Schlagwort: Radikalfeminismus

Privilegierte weiße Akademikerinnen!?

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Ich habe bereits vor einer Weile über den Irrtum des so genannten „intersektionalen Feminismus“ geschrieben, der ein bedeutsames Konzept der Frauenbewegung (das Konzept der Mehrfachunterdrückung) so um-interpretiert, dass plötzlich Frauen, trotz ihrer untergeordneten Position in der patriarchalen Gesellschaft, trotz der hohen Gewaltbetroffenheit völlig unabhängig von sozialer Schicht, etc. als „privilegiert“ erscheinen lässt.

Ich hatte darüber geschrieben, wie das feministische Verständnis und Bewusstsein von Frauen als sozialer Klasse, die Unterdrückung qua Geschlecht erfährt – zumeist ausgeübt über den biologisch weiblichen Körper – zunehmend verloren geht

In den vergangenen zwei Jahren hat sich diese Tendenz weiter fortgesetzt. Immer häufiger begegnet mir die Aussage weiße Frauen, insbesondere weiße Akademikerinnen, seien privilegiert. Genauso, wie ja die Feministinnen der so genannten ersten Frauenbewegung ja auch „bürgerliche“ Frauen mit ganz vielen Privilegien gewesen seien. Wie geschichtsvergessen, verstießen doch viele von ihnen nicht nur gegen gängige gesellschaftliche Konventionen (unverheiratet, nicht selten in Partnerschaften mit Frauen lebend, …) Sie brachen darüber hinaus Tabus, brachten selbstbewusst Themen auf die Agenda, wie Pornographie und Prostitution, über die Frauen nicht öffentlich zu reden hatten – und schon gar nicht in Gegenwart von Männern. Dies war weder genderkonform (der Geschlechterrolle entsprechend), noch und schon gar nicht konsequenzenlos. Viele von ihnen zahlten einen sozialen Preis für ihr Engagement.

Nun jedoch zu den vermeintlich ach so privilegierten weißen Akademikerinnen heute, und nun mal persönlich:

Ja, ich bin weiß und die Migrationsbewegungen meiner Familie bewegten sich in den zurückliegenden sieben Generationen ausschließlich zwischen Deutschland und Luxemburg.

Ja, ich habe einen akademischen Abschluss.

Und damit werde ich vom „intersektionalen Feminsmus“  oberflächlich „privilegiert gelesen“. 

An meinem Abschluss nicht ablesen lässt sich jedoch die Tatsache einer doch recht einfachen sozialen Herkunft – und auch da können wir wieder viele Generationen meiner Familiengeschichte heranziehen: Bauern, Handwerker, vagabundierende und im Wald lebende Holzfäller und Holzhackerinnen, Dienstmägde, Hilfsarbeiter, … und das bis einschließlich der Generation meiner Großeltern. In der Elterngeneration: Volkschulabschluss und Mittlere Reife. Es ist allgemein bekannt, dass erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine allmähliche Bildungsexpansion einsetzte und einige den Sprung in die (heute wieder erodierende) „Mittelschicht“ schafften. Nach wie vor, bis heute, ist jedoch die soziale Herkunft der Eltern nicht unentscheidend für den eigenen Bildungserfolg, wenngleich das Bildungssystem durchlässiger geworden ist als anno dazumal.

Mein Glück war vielleicht, dass ich zum einen sehr viel Support durch das Elternhaus in schulischen Dingen bekam. Unvergessen die frustrierenden Momente, in denen ich vor Klausuren von meiner Mutter abgefragt wurde und alles was ich oben in meinem Zimmer noch gekonnt hatte, ein Stockwerk weiter unten wieder vergessen war. Lernen fiel mir immer nur dann leicht, wenn die Inhalte mich begeistern konnten. Der sanfte „Zwang“ zum Pauken leistete sicher seinen Beitrag. Ein weiterer Faktor war sicher meine generelle Wissbegierigkeit, dass ich grundsätzlich gerne in die Schule ging, viel las – und der schon immer vorhandene Biss selbst gesetzte Ziele auch mit Fleiß und Beharrlichkeit zu erreichen. 

Auch die Zeit auf dem Gymnasium war für mich nicht das reinste Zuckerschlecken. Phasenweise war Mobbing an der Tagesordnung und zu Teilen meines Jahrgangs fand ich bis zum Schluss keinen Zugang: Weder konnte (und wollte) ich mir Markenklamotten leisten, noch konnte ich bei den tollen Geschichten über den alljährlichen Skiurlaub „mithalten“. Meine Eltern sparten das ganze Jahr eisern um uns einmal im Jahr einen Familienurlaub zu ermöglichen. So konnte ich – was fantastisch ist – schon früh sehr viele Länder bereisen. Skifahren war jedoch nie drin. 

Und überhaupt: Mit 12 Jahren habe ich begonnen mein eigenes Geld zu verdienen. Erst ein Taschengeld durch Putzen bei meiner Oma, Austeilen von Werbeprospekten im Dorf (Stundenlohn etwa 1 DM), ab ca. 15 Jahren Weinlese in den Herbstferien, neben dem Abitur dann später Nachtdienste in der Erlebnisgastronomie (mit Kegelclubs und Fussballvereinen zu „all you can Drink“ – ein ganz großes Vergnügen, ihr könnt es euch vorstellen. Sexuelle Belästigungen = Tagesgeschäft). 

Auch mein Studium habe ich mir zu weiten Teilen selbst finanziert, durch Jobs in der Gastro, dann im Baumarkt und später dann im Punk-Mailorder (geilster Job!)- und mehr oder weniger noch meinen damaligen Partner mit durchgefüttert, der zwar wesentlich mehr verdiente, aber bereits am zweiten vom Monat wegen unkontrolliertem Konsumverhalten keine Kohle mehr hatte.

Ich kann mich noch sehr gut an die unzähligen Male erinnern, bei denen wir die letzte Woche des Monats vom Flaschenpfand, Nudeln mit Maggi und granuliertem Eistee gelebt/überlebt haben. Kein Wunder, dass ich die erstmögliche Gelegenheit ergriff gutes Geld zu verdienen – auf Kosten meines Diplomabschlusses, den ich eigentlich schon fast in der Tasche hatte, die Diplom-Prüfungen schon in der Regelstudienzeit absolviert und das Studium dann doch mitten in der Diplom-Arbeit abgebrochen. Den akademischen Abschluss habe ich dann tatsächlich erst einige Jahre später im zweiten Anlauf nachgeholt.

Angesichts der hohen Gewaltprävalenzen bei geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen kann ich nur sagen, dass ich weitgehend Glück gehabt habe. Und auch wenn ich vergleichsweise wenig eigene Gewaltbetroffenheit habe, spielt u.a. die transgenerationale Traumaweitergabe auch in meiner Biographie eine Rolle – und war – aus heutiger Sicht betrachtet – vielleicht völlig unbewusst ein Motor zu meinem Engagement für Frauenrechte und in meiner Arbeit gegen Gewalt gegen Mädchen und Frauen.

Nicht angepasst zu sein und die vorgesehene Geschlechterrolle zu erfüllen, sondern laut für gleiche Rechte und gegen Unterdrückung einzutreten, hat mir wie vielen anderen Feministinnen neben vielen schönen und motivierenden Erfolgen vor allem eins eingebracht: Ausgrenzung, Hatespeech und Bedrohungen. Hier hat sich realistisch betrachtet überhaupt nichts seit der ersten Welle der Frauenbewegung geändert.

Ganz zu schweigen von (meist männlichen) Narzissten, die in mir nicht selten eine Projektionsfläche für ihre  pathologischen Handlungen gefunden haben. Wie extrem belastend so ein Verhalten sein kann, habe ich erst gemerkt, als ich mich diesen toxischen Strukturen (in dem Fall: Parteienpolitik) bewusst entzogen hatte und wieder frei atmen konnte, Nächte nicht mehr von durch Panikattacken geprägten Träumen begleitet wurden. 

Ich möchte jetzt auch gar nicht davon anfangen, wie eine Gesellschaft mit einer ganz bewusst unverheirateten und kinderlosen Frau umgeht. Welche Sprüche und Abwertungen ich mir seit spätestens meinem 30ten Lebensjahr dafür regelmäßig anhören muss, statt einfach anzuerkennen, dass das mein frei gewählter Lebensstil ist. Und wie oft ich schräg dafür angesehen werde, weil ja schließlich irgendetwas mit mir nicht stimmen muss und „irgendwann merkst du, was du im Leben verpasst hast, spätestens wenn die biologische Uhr abgelaufen ist“. – Ähm … NEIN!

Und jetzt habe ich noch gar nicht über meine Kindheit als „Tomboy“ gesprochen und das ständige Gefühl „The Odd One Out“ und durch Beschäftigung mit vermeintlichem „Jungskram“ irgendwie ein „Freak“ zu sein.

Es ist schlicht nicht zu verleugnen, dass fast alle negativen Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen musste, auf mein (biologisches) Geschlecht und Geschlechterrollenerwartungen zurückzuführen sind. 

All das zählt jedoch für den „intersektionalen Feminismus“ nicht. Weiß, Akademikerin, Stempel drauf, fertig. 

Nicht, dass das hier falsch verstanden wird: Ich hadere mit nichts und bin glücklich über mein Leben und meinen Lebensweg, die wertvollen Erfahrungen die ich sammeln konnte – selbst dann wenn sie negativ waren. So abgedroschen es klingt: Alles davon hat mir geholfen zu der Person zu werden, die ich heute bin. 

Aber was ich mir verbitte, ist die Unterstellung eines vermeintlichen Privilegs.

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen der (völlig korrekten) Aussage „Es gibt Frauen, die sind nicht nur als Frau, sondern mehrfach unterdrückt“ und der (schlicht falschen) Aussage, es gäbe privilegierte Frauen im Patriarchat. Einer Gesellschaft, die Männern grundsätzlich mehr Wert zumisst als Frauen. 

Störenfriedas Podcast #4 – Wege zum Radikalfeminismus

Frau mit Faust nach oben

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Bild von María_Alberto auf Pixabay (von uns bearbeitet)

Zunächst: Asche über unser Haupt. Dieser Podcast wurde bereits vor gut einem Monat aufgenommen, weswegen die (internationalen) News nicht zwangsläufig (brand)aktuell sind, aber das tut ja hoffentlich nichts zur Sache. Leider haben wir es zeitlich nicht eher geschafft, ihn für das Web und die jeweiligen Dienste aufzubereiten. Aber nun ist er da :-).

Bei unserem 4. Podcast haben wir uns darüber unterhalten, wie ihr (und wir) euren Weg zum Radikalfeminismus gefunden habt. Dazu hatten wir euch im Vorfeld eine Frage gestellt, auf die ihr in der korrespondierenden Kommentarspalte und auf Instagram geantwortet habt. Einige Antworten haben wir uns herausgepickt (und die Auslese fiel uns denkbar schwer!).

Wir bedanken uns für alle Beiträge, die zu dieser Frage eingegangen sind. Sie haben uns sehr berührt, sehr gefreut und viel Input gegeben, um darüber zu debattieren. Dabei sind auch unsere Erfahrungen eingeflossen.

Natürlich war wieder ein Kater mit an Board, wie sich das nun mal gehört.

Wie immer: Falls ihr etwas skippen möchtet, werft einen Blick in die (anklickbaren) Sprungmarken unten.

Wir freuen uns über eure Rückmeldungen, Kritik und Anregungen für diesen und zukünftige Podcasts. Die könnt ihr uns unten in die Kommentare schreiben oder via Facebook und Twitter oder Instagram übermitteln.

Thema des nächsten Podcasts:

Unser nächster Podcast wird sich der Frage widmen, welche feministische Lieblingsliteratur ihr habt. Dazu haben wir einen Blogpost mit genau dieser Frage an euch veröffentlicht.

Gute Unterhaltung!

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Unsere Frage der Woche: Wie seid ihr zum Radikalfeminismus gekommen?

Wie in unserem jüngsten Podcast angekündigt:

Diesmal interessiert uns euer Weg zum Radikalfeminismus (not the fun kind):

Wie habt ihr den denn für euch entdeckt? Ward ihr schon immer Radfem oder habt ihr zunächst (wie viele von uns) den Umweg über den Liberal-Feminismus oder andere feministische Strömungen (falls ja, welche?) genommen?

Gab es ein bestimmtes Thema, welches euch zum Umdenken gebracht hat?

Oder sympathisiert ihr zwar mit dem Radikalfeminismus, habt aber an bestimmten Punkten einen für euch entscheidenden Dissens?

Vielleicht lest ihr aber auch nur interessiert mit, könnt aber mit Radikalfeminismus eigentlich so gar nichts anfangen?

Oder ihr pickt euch aus verschiedenen feministischen Richtungen die für euch passenden Analysen und wollt euch gar nicht so recht festlegen?

Wir sind schon jetzt sehr gespannt auf eure Erfahrungen und Meinungen.

In der nächsten Folge unseres Podcasts besprechen wir den Unterschied von Radikalfeminismus zu anderen Feminismen und möchten dort sehr gerne auch eure Erfahrungen einbringen.

Der Radikalfeminismus in Deutschland ist erstarkt

Woman Power Symbol, Feminist Fist

Public Domain C00

Als wir im Jahr 2014 diesen Blog gründeten, geschah dies u. a. aus der gemeinsamen Wut gegen die bestehenden Zustände und weil wir uns in dem, was die feministische Landschaft in Deutschland uns bot, nicht (mehr) aufgehoben und vertreten fühlten. Einige von uns waren lange Zeit sehr intensiv in linken Zusammenhängen unterwegs, um letztlich festzustellen, dass auch hier eine radikale Kritik am Patriarchat lediglich einen weißen Punkt auf der politischen Landkarte bildete.

Der liberale Feminismus und der Queerfeminismus dominierte die Debatten, ließ aber keine Differenzen zu und gab die Meinungen vor, die die Feministin von heute zu den Kernthemen zu haben hatte: Prostitution und Pornografie z. B. galten und gelten hier u. a. als Ermächtigungstool oder als Ausdruck (vermeintlich) weiblicher sexueller Befreiung. Dass aus beiden Institutionen die Unterdrückung der Frau als Klasse nur so herausschreit, stieß und stößt auf taube Ohren. Schließlich sollte es darum gehen, das Patriarchat nicht etwa abschaffen zu wollen und es radikal zu analysieren, sondern sich möglichst gemütlich darin einzurichten: Empowerment und Choice als Wohlfühlkonzepte und individuelle statt universelle Werte. Wie viel eine Frau unterdrückt wird, das bestimmt sie einfach selbst: ganz schön praktisch.

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Cis mit *

Von Elisabeth-Elstop

Vorbemerkung: Es geht hier nicht um * für diverse Personen, also nicht um * für intergeschlechtliche. In deren Selbstbezeichnungen möchte ich mich in voller Solidarität nicht einmischen.

Es geht um das *, wenn es Frauen, die weder intergeschlechtlich sind, noch sich als irgendetwas anderes sehen als Frauen, aufgezwungen wird. Es geht um das „Cis“, das uns aufgezwungen wird.

Mit „Frauen“ sind in diesem Text die Menschen gemeint, die nicht zu den „Penisgeborenen“ gehören. Der Begriff „Penisgeborene“ ist nicht gerade poetisch, aber diejenigen, die für meinesgleichen „Uterusmensch“ oder „Endosexuelle“ oder „Menstruierende“ für angemessen halten, wenn der Begriff „Cisfrau“ dann doch ein paar häufig gegebene körperliche Merkmale oder Aktivitäten nicht abdeckt, haben sicher Verständnis dafür. Dieser Text bezieht sich auf Frauen und, falls gewünscht, auf diejenigen intergeschlechtlichen Menschen, die ihr Leben von Anfang oder von sehr früher Jugend an als Frau gelebt haben und die sich von „Frau“ nicht wegdistanzieren wollen. Penisgeborene, also solche mit Penis oder Penishintergrund, sind mit diesem Begriff in diesem Text nicht gemeint. Vielleicht verstehen Einige, die jetzt noch davon abgestoßen sind, nach der Lektüre des Textes, warum nicht.

Frau* oder Cisfrau oder die Farce, sich doch Pronomen einfach auszusuchen, haben als Begriffe bzw. Praktiken vier Bedeutungen, die sich aus dem Ansatz hinter ihnen ergeben. Das * soll u.a. auf „Konzeptionierungen“ oder Selbstbezeichnungen hinweisen. Doch es geht um mehr.

Dass aus dem Körper eines Menschen, auch aus dem geschlechtlich bestimmten Körper, nicht auf Fähigkeiten oder Eigenschaften geschlossen werden kann, ist Grundverständnis im Feminismus.

Das * oder das „Cis“ drücken aus, dass sich die einzelne Frau zwar (noch) als „Frau“ bezeichnen darf, aber nur unter der Bedingung, dass es eben mehrere „Konzeptionen“ davon gibt, nur unter der Maßgabe, dass sie sich selber nicht in diesem Begriff als Norm sieht. Denn Gott und Kaiser samt Vaterland bewahret, dass diese Wesen – Frauen! – sich irgendwo als Norm setzen.

Mit * oder als „Cisfrau“ (oder den „selbst ausgesuchten“ Pronomen) bleiben mir nur diese Möglichkeiten:

  • Ich erkenne an, dass ich nicht das Recht auf Normsetzung habe, nenne mich wie gefordert und akzeptiere damit meine eigene Unterdrückung. Das ist unattraktiv.
  • Ich erkenne an, dass ich in dieser Gesellschaft als Frau erkannt werde, weil ich den gesellschaftlichen Klischees oder Erwartungen zu „Frau“ entspreche. Der Körper der Frau darf ja als Referenzpunkt nicht genannt werden, also bleiben Klischees samt sozialer Rolle, wenn ich das * oder das „cis“ akzeptiere, identifiziere ich mich mit diesen gesellschaftlichen Klischees und dieser Rolle. Das ist eine Definition, die aus jedem Akt geschlechtsspezifischer Gewalt oder Diskriminierung ein (Cis-) Privileg macht.
  • Demgegenüber wird gesagt, dass ich individuell den Begriff „Frau“ für mich ja definieren kann, wie ich will, dass ich mich ja so nennen kann, wenn, wann und wie ich will, und alle anderen auch – um den Preis der Bedeutungslosigkeit der Lautfolge <frau>. Darauf lässt sich keine politische Bewegung gründen.
  • Die vierte Möglichkeit, die mir vor allem mit dem * bleibt, ist die Distanzierung nach dem Motto, dass Manche mich für eine „Frau“ halten mögen, ich mich aber anders empfinde – ein Akt der Entsolidarisierung und Klischeezuweisung an andere.
    Auch darauf lässt sich keine Bewegung gründen.

Im besten Fall landen wir damit, was unsere Rechte als Menschen angeht, im allgemein humanitären Bereich, und dass das für Frauenrechte nicht ausreicht, hat sich die letzten 7000–10000 Jahre und auch die letzten 7–10 immer wieder gezeigt.

Im schlimmsten und im wahrscheinlicheren Fall landen wir da, wo wir die letzten 7000–10000 Jahre immer wieder hindelegiert wurden: Im sprachlosen Bereich.

Auch darauf lässt sich keine politische Bewegung gründen.

Deswegen, und da capo, da capo, da capo crescendo –

zur Wiederholung folgende Feststellungen zu unserer Gesellschaft:

Radikaler Feminismus geht davon aus,

… dass die Benachteiligung und die Unterdrückung von Frauen eine gesellschaftliche Entscheidung nach Blick auf unseren Körper ist, eine Rollenzuweisung und eine Positionsanweisung in einer hierarchischen Gesellschaft und nicht eine Folge unserer Selbstzuschreibung, und dass wir davon auch nicht durch Abschaffen der Analysekriterien und einem Verschieben von Begriffen wegkommen.

… dass die Sozialisation von Frauen, die bis in konkrete Körpererfahrungen reicht, eine andere ist als die Sozialisation anderer Personen und dass daher die ohne Penis geborenen nach wie vor das Recht auf eigene Räume haben müssen – und auf eigene Definitionen in politisch tragfähigen Begriffen, die mehr zum Ausdruck bringen als allgemein humanitäre Anliegen und etwas anderes als die Akzeptanz unserer Unterdrückung.

… dass unsere pausenlose Sozialisation als mütterliche, verständnisvolle, nährende und bescheidene Personen, als nützliche Idiotinnen, die sich um alles kümmern, außer sich selber, unserer Befreiung im Weg steht und wir daher eigene Räume nach wie vor brauchen, Räume ohne die Profitierenden der jetzigen Ordnung, deren Privilegierung in der Akzeptanz sämtlicher Forderungen uns gegenüber dokumentiert ist, unabhängig von anderen Problemen oder Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt sind. 

… dass wir anderen keine eigenen Räume streitig machen und keine individuelle Selbstbezeichnung, aber auf unseren Räumen und Begriffen bestehen. Das bedeutet auch einen Begriff „Frau“, der nicht jede Person einschließt, die das fordert.

Die Alternative zu diesen Forderungen können wir in der Entwicklung des LFT – des Lesbenfrühlingstreffens – ablesen. Es ist die gleiche Entwicklung, die JEDER Frauenraum und jede Fraueninitiative genommen hat, die sich geöffnet hat.

Am Anfang waren nur einzelne Männer da, bei Lesben einzelne Trans, die zunächst noch vorsichtig und solidarisch waren. Einige blieben und bleiben es auch. Gleichzeitig bedeutete sowohl die Sozialisation vieler dieser Männer und Transfrauen als auch die der Frauen eine Marginalisierung, ein Zurückdrängen, ein Verschieben der Frauenthemen und entsprechender Anliegen, ein ewiges Platzmachen, ein braves Zuhören durch die Frauen.

Im nächsten Schritt waren diese Männer und sind jetzt die Transfrauen erheblich prominenter vertreten – in den Vorständen, den entscheidenden Gremien, in der Vertretung nach außen, bei Entscheidungen nach innen – sie sind nicht nur informell maßgeblich, sondern bereits formell angekommen und dominieren jetzt die gesamte Struktur des Raumes oder der Gruppe.

Im letzten Schritt ist aus einer feministischen Initiative oder einem Frauenraum mit frauenpolitischen Schwerpunkten einfach eine weitere allgemeine Initiative geworden. Sei es bei den Gewerkschaften, sei in den Parteien und sei es bei Queer. Das Mittel dazu war immer der Verlass auf unsere Sozialisation und das Einschwören auf „gemeinsame“ Ziele, die Behauptung, dass wir „gemeinsam“ doch viel stärker sind.

Trans* sind durch Übernahme und Kolonisierung des Feminismus tatsächlich stärker. Ohne Feministinnen wären sie eine winzige Splittergruppe.  Bei Konservativen, Reaktionären und Rechten hat der jetzige, aggressive Transaktivismus nichts zu holen, da diesen Leuten der Blick auf die Zusammenhänge fehlt um zu verstehen, wie sehr ihre Anliegen durch diesen Aktivismus eigentlich bedient werden. Also sichern sich Trans die Linke und die Grünen und Antifa-Gruppen. Feministinnen haben bei den Linken nur oberflächliche Freunde, mehr als Zugang zu Abtreibungen und folgenlose Ablehnung allzu offener Gewalt ist selten drin. Der Gedanke, dass es den lauten Frauen endlich an den Kragen geht, jetzt, wo es bei Gleichstellungen nicht mehr „nur“ um Frauen geht, lässt die linke Blogosphäre richtiggehend schnurren, jauchzen und frohlocken.   

Was passiert, wenn Frauen weiterhin einen Fokus auf Frauenthemen und Solidarität einfordern, konnten wir bei Michfest sehen, wir können es bei den Dykemarches sehen – eine gerne akzeptierte, weit unterstützte oder, falls die Taktiken zu sehr auffallen, geflissentlich übersehene Kampagne der Verleumdungen und der Gewalt beseitigen diese Veranstaltungen oder entstellen sie bis zur Unkenntlichkeit. Hierzulande dient der schnelle aalglatt hingeworfene Satz der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ als Einschüchterungstaktik. Die wirkt, auch wenn es absurd ist, wenn Bedenken zu eigenen Räumen und Sprache damit bedacht werden und noch absurder, wenn ausgerechnet denen, die sich für links halten, nicht anderes einfällt als „Feminazi“ ….

Was hier leider auch im Feminismus verwechselt wird, ist solidarisches Handeln mit Selbstaufgabe, Solidarität mit Zulassen von Übernahme bzw. Kolonisierung. Sich mit Trans* gegen die AfD zu stellen, geht auch ohne Aufgabe unserer Räume und Sprache. 

Dass unsere Solidarität immer nur eine Einbahnstraße ist, können Frauen immer dann beobachten, wenn wir nicht sehr dezidierte und laute Forderungen stellen, wenn wir nicht damit drohen, unsere Solidarität und Unterstützung von einer Berücksichtigung auch unserer Belange abhängig zu machen. Wenn wir unsere Forderungen nicht aufgeben, führt das hin- und wieder zu ermutigenden Ansätzen, Erlebnissen – die Entwicklungen, wenn wir das nicht tun, haben wir immer wieder und wieder gesehen.

Lesbische Zustände 2018

Es ist etwa Halbzeit 2018: Einige Lesbenevents liegen hinter, einige noch vor uns. Ich blicke mit gemischten Gefühlen auf die lesbische Landschaft in Deutschland. Einerseits ist ein Wiederaufflammen, ein Bewusstsein für die Bedeutung lesbischer Sichtbarkeit und Räume, eine Repolitisierung auszumachen. Auf dem LFT (Lesbenfrühlingstreffen) in Göttingen sprachen etliche ältere Lesben davon, sie hätten endlich wieder Hoffnung, dass sich jüngere Generationen aufmachen, ihr Erbe weiterzutragen. Viele junge Frauen standen an den Mikros, äußerten ihre Meinung, setzten sich aktiv ein für die Gestaltung ihrer Lesbenräume. Lesbische Sichtbarkeit ist in aller Munde, es werden zahlreiche neue Dyke Marches initiiert, es tut sich etwas, ist in Bewegung.

Und doch gibt es ein Aber. Obwohl neue (scheinbare) Lesbenorte geschaffen und alte wiederbelebt werden, sind sie eben in weiten Teilen nicht das, was aus radikalfeministischer Sicht Lesbenorte sind. Denn sie alle sind schon längst keine Frauenräume mehr. Transidentifizierte Männer sind selbstverständlich nicht nur „mitgemeint“ (denn mitgemeint werden ja nur Frauen), sondern explizit willkommen geheißen. Diese Haltung ist gerade in Lesbenräumen fatal: Etliche Lesben haben sexuelle Gewalt überlebt und in Lesbenräumen sichere Orte für sich gefunden. Wenn diese Orte für Männer geöffnet werden, sind sie nicht mehr sicher für Frauen. Wir können uns nicht mehr frei bewegen und nicht mehr frei sprechen. Lesbenorte, an denen ständig Männer und ihre Befindlichkeiten Thema sind, darüber diskutiert wird, ob Lesben Frauen sind und Heteras sich als Lesben identifizieren: Es ist absurd, wozu Queer-Politik führt.

Ebenfalls mit gemischten Gefühlen blicke ich auf die Debatte über lesbische Sichtbarkeit. Lesbische Sichtbarkeit ist wichtig, aber sie kann nicht das Hauptziel sein. Es geht doch vor allem darum, aus welchen Gründen und Motivationen heraus Frauen lesbisch leben. Auf welche Weise sie lesbisch leben. Sind sie politische Lesben oder leben sie nur scheinbar zufällig mit Frauen zusammen, ansonsten aber ganz patriarchatskonform? Und: Wie geht es weiter nach der Sichtbarkeit? Sind wir zufrieden, wenn wir sichtbar sind? Endet damit die Gewalt gegen Frauen, Mädchen und Lesben? Können wir so frei sein? Erlangen wir so unsere Räume zurück? Letzteres vielleicht. Wobei sich hier die Frage stellt, wer die Definitionshoheit über die Bedeutung der Wörter „Frau“ und „Lesbe“ hat. Wenn wir uns die Dyke Marches anschauen, die fast ausschließlich Sternchen im Namen tragen (und selbst wenn sie es nicht tun, was fast noch schlimmer ist, Männer selbstverständlich mit einschließen) und die Beschreibung tragen „for pan, bi and queer girls*“ (Lesben kommen also entweder gar nicht oder als einige von vielen vor), lässt sich die Frage schnell beantworten: Natürlich entscheiden im Patriarchat Männer darüber, was Begriffe bedeuten und wie Frauen sich organisieren dürfen.

Aber es gibt auch die andere Seite: ein Erstarken radikalfeministischer Analyse auch und vor allem unter jüngeren Frauen. Es handelt sich nämlich weniger (wie oft behauptet) um einen Generationen- als vielmehr um einen Ideologiekonflikt. Ich war dieses Jahr zwei Mal bei radikalfeministisch-lesbischen Treffen an einem reinen Frauenort und habe mich zum ersten Mal richtig zu Hause gefühlt. Es gibt sie doch- die Orte, an denen radikalfeministische Frauen (und zwar jeden Alters) unter sich sein können, mit allem, was das beinhaltet: von politischen Workshops zu Zwangsheteronormativität und patriarchaler Psychotherapie über körpernormierungsfreie Bewegungsmöglichkeiten bis hin zu abendlichen Sonia Johnson-Lesekreisen und feministischen Liedern am Lagerfeuer. Das alles, ohne sich über männliche Befindlichkeiten Gedanken machen zu müssen. Ohne sich in ständiger Angst vor Objektifizierung und Gewalt bewegen zu müssen. Es gibt sie, die Orte der Heilung, des Ankommens, des Zu-sich-Findens. Das traurigste daran ist wohl die Erkenntnis, dass es viel mehr dieser Orte geben könnte, wenn sich die feministische Landschaft anders gestalten würde. Das schönste ist das Wissen darüber, dass wir zurückkehren können an diese Orte, wenn wir sie brauchen. Zum ersten Mal seit langem habe ich das Gefühl, dass sich etwas bewegt in meinem Leben, über die Analyse hinaus: Ich habe Schwestern kennengelernt, von denen eine Kraft ausgeht, die mir Kraft gibt. Ich habe eine Idee davon bekommen, was entstehen kann, wenn Frauen sich zusammentun.

Auch das LFT diskutiert gerade darüber, ob es nächstes Jahr ein LFT mit Sternchen geben soll. Ein Grund, pessimistisch zu sein? Vielleicht. Doch ich weiß inzwischen, es gibt viele alte Lesben, die mit ihrer Meinung nicht hinter den Berg halten, die laut kämpfen für ihre Räume, die sich nicht so schnell von Männern und patriarchalen Kleinhaltungsstrategien einschüchtern lassen. Und das Beste ist: Es sind nicht mehr nur alte Lesben, die das tun, sondern auch immer mehr junge. Wir werden uns vernetzen, wir werden laut sein. Ihr habt die Rechnung ohne uns gemacht.

Die diskriminierenden oder die diskriminierten Lesben? Erfahrungsbericht einer Lesbe im Radikalfeminismus

Radikaler Feminismus. Endlich ankommen und verstanden werden nach zunehmenden Anfeindungen und Überwerfungen im Queerfeminismus. Mein Hafen.

So ging es mir lange Zeit. Doch es gibt einen Streitpunkt, der mir zunehmend an die Substanz geht. Manchmal frage ich mich, ob ich noch richtig bin im radikalen Feminismus.

Schon als ich vor einigen Jahren Radikalfeminismus für mich entdeckte, gab es immer wieder Diskussionen, in denen einige Frauen von einem „lesbischen Feminismus“ berichteten. Mich interessierte das damals nicht besonders, denn ich hätte mich zu der Zeit nicht als Lesbe bezeichnet. Außerdem verstand ich nicht, was das sollte. Wir im Radikalfeminismus kämpfen doch für alle Frauen, wofür da ein eigener lesbischer Feminismus?

Dann lernte ich Lesben kennen, erst online und dann auch ganz in echt. Diese Lesben erzählten davon, wie unsichtbar sie sich oft fühlten, auch in radikalfeministischen Kontexten. Ständig gehe es nur um Hetera-Sex und wie Heteras es vereinbaren können, Feministin zu sein und trotzdem Männer zu lieben. Lesben? Achso, naja klar, die gibt’s halt auch, will ja auch niemand bestreiten. Aber sie müssen sich schon bemerkbar machen, von alleine denkt niemand an sie.

Ich merkte zunehmend, dass ich mich in lesbischen Kreisen sehr wohl fühlte. Ein wenig fehl am Platze, denn ich hielt mich ja zu der Zeit für keine Lesbe, aber irgendwie sehr geborgen. Mir gefiel es so fantastisch, dass sich die Debatten nicht ständig um Männer drehten, sondern einzig und allein Frauen im Zentrum standen. So hatte ich mir Feminismus immer gewünscht.

Irgendwann war ich dann mal wieder auf einer Frauenveranstaltung, die überwiegend von Heteras besucht wurde. Eine Frau sprach von „ihrem Mann“ und ich war einen Moment lang völlig irritiert. Ich war so sehr in lesbische Veranstaltungen involviert gewesen, dass ich ganz vergessen hatte, dass es auch Hetera-Feministinnen gab.

Ungefähr ab diesem Zeitpunkt fing ich an, mich in bestimmten radikalfeministischen Kreisen unwohl zu fühlen. Diskussionen gelangten immer wieder an den Punkt, an dessen Ende die entscheidende Frage stand, ob sich radikaler Feminismus und (Liebes-) Beziehungen mit Männern ausschließen. Die meisten Heteras sagten Nein, viele Lesben Ja, und nicht selten lieferten sich beide Seiten eine Schlammschlacht.

Ich wollte der Sache näher auf den Grund gehen und begann, in klassischer feministischer Literatur nach Anregungen zu suchen. Neben Sheila Jeffreys war es auch Simone de Beauvoir, die bei mir für ein entscheidendes Aha-Erlebnis sorgte. Sie führt in „Das andere Geschlecht“ aus, warum es für Frauen so schwer bis unmöglich ist, sich aus ihrer Unterdrückung zu befreien. Ihre Antwort ist ebenso simpel wie grandios: Weil Frauen die einzige unterdrückte Gruppe sind, die sich mit ihrem Unterdrücker stärker solidarisieren als mit ihren Schwestern. Während sich etwa JüdInnen oder PoC (People of Colour) viel stärker zusammenschließen (sowohl räumlich als auch emotional), leben Frauen mit Männern zusammen – freiwillig. Keine Person of Colour würde freiwillig mit einem Rassisten ihr Leben teilen (und ja, mir ist klar, dass dieser Vergleich hinkt, weil Männer im Gegensatz zu Rassisten nicht alle Arschlöcher sind – not all men und so, aber ich glaube, der Grundgedanke wurde klar). Wer dieses Prinzip durchdrungen hat, versteht auch, warum Heteronormativität so immens wichtig ist, um das Patriarchat aufrecht zu erhalten. Denn nur so kann das System funktionieren: durch die Selbstzerfleischung zwischen Frauen gepaart mit der Liebe von Frauen zu Männern.

Als ich den Artikel „Politisch und sexuell? Lesbisch!“ veröffentlichte, wurde ich von verschiedenen Heteras angegangen, die sich (wahlweise von mir persönlich oder gerne auch allgemein von „den Lesben“) diskriminiert fühlten. Klar, Lesben diskriminieren Heteras. Strukturelle Analyse lässt grüßen. Mir fällt dazu ein: Getroffene Hunde bellen. Auch ich kenne das. Es gibt Männer, die mir wichtig sind (woran ich auch nichts ändern möchte) und deren Verhalten ich oft nicht mit meinen Überzeugungen vereinbaren kann. Wenn mich jemand darauf anspricht, bin ich getroffen. Weil mir diese Männer wichtig sind. Mir ist das bewusst. Manchmal finde ich es blöd, manchmal nicht so schlimm, aber es ist mir bewusst: Mein feministischer Anspruch und meine Lebensrealität sind oft widersprüchlich.

Ich denke dann oft an die Analogie des Beine-Rasierens: Viele radikale Feministinnen kritisieren es, wenn Frauen äußern, sie würden sich ja gar nicht für Männer rasieren, sondern fänden es eben an sich selbst schöner so. Zu Recht, denn diese Darstellung lässt außer Acht, dass wir alle patriarchal sozialisiert wurden, d. h. wir lernen alle von klein auf „Haare an Frauenkörpern sind eklig“. Und mit einer heteronormativen Sozialisation verhält es sich eben ganz genauso. Fast alle denken bei dem Wort „Sex“ an PiV (Penis in Vagina) – selbst viele Lesben. Aber Sexualität ist so viel mehr. Uns wird so oft vermittelt, wir müssten doch irgendwie tief in uns spüren, zu welchem Geschlecht wir uns hingezogen fühlen. Plump formuliert: ob uns nun Penisse oder Vulven antörnen. Das ist ein hochgradig patriarchaler Gedanke. Weil das Patriarchat eben durch Heteronormativität und solche Vorstellungen von Sexualität und körperlicher Anziehung funktioniert.

Berichte von lesbischen Feministinnen aus den 70er-Jahren können gerade jüngeren Frauen dabei zum Beispiel sehr die Augen öffnen. Es ging nicht hauptsächlich darum, als Frau Sex mit Frauen zu haben, sondern vielmehr darum, gemeinsam zu wohnen, Frauen das eigene Leben zu widmen, sie zu lieben (und ich gebe hier jetzt bewusst keine Definition von Liebe). All das ist lesbisches Leben und Wirken.

Ich schaffe es übrigens auch nicht, mich nicht zu rasieren. Mir ist aber völlig klar, dass das ein Widerspruch und nicht mit meiner feministischen Grundhaltung zu vereinbaren ist. Ich deute das nicht um und erzähle Menschen, Beine rasieren wäre ein feministischer Move. Nicht alles, was ich tue, ist feministisch, und das ist wohl bei uns allen so. Wichtig finde ich, das für mich selbst zu wissen, zu reflektieren, mich immer wieder zu fragen, warum ich mich mit welchen Menschen umgebe oder bestimmte Dinge tue (ob ich sie dann ändere, ist dann erst die zweite Frage). Lesben anzugreifen ist jedenfalls so ziemlich der unfeministischste Akt, den es gibt.

Radikale Feministin zu sein und gleichzeitig lesbisch zu leben, ist oft kein Zufall, sondern eine logische Konsequenz –  die praktische Umsetzung einer Theorie, wenn man so möchte. Denn beides gründet sich in der Liebe zu Frauen.

Im radikalen Feminismus fühle ich mich oft nicht zu Hause, weil Lesben nicht selten mindestens ausgeklammert werden, während mir der lesbische Feminismus oft zu wenig radikalfeministisch ist. In reinen Lesbengruppen gibt es häufig keinen Konsens über Prostitution und die Transthematik, wie er sich im Radikalfeminismus findet. Zwar ist kontroverser Meinungsaustausch prinzipiell immer zu begrüßen, aber oft beginnen Diskussionen dann, sich im Kreis zu drehen und ich habe häufig einfach keine Lust, zum tausendsten Mal erklären zu müssen, warum Prostitution Gewalt gegen Frauen ist.

Ich glaube, ich muss mich damit abfinden, dass ich nirgendwo wirklich dazu gehöre. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so schlecht. Denn wenn man von allen Seiten Zuspruch erfährt, ist das meist ein klares Indiz dafür, dass man den Status Quo stützt.

Celestine Ware: Schwarzer Feminismus

Woman Power Emblem Red

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Cel(l)estine Ware war eine schwarze radikalfeminsitische Aktivistin, Autorin (z.B. von „Woman Power: The Movement for Women’s Liberation“)und eine der Gründerinnen der New York Radical Feminists. Bei dem nachfolgenden Artikel handelt es sich um Auszüge eines Textes aus der Anthologie Radical Feminism, herausgegeben von Anne Koedt, Ellen Levine, Anita Rapone. Der vollständige Text kann hier gelesen werden.

Die Ablehnung von schwarzen Frauen durch schwarze Männer ist ein Phänomen, welches sich am besten durch den Hass der schwarzen Männer auf das Schwarzsein und durch das Bedürfnis zu dominieren, welches den männlich-weiblichen Beziehungen zugrunde liegt, erklären lässt. Als solche, ist diese Ablehnung eine exzellente Untersuchung für Feministinnen. … Die Reaktion der schwarzen Männer ist der Vorläufer dessen, dem sich alle Feministinnen gegenüber sehen werden, wenn sie an Stärke gewinnen. Sobald Frauen anfangen Positionen der Gleichheit mit Männern anzunehmen, wird ihnen bösartige Gewalt entgegen schlagen, genau wie die, die gerade von schwarzen Frauen ertragen wird. Sie werden auch feststellen, dass Männer sie zugunsten von „feminineren“ Frauen ablehnen werden. […]

Wenn es einer schwarzen Frau gelungen ist, was selten der Fall war, eine prominente Position zu erkämpfen, wurde ihr das bitterlich krumm genommen von den schwarzen Männern. [… ] Dennoch hat die Geschichte schwarze Frauen unabhängiger als die meisten amerikanischen Frauen gemacht. Da sie nicht vom schwarzen Mann abhängig sein konnten in Bezug auf ihre finanzielle Absicherung oder ihren Schutz, haben sie keine Angewohnheit zur Unterordnung unter die männliche Autorität erworben.  Aufgrund dieses Versagens eine  Unterwürfigkeit zum Mann zu entwickeln, werden schwarze Frauen sowohl von schwarzen Männern aus der Unter- als auch Mittelschicht herabgesetzt. Der schwarze Mittelschichts-Mann, wie Mr. Hernton, betrachtet die schwarze Frau als dominant und kastrierend:

„Wiederholt wurde ich Zeuge davon wie Negro Frauen ihre weißen Ehemänner regelrecht dominiert haben. […] In allen außer ein paar wenigen schwarze Frau – weißer Mann – Beziehungen ist es der Mann der sich anpassen muss […]“  […]

Der Unterschichts-Schwarze sieht schwarze Frauen als Bitches an. Der Wohlfahrtsstaat hat die arme Frau ökonomisch unabhängig von den Männern, die in ihr Leben kommen und gehen und auf die sie sich nicht verlassen konnte, gemacht. Arme schwarze Männer beklagen sich darüber, dass ihnen gesagt wird „Verpiss dich! Und komm nicht wieder, bevor du nicht einen Job hast!“ Es gibt einen Antagonismus zwischen schwarzen Männer und Frauen, vor allem in den ärmeren Segmenten der Community. Die Frauen verachten die Männer dafür, dass diese nicht in der Lage sind Arbeit zu finden und für ihre Familien zu sorgen, oder dass sie ihr Geld beim Glücksspiel verzocken oder an andere Frauen oder für Alkohol verschleudern. Die Männer fluchen über die Frauen, weil die nicht feminin sind und Trost spenden.

Der Fehler, den sowohl SoziologInnen als auch die schwarzen Männer machen, ist die Annahme, dass diese Frauen es gewählt haben Kopf ihrer Familien zu werden. Sie wurden standardmäßig zu Haushaltsvorständen – weil sie die einzigen in ihren Familien sind, die Verantwortung zeigen. […]

Es ist der Druck der Armut und des Lebens im Slum, die die schwarze Familien zerreiben  und die Rolle des Mannes als Vater und Beschützer zerstören. Es ist dieser Druck, nicht die schwazrne Frauen, die Männer mit Selbstvertrauen zu Helden des Ghettos machen. In Harlem, in Watts, in Hough, gewinnt der angebetete Mann das Spiel: er kleidet sich schrill, hat eine Reihe von Freundinnen und keinen richtigen Job. Er kommt mit einem bisschen von diesem und einem bisschen von jenem über die Runden. Für den armen Mann bedeutet die traditionelle Rolle des Haushaltsvorstands keine Vergrößerung des Egos. Ökonomischer und sozialer Rassismus zwingen ihn in dieser Rolle inadäquat zu sein.  Deshalb wurde die schwarze Bitch kreiert, um den Schwindler zu rechtfertigen.

Fletcher Knebel zufolge war es Abbey Lincoln, die erstmalig den aktuellen (noch unorganisierten) Unmut schwarzer Frauen verbalisierte […]: „Wir sind die Frauen, deren Nase „zu groß“ ist, deren Mund „zu groß und vorlaut“ ist, deren Hinterteil „zu groß und breit“ ist, deren Füße „zu groß und platt“ sind, deren Gesichter „zu schwarz und glänzend“ sind, die einfach für jeden verdammt noch mal „zu“ sind.“ Sie bezog sich dabei auf Sapphire, die Amazone in der Vorstellung schwarzer Männer. […].

Kürzlich sagte ein schwarzer Lehrer: „Für den schwarzen Mann ist die schwarze Frau zu sehr wie seine Mutter. Er empfindet sie als dominant, rechthaberisch, als eine Frau, die den Laden schmeißt. Er möchte jedoch eine begehrenswerte, einfache Sexkumpanin, und die findet er in der weißen Frau.“ Was wird passieren, wenn diese begehrenswerte weiße Puppe zur Realität wird? Vielleicht wird sie zurückgewiesen für eine unbeschwerte Orientalin? […]

Angst und Furcht lassen den schwarzen Mann die „böse“ schwarze Frau konstruieren. Derzeit hat die „schwarze Bitch“ ziemlich wenig mit der tatsächlichen schwarzen Frau zu tun […]. Die Zitate legen nahe, dass die Männer die da reden kaum ernsthaften Kontakt zu irgendwelchen Frauen haben. […] Ich vermute, dass die schwarze Literatur zunehmend aus giftigen Angriffen auf die böse schwarze Mutter bestehen wird, wenn schwarze Männer zunehmend Machtpositionen übernehmen.

Robert Jensen: The End of Patriarchy

Robert Jensen: The End of Patriarchy

Interessanterweise höre ich in regelmäßigen Abständen (und immer häufiger), dass meine Facebook-Posts oder radikalfeministischen Statements einen konkreten Nutzen durch Denkanstöße für männliche Freunde haben, bzw. sie – für sich ganz persönlich – mit „meinem Feminismus“ etwas anfangen können. Daran wurde ich immer wieder bei der Lektüre von Jensens „Das Ende des Patriarchats. Radikaler Feminismus für Männer“ erinnert.

Man könnte angesichts des Titels versucht sein zu glauben, dass der amerikanische Journalismus-Professor und „Culture Reframed“-Aktivist Robert Jensen hier ein „Ich erkläre euch mal den Feminismus“-Buch vorlegt hat – aber das ist weder sein Anspruch, noch sein Ziel. Vielmehr geht es ihm darum, aus seiner männlichen Position heraus, zu erläutern, warum radikaler Feminismus für ihn als Mann einen unschätzbaren Wert hat. Oder wie Autor Jeffrey Masson sagt: Es ist kein „Mansplaining“-Buch, sondern das Gegenteil davon: ein „Mann-hört-auf-Frauen“-Buch. Wer also tiefgreifende radikalfeministische Analysen lesen will, sollte nach wie vor (und sowieso) zu den Klassikern greifen.

Freimütig räumt Jensen im Vorwort ein, dass sich in ihm zunächst alles gegen die feministische Analyse gesträubt hat, dass jedoch irgendetwas in ihm wollte, dass er weiterliest – seine Hauptmotivation war geprägt von Eigennutz, der Suche nach einem Ausweg aus dem ständigen Wettkampf „ein Mann zu sein“. (S. 3) Jensen nutzt die feministische Theorie, um seine Erfahrungen in einer sexistischen Gesellschaft (den Vereinigten Staaten von Amerika) für sich erklärbar zu machen (S. 16). Er sieht seine Aufgabe als privilegiertes Mitglied der herrschenden Gruppe darin, die Ergebnisse seines Selbstreflektions-Prozesses öffentlich zur Diskussion zu stellen (S. 17).

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Catharine MacKinnon: Von der Praxis zur Theorie, oder: Was ist überhaupt eine „weiße“ Frau

No machine-readable author provided. Crunk~commonswiki assumed (based on copyright claims). [Public domain], via Wikimedia Commons"

Nachfolgend die Übersetzung von Auszügen aus einem Text aus dem Jahr 1991 der US-amerikanischen Juristin und Radikalfeministin Catharine MacKinnon zu der Frage der Intersektionalität von Geschlecht, Ethnizität und Klasse und der Frage, ob Unterdrückung „weiße“, „privilegierte“ Frauen vielleicht gar nicht (be)trifft. Der gesamte Text auf Englisch ist hier zu finden.

„Bin ich denn keine Frau?“ – Sojourner Truth

„Schwarze Feministinnen sprechen als Frauen, weil wir Frauen sind…“ – Audre Lorde

Man sagt häufig, dass etwas zwar in der Theorie gut klingt, aber sich in der Praxis anders erweist. Ich wollte dann immer, dass die Theorie dann wohl nicht so gut ist, nicht wahr? […]  Das konventionelle Bild von der Beziehung zwischen den beiden ist, dass man zuerst eine Theorie hat, und dann die Praxis. Du hast erst eine Idee, dann handelst du nach ihr. […]

Die postmoderne Version dieses Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis ist Diskurs bis zum Umfallen. Theorie erzeugt nicht Praxis, sondern noch mehr Text. Es erscheint so, als könnte man Machtverhältnisse dekonstruieren, indem man ihre Markierungen im Kopf hin und her schiebt. Wie alle anderen formellen Idealismen, gibt es bei diesem Theorieansatz die unbewusste Tendenz existierende Machtverhältnisse zu reproduzieren, zum Teil weil es sich um eine vollkommen verlagerte Elitentätigkeit handelt. […] Nicht die Welt ist der Antrieb, sondern der Kopf.  Erst denkt man über sozialen Wandel nach, dann handelt man. Bücher beziehen sich auf Bücher, Köpfe unterhalten sich mit Köpfen.  Und nicht Körper pressen sich an Körper oder Menschen bewegen Menschen. […]

Die Bewegung zur Befreiung von Frauen […] funktioniert anders herum. Erst kommt die Praxis, dann die Theorie. […] Feminismus war eine Praxis, lange bevor er eine Theorie war. […] Die Frauenbewegung […], in der Frauen sich entgegengesetzt der Festlegungen in Bezug auf andere Frauen bewegen, bleibt mehr Praxis als Theorie. Das ist der Unterschied zum akademischen Feminismus. […] Die Theorie zu dieser Praxis zu schreiben, bedeutet nicht, sich durch Rätsel zu tüfteln […], nicht über Utopien zu fantasieren, nicht zu moralisieren oder Menschen zu erzählen, was sie zu tun haben. Es geht nicht um die Ausübung von Autorität; die Theorie lenkt die Praxis nicht. Die Aufgabe besteht darin, sich auf das Leben einzulassen durch das Entwickeln von Mechanismen, die identifizieren und kritisieren, anstatt soziale Praktiken der Unterordnung zu reproduzieren und sie besteht darin Werkzeuge aus dem Bewusstsein und dem Widerstand von Frauen zu entwickeln, die den praktischen Kampf gegen Ungleichheit unterstützen. Diese Art von Theorie setzt Bescheidenheit voraus und benötigt Partizipation. […]

Ich möchte untersuchen, wie die Realität von Geschlechterungleichheit, die Erfahrungen von Frauen in dieser Welt, die Konturen von Geschlechterdiskriminierung im Gesetz geformt hat/haben.

Geschlechtergleichheit als rechtliches Konzept wurde traditionell nicht theorisiert unter Einbeziehung von sexueller Belästigung oder Reproduktion, weil die Gleichberechtigungstheorie aus der Praxis von Männern entwickelt wurde, nicht der von Frauen. […] Es gibt Männer, die auf diese Art und Weise geschädigt wurden, aber sie sind wenige, und sie werden nicht als geschädigt angesehen weil sie Männer sind, sondern obwohl sie Männer sind oder als abweichend von ihnen betrachtet werden. […] Deshalb werden Sexualität und Reproduktion nicht als Gleichberechtigungs-Themen im traditionellen Ansatz betrachtet. […]

Mechelle Vinson setzte sexuelle Belästigung am Arbeitsmarkt als Geschlechterdiskriminierung nach dem bürgerlichen Recht durch. […] Ihre Sichtweise, dass das was ihr Vorgesetzter Sidney Taylor ihr antat, sein wiederholtes Penisschwingen in ihrer Anwesenheit im Tresorraum der Bank, ihr deshalb angetan wurde, weil sie eine Frau ist, änderte die Theorie der Geschlechterdiskriminierung für alle Frauen. […] Lillian Garland setzte durch, dass die Garantie von unbezahltem Urlaub für schwangere Frauen nach dem Gesetz keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist, sondern ein Schritt in die Richtung zur Beendigung von Geschlechterdiskriminierung. […] Es war ihr Widerstand gegen ihren Arbeitgeber […], der sich weigerte sie nach ihrer Schwangerschaftspause wieder einzustellen; Es war ihre Identifikation dieser Praxis als gesetzwidrige Behandlung, aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau war, die dem Geschlechter-Gleichberechtigungs-Gesetz einen Schubs in die Richtung von Gleichberechtigung gab […].

Was ist also gemeint, wenn hier von einer Behandlung „als Frau“ die Rede ist? Es meint, ein empirisches Statement über die Realität zu machen, um die Realität der Situation der Frau zu beschreiben. […] Unter Einbeziehung aller Unterschiede, können wir über die Gruppe der Frauen sagen, dass sie eine kollektive, soziale Geschichte der Entmachtung, Ausbeutung und Unterordnung hat, die bis in die Gegenwart reicht. „Wie eine Frau“ behandelt zu werden, bedeutet diesem Sinn nach, auf bestimmte Weise benachteiligt zu sein, rührend aus der Tatsache, dem weiblichen Geschlecht zugerechnet zu werden. […]

Andrea Dworkin sagte vor langer Zeit, dass die Situation der Frauen eine neue Art zu Denken voraussetzt, und nicht nur das Denken neuer Dinge. „Frau“ als Abstraktion, Destillation, gemeinsamer Nenner, oder Idee ist die alte Art zu denken […] aber es ist nicht eine neue Art zu denken. Noch ist das Denken „als Frau“, als Verkörperung einer kollektiven Erfahrung, das gleichbedeutend mit „wie eine Frau“ zu denken, was die Reproduktion der Determinanten und zu denken wie ein Opfer bedeuten würde. […]

Theorie auf die konventionelle abstrakte Art zu machen, wie viele es tun, bedeutet die Annahme zu importieren, dass alle Frauen gleich sind, oder sie sind keine Frauen. Was sie zu einer Frau macht ist ihre Passgenauigkeit zu der Abstraktion „Frau“ oder ihre Konformität zu einer festen, postulierten weiblichen Essenz. Die Konsequenz hieraus ist es, Dominanz zu reproduzieren.  […] Einfacher biologischer Determinismus wird so als kritische Theorie des sozialen Wandels präsentiert. […] Hier fehlt die Berücksichtigung männlicher Dominanz. Es gibt in Bezug auf Vergewaltigung keine biologische Notwendigkeit […] Beide hier benannten Frauen sind schwarz. Dies unterstützt meine Ahnung, dass eine Theorie dann nicht wahr ist, oder dann nicht funktioniert, wenn sie nicht […] für alle Frauen gilt. […]

In den jüngsten Kritiken gegenüber feministischer Arbeit wird gesagt, dass Ethnie (race) oder Klasse nicht ausreichend berücksichtigt werden, und dabei ist es lohnenswert zu erkennen, dass die Tatsache, dass es etwas wie „Rasse“ oder „Klasse“ gibt, angenommen wird, obwohl beides normalerweise eher als Abstraktionen behandelt wird um Geschlecht zu attackieren, denn als konkrete Realitäten, wenn sie denn überhaupt zur Sprache kommen. […] Immer werden „Rasse“ und Klasse als unproblematischer weise real betrachtet, und keiner Erklärung oder theoretischen Konstruktion bedürfend. Nur Geschlecht ist nicht real und muss gerechtfertigt werden. […] Dass es einen Unterschied gibt zwischen den Erfahrungen von Männern und Women of Colour, und von Frauen der Arbeiterklasse und Männern unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit, bedeutet nicht zu behaupten, dass „Rasse“ und Klasse keine bedeutsamen Konzepte wären. Ich habe noch niemanden sagen gehört, dass man nicht ohne Geschlechterspezifizierung über „People of Colour“ diskutieren könnte. Jedoch hat die Phrase „People of Colour und „weiße“ Frauen“ das frühere „Frauen und Minderheiten“ ersetzt, von dem Women of Colour zu Recht nicht wahrgenommen haben als würde es sie doppelt beinhalten, und als würden sie einen „weißen“ Standard für Geschlecht verkörpern und einen männlichen für „Rasse“. Aber ich höre zum Beispiel nichts über „alle Frauen und Men of Colour. Es ist bedeutsam darüber nachzudenken, dass wenn Women of Colour sich auf „Menschen, die aussehen wie ich“ beziehen, dass sie Menschen mit anderer Hautfarbe meinen, und nicht Frauen, obwohl sowohl „Rasse“ als auch Geschlecht visuelle Zuweisungen sind, beide sowohl Klarheit als auch Uneindeutigkeit beinhalten, und beide Unterdrückung markieren, und damit Gemeinschaft.

In Verbindung hiermit, habe ich kürzlich mitbekommen, dass es hierbei um die „weiße“ Frau geht, deshalb habe ich mich entschlossen herausfinden zu wollen was das ist. Diese Kreatur ist nicht arm, wird nicht geschlagen, nicht vergewaltigt (nicht wirklich), nicht als Kind sexuell missbraucht, wird nicht als Teenager schwanger, wird nicht prostituiert und auch nicht in die Pornographie gezwungen, sie ist als Mutter nicht von Sozialleistungen abhängig und wird nicht ökonomisch ausgebeutet. Sie arbeitet nicht. Entweder entspricht sie dem Bild, das der „weiße“ Mann von ihr hat – verweichlicht, verhätschelt, privilegiert, beschützt, unbeständig und maßlos – oder sie ist das Bild, das der „schwarze“ Mann von ihr hat – all das genannte, plus das „hübsche weiße Girl“ (was hässlich wie die Nacht bedeutet, aber die ultimative Schönheit bedeutet, weil sie „weiß“ ist). […] Sie schüttelt ihr Haar, fühlt sich immer hübsch, beschwert sich über die Dienste der People of Colour, gibt wenig Trinkgeld, kann nichts, macht nichts, weiß nichts, und fantasiert über Sex mit schwarzen Männern, während sie diese beschuldigt sie vergewaltigt zu haben. Wie Ntozake Shange ausführt, hängt die gesamte Westliche Zivilisation von ihr ab. Und als Krönung besitzt sie die Unverfrorenheit […] zu denken, dass sie befreit werden muss. […]

Dieses Bild ist nur sehr schwer mit der Realität [der „weißen“ Frau] in Einklang zu bringen: Der Tatsache, dass die Mehrheit der Armen „weiße“ Frauen und ihre Kinder sind (mindestens die Hälfte davon sind weiblich); der Tatsache, dass Frauen systematisch in ihrem Zuhause geschlagen werden, von ihnen nahe stehenden Männern und Serienkillern gleichermaßen getötet werden, als Kinder sexuell missbraucht werden, tatsächlich vergewaltigt werden (zumeist von „weißen“ Männern) und dass sogar „schwarze“ Männer, im Durchschnitt, mehr verdienen als sie. Wenn man dies nicht so genau wüsste, dann könnte man durch das Bild des „weißen“ Mannes fehlgeleitet werden. […]

Man könnte meinen, dass der Mythos der „weißen“ Männer, dass sie „weiße“ Frauen schützen, der Wirklichkeit entsprechen würde, und nicht ein rassistisches Cover über ihr exklusives und nicht in Frage gestelltes Recht auf sexuellen Zugriff – was bedeutet, dass sie sie vergewaltigen können, und es auch tun, eine Haltung die sich in dem Ausschluss von Vergewaltigung in der Ehe zeigt und den weitgehend nutzlosen Gesetzen gegen Vergewaltigung im Allgemeinen.  Man könnte meinen, dass die einzigen „weißen“ Frauen in den Bordellen im Süden während des Civil War in „Vom Winde verweht“ existierten. Dies alles soll nicht heißen, dass es so etwas wie Privilegien aufgrund der Hautfarbe nicht geben würde, sondern eher, dass diese „weiße“ Frauen niemals vor der Brutalität und der Frauenverachtung der Männer bewahrt haben, zumeist aber nicht exklusiv von „weißen“ Männern […]. In anderen Worten: Den „weißen Mädchen“ in dieser Theorie geht in der Realität der „weißen“ Frauen und der Praxis der männlichen Vorherrschaft ziemlich viel ab.

Neben der Trivialisierung der Unterordnung der „weißen“ Frau, die implizit in der herablassenden Verspottung „heterosexuelle, weiße, ökonomisch privilegierte Frau“ (Eine Phrase, die zu einem feststehenden Begriff geworden ist […]) deutlich wird, liegt die Auffassung, dass es an sich gar keine Frauenunterdrückung gibt. […]

Drehen wir das Ganze mal rum. Wie ich erwähnt habe, waren sowohl Mechelle Vinson und Lillian Garland afro-amerikanische Frauen. Wurde Mechelle Vinson nicht als Frau sexuell belästigt? Wurde Lillian Garland nicht als Frau schwanger? Sie haben das so gesehen. Der Dreh- und Angelpunkt ihrer Fälle lag darin, dass sie sich als geschädigt „auf der Basis von Geschlecht“ sahen, das heißt, weil sie Frauen sind. Die Täter, und die Gesetze unter denen sie benachteiligt wurden, sahen sie als Frauen. Was ist Frausein, wenn es nicht beinhaltet als eine Frau unterdrückt zu sein? Als die Reconstruction Amendments „Schwarzen das Wahlrecht gaben“, und „schwarze“ Frauen immer noch nicht wählen durften, wurden sie dann nicht „als Frauen“ von der Wahl ausgeschlossen? Wenn afro-amerikanische Frauen doppelt so häufig vergewaltigt werden als „weiße“ Frauen, werden sie dann nicht als Frauen vergewaltigt? Das bedeutet nicht, dass ihre Ethnie irrelevant wäre und es bedeutet auch nicht, dass ihre Verletzungen außerhalb des rassistischen Kontextes verstanden werden können. Es bedeutet vielmehr, dass „Geschlecht“ sich aus den Erfahrungen aller Frauen ergibt, inklusive der ihren. […] Es bedeutet, dass jede Frau, auf ihre Weise, alle Frauen ist.

Die Behandlung von Frauen in der Pornographie zeigt diesen Ansatz in grafischer Weise. Auf irgendeine Weise sind alle Frauen im Porno. Afro-amerikanische Frauen werden dargeboten in Fesseln, sich wehrend, in Käfigen, als Tiere, unersättlich. Wie Andrea Dworkin gezeigt hat, macht die sexualisierte Feindschaft ihnen gegenüber ihre Haut zu einem Geschlechtsorgan […]. Asiatische Frauen sind passiv, träge, so wie tot, grausam gefoltert. Latinas sind heiße Mommas. Fülle den Rest der abwertenden und feindseligen rassistischen Stereotype, die du kennst, ein; dort [im Porno] ist es Sex. Dies wird nicht den Männern angetan, nicht in heterosexueller Pornographie. Was „weißen“ Frauen angetan wird ist eine Art Boden; es ist die beste Weise wie jemand behandelt wird und das reicht von Playboy über SM bis hin zu Snuff. Was „weißen“ Frauen angetan wird, das kann allen Frauen angetan werden […] Das macht „weiße“ Frauen nicht zur Essenz der Weiblichkeit. Es ist eine Realität, dass hieran beobachtet werden kann, was den am meisten privilegierten Frauen angetan werden kann und angetan wird. Dies ist es, was das Privileg als eine Frau dir einbringen kann: am meisten wertgeschätzt zu sein als totes Fleisch. […]

„Weiß“ ist nicht unmarkiert; es ist ein spezifischer Geschmack. So definiert und benutzt zu werden, definiert was Frau sein in der Praxis bedeutet. […]

Meiner Meinung nach ist der Subtext von der Kritik an Unterdrückung „als Frau“, dass die Kritik davon ausgeht, dass es so etwas nicht gibt, und dies ist Ent-Identifizierung mit Frauen. Eine der Konsequenzen daraus ist die Zerstörung jeglicher Basis für eine Rechtsprechung für Geschlechtergleichberechtigung. Ein Argument, dass von vielen WoC vorgebracht ist, ist, dass die Theorie über Frauen alle Frauen einschließen muss, und wenn dies der Fall ist, dann wird die Theorie sich ändern. Auf einer Ebene ist das notwendigerweise richtig. Auf der anderen Seite ignoriert dies die gestaltenden Beiträge von WoC zu feministischer Theorie, seit deren Beginn. Ich habe jedoch das Gefühl, dass viele Frauen, nicht nur WoC und nicht nur Akademikerinnen, nicht einfach „nur Frauen“ sein wollen, [….] weil dies bedeutet in einer Kategorie mit „ihr“ zu sein, der nutzlosen „weißen“ Frau, deren erste Reaktion es ist, wenn es ein bisschen grober wird, in Tränen auszubrechen. Ich habe das Gefühl, dass Menschen mehr Würde darin ausmachen, in einer Gruppe zu sein, die auch Männer beinhaltet, als in einer Gruppe zu sein, die die ultimative Reduzierung auf die Vorstellung von Unterdrückung einschließt, diese Anstifterin von Lynchmobs, diese lächerliche Quenglerin, […] die „weiße“ Frau. Es scheint, dass wenn die Unterdrückung auch einen Mann betrifft, dass du wahrscheinlicher auch als unterdrückt anerkannt wirst, im Gegensatz zu minderwertig. […]

Ungleich zu anderen Frauen teilt die „weiße“ Frau, die nicht arm oder aus der ArbeiterInnenklasse ist, oder lesbisch, oder jüdisch, oder mit Behinderung, oder alt oder jung, ihre Unterdrückung nicht mit einem Mann.  Das macht ihren Zustand in keinster Weise maßgeblicher für die Definition von Frau, als die Situation irgendeiner anderen Frau. Ihre Unterdrückung jedoch zu trivialisieren, weil es nicht potentiell rassistisch oder klassenbasiert oder heterosexistisch oder antisemitisch ist, definiert die Bedeutung von „anti-Frau“ mit einer besonderen Klarheit. Die Vorstellung, Konstruktion und Behandlung der „weißen“ Frau wird zu einem sehr sensitiven Indikator für das Maß in dem Frauen, als solche, verachtet werden. […]