Da ist er wieder, der 8. März und der Internationale Frauentag. Der/Die oder andere erinnert sich mal wieder, dass da doch irgendetwas war mit Mädchen- und Frauenrechten. Es werden ein paar Rosen verteilt und man „wünscht“ sich gegenseitig einen guten Frauentag.
Jedes Jahr werden die gleichen Forderungen in den Raum gestellt, von guter Kinderbetreuung über gleiche Bezahlung über Quoten in Aufsichtsräten. Bei manchen findet man auch mal zumindest die Erwähnung von sexueller oder häuslicher Gewalt, konkret wird es jedoch selten. In der Detail-Diskussion stellt sich dann leicht raus, dass die Frauensolidarität leider nicht wirklich weit geht. Dabei ist vor allem interessant, was in den Forderungskatalogen und Aufrufen fehlt:
Wer gegen Rassismus, Sexismus und Kapitalismus ist, darf zu Prostitution und Pornographie nicht schweigen. Denn es sind überwiegend Frauen und Mädchen ethnischer Minderheiten aus den Armenhäusern dieser Welt, die in Deutschland – wie überall anders auch – in der Prostitution ausgebeutet werden.
Generell häusliche und sexuelle Gewalt: Die Resonanz zu diesen Themen ist, selbst in feministischen Kreisen, extrem niedrig. Solidaritäts- und Unterstützungsaufrufe werden kaum geteilt und Aktionen sind spärlich besucht.
Während in vielen Ländern (wieder) Bewegungen gegen Leihmutterschaft entstehen, bleibt es in Deutschland nach wie vor weitgehend ruhig.
Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass im Zuge der Institutionalisierung früherer autonomer Frauenprojekte, diese häufig ihren radikalen Kern verloren haben und weiter verlieren. Es ist in Vergessenheit geraten, welche harten Kämpfe dafür gefochten wurden. Aus Solidaritätsprojekten gegen das Patriarchat wurden Sozialeinrichtungen mit professionellem Personal, welches häufig keinen Bezug mehr zu den Frauenkämpfen von früher hat und sich nicht zwangsläufig (radikal) feministisch verorten muss. (Radikaler) Feminismus ist in Frauenprojekten entbehrlich geworden.
Aus Frauenforschung wurde Gender Studies – statt Geschlechterrollen zu hinterfragen, werden diese von FeministInnen kritiklos reproduziert.
Die LGBTI-Bewegung wird weitgehend von Männern dominiert. Lesben und ihre Kämpfe von früher sind weitgehend unsichtbar und irrelevant.
Die hiesigen Kämpfe der 70er-90er Jahre gegen Reproduktions- und Gentechnik sind weitgehend in Vergessenheit geraten. Bereitwillig partizipieren Frauen daran. Individuelle Wünsche treten mehr und mehr in den Vordergrund gegenüber einer kritischen Betrachtung von vermeintlichem Fortschritt.
Überhaupt: Kritisches Denken wird im Bildungssystem zunehmend abtrainiert. Statt kritisch zu hinterfragen, werden hegemoniale Denkmuster kritiklos übernommen.
Um sich selbst im Lohnarbeitssystem einzugliedern und Karriere zu machen, greifen viele Frauen bereitwillig auf die Ausbeutung von Frauen aus ärmeren Ländern zurück (Beispiel: Pflege von Familienangehörigen).
Feministinnen zelebrieren die Militarisierung von Frauen als befreiend und fortschrittlich, selbst dann, wenn im Hintergrund sexistische und essentialistische Rollenverständnisse stehen (Stichwort: YPG).
Frauenkämpfe aus anderen Ländern sind uns generell nur wenig bekannt, wenn dann meist vorgefiltert durch die Brille von Dritten – eine globale Vernetzung und direkte Kontakte gibt es kaum.
Die Liste könnte endlos weitergeführt werden.
„Wir wollen nicht die Hälfte vom Kuchen. Wir wollen gar nichts von eurem vergifteten Kuchen.“ Gail Dines
Man kann sagen: Große Teil der Frauenbewegung, so man überhaupt noch von einer solchen in Deutschland sprechen möchte, wurden entpolitisiert. Sie wurden in den neoliberalen, kapitalistischen Apparat integriert. Statt Herrschaftsverhältnisse in Frage zu stellen, werden sie bereitwillig mit zementiert.
Es ist an der Zeit, dass wir an den Kämpfen vergangener Zeiten anknüpfen und radikaler werden in unseren Forderungen, vielleicht auch in unseren Methoden.
Wir leben in einer Zeit, in der ziviler Ungehorsam fasst schon verpönt ist und der Wille auch einmal ein Risiko einzugehen extrem gering. Das meint nicht, dass wir uns an der Militanz früherer Zeiten orientieren sollten – die Zeiten sind andere, und das ist nicht unbedingt negativ gemeint.
Es meint jedoch, dass wir entschlossener werden müssen. Wenn wir nur wünschen und fordern, werden wir kaum Schritt halten können mit jenen Kräften, die gegen uns arbeiten.
Feminismus heute kommt überwiegend halbnackt, auf Absätzen und an der Pole-Dance-Stange daher. Statt für Frauenbefreiung zu kämpfen, sollen Frauen „empowert“ werden, sich in das kapitalistische System möglichst geräuschlos einzugliedern. An die Stelle vom Kampf gegen Ausbeutung und Patriarchat ist deren Legitimierung und Bagatellisierung getreten. Frau kämpft gegen gläserne Decken und nicht mehr gegen das System.
Wir müssen aufhören, auf wohlwollende Gesetze und den Staat zu warten und brauchen wieder mehr selbst verwaltete Projekte, in denen konkrete Solidarität geleistet wird. Wir brauchen autonome Räume, in denen wir uns selbst verwirklichen können. Orte, an denen wir kritisch diskutieren können und gemeinsam Lösungen entwickeln für die drängendsten Fragen unserer Zeit.
Nicht zuletzt müssen wir hinter unseren Bildschirmen hervor kommen und wieder raus auf die Straßen. Mit Flugschriften, mit Infotischen und Diskussionsangeboten. Eine neue, echte Bewegung wird es digital nicht geben – sie ist angewiesen auf persönliche Kontakte, Vertrauen und gemeinsame Aktion. Lasst uns Samenkörner an möglichst vielen Orten säen.