksalen, Träumen und Wünschen waren und nicht irgendwelche anonymen Frauen, die oft von der breiten Öffentlichkeit auf ihre Prostitutionstätigkeit reduziert werden. Dass sie Familien hatten und FreundInnen, die sie vermissen. Wir haben zahlreiche rührende Zuschriften erhalten, von jenen, die auch noch nach vielen Jahren an die Frauen denken, die so brutal aus unserer Mitte gerissen wurden.

Auf der anderen Seite war uns auch bewusst, dass die Dokumentation auch dazu beiträgt, die Prostitutionstätigkeit besagter Frauen weiter öffentlich zu machen. Einige dieser Frauen wollten, dass die Tatsache, wie sie Geld verdienten / zum Teil auch verdienen mussten, niemals publik wird. Nicht den Menschen, die ihnen nahe standen gegenüber und schon gar nicht einer großen Öffentlichkeit. Wir versuchen, dieses leider oft nicht aufzulösende Spannungsfeld damit zu mindern, indem wir den Auftritt so neutral wie möglich gestalten

Keinerlei Skrupel hatten wir jedoch jemals gegenüber der Benennung der Täter. Jener Männer – zumeist Freier – die die verdammte Verantwortung dafür tragen, dass diese Frauen nicht mehr leben. Was wir nicht für möglich gehalten hätten: Dass diese Typen tatsächlich die Chuzpe haben uns anzuschreiben und um Löschung ihrer Namen zu bitten winseln. Bisher haben wir diese Zuschriften immer bewusst mit Ignoranz gestraft: Unsere Aufmerksamkeit haben DIE nicht verdient. Irgendwann platzt einer jedoch die Hutschnur und deshalb lassen wir euch hier und heute an zwei solcher erbärmlichen Exemplare teilhaben.

Ein „Löschantrag“ eines gewissen Tim Schüler erreichte uns bereits im Jahr 2015. Besagter Tim ermordete in den 1990er Jahren gemeinsam mit seinem Kumpel Till-Hauke Heldt zunächst einen nepalesischen Flüchtling sowie einen Bremer Kaufmann. Heldt stand auf Sadomaso, träumte von einer SM-Welt, in der er nach Lust und Laune fesseln, bestrafen und erniedrigen konnte. Er eröffnete ein Bordell in einem ehemaligen Flüchtlingsheim, in dem seit 1998 auch Yvonne Polzin prostituiert – und von Heldt schamlos ausgenutzt – wurde. „Sie hat fantastisch gearbeitet, weil sie in mich verliebt war“, sagte Heldt. Er war fasziniert von der „totalen Unterordnung bis zur Selbstaufgabe“ und behandelte sie „wie Dreck“. In seinen Augen beging Yvonne einen „Tabubruch“, als sie vor seinem Privathaus auftauchte – und seine bürgerliche Fassade mit Frau und Kindern bedrohte. Er lud sie ein zu einem „romantischen Wochenende“ – in Wahrheit hatte er ihre „Beseitigung“ geplant. Bereits im Vorfeld hatte er einen Handwerker einen Ofen bauen lassen, der zu Yvonnes Krematorium werden sollte. Nach dem Mord stellte sich heraus, dass besagter Ofen nicht so funktionierte, wie er sollte und hier trat unser Spezi Tim Schüler auf den Plan: Gemeinsam tüftelten die beiden, wie sie den Ofen doch noch wie gewünscht zum Laufen bringen konnten. Als dies scheiterte, beschafften die beiden Winkelschleifer, Trennscheiben, Beil und Fleischwolf. Dem Klempner, der anschließend bei der Entsorgung des Ofens helfen sollte und aufgrund des Leichengeruchs Verdacht schöpfte, erzählten sie was von „Rehfleisch“. Dieser musste sich zwei Mal an die Polizei wenden, bis diese die abenteuerliche Geschichte glaubte und Ermittlungen eingeleitet wurden. Heldt wurde zu dreimal lebenslänglich, Schüler zu 9 Jahren Haft verurteilt. Die Gesamtfreiheitsstrafe betrug 15 Jahre.

Nachfolgend dokumentieren wir Tim Schülers Löschgesuch:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beantrage den folgenden Artikel zu löschen: http://sexindustry-kills.de/doku.php?id=prostitutionmurders:de:yvonnepolzin
Meine Wiedereingliederung in die Gesellschaft, insbesondere in das Arbeitsleben wird erheblich beschwert.
Ein besonderes öffentliches Interesse an meiner Person, das meinen Löschungsanspruch ausnahmsweise entfallen ließe, ist nicht ersichtlich.

Mit freundlichem Gruß

Tim Schüler

Nicht nur, dass Schüler offensichtlich meint, dass wir in irgendeiner Weise uns verantwortlich fühlen müssen, damit ihm, der an drei Morden beteiligt war, seine „Wiedereingliederung in die Gesellschaft“ gelingen kann, er faselt darüber hinaus noch etwas von einem Löschungsanspruch. Man will seinen Augen nicht trauen. Auch ist er so vermessen zu fordern, dass der Artikel ersatzlos gestrichen wird – und damit Yvonne aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwindet. Die Erinnerung an eine Frau, die – anders als Herr Schüler – kein Teil dieser Gesellschaft mehr ist – weil sein Kumpel Heldt entschieden hat, ihr Leben zu beenden.

Es gibt also „kein öffentliches Interesse an der Person Tim Schüler“? Nun, das sehen wir leider anders.

Hartnäckig erweist sich unser Fallbeispiel Numero 2:

Bereits vor mehr als einem halben Jahr bat ein gewisser Dirk Goldmann um die Abkürzung seines Nachnamens. Goldmann zeichnet sich gemeinsam mit seinen Kumpels verantwortlich für den brutalen Mord an Beate Fischer in Berlin im Jahr 1994. Beate, Mutter zweier Kinder, wurde von einer vierköpfigen Naziclique, darunter Goldmann, mehr als zehn Stunden brutal gefoltert, mehrfach vergewaltigt, man rasierte ihr die Haare ab und versuchte, sie zu ertränken und zu vergiften. Schließlich wurde sie durch Strangulation ermordet und nackt in einen Teppich gewickelt vor Mülltonnen entsorgt. Das Gericht verhängte lebenslange Haft für den Haupttäter Matthias F. (Nachname leider unbekannt) sowie neun und zehn Jahre Jugendstrafe für die Mittäter. Der Richter sagt in der Urteilsbegründung, die Neonazis „haben nach ihrer Wolfsmoral Sex als die Bühne ihrer Macht benutzt“. 2019 fand in Berlin anlässlich der 25 Jahre zurück liegenden Tat eine Gedenkaktion für Beate Fischer statt. Im Mai 2019 schickte uns Goldmann diesen rührseligen Text:

Weil die Tat nun also 25 Jahre zurück liegt und der werte Herr Goldmann dafür ein paar Jahre seines Lebens in Haft verbringen musste, habe er also seiner Meinung nach ein Recht auf ein „halbwegs normales Leben“, denn er führe ja jetzt ein „komplett neues Leben“. Ach so.

Nachdem diese „Bitte im Löschung / Änderung“ (sic!) bei uns auf taube Ohren stieß, versuchte er es jetzt in zwei aktuellen Mails (Dezember 2019 und Januar 2020) unter einem anderen Namen. Wir dokumentieren diese hier:

Eine „2. Chance“ hätte er gerne der Herr, denn er habe seine „Vergangenheit abgelegt“. Deshalb, liebe Feministinnen, „reitet“ doch bitte bitte nicht so auf der Vergangenheit „rum“. Zwei Wochen später setzt er noch eins drauf:

Da ist aber jemand einem Irrtum aufgesessen: Nicht „zufälligerweise“ nennen wir einen Täter mit vollem Namen, sondern ganz bewusst und intendiert. Nachdem wir ein paar Minuten über die Frage sinnierten, ob man auch „ehemaliges Opfer“ werden kann, wo es doch offenbar „ehemalige Täter“ gibt, waren wir für eine Sekunde ganz angetan, weil Herr Goldmann sich jetzt „mittlerweile“ doch für „schwächere engagiert“ und der rechten Szene den Rücken gekehrt hat. Nicht. Bitte wie? Das soll uns überzeugen? Sorry, not sorry: Nein!

Eins ist nämlich auffällig, und das macht uns am meisten wütend: Nicht mit einer einzigen Silbe erwähnt Goldmann Beate. Das hat er mit Tim Schüler gemein. Alles dreht sich ausschließlich um die Konsequenzen, die diese Taten für die Leben der Täter haben. Die Opfer finden keine Erwähnung – nicht einmal mit einer klitzekleinen Silbe. Narzissmus much!?

Das Tragische an der ganzen Sache:

Anders als Yvonne und Beate, hatten diese Typen eine Wahl bei der ganzen Angelegenheit. Niemand hat ihnen einen Mord aufgezwungen, und ihre Leben wurden nicht ausgelöscht.

Beate und Yvonne hatten mit 32 und 31 Jahren ihre Leben noch vor sich.

Ihnen gehört unser Mitgefühl.

Ihnen ganz alleine.

Kein Vergeben, kein Vergessen.

Patriarchat und Neoliberalismus

Vortrag von Inge Kleine bei der FILIA-Konferenz in Salford/Manchester am 21. Oktober 2018. Originaltext hier

Zu allererst möchte ich FILIA, das heißt dem großartigen Organisationsteam dafür danken, dass sie diese Konferenz und diese Möglichkeit geschaffen haben, so viel großartige Aktivistinnen und Feministinnen zu treffen.

Mein Thema ist die Widerstandsfähigkeit des Patriarchats und wie schwierig es ist, ihm auf unserem Kampf dagegen nicht auf den Leim zu gehen.

In seiner fortlaufenden Selbstbestätigung gelingt es im Patriarchat, unsere Kämpfe, zumindest in westlichen Ländern oder denen des globalen Nordens, als obsolet, als überkommen darzustellen (1), womit es uns direkt in die erste Reihe an Fallen schickt. Männer deuten dabei auf andere Länder, „woanders“ hin, am liebsten nach Süden or „Osten“ und auf dortige Gesellschaften. Dies ist ein sehr alter Trick, da Liberalismus und Kolonialismus zusammengehören (2), und er funktioniert so: „Hier haben wir keine wirklichen Probleme, aber schaut mal dorthin! Da solltet ihr hinschauen. Arabische Länder!“ Die unmittelbare Reaktion zumindest einer deutschen Feministin könnte darin bestehen klar zu stellen, dass Algerien mehr weibliche Abgeordnete im Parlament hat als Deutschland, samt dem sofortigen Genuss die Selbstgefälligkeit aus dem Gesicht der Herrklärer verschwinden zu sehen. Aber diese Reaktion enthält Fehler, weil sie uns sofort zu typischen wenn auch indirekten Fehlschlüssen führt, die „unserer“ Überlegenheit, denn warum sollte Algerien nicht mehr Frauen als Abgeordnete haben als Deutschland und was für Einstellungen sind nötig, damit wir davon ausgehen, dass Algerien als Beleidigung für selbstgefällige Deutsche genutzt werden kann? Und dies geht noch weiter. Nachdem ich meinen rechten Fuß tief in den Morast des Patriarchats gestellt habe, lasst mich den linken Fuß gleich nachziehen. Unterschiede abzustreiten oder darauf zu bestehen, dass das Patriarchat überall herrscht und dass unsere Kämpfe überall die gleichen sind, kann uns dazu verleiten, wichtige Informationen über unsere Schwestern zu übersehen, es kann uns dazu bringen – in diesem Fall westliche Feministinnen – nicht zu sehen, wo ihre Kämpfe andere sind oder wo die konkreten Rahmenbedinungen andere sind. Es dient auch dazu, Aufmerksamkeit abzuziehen und sie wieder hübsch auf uns selber zu lenken. Und während ich spüre, wie ich immer tiefer im Matsch versinke, lasst mich noch die dritte Falle dazu stellen, wenn eine Anerkennung von Unterschieden in unseren täglichen Herausforderungen und Kämpfen zu Ansichten führt, die mal ein „Lieblings-“artikel von mir verbreitete, in dem stand, dass muslimische Mädchen in Pakistan Werte der Familiensolidarität hätten, die bedeuteten, dass sie keine individuelle Freiheit wollen oder brauchen.

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Feministischer Porno oder das übliche in rosa?

Frau am Computer

CC0

Erika Lusts Film Live Love Lust

(Radikal)Feministinnen von Andrea Dworkin bis Gail Dines kritisieren Pornographie seit Jahrzehnten und sie haben gute Argumente: Die „Arbeitsbedingungen“ in der Branche sind für die Darstellerinnen unzumutbar, dargestellt wird nicht Sex, sondern Männergewalt gegen Frauen, und es ist diese Gewalt an der sich die Konsumenten – größtenteils Männer – aufgeilen, deren Frauenbild von den Darstellungen beeinflusst und geprägt wird.

Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, es ließen sich doch wohl auch „feministische Pornos“ produzieren, für ein weibliches Publikum. Als Paradebeispiele werden meist die Filme der 1977 in Schweden geborenen studierten Politikwissenschaftlerin Erika Lust genannt, die seit 2004 „Pornos für Frauen“ dreht, die auch diverse Preise bekommen haben. Ob sie ihre Darstellerinnen wirklich besser behandelt als andere Produzenten, ist fragwürdig, die Dokumentation Hot Girls Wanted lässt eher auf das Gegenteil schließen. Auch das Interesse der Frauen an den Filmen scheint sich in Grenzen zu halten: Das Unternehmen schätzt, dass lediglich 15-25 % der KonsumentInnen weiblich sind, die meisten sind also Männer, von denen manche eventuell noch ihre Partnerinnen dazu überreden können, gemeinsam einen Porno zu schauen. Das Label „feministisch“ bzw. „frauenfreundlich“ hilft dabei natürlich, Widerstände zu brechen.

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