J.K. Rowling schreibt über die Gründe für ihre Äußerungen zur Geschlechts- und Genderthematik.

Photography Debra Hurford Brown © J.K. Rowling 2018

Photography Debra Hurford Brown © J.K. Rowling 2018

Veröffentlichung der Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Dank an die Radfems Deutschland für die Übersetzung. Originaltext hier.

10. JUNI 2020

Achtung: Dieser Text ist nicht für Kinder geeignet.

Es fällt mir – aus Gründen, auf die ich in Kürze genauer eingehen werde – nicht leicht, diesen Text zu schreiben. Doch ist mir bewusst geworden, dass es an der Zeit ist, mich zu einem Thema zu erklären, das in einer vergifteten Atmosphäre stattfindet. Ich schreibe diese Zeilen ohne den geringsten Wunsch zu dieser Vergiftung beizutragen.

Falls Sie es verpasst haben: Letzten Dezember (Anm. Dezember 2019) postete ich auf Twitter, dass ich Maya Forstater unterstütze. Maya Forstater ist eine Steuerberaterin, die wegen sogenannter ‘transphober’ Tweets ihre Arbeit verlor. Sie brachte ihren Fall vor ein Arbeitsgericht. Bei der Verhandlung ging es um die Frage, ob die philosophische Überzeugung, dass das Geschlecht durch die Biologie bestimmt sei, gesetzlich geschützt ist. Richter Tayler (Anm. James Tayler) verneinte dies in seinem Urteil.

Mein persönliches Interesse an der Transthematik entstand bereits vor fast zwei Jahren – noch vor Mayas Fall. Die Debatte um das Konzept der Geschlechtsidentität verfolgte ich in diesen beiden Jahren aufmerksam. Ich traf Transpersonen und las verschiedene Sachbücher, Blogs sowie Artikel von Transpersonen, Gender-Spezialist*innen,  intergeschlechtlichen Menschen, Psycholog*innen, Expert*innen für den Schutz der Menschenrechte, Fachleuten aus der Sozialarbeit und Ärzten und Ärztinnen. Den entsprechenden Diskurs habe ich online und in den traditionellen Medien verfolgt. Mein Interesse an diesem Thema ist zum einen professionell, weil ich eine Krimiserie schreibe, die in der Gegenwart spielt und deren fiktive Detektivin in einem Alter ist, in dem sie sich selbst für diese Themen interessiert und davon betroffen ist. Aus anderen Gründen ist es, wie ich gleich erläutern werde, sehr persönlich.

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Warum Unisex-Toiletten nicht für Frauen funktionieren

Pixabay - Public Domain

Wer kennt sie nicht, die zahlreichen Witze über die langen Schlangen vor Frauentoiletten. Weltweit gibt es einen Trend zur Umwandlung von geschlechtssegregierten Toiletten zu gemischtgeschlechtlichen. Frauen stellen 52% der Gesamtbevölkerung, während Transpersonen weniger als 1% der Bevölkerung ausmachen. Da letztere Gruppe jedoch sehr lautstark agiert, kommt es zunehmend zu einer Zusammenlegung von Toiletten, Umkleidekabinen, …. Unter dem Deckmantel von Diversity und Inklusion werden so die Rechte von Frauen auf Privatsphäre, Würde und Sicherheit verletzt.

Gründe gegen Unisex-Toiletten

1) Frauen sind bereits jetzt dadurch benachteiligt, dass traditionell bei der Versorgung mit Toiletten im öffentlichen Raum gleiche Flächenvorgaben für Männer- und Frauentoiletten gelten, Urinale jedoch weniger Platz beanspruchen und damit mehr Toiletten in einer Männertoilette untergebracht werden können. Da Frauen keine Urinale benutzen können, Männer auf der anderen Seite nun auch die Toilettenkabinen in vormals Frauentoiletten nutzen können, erhöht sich die Wartezeit von Frauen zusätzlich.

Oft führt die Einführung von Unisex-Toiletten auch dazu, dass Männertoiletten als Männertoiletten beibehalten werden, während Frauentoiletten für alle geöffnet werden. Die neuen Regelungen erhöhen darüber hinaus auch die Wartezeiten für Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderung stellen etwa 20% der Bevölkerung, oft ist es jedoch schwer überhaupt auch nur eine einzige Behindertentoilette zu finden.

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Feminismus 2020. Bestandsaufnahme anlässlich des 8. März in Berlin.

Bild- Text: „Dies ist keine Fiktion. Dies ist real. Die Freiheit der Rede für Frauen beginnt mit ihrer körperlichen Integrität, die wahr und real und ehrlich und absolut ist. Es gibt keine Ausnahmen.“
„Es gibt keine Ausnahmen für Männer, die privilegiert sind, um einzudringen. Und es gibt keine Ausnahmen für Frauen, wo gesagt wird: ‚Ach ja, das darfst Du nicht mit dieser Frau machen, aber siehst du die da drüben? Ja, das ist okay, mach es mit ihr. Die vermisst keine.‘ “ Wir vermissen sie. Wir wollen sie zurück. Andrea Dworkin, zu Pornografie und „Redefreiheit“.

Frauenbezogene Kontroversen 2020: „Wir entschuldigen uns für die Existenz anderer Meinungen“ …. zum „Frauen*kampftag“ in Berlin

Der Internationale Frauenkampftag hat eine stolze Geschichte. Er begann mit Gewalt gegen politisch aktive Frauen:

Am 8. März 1909 wurde er das erste Mal als Tag der Rechte von Arbeiterinnen und der Frauenrechte in den USA abgehalten. Organisiert hatte ihn die Socialist Party of America, die damit an den 8-tägigen Streik der Textilarbeiterinnen aus dem Jahr 1908 erinnerte, der wiederum der Streiktage von Textilarbeiterinnen aus den Jahren 1857 und 1858, ebenfalls in New York, gedachte. 1857 brach während des Streiks in der Fabrik ein Brand aus, und da die Türen und Notausgänge verschlossen waren, um eine Zusammenarbeit der Frauen mit anderen Arbeitern während des Streiks zu verhindern, starben 129 Textilarbeiterinnen im Feuer.  (1)

1910 schlug die deutsche Sozialistin Luise Zietz (2) auf dem 8. Internationalen Sozialistenkongress der Sozialistischen Internationalen (3) in Kopenhagen vor, diesen Tag grundsätzlich zum Internationalen Tag der Frau zu erklären. Die Delegierten, darunter 100 Frauen aus 17 Ländern, verpflichteten sich gleiche Rechte für Frauen und das Frauenwahlrecht zu unterstützen. Vorausgegangen war Ende August die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz (4), auf der Clara Zetkin (5) die Einführung eines internationalen Frauentags eingebracht hatte. Am 19. März 1911 wurde der Internationale Tag der Frau erstmalig in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz abgehalten, über 1 Million Frauen und Männer nahmen daran teil. 1913 organisierten Frauen in Russland ihren ersten internationalen Frauentag, am 8. März 1914 demonstrierten Frauen europaweit für Solidarität und Frieden, 1917 hielten wieder russische Frauen einen Tag für „Brot und Frieden“ ab.  Holland, Frankreich, Schweden und nach 1918 die damalige Tschechoslowakei zogen nach. In den 20er-Jahren gewann der Internationale Frauentag als Kampftag immer mehr an Bedeutung und es kamen Länder der ganzen Erde dazu: China, Japan, England, Finnland, Estland, Litauen, Polen, Bulgarien, Rumänien, Türkei und Iran. Zu Beginn der 30er-Jahre wurden die Internationalen Frauentage angesichts der drohenden faschistischen Gefahr ein Sammelbecken gegen den Faschismus. Unter den faschistischen Diktaturen in Europa wurde der Internationale Frauentag verboten. (6)

Die UN zog nach, als sie 1975 als das Internationale Jahr der Frau und den 8. März zum internationalen Tag der Frau (und des Friedens) ausriefen.  Der Song dazu kam von Helen Reddy: I’m a woman, hear me roar. (7)

Nun zu Berlin, Deutschland, 2020.

Da die Frauenbewegung idealerweise aus sehr vielen Frauen mit vielen verschiedenen Erfahrungen besteht, die durch ihre verschiedenen Positionen innerhalb der patriarchalen Gesellschaft sehr unterschiedliche Wahrnehmungen mitbringen und sehr verschiedene Einblicke deutlich machen können, sind Meinungsverschiedenheiten zu erwarten und vor allem zu wünschen: Wie sollte eine Bewegung alle Frauen erreichen und ihre Ziele einbinden, wie könnten wir zu echten Gemeinsamkeiten kommen, wenn es diese Kontroversen nicht gäbe? Und was bedeutet es für uns, wenn solche Kontroversen nicht engagiert, aber dennoch vernünftig ausgetragen werden können?

Die Organisator*innen des 8. März in Berlin haben in ihrem Statement nach der Demonstration befunden, dass Schilder mit Aufschriften zur Abschaffung der Prostitution und gegen die Essentialisierung von Geschlechterrollen eine schlimmere Gewalt darstellen als eine auf Frauen geworfene Glasflasche.

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Frauen aus Till Lindemanns Porno-Musikvideo erhalten Todes- und Vergewaltigungsdrohungen

Wir veröffentlichen nachfolgend ein Statement von russischen Feministinnen

Ende Februar hat der Rammstein Sänger Till Lindemann einen Porno mit russischen Frauen veröffentlicht. Aufgrund des Inhaltes wurde das Video nicht auf den regulären Social Media Kanälen des Sängers veröffentlicht, sondern auf einer Porno-Plattform. Nutzer von russischen Seiten wie “2ch” und des frauenverachtenden sozialen Netzwerkes “Männlicher Staat” (Мужское государство) haben die Identität einiger dieser Frauen enttarnt und deren Instagram-Profile, Profile auf dem russischen Netzwerk VK und sogar einige Privatadressen öffentlich verfügbar gemacht. Danach erhielten die Frauen hunderte von Nachrichten mit Beleidigungen, Todes- und Vergewaltigungsdrohungen. Bald darauf haben die meisten der Frauen ihre Online-Profile gelöscht.

Die Journalistin und Gründerin des feministischen Telegram-Kanals “Female Power”, Zalina Marshenkulova (Залина Маршенкулова) setzte sich für die Frauen in dem Video ein und erhielt daraufhin ebenfalls Beleidigungen und Drohungen. Sie erstattete Anzeige bei der Polizei und wies daraufhin, dass man sie verprügeln, vergewaltigen und mit Säure verätzen will. Zalina ist schwanger und leider angreifbar, da die russische Regierung ihr Personenschutz verweigert.

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Vom Antifeminismus der Transaktivisten

Warum warnen Radikalfeministinnen eigentlich bereits seit Jahren davor, dass die hart erkämpften Frauenräume erhalten bleiben müssen? Dass wir geschlechtersegregierte Duschen, Umkleideräume und Toiletten brauchen? Und warum Transfrauen weder in Frauenhäuser noch in Frauengefängnisse gehören?

Vielleicht weil wir den Frauenhass spüren, der uns von ihnen entgegengebracht wird? Weil sie immer und immer wieder unsere eindringlichen Warnungen bestätigen? Hier ein paar Beispiele

1) David Warfield aka Dana Rivers und die Michfest-Morde

Von 1976 bis 2015 fand jedes Jahr in Hart, Michigan das „Michigan Womyn`s Music Festival“ statt. Ein Festival selbstorganisiert von Lesben für Frauen, auf PRIVATEM GRUNDBESITZ von Lesben. Eine Errungenschaft der sogenannten zweiten Welle der Frauenbewegung.  Trotz der ausdrücklichen „Frauen geborenen als Frauen“-Ausrichtung des Festivals nahmen alljährlich auch Transfrauen am Festival teil und Lisa Vogel, eine der Gründerinnen, ausdrücklich sehr darauf bedacht, dass angesichts der vielen Butch-Frauen auf dem Festival zu deren Schutz niemand das Geschlecht einer Person in Frage stellte.

Dennoch wurde das Festival Zielscheibe von Transaktivisten, die ihr „Camp Trans“-Protestcamp vor den Toren des Festivals errichteten und die Teilnehmerinnen belästigten und emotionale Erpressung und Manipulation gegen Künstlerinnen auffuhren, sollten diese sich wagen auf dem Festival spielen. Das Ende vom Lied: Das Festival war seit 2015 erstmal (Frauen-)Geschichte. [Edit: 2020 findet glücklicherweise wieder ein Michfest statt – danke an die aufmerksame Leserin für den Hinweis]

Einer der Organisatoren und Teilnehmer des Festivals war David Warfield aka Dana Rivers. Warfield hatte als Lehrer transitioniert und in den USA landesweite Berühmtheit dadurch erlangt, dass er seinen Arbeitgeber wegen Diskriminierung verklagt hatte. Er gab Aussagen von sich wie beispielsweise, dass „Pornographie ihm geholfen habe, sein geschlechtsdeviantes Gehirn als gesund, geistig normal und erfrischend irrational verstehen zu können“. Nur kurz nach dem fragwürdigen „Erfolg“, dass Michfest in die Annalen katapultiert zu haben, ermordete Warfield/Rivers auf brutalste Weise zwei langjährige lesbische Teilnehmerinnen des Festivals: Patricia Wright und Charlotte Reed und ihr Adoptivsohn wurden verprügelt, erstochen und erschossen und anschließend verbrannt. Seitdem  sitzt Warfield/Rivers im Santa Rita Jail – angeblich im Frauenbereich – und wird statistisch als weibliche Mörderin geführt.

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Rache am Patriarchat? Oder doch nur ein leises Rauschen im Blätterwald?

Manche Dinge lassen eine einfach immer wieder ratlos zurück. Aktuell geht es mir so mit einem Protest gegen den ungeheuerlichen Vorgang eines linken Festival-Mitveranstalters, der über Jahre hinweg weibliche Festivalbesucherinnen auf der Toilette und unter die Dusche heimlich gefilmt und diese Videos auf einer Porno-Plattform, XHamster, hochgeladen hat. Der Schock bei vielen jungen Frauen, die auf der Fusion oder Monis Rache waren, sitzt zu Recht tief: „Sind auch Videos von mir online, ohne dass ich etwas darüber weiß?“, „Wie finde ich raus ob ich betroffen und damit Opfer sexueller Gewalt geworden bin?“

Dass sich also Protest regt ist völlig nachvollziehbar. Über das WIE  kann man sich offenbar aber wie immer streiten. Zum einen ist da der Demo-Aufruf selbst, der vor Inkonsistenzen nur so strotzt. Das Demo-Motto lässt das bereits erahnen, lautet es doch: Rache am Patriarchat! My body is not your porn. Still <3ing my Choice“. Der erste Teil klingt radikal und scheint sich gegen die patriachalen Strukturen zu wenden, die Frauen sexualisieren und objektifizieren. Der zweite Teil lässt allerdings bereits erahnen, dass das große aber noch folgen wird. Und die Vorahnung bestätigt sich auch im folgenden Text. Dort heißt es:

Wir werden uns nicht aus öffentlichen Räumen zurückziehen, sondern wir wollen, dass sie sich verändern, damit wir uns wohl fühlen können. Alle Menschen sollen selbst bestimmen, ob und mit wem sie Sex haben möchten. Alle Menschen sollen selber bestimmen können, ob sie mit dem eigenen Körper oder erotischen Dienstleistungen Geld verdienen wollen. Kein Mensch soll sexualisierte Gewalt erleben.“

Dass die Pornokultur AN SICH bereits Grund dafür ist, dass ALLE Frauen ständig und immer wieder im privaten und öffentlichen Raum objektifiziert werden und sexuelle Gewalt erleben, scheint bei den Initatorinnen nicht angekommen zu sein. Studien zeigen eindeutig, welchen negativen Einfluss Pornokonsum auf das Verständnis von sexueller Gewalt auf Männer UND Frauen hat. Das zum einen. Feministische Analyse, nach der Pornographie gefilmte Prostitution ist, die Frauen zu Objekten degradiert (siehe zum Beispiel von Andrea Dworkin): Fehlanzeige. Und dann auch noch das Unvermeidliche: Sexuelle Übergriffigkeit von Freiern gegenüber prostituierten Frauen, wird mal wieder nicht als solche erkannt: Dass es per definitionem sexuelle Gewalt IST, wenn sich ein Freier Zugang zum Körper einer Frau erkauft, die ohne materielle oder andere Entschädigung, diesen an ihr oder ihn ihr durchgeführten sexuellen Handlungen nicht zugestimmt hätte, wird nicht erkannt. Eine Erwähnung empirischer Erkenntnisse, dass das „wollen“ der Ausübung „erotischer Dienstleistungen“ mit statistisch relevanten Zusammenhängen auf erlebten Grenzverletzungen beruht oder aufgrund finanzieller oder anderer Zwänge erfolgt: Findet nicht statt.

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“No Man`s Land” – Interview mit Frank Turner

Das hier wird ein für mich besonderer Post. Zum einen weil ich zum ersten Mal ein Interview im Rahmen meines Musikjournalismus geführt habe, welches von vornherein auch einen feministischen Anspruch hatte und zum Crossposten hier vorgesehen war. Zum anderen weil mir die Kontroversität durchaus bewusst ist, einem Mann, in dem Fall einem männlichen Musiker Raum auf einem feministischen Blog einzuräumen. Das insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Reaktionen auf Frank Turners achtes Studioalbum von überschwänglicher Begeisterung bis zum “Mansplaining”-Vorwurf reichen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das Interview eigentlich erst dadurch zustande gekommen ist, dass ich Frank im August des vergangenen Jahres eine Mail schrieb, die nicht nur Lob, sondern auch Kritik enthielt (auf die er im Übrigen sehr positiv, man könnte auch sagen dankbar reagierte). Vielleicht wird es also für diesen Beitrag Kritik hageln, vielleicht aber auch nicht….

Tatsächlich war das Album ursprünglich gar nicht als Album über Frauen geplant, sondern hat sich mehr oder weniger als solches ergeben. Die entsprechenden, bereits erwähnten Reaktionen, ließen auch nicht lange auf sich warten

“Am Anfang hab ich mich gar nicht hingesetzt um Sachen speziell über Frauen zu schreiben. Eigentlich war es vielmehr so, dass ich als Songwriter normalerweise autobiographisch schreibe und ich einigermaßen gelangweilt davon war. Oder zumindest hatte ich da keine Songs mehr in Petto. Ich hielt es für eine interessante Technik mal aus der Perspektive anderer zu schreiben. Ich liebe Geschichte und unterhalte mich gerne darüber. In der Folk-Musik gibt es viel großartige Geschichte, also hab ich versucht ein paar solcher Songs zu schreiben. Nach vier oder fünf Songs stellte ich fest, dass sie alle von Frauen handelten, das war eine Art „Aha“-Moment. Es liegt offenkundig ein politischer Anspruch in der Idee, zu versuchen Geschichten zu erzählen, die noch nicht ausreichend erzählt worden sind und ich dachte mir „Ok, ich verstehe“. […] Es gab Leute, die haben mir das Album übel genommen, und ich hab gesagt „Pass auf, ich bin gut darin Alben zu schreiben. Ich könnte über meinen eigenen persönlichen Bullshit schreiben oder über Männer in der Geschichte, wenn euch das lieber ist…“.

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Das Missverständnis um die Intersektionalität – und die Konsequenzen daraus

Seit geraumer Zeit stellen wir immer wieder fest, dass das wichtige Konzept der Intersektionalität im Queer-/Liberalfeminismus in einer Art und Weise gebraucht wird, welches es in seinem ursprünglichen Sinn und Intention unbrauchbar macht. Wie so viele feministische Konzepte im Laufe der Zeit „geschrottet“ wurden, so erging es auch diesem.  

Ich konnte bisher nie so ganz greifen, was genau da schief gelaufen ist. Bis zu dieser Woche, bei einer Veranstaltung an der Uni Mainz mit der Taz- und Missy Magazin-Autorin Hengameh Yaghoobifarah. Bisher dachte ich nämlich immer, der Fehler in der Rezeption bestünde ausschließlich darin, dass Mehrfachdiskriminierungen von der Kategorie Geschlecht (im Sinne von „sex“, nicht „gender“) abgetrennt und munter aufaddiert würden. Tatsächlich habe ich jetzt verstanden, dass der Dritte Welle Feminismus einem grundlegenden Missverständnis aufgesessen ist, welches mir nun auch einige irritierende politische Aktionen aus diesen Reihen der letzten Jahre erklärt.  Aber dazu am Ende mehr.

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What the actual fuck!? Ein Rant über Täter, die um eine “zweite Chance” betteln

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Als wir 2013 begannen die Morde in der Prostitution in unserem Projekt “Sexindustry Kills” zu dokumentieren, waren wir uns dessen bewusst, dass die Dokumentation der Schicksale jener Frauen, die in der Prostitution einen gewaltvollen Tod fanden ein zweischneidiges Schwert ist: Auf der einen Seite war es uns wichtig, dass diese Frauen nicht vergessen werden. Deutlich zu machen, dass sie unsere Schwestern sind, die fehlen. Zu vermitteln, dass sie Frauen mit Schicksalen, Träumen und Wünschen waren und nicht irgendwelche anonymen Frauen, die oft von der breiten Öffentlichkeit auf ihre Prostitutionstätigkeit reduziert werden. Dass sie Familien hatten und FreundInnen, die sie vermissen. Wir haben zahlreiche rührende Zuschriften erhalten, von jenen, die auch noch nach vielen Jahren an die Frauen denken, die so brutal aus unserer Mitte gerissen wurden.

Auf der anderen Seite war uns auch bewusst, dass die Dokumentation auch dazu beiträgt, die Prostitutionstätigkeit besagter Frauen weiter öffentlich zu machen. Einige dieser Frauen wollten, dass die Tatsache, wie sie Geld verdienten / zum Teil auch verdienen mussten, niemals publik wird. Nicht den Menschen, die ihnen nahe standen gegenüber und schon gar nicht einer großen Öffentlichkeit. Wir versuchen, dieses leider oft nicht aufzulösende Spannungsfeld damit zu mindern, indem wir den Auftritt so neutral wie möglich gestalten

Keinerlei Skrupel hatten wir jedoch jemals gegenüber der Benennung der Täter. Jener Männer – zumeist Freier – die die verdammte Verantwortung dafür tragen, dass diese Frauen nicht mehr leben. Was wir nicht für möglich gehalten hätten: Dass diese Typen tatsächlich die Chuzpe haben uns anzuschreiben und um Löschung ihrer Namen zu bitten winseln. Bisher haben wir diese Zuschriften immer bewusst mit Ignoranz gestraft: Unsere Aufmerksamkeit haben DIE nicht verdient. Irgendwann platzt einer jedoch die Hutschnur und deshalb lassen wir euch hier und heute an zwei solcher erbärmlichen Exemplare teilhaben.

Ein “Löschantrag” eines gewissen Tim Schüler erreichte uns bereits im Jahr 2015. Besagter Tim ermordete in den 1990er Jahren gemeinsam mit seinem Kumpel Till-Hauke Heldt zunächst einen nepalesischen Flüchtling sowie einen Bremer Kaufmann. Heldt stand auf Sadomaso, träumte von einer SM-Welt, in der er nach Lust und Laune fesseln, bestrafen und erniedrigen konnte. Er eröffnete ein Bordell in einem ehemaligen Flüchtlingsheim, in dem seit 1998 auch Yvonne Polzin prostituiert – und von Heldt schamlos ausgenutzt – wurde. „Sie hat fantastisch gearbeitet, weil sie in mich verliebt war“, sagte Heldt. Er war fasziniert von der „totalen Unterordnung bis zur Selbstaufgabe“ und behandelte sie „wie Dreck“. In seinen Augen beging Yvonne einen “Tabubruch”, als sie vor seinem Privathaus auftauchte – und seine bürgerliche Fassade mit Frau und Kindern bedrohte. Er lud sie ein zu einem “romantischen Wochenende” – in Wahrheit hatte er ihre “Beseitigung” geplant. Bereits im Vorfeld hatte er einen Handwerker einen Ofen bauen lassen, der zu Yvonnes Krematorium werden sollte. Nach dem Mord stellte sich heraus, dass besagter Ofen nicht so funktionierte, wie er sollte und hier trat unser Spezi Tim Schüler auf den Plan: Gemeinsam tüftelten die beiden, wie sie den Ofen doch noch wie gewünscht zum Laufen bringen konnten. Als dies scheiterte, beschafften die beiden Winkelschleifer, Trennscheiben, Beil und Fleischwolf. Dem Klempner, der anschließend bei der Entsorgung des Ofens helfen sollte und aufgrund des Leichengeruchs Verdacht schöpfte, erzählten sie was von “Rehfleisch”. Dieser musste sich zwei Mal an die Polizei wenden, bis diese die abenteuerliche Geschichte glaubte und Ermittlungen eingeleitet wurden. Heldt wurde zu dreimal lebenslänglich, Schüler zu 9 Jahren Haft verurteilt. Die Gesamtfreiheitsstrafe betrug 15 Jahre.

Nachfolgend dokumentieren wir Tim Schülers Löschgesuch:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beantrage den folgenden Artikel zu löschen: http://sexindustry-kills.de/doku.php?id=prostitutionmurders:de:yvonnepolzin
Meine Wiedereingliederung in die Gesellschaft, insbesondere in das Arbeitsleben wird erheblich beschwert.
Ein besonderes öffentliches Interesse an meiner Person, das meinen Löschungsanspruch ausnahmsweise entfallen ließe, ist nicht ersichtlich.

Mit freundlichem Gruß

Tim Schüler

Nicht nur, dass Schüler offensichtlich meint, dass wir in irgendeiner Weise uns verantwortlich fühlen müssen, damit ihm, der an drei Morden beteiligt war, seine “Wiedereingliederung in die Gesellschaft” gelingen kann, er faselt darüber hinaus noch etwas von einem Löschungsanspruch. Man will seinen Augen nicht trauen. Auch ist er so vermessen zu fordern, dass der Artikel ersatzlos gestrichen wird – und damit Yvonne aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwindet. Die Erinnerung an eine Frau, die – anders als Herr Schüler – kein Teil dieser Gesellschaft mehr ist – weil sein Kumpel Heldt entschieden hat, ihr Leben zu beenden.

Es gibt also “kein öffentliches Interesse an der Person Tim Schüler”? Nun, das sehen wir leider anders.

Hartnäckig erweist sich unser Fallbeispiel Numero 2:

Bereits vor mehr als einem halben Jahr bat ein gewisser Dirk Goldmann um die Abkürzung seines Nachnamens. Goldmann zeichnet sich gemeinsam mit seinen Kumpels verantwortlich für den brutalen Mord an Beate Fischer in Berlin im Jahr 1994. Beate, Mutter zweier Kinder, wurde von einer vierköpfigen Naziclique, darunter Goldmann, mehr als zehn Stunden brutal gefoltert, mehrfach vergewaltigt, man rasierte ihr die Haare ab und versuchte, sie zu ertränken und zu vergiften. Schließlich wurde sie durch Strangulation ermordet und nackt in einen Teppich gewickelt vor Mülltonnen entsorgt. Das Gericht verhängte lebenslange Haft für den Haupttäter Matthias F. (Nachname leider unbekannt) sowie neun und zehn Jahre Jugendstrafe für die Mittäter. Der Richter sagt in der Urteilsbegründung, die Neonazis „haben nach ihrer Wolfsmoral Sex als die Bühne ihrer Macht benutzt“. 2019 fand in Berlin anlässlich der 25 Jahre zurück liegenden Tat eine Gedenkaktion für Beate Fischer statt. Im Mai 2019 schickte uns Goldmann diesen rührseligen Text:

Weil die Tat nun also 25 Jahre zurück liegt und der werte Herr Goldmann dafür ein paar Jahre seines Lebens in Haft verbringen musste, habe er also seiner Meinung nach ein Recht auf ein “halbwegs normales Leben”, denn er führe ja jetzt ein “komplett neues Leben”. Ach so.

Nachdem diese “Bitte im Löschung / Änderung” (sic!) bei uns auf taube Ohren stieß, versuchte er es jetzt in zwei aktuellen Mails (Dezember 2019 und Januar 2020) unter einem anderen Namen. Wir dokumentieren diese hier:

Eine “2. Chance” hätte er gerne der Herr, denn er habe seine “Vergangenheit abgelegt”. Deshalb, liebe Feministinnen, “reitet” doch bitte bitte nicht so auf der Vergangenheit “rum”. Zwei Wochen später setzt er noch eins drauf:

Da ist aber jemand einem Irrtum aufgesessen: Nicht “zufälligerweise” nennen wir einen Täter mit vollem Namen, sondern ganz bewusst und intendiert. Nachdem wir ein paar Minuten über die Frage sinnierten, ob man auch “ehemaliges Opfer” werden kann, wo es doch offenbar “ehemalige Täter” gibt, waren wir für eine Sekunde ganz angetan, weil Herr Goldmann sich jetzt “mittlerweile” doch für “schwächere engagiert” und der rechten Szene den Rücken gekehrt hat. Nicht. Bitte wie? Das soll uns überzeugen? Sorry, not sorry: Nein!

Eins ist nämlich auffällig, und das macht uns am meisten wütend: Nicht mit einer einzigen Silbe erwähnt Goldmann Beate. Das hat er mit Tim Schüler gemein. Alles dreht sich ausschließlich um die Konsequenzen, die diese Taten für die Leben der Täter haben. Die Opfer finden keine Erwähnung – nicht einmal mit einer klitzekleinen Silbe. Narzissmus much!?

Das Tragische an der ganzen Sache:

Anders als Yvonne und Beate, hatten diese Typen eine Wahl bei der ganzen Angelegenheit. Niemand hat ihnen einen Mord aufgezwungen, und ihre Leben wurden nicht ausgelöscht.

Beate und Yvonne hatten mit 32 und 31 Jahren ihre Leben noch vor sich.

Ihnen gehört unser Mitgefühl.

Ihnen ganz alleine.

Kein Vergeben, kein Vergessen.

I believe her – Ich glaube Ihr. Vergewaltigungsdrama in Zypern

The Shadow of Justice

"The Shadow of Justice" by Jack via Flickr, [CC BY-NC-ND 2.0]

Das Jahr 2019 endete mit einem Schock für eine junge 19-jährige Britin in Zypern. Das Jahr endete ebenso stellvertretend für alle Frauen mit einem Schock, für alle Frauen, die glaubten, dass wir die schlimmsten Auswüchse von Rapeculture in Europa hinter uns gelassen haben. Ihre Geschichte weist erschreckende Parallelen zum Netflix Film ,,Unbelievable‘‘ auf.  ,,Unbelievable‘‘ (Unglaubwürdig) handelt von einer ebenfalls 18 jährigen Frau, die vergewaltigt wurde und von der Polizei in den USA der Falschaussage beschuldigt wurde. Sie musste ihre Anzeige zurückziehen und sagen, dass sie gelogen hatte und es nie eine Vergewaltigung gegeben hat. 

Dieser Film hat eine grausame, neue aktuelle Wiederholung in der Wirklichkeit gefunden. Wer hätte das gedacht in der Zeit von ,,#metoo‘‘?

Die junge britische Frau, deren Anonymität bisher gewahrt werden konnte, wurde am 30.12.2019 von einem Richter in Zypern schuldig gesprochen wegen Falschaussage. Sie hatte Mitte Juli 2019 Anzeige erstattet, da sie von einer  Gruppe von zwölf jungen israelischen Männern im Alter von 15 bis 22 Jahren im Urlaubsort Ayia Napa vergewaltigt wurde. Die Anzeige hat sie kurze Zeit später zurück gezogen.  Es drohen ihr jetzt bis zu einem Jahr Gefängnis und eine Geldstrafe von 1000 Euro.

Die junge Frau befand sich für einen durch Arbeit finanzierten Urlaub auf Zypern. Sie lernte dort einen 21-jährigen Israeli, angehender Fußballspieler, kennen und begann eine Romanze mit ihm. Es gibt Fotos von beiden zusammen aus dieser kurzen gemeinsamen Zeit.  Wenige Tage nach dem Kennenlernen hatte sie freiwillig Sex im Hotelzimmer mit ihm. Hier findet die romantische Zeit ein brutales Ende. Während sie mit ihrem neuen Freund Sex hatte, kamen plötzlich und überraschend 11 seiner Freunde in das Zimmer.  Ihr Partner hielt sie fest nach unten während sich seine Freunde mit der Vergewaltigung abwechselten. Sie weiß nicht wie viele es waren, aber Kondome mit verschiedenen DNA Spuren der Männer wurden im Zimmer gefunden. Die sexuellen Handlungen wurden zum Teil gefilmt. Es gibt Videoausschnitte, die auf Pornoseiten hochgeladen wurden. Vielleicht war hier geplant sie mit den Aufnahmen unter Druck zu setzen und eine Anzeigenerstattung zu verhindern. 

Die Männer wollten fast alle bald ihren Militärdienst in Israel ableisten und machten deshalb kurz vor Antritt gemeinsam Urlaub. Zeugenaussagen belegen, dass die Männer an dem Tag der Vergewaltigung vor dem Hotelzimmer gemeinsam warteten und einer von ihnen sagte, … :‘‘ dass das englische Mädchen bald kommen würde ‚ und das sie sie alle ficken würden..”. Sie gaben dabei an und lachten. 

Die damals 18 Jährige wurde von ihren Freundinnen, nachdem sie aus dem Zimmer entkommen konnte, in ein medizinisches Zentrum gebracht, und dort riefen die Mitarbeiter die Polizei.

Die Männer wurden nach der Anzeigenerstattung inhaftiert. Nachdem die 18-Jährige jedoch am 27.Juli die Anzeige zurücknahm, wurden die Täter entlassen und am Flughafen von Ben Gurion bei ihrer Ankunft wie Helden empfangen. Es wurde mit Champagner angestoßen, und sie sangen:…‘‘ die Britin ist eine Hure”…Alleine diese Vorstellung löst bei mir Übelkeit aus. Wie kann man Männer, die ein GangBang durchführten, feiern?  Wieso ist eine Frau eine Hure? Was sind denn dann diese Männer? Nichts mehr wie dreckige Täter.

Nach Erstattung ihrer Anzeige wurde sie nochmals am 27 Juli von der Polizei verhört. Sie wurde, laut ihrer Familie und laut ihr, an diesem Tag gezwungen ihre Anzeige zurück zu ziehen. Es gibt Aussagen auf Snapchat die dies bestätigen.

Sie wurde von Dr. Tizzard, einer britischen Psychologin, mit PTSD diagnostiziert. Hierzu wurde eine Stimmanalyse durchgeführt. Ja, das ist mittlerweile möglich. Unsere Stimme verrät vieles über unsere Psyche. Die junge Frau wurde in diesem traumatisierten Zustand verhört, alleine, über neun Stunden lang. Ein Anwalt wurde ihr nicht zur Verfügung gestellt.  Der Horror den sie hier erleben musste ist unvorstellbar.  Es gibt auch keine Aufnahmen dieses Verhörs. Allerdings ist dies mittlerweile Standard und auch in Zypern sollten mittlerweile die technischen Voraussetzungen bestehen um Verhöre aufzunehmen. Oder war es Absicht, keine Aufnahmen anzufertigen?

Die Rücknahme ihrer Anzeige wurde auf ein Blatt Papier geschrieben und laut Familie in schlechtem Englisch…:,, I discovered them recording me doing sexual intercourse.‘‘…:,,Ich entdeckte wie sie mich filmten während ich Geschlechtsverkehr ausübte…‘‘. In der Gerichtsverhandlung sagte sie, sie hatte bei diesem Verhör Angst um ihr Leben. 

Die Verteidigung sagt aus, dass die junge Frau freiwillig Sex mit 12 Männern haben wollte und nur wegen der Videoaufnahme, die gegen ihren Willen stattfand, Anzeige erstattete. Ein kurzer Ausschnitt der Aufnahme fand sich vor kurzem auf Pornoseiten wieder und wurde durch die Männer in sozialen Medien und bei Whatsapp geteilt. In diesem hört man die Männer auf Hebräisch sagen‘‘ .. du bist meine Hure, sag, dass du meine Hure bist…‘‘. Sie ist daraufhin zu hören, wie sie fragt, was sie sagen und bekommt die Antwort auf Englisch:,,Wir sagen, dass du sehr sexy bist..‘‘.

Sie musste nach der Aussage, dass sie nicht vergewaltigt wurde, einen Monat in das Gefängnis in Zypern. Mittlerweile wohnt sie in sicheren Unterkünften auf Zypern, da sie zwar entlassen wurde, aber ihr Pass von den zyprischen Behörden eingezogen wurde. Man stelle sich vor, dass ein Urlaubsflirt im Gefängnis endet mit monatelangem Aufenthalt im Ausland… 

Weitere rechtliche Ungereimtheiten finden sich im Umgang mit der forensischen Pathologie wieder. Der forensische Gutachter der Familie, Dr. Matsakis, wurde erst im Zeugenstand bei Gericht mit dem staatlichen Bericht der Pathologie konfrontiert. Der Bericht stellt deutliche Verletzungen dar, inklusive Vaginalblut, die mit dem Bericht der jungen Frau über den Ablauf der Vergewaltigung übereinstimmen. 

Zypern hat eine sehr schlechte Statistik bezüglich der Verurteilung von Vergewaltigungen, wie übrigens auch Deutschland. Natürlich werden in diesem Fall auch politische Aspekte diskutiert. Zypern sucht eine wirtschaftliche Beziehung zu Israel und einer der jungen Männern soll der Sohn eines ehemaligen israelischen Politikers sein. Diese Faktoren sind aber nur der zusätzliche Zuckerguss auf der Torte. Auch diese Aspekte sind übertragbar. Immer wieder spielt der politische gesellschaftliche Einfluss der Eltern von Tätern eine Rolle in erschreckenden Urteilen von öffentlichkeitswirksamen, medial bekannten, Vergewaltigungsfällen in aller Welt. Auch hier nichts Neues. Diese junge Frau kommt aus der Mittelschicht und hatte einen begehrten Studienplatz, den sie jetzt verloren hat. Normalerweise sind Mittelschicht und Studium Pluspunkte im Kampf bei Gericht für Frauen, aber im Zweifel nützt auch das nichts. Zumindest nicht, wenn die Gegenseite einen mindestens ähnlichen Hintergrund hat. Und ja, natürlich sollte dies keine Relevanz haben, aber auch dies wird in den britischen Medien besonders hervorgehoben.

Verschiedene, auch deutsche Medien, haben über den Fall berichtet. Interessanterweise findet man aber, je nach Quelle, andere Inhalte. Relevante Informationen werden weggelassen, die junge Frau wird als Folge in den Kommentarspalten als Lügnerin bezeichnet, sowie alle Frauen implizit als Lügnerinnen bezeichnet werden. Wenn eine lügt über eine Vergewaltigung, dann lügen automatisch alle Frauen, immer. In welcher Welt möchte eine Frau, freiwillig, mit 12 Männern Sex haben?  Welcher kranken Pornofantasie ist diese Idee entsprungen?

Aus vielen Gründen berührt mich dieser Fall besonders. Wahrscheinlich, da auch ich mich, als ich jung war, in riskante Situationen begeben habe, die nur mit Glück nicht in einer Vergewaltigung endeten. 

Vielleicht auch, da ich Töchter habe und weiß, wie jung eine 18-Jährige tatsächlich ist.

Vielleicht auch, da ich mir vorstellen kann , wie es sich anfühlen muss mit einem Urlaubsflirt Sex und Spaß zu haben, und zu erleben wie elf weitere Männer das Zimmer währenddessen betreten.

Während eines Urlaubs in Tunesien in einer Hotelanlage, vor vielen Jahren, öffnete meine kleine Tochter die Zimmertür als es klopfte.  Zehn junge Männer betraten daraufhin das Zimmer während ich lesend im Bett lag. Ich wusste, dass mein Leben an einem seidenen Faden hing und musste vom Bett aus ein makaberes Gespräch führen. Der junge Mann behauptete, er sei von der Rezeption geschickt worden, da die Lampe nicht mehr funktionieren würde. Ich antwortete ganz ruhig, dass alle Lampen funktionieren würden und wir verabschiedeten uns freundlich voneinander. Meine Töchter waren auch ruhig. Hätte auch nur eine von uns geschrien, oder gezeigt, dass wir anderes vermuteten, wäre der ganze Vorfall anders verlaufen. Nur durch diese Idiotie klappte es. Ich glaube meine Töchter haben mich gerettet, aber auch die Tatsache, dass ich im Bett lag. Die Gruppe hatte sich spontan entschieden mich in Ruhe zu lassen, und brauchte eine Geschichte, um wieder gehen zu können. In der Nacht fanden danach mehrere Raubüberfälle in der Anlage statt.

Das ist nicht vergleichbar, in keiner Weise, aber ich kann mich trotzdem noch an das Gefühl der absoluten Ohnmacht und Hilflosigkeit in der Situation erinnern. Ich war komplett chancenlos angesichts einer Übermacht von 10 Männern. Ich glaube, wir wissen alle, dass wir Alles tun würden um eine solche Situation einfach nur zu überleben. Ich hätte Alles getan. Stellen wir uns einfach vor in einem Zimmer vor 12 Männern zu liegen, wie diese junge 18 jährige Frau, nackt….welche Optionen hätten wir?

Den Kampf, den die junge Frau in Zypern führt, ist ein Kampf für uns Alle. Im Augenblick wurden über 80000 englische Pfund gespendet um alle notwendigen Gerichtskosten zahlen zu können. Das Crowdfunding wird ohne Entschädigung von einem englischen Anwalt koordiniert. Die Familie wird, sollte es sein müssen, bis vor den europäischen Gerichtshof gehen. Justice Abroad unterstützt die Familie.

Wie fühlt es sich an als Mutter einen Sohn zu haben, der an einer Gruppenvergewaltigung teilnimmt. Einen Sohn zu haben, der es als normal ansieht, eine Frau als Hure zu beschimpfen um sie dann zu vergewaltigen, abwechselnd mit seinen Freunden. Würde man ihn mit Champagner empfangen nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis? Wurde mit diesen jungen Männern über Pornografie gesprochen? Ab welchem Alter konnten sie Pornografie konsumieren? Wurde mit ihnen über Sexualität, Gewalt, Konsens, Intimität, Verantwortung, Ethik und Leidenschaft gesprochen, als sie noch jung genug waren um sich anders  entwickeln zu können?

Ich für mich kann sagen, dass ich keinen Sohn mehr hätte, wäre mein Sohn an einer Gruppenvergewaltigung beteiligt. Wahrscheinlich hätte ich aber genau deshalb keinen Sohn, der dies tun würde. Aber das sind Mutmaßungen. Würde ich über Pornografie mit meinem Sohn sprechen? Die Auswirkungen von Pornografie? Über Männlichkeit und Sexualität? Wie früh würde ich mit ihm darüber sprechen? Pornokonsum beginnt in der heutigen Zeit mit 12 Jahren.

Die Vorgehensweise dieser Vergewaltigung erinnert an den Ablauf von Pornofilmen. Hier gibt es für mich keinen Zweifel. Mit wie viel Jahren haben diese Männer angefangen Pornos zu sehen? Wie oft konsumieren sie jetzt Pornos. Hat jemand diese Frage gestellt? Hat jemand den Zusammenhang von Pornografie und Taten wie diesen in den Medien hergestellt? Ich habe bisher Nirgends etwas davon gelesen. Nirgends. 

Die Methode der Gruppenvergewaltigung wiederholt sich mittlerweile, so erscheint es mir zumindest. Ein Mann beginnt eine romantische Beziehung und leitet eine Gruppenvergewaltigung ein. Zur Erpressung wird die Vergewaltigung aufgenommen. Einen ähnlichen Fall mit Serienvergewaltigungen durch Freunde  gab es vor einigen Jahren in Deutschland, unter anderem. Es reicht.

Was bleibt zu sagen: Ich glaube ihr.

https://www.iol.co.za/news/world/drunken-sex-video-of-israel-teens-gang-rape-accuser-goes-viral-30119338

https://www.gofundme.com/f/Help-Teen-Victim-Get-Justice-In-Cyprus

 Fundraiser by John Hobbs : Help Teen Victim Get Justice In Cyprus – GoFundMeJohn Hobbs Help Teen Victim Get Justice In Cyprus In the early hours of Sunday the 28th of July 2019, following a week of traumatic events, our daughter was awww.gofundme.com

https://www.theguardian.com/uk-news/2019/dec/30/briton-found-guilty-over-ayia-napa-false-claim-cyprus