Nacktheit von Kindern – die Lüge der früheren Idylle im Paradies

Schwimmbad Alsenborn

By --Immanuel Giel 09:53, 21 May 2007 (UTC) (Self-photographed) [Public domain], via Wikimedia Commons

Es ist Sommer und die Klimaveränderung und Hitze führen anscheinend dazu, dass wieder vermehrt in den Medien Fragen zur Angemessenheit oder Unangemessenheit der Bekleidung von Mädchen und Kindern allgemein gestellt werden.

Vor kurzem erschien im ZEITmagazin ein Artikel mit der Überschrift „Das Paradies wird abgeschafft“. Im Artikel wird die Frage gestellt, ob man als Elternteil oder als ErzieherIn Kinder noch nackt spielen lassen darf. „Was ist passiert?“, fragt die Autorin.

Als ältere Frau kann ich dies vergleichsweise kurz und knapp beantworten: Ein Paradies hat es nie gegeben, aber sexuelle Gewalt an Kindern schon immer. Und ich möchte ich gerne wissen, in welcher Welt die Autorin des Artikels, Annabel Wahba, lebt, ich vermute, in einer dieser Paralleluniversen.

Die Autorin fragt:

„Warum sehen wir in unseren Kindern nicht mehr einfach nur das, was sie sind: Kinder – sondern potenzielle Sexualobjekte Pädophiler? Warum lassen wir uns so verunsichern und sind auf dem besten Weg, eine Gesellschaft von Bedenkenträgern und Spaßverderbern zu werden?“

Der Artikel folgt der Linie, dass wir die Realität ausblenden sollten und es kein Problem darstellt, Kinder als Masturbationsvorlage zu präsentieren, da sie es ja sowieso nicht merken und wir vielleicht auch nicht.  Das ist eine fast philosophisch anmutende Anmerkung, die aber bedauerlicherweise verkennt, dass wir es angesichts der Masse an kinderpornografischem Material im Internet und zehntausendfachen Suchanfragen nach kinderpornografischen Inhalten alleine in Deutschland eigentlich sehr genau wissen, dass es doch einige pädokriminelle Interessenten an Kindern  geben muss. Wir wissen ebenso, dass das Genre „Teenporn“ eines der beliebtesten ist und wir wissen von Kinderpuppen aus Silikon mit nutzbaren Körperöffnungen für Pädokriminelle, um nur die Spitze des Eisberges unseres Wissens zu benennen. Wir wissen tatsächlich, dass da draußen (und angesichts dieser Zahlen vielleicht sogar in den eigenen vier Wänden oder innerhalb des Familien- und Bekanntenkreises) einige widerliche, mehrheitlich männliche Personen herumkriechen. Irgendjemand muss ja dieses ganze Zeug konsumieren und diese Irgendjemands müssen angesichts der Klicks und Verkaufszahlen viele sein. Das ist die Realität. Wenn ich etwas weiß, dann weiß ich es, und eine Ausblendung der Realität und die Strategie “so tun als ob alle ganz nett sind“ ist zumindest meiner Ansicht nach eine wenig hilfreiche Lösung. Die „es ist alles ganz übertrieben“-Strategie kann nur hilfreich für Täter sein und für sonst niemanden.

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Über Jackie Fuchs, Vergewaltigung und den „Bystander Effekt“

The Runaways logo

By Mercury Records (fanpop.com) [Public domain], via Wikimedia Commons

Der englisch-sprachige Original-Artikel „On Jackie Fuchs’ rape and ‘the bystander effect’“ von Meghan Murphy erschien am 15. Juli 2015 bei Feminist Current, Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Nach der Lektüre von Jason Cherkis‘ beeindruckender Reportage über die Runaways, der Girl-Band, die Frauen wie Lita Ford und Joan Jett zu Rocklegenden machte, war ich sehr erschüttert. Das hat selbst mich überrascht. Im Rahmen meiner Arbeit sollte man meinen, dass solche Dinge keinen Schock und Entsetzen mehr auslösen –  Überraschung, Überraschung, pädokriminelle Täter waren im 70er-Jahre-Rock’n’Roll Gang und Gäbe. Erzählt mir etwas, das ich noch nicht weiß.

Letztes Jahr fiel ich in ein Internet-Wurmloch und las über die vielen Übergriffe durch unsere 70er-Jahre Rock-Helden. „Beziehungen“ zwischen erwachsenen Männern und jungen Frauen waren völlig normalisiert in der Szene und niemand verlor ein Wort über den Missbrauch und die Ausbeutung, die von ihnen ausging, man verbuchte es unter „Sex, Drugs und Rock’n’Roll“.

Ein paar Beispiele:

  • Jimmy Page entführte und vergriff sich an der 14-Jährigen Lori Maddox, die drei Jahre bei ihm blieb, ich vermute aufgrund einer Art Traumabindung oder Stockholm-Syndrom (Genau genommen war Maddox auf diesen Missbrauch bereits vorbereitet, sie hatte ihre Jungfräulichkeit mit 13 an David Bowie verloren.)
  • Cher traf Sonny Bono als er 27 war und sie 16
  • Iggy Pop hatte Sex mit dem „Baby Groupie“ Sable Starr, als diese 13 war
  • Rolling Stones Gitarrist Billy Wyman „datete“ die 13 Jahre alte Mandy Smith als er 47 war und heiratete sie schließlich
  • Mit 27 hatte Steven Tyler eine 14-Jährige „Freundin“, das heißt, er überzeugte die Mutter von Julia Holocomb, ihm das Sorgerecht zu überschreiben, damit er sie mit auf Tour durch die Vereinigten Staaten nehmen konnte. Über ihre Beziehung mit Tyler sagte Holocomb: „Ich unterstand ihm wie in einer Eltern-Kind-Beziehung und ich hatte das Gefühl, wenig Kontrolle über mein Leben zu haben“ Sie sagte auch, dass Tyler sie öffentlich hypersexualisierte, in seiner Biographie nannte er sie „meine kleine Oral-Annie“ („my Little Oral Annie“).
  • Mit 30 wurde Ted Nugent (der ein Lied darüber schrieb, wie er ein 13 Jahre altes Mädchen vergewaltigte) der rechtliche Vormund der 17-Jährigen Pele Massa, um nicht wegen Kindesmissbrauch angeklagt zu werden

Es gibt noch viel mehr solcher Storys. Wenn man sich mit bekannten „Groupies“ wie Bebe Buell und Pennie Trumble (die Frau, auf der die Rolle von Penny Lane in Almost Famous basiert) beschäftigt, findet man Geschichte auf Geschichte von minderjährigen Mädchen, auf die von erwachsenen Männern der Rock Szene Jagd gemacht wurde.

Manche romantisieren das und denken, diese Mädchen seien sexuell empowerte, wilde „Verführerinnen“ gewesen, die Rock Stars idealisierten und einfach nur ihren Helden nah sein wollten, aber der Fan-Kult eines Mädchens oder ihre „Reife“ machen es nicht ok für Männer, dies auszunutzen. Tatsächlich ist das Machtgefälle zwischen Fan und Idol an und für sich eher grotesk, wenn es um sexuelle Beziehungen geht. Von daher ist es mir völlig egal, ob diese Mädchen „sich entsprechend kleideten“ oder ob einige von ihnen einer Beziehung mit diesen Männern eigentlich „zustimmten“. Das nennt man Victim Blaming und es lässt ein Verständnis von Dingen wie Rolle von Macht und Zwang in missbräuchlichen Beziehungen vermissen. (Priscilla Presley zum Beispiel war 14 Jahre alt, als Elvis Presley anfing, ihr nachzugehen – zu diesem Zeitpunkt hat sie vielleicht geglaubt ihn zu „lieben“, aber in der Rückbetrachtung sagt sie: „Ich war seine Kreation. Ich war nur ein Kind und wurde von ihm konsumiert. Alles was ich mir ersehnte, war ihn nicht zu enttäuschen.“) Es ist die Verantwortung von Erwachsenen, keinen Sex mit Kindern zu haben. Dass diese Männer Jagd auf Frauen machten, die tatsächlich noch keine Frauen waren, zeigt nur dass es sich um missbrauchende Männer handelt, die getrieben waren von ihren Egos und einem Verlangen, jemanden unter ihrer Fuchtel und Kontrolle zu haben.

Während prominente Männer weiterhin ihre Vorteile aus ihren Machtpositionen ziehen und junge Frauen und Mädchen ausbeuten (zum Beispiel R. Kelly), scheint heutzutage die Bevölkerung mehrheitlich dieses Verhalten abzulehnen. Damals wurde das Täterverhalten scheinbar entweder ignoriert oder belächelt (Männer sind halt Männer!).

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Ehe von „Schwestern“ mit einem Mann-Polygamie

Zwei paar Schuhe nebeneinander

"Marriage" by kmichiels via Flickr, [CC BY-NC-ND 2.0]

Bestärkt durch die kürzliche Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in den U.S.A. scheinen insbesondere Mormonen einen neuen Vorstoß zur Legalisierung der „Gruppenehe“ wagen zu wollen. Was die gleichgeschlechtliche Ehe mit der Gruppenehe gemeinsam hat oder haben soll, erschließt sich nicht sofort, aber die Argumentation wird passend gemacht um die eigenen, männlichen, Interessen an der „Vielehe“ eventuell zukünftig durchzusetzen.

Praktischerweise wurde der Ausdruck „Ehe für Alle“ in Deutschland für die gleichgeschlechtliche Ehe benutzt, denn diese Forderung kann mit diesem Wortlaut auch sehr einfach auf die Polygamie angewandt werden. Es wird gar nicht nötig sein eine neue Bezeichnung für die Forderung zur Vielehe zu schaffen. Ich erschrecke mich, seit ich von den Ambitionen der Mormonen weiß, immer bei der „Ehe für Alle“, denn ich stelle mir seitdem immer hierbei einen Mann mit vielen Frauen vor, eben „Allen“.

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Die Störenfriedas feiern Geburtstag! Das sind eure Top 10

Birthday Candle

By Ardfern (Own work) [CC BY-SA 3.0 or GFDL], via Wikimedia Commons

Vor einem Jahr haben wir unseren radikalfeministischen Blog in das Leben gerufen – und bedanken uns bei unseren Leserinnen für ein aufregendes erstes Jahr, auf das hoffentlich noch viele folgen! Wir haben uns viel vorgenommen und sind gespannt, wie es euch gefällt. Danke für eure Kommentare, Anregungen und Gastbeiträge! Gemeinsam mit euch bleiben wir kritisch und sagen Patriarchat, Sexismus und antifeministischem Bullshit weiterhin den Kampf an. Wir freuen uns weiter auf regen Austausch mit euch – nur gemeinsam können wir etwas ändern.

Das sind eure Top Ten der meistgelesenen Beiträge des letzten Jahres:
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„Queremos flores“ – Konzertlesung mit Gioconda Belli in Wiesbaden

Gioconda Belli

Gioconda Belli, by Jorge Mejía Peralta via Flickr, [ CC BY 2.0]

Am 20. Juni 2015 fand im Kulturforum Wiesbaden – anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Ocotal – Wiesbaden – die Konzertlesung mit Gioconda Belli und dem Grupo Sal Duo statt. Veranstalter war der Verein Nueva Nicaragua e. V. Gioconda Belli las an diesem Abend aus ihrer neuen Anthologie „Die Frau, die ich bin“, in der poetische Höhepunkte ihrer zuvor erschienenen Gedichtebände „Wenn du mich lieben willst“, „Feuerwerk in meinem Hafen“, „Feuer bin ich in der Ferne“, „Ich bin Sehnsucht, verkleidet als Frau“ und „Davor, die Jugend“ versammelt sind. Übersetzt wurde sie von Lutz Kliche, der auch einige ihrer Romane aus dem Spanischen ins Deutsche übertragen hat. Ich hatte das große Glück, an diesem Abend dabei zu sein: Es war ein eindrückliches, tief bewegendes und unvergessliches Erlebnis.

[…] Morgen vergesse ich die Angst,
fürchte nicht mehr die einsamen Strecken,
noch das Erwachen ohne Dach.
Ich verscheuche die Gespensterwolken,
den anschleichenden Tod,
gebe zu, dass ich glücklich bin,
ganz einfach glücklich.
Ich verliere die tiefe Angst vor dem Glück. [1]

Gioconda Belli Ein Rest der Angst / Esquinas del miedoaus dem nicaraguaischen Spanisch von Anneliese Schwarzer

Biografisches

Gioconda Belli wurde 1948 in Managua, Nicaragua geboren, mit 18 Jahren war sie verheiratet und widersetzte sich ihrem Ehemann, der ihr nicht gestatten wollte, in einer Werbeagentur zu arbeiten. Durch diese Arbeit kam sie in Kontakt mit der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN), sie war zu dieser Zeit bereits Mutter einer 1-jährigen Tochter, und beteiligte sie sich ohne Wissen ihres Ehemannes am Widerstand gegen die damals herrschende Somoza-Diktatur.

Ihre ersten Liebesgedichte veröffentlichte sie in der Tageszeitung „La Prensa“, welche von der erzkatholischen Gesellschaft (und Regierung) Nicaraguas als Affront aufgefasst wurden und auch den Bruch mit ihrer Familie markierten.

1974 flüchete Gioconda Belli zuerst nach Mexiko und danach nach Costa Rica ins Exil. Sie kehrte im Jahr 1979 nach dem Sturz der Somoza-Diktatur durch die Sandinisten nach Nicaragua zurück. In ihrer Anthologie „Truenos y arco iris“ („Donner und Regenbogen“), erschienen 1982, behandelte sie die Zeit vor dem Sturz Somozas.

Nicaragua geriet später erneut in einen Bürgerkrieg, den sog. Contra-Krieg, der von den USA finanziert wurde. In der Folge legte Gioconda Belli ab 1986 ihre politischen Funktionen in der FLSM und im Innenministerium nieder und arbeitete fortan nur noch als Schriftstellerin. 1988 gelang ihr mit „La mujer habitada“ („Bewohnte Frau“) der internationale Durchbruch als Schriftstellerin.

Bei den Wahlen in Nicaragua im Jahr 1990 siegte das Bündnis der konservativen Opposition. Gioconda Belli zog sich daraufhin in die USA zurück und kritisierte wiederholt das Politikverständnis und die Selbstherrlichkeit der sandinistischen Führungsriegen. [2]

Seit 1990 lebt sie mit ihrer Familie wechselweise in Los Angeles/USA und Managua/Nicaragua. [3]

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Was bedeutet es Caitlyn zu sein?

Caitlyn Jenner

Caitlyn Jenner by Disney | ABC Television Group via Flickr, [CC BY-ND 2.0]

Miranda Yardley ist eine genderkritische Transfrau. Übersetzung ihres Blogbeitrags erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

Am Montag, dem 1. Juni um halb fünf großbritannischer Zeit, haben wir die große Enthüllung von Bruce Jenner auf dem Cover der Vanity Fair erlebt, als die ihre neue Ausgabe mit dem früheren Leichtathleten und Reality-Promi, den wir bis dato als Bruce kannten, veröffentlichte, versehen mit der einprägsamen Schlagzeile „Nennt mich Caitlyn“. Jenner wurde perfekt gestylt in Pose gesetzt durch die professionelle Aufnahme von Annie Leibovitz und liebevoll nachbearbeitet. Das Magazin versprach eine 22-seitige Titelstory, verfasst von Buzz Bessinger, die auch Details zu Jenners Unsicherheit nach 10 Stunden in der Gesichtschirurgie und der Reaktion von Jenners Kindern nach der Brustvergrößerung ihres Vaters beinhaltet. Es gibt sogar eine Videodokumentation über das „emotionale, zweitägige Fotoshooting“.

Das Bild selbst ist meisterhaft. Der erste Eindruck betont durch die neutrale Farbgebung die schiere Menge von Haut in der Dastellung; Jenner wird in einem eleganten Korsett gezeigt, an einer Lehne stehend, die Hände auf dem Rücken und einem niedlichen und verschämten unterwürfigen Blick; bei was haben wir die unartige Caitlyn denn erwischt? Die Pose soll das Auge auf die Reise führen Jenner`s Körper zu erkunden und die fantastische Figur der 65-Jährigen zu bewundern. Das ist das neue Bild dieses unglaublich reichen und erfolgreichen Reality-Superstars, die Republikaner wählt, welches mit den Millionen von Dollar, die sie in den letzten viereinhalb Jahrzehnten verdient hat, gefertigt wurde.

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Schau doch nur wie hübsch sie ist …

Egal, wohin man dieser Tage schaut: Überall darf frau am Glück von Bruce Jenner, jetzt: Caitlyn Jenner, teilhaben.

„Schaut doch nur wie hübsch sie ist …“

Kein Satz fiel wohl häufiger, wenngleich auch das aktuelle Cover von Vanity Fair nicht weniger gephotoshoppt ist wie alle anderen Cover auch. Auch Feministinnen überschlagen sich vor Begeisterung. Aber warum eigentlich?

Ist es eine Leistung, dem Klischee des hypersexualisierten Cover-Girlie zu entsprechen? Wo ist dabei die feministische Errungenschaft? Habe ich vielleicht etwas übersehen?

Ich sage ganz deutlich: Mir ist es egal, wie Jenner sich kleidet, welches Personalpronomen er/sie bevorzugt und ob er/sie sich als Frau oder Mann (oder keines von beidem) identifiziert. JedeR soll so leben, wie er oder sie möchte. Insofern akzeptiere ich auf der individuellen Ebene eine Transitition jederzeit.

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Das gesellschaftliche Lied vom Tod: Trauerkonventionen & Trauma

Statue Zentralfriedhof Wien

By HeinzLW (Own work) [CC BY-SA 3.0 at], via Wikimedia Commons

Vor einiger Zeit starb meine Mutter. Wir hatten ein „schwieriges“ Verhältnis, der Kontakt war seit Jahren abgebrochen. Das hat u. a. mit meiner nicht so prickelnden Kindheit und Jugend zu tun (ein Teilaspekt dieses Lebens beschreibe ich auch in diesem Artikel).

Die Gesellschaft und die (Bio-)Familie und ihre Bekannte fordern von Menschen, hier: von einer Frau, deren Mutter stirbt, eine konventionelle Trauer[TM]; dass mir das nicht möglich ist und war, ist und bleibt für sie unverständlich und teilweise nicht tolerabel.

Dabei sind die Reaktion/en, die der Tod einer Person auslöst, die Mitverursacherin einer Traumafolgestörung ist, hochgradig komplex (eine dissoziative Identitätsstruktur macht das Ganze noch einmal auf einer anderen Ebene schwierig).

Widersprüchlich sind die Gefühle diesen Menschen gegenüber, die von uns rein objektiv gehasst werden dürften. Aber da ist das kleine Mädchen, dass die „beste Mama der Welt“ hat, da ist die Jugendliche, die ihr – würde sie der Mutter begegnen – an die Gurgel gehen würde (und das meine ich nicht im übertragenem Sinne), da ist die andere Jugendliche, die all dieses Leid auf sich genommen hat, weil sie glaubt, dass diese Behandlung aus ihr einen besseren Menschen macht; dass es notwendig war und ist, gedemütigt zu werden. Und am Ende der Dissoziationskette sind die, die die Schmerzen ausgehalten haben, die die anderen Innenanteile zuvor nicht mehr aushielten, und diese Schmerzen haben sie heute noch.

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Die Sicherheit „in der Mitte der Gesellschaft“

Rotlichviertel Frankfurt am Main

By Arne Hückelheim [CC BY-SA 3.0 or GFDL], via Wikimedia Commons

Rotlichviertel Frankfurt am Main

By Arne Hückelheim [CC BY-SA 3.0 or GFDL], via Wikimedia Commons

Die WAZ berichtet von einer Auseinandersetzung um Bordellstandorte in Oberhausen. Dieser Artikel macht mich als (nunmehr ehemalige – es reicht nämlich auch irgendwann) Wählerin der Partei DIE LINKE in Nordrhein-Westfalen sauer. Um nicht zu sagen STINKSAUER.Natürlich würde ich erwarten, dass eine linke Partei sich gegen die VERLAGERUNG eines Bordellstandorts und für die Abschaffung der Prostitution ausspricht, ABER die Aussage des „SOZIALEXPERTEN“ der LINKEN Jörg Pusch über die aktuell „ideale Lage“ des bestehenden Rotlichtviertels lautet vielmehr:

„Die zentrale Lage ist vorteilhaft für die Sicherheit der dort arbeitenden Frauen. Dadurch, dass sie in der Mitte der Gesellschaft ihrer Tätigkeit nachgehen, ist die Gefahr durch Übergriffe deutlich geringer als an einem Standort am Rand.“

Linken-Ratsfrau Ingrid Diepenbrock stößt ins gleiche Horn:

„Sexarbeit darf nicht im Verborgenen stattfinden! Dort wird sie gefährlich. Populistisches Geschrei nach Verboten und Verlagerungen hilft weder den Prostituierten noch den Opfern von Menschenhandel.“

Aha, haben sich denn die beiden linken KommunalpolitikerInnen mit der aktuellen Lage der prostituierten Frauen in der Oberhausener Innenstadt auseinandergesetzt? Mit der heilen, kuschligen, sicheren Arbeitsatmosphäre in der Flaßhofstraße? Ein kurzer Blick (knapp 30 Minuten Recherche) in die Freierforen bringt folgendes zu Tage:

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Sei ein Mann und verschleiere Deine Frauen

Women wearing Hijab

By Officer [Public domain, CC BY-SA 2.0 or CC BY 3.0 de], via Wikimedia Commons

In Algerien findet seit einigen Wochen ein Krieg zum Thema Bekleidung von Frauen statt, zumindest in den sozialen Netzwerken.

Schon seit einigen Monaten wird immer wieder die sexuelle Belästigung von Frauen auf den Straßen thematisiert. Ähnlich eines Videos von Belästigungen einer Frau durch Männer in New York wurde ein Video von einer jungen Frau in den Straßen von Algier gedreht die ebenso ständig verbal belästigt wurde. Es gab weitere Videos von Übergriffen auf Frauen in Algerien, teilweise im Zusammenhang zum Thema Prostitution, mit der Frage, ob es relevant ist, ob eine Frau eine prostituierte Frau ist oder nicht. Sexuelle Übergriffe, ob verbal oder handgreiflich, machen das Laufen auf der Straße ohne männliche Begleitung zu einer Hölle.

Die meisten Beiträge sehen die Ursache dieser Übergriffe in fehlendem Respekt durch Verwahrlosung in der Erziehung (das kleine Prinzensyndrom), ein schlechtes Bildungssystem, und sexueller Frustration, da die Bevölkerung sehr jung ist, aber Beziehungen nicht möglich sind. Frauen selbst wird aber natürlich auch die Schuld gegeben, da sie nicht völlig verschleiert rausgingen auf die Straße. Auffallend oft wurden aber junge Männer beschimpft.

Vor wenigen Wochen dann durfte eine Jurastudentin nicht in ihrem Rock zu ihrem Examen, da ihr Rock zu kurz war. Ein Securityguard vertrat diese Meinung und so musste sie sich schnell eine Hose kaufen um ihre Prüfung noch ablegen zu können.

Sie klagte bei der Universitätsleitung, Mohamed Tahar Hadja. Dieser gab dem Securityguard recht, denn an der Universität müssten sich, wie er mitteilte, Männer wie Frauen anständig anziehen, deshalb lege keine Diskriminierung vor. Die betreffende Frau veröffentlichte den Vorfall.

Es kam sofort zur Twitter Kampagne #jupetropcourte – „Rock zu kurz“ und die Facebookseite „ ma dignite n`est pas dans la longeur de ma jupe“- meine Würde hat nichts mit der Länge meines Rocks zu tun“ wurde eröffnet. Innerhalb weniger Tage erhielt diese Seite 15,000 Likes, und FollowerInnen teilten demonstrativ Fotos ihrer Beine, teilweise mit dem Schriftzug „mein Körper gehört mir“.

Als Gegenreaktion wurde die Kampagne bei Twitter und anderen sozialen Netzwerken #Sois un homme- „sei ein Mann“ geschaffen und, ebenso, #Ne laisse pas tes femmes sortir avec une tenue osée – lasse deine Frauen nicht in gewagter Kleidung raus“. Bedeckte Kleidung sollte vor sexueller Belästigung auf der Straße schützen. Ein hierfür veröffentlichtes Foto zeigt einen Mann mit seinen vier Töchtern, alle mit Kopftuch und sehr jung, auf einem Sofa sitzend. Ein sarkastischer Kommentar hierzu war : “ Achtung das Baby könnte Männer verführen…“

Das Frauen Schuld zugewiesen wird, in der Regel von Männern für deren eigenes Verhalten, ist uns bekannt. Wieso sollte es in anderen Ländern anders sein.

Auch diese Kampagnen erhielten viel Unterstützung. GegnerInnen versuchten sich noch hierüber lächerlich zu machen indem sie einen Scheich/Cheikh zitierten, der gesagt haben soll, dass nicht die Länge der Frauenröcke das Problem sei, sondern Frauen selbst.

Auf Seiten bei Facebook wie „Rebelles algeriennes“ werden deshalb oft Männer mit muslimischem Bart und Bekleidung bei sexuellen Belästigungen von Frauen gezeigt, oft sogar von Frauen mit Kopftuch, um deutlich zu machen, dass Männer das Problem sind. Die Verschleierung schützt keine Frau, und angeblich strenggläubige Männer sind so widerwärtig wie andere auch, soll auf diesem Weg bewiesen werden.

Dilem, er algerische Karikaturist der seit einigen Monaten für Charlie Hebdo arbeitet, veröffentliche daraufhin eine Karikatur, die eine Frau in einem kurzen Kleid zeigt, wie sie von einem Mann mit langem Bart angeschrien wird:“Dein Rock ist zu kurz“.

In den Kommentaren zu diesem Thema wird immer wieder angemerkt, dass ein muslimischer Mann den Blick zu senken habe, ganz einfach, so wie es auch im Koran steht. Jede Frau könne selbst anziehen was sie wolle und wenn es nicht passt, dann nicht hinsehen. Es gäbe schließlich keinen Zwang im Glauben.

Natürlich ist dieser Krieg im virtuellen Raum nicht vom Himmel gefallen.

Das Thema Frauenkleidung ist in westlichen Ländern seit einiger Zeit wieder im Fokus, allerdings werden hier Frauen für das Tragen vom Kopftuch, Hidjab, abgelehnt und diskriminiert. Ein besonders grauenhafter Zwischenfall hierzu fand in Frankreich statt, auch vor kurzer Zeit, und fast zeitgleich, als eine junge muslimische Studentin der Schule verwiesen wurde, da ihr Rock zu lang sei und religiöse Kleidung untersagt sei. Die Kleidung ist also überall ein spannendes Thema und überall wird gerne von Männern bestimmt, wie und wie viel eine Frau an Kleidung zu tragen habe, damit es gefällt (meistens den Männern). Das sehr bedauerliche an der Kampagne #soisunhomme ist, das diese Kampagne genau westliche Vorurteile oder Urteile zum Kopftuchzwang durch Männer bestätigen zu scheint.

Seit vielen Monaten wird in Algerien ebenso für das Tragen des traditionellen Haik geworben mit ständig neuen Fotos von Frauen in dieser traditionellen Bekleidung (weißer Überwurf und weiße Gesichtsverdeckung) und Aussagen wie..“ der traditionelle Haik zeigt die Würde und Schönheit algerischer Frauen..“. Die dunkle Kleidung von Frauen, die in den letzten Jahren zugenommen hat, wird als arabischer Imperialismus (oder auch shiitischer) wahrgenommen. Auch die Bekämpfung des „fremden“ Einflusses scheint durch Frauen geführt werden zu müssen. Auch in diesem Zusammenhang wurden sofort Fotos kabylischer Frauen in ihrer traditionellen Bekleidung veröffentlicht-diese ist bunt und wenn ein Kopftuch getragen wird, dann wird es hinten zugebunden.

Ob eine Frau sich gezwungen sieht, sich weiß oder schwarz zu verschleiern und das Gesicht zu verdecken, bleibt sich gleich. Weiß wirkt vielleicht weniger bedrohlich und wird oft als Farbe der Reinheit und Unschuld gesehen. In jedem Fall wird Verschleierung durch Lob und Bewunderung für den Haik gefördert. Eine Frau in weiß ist sozusagen die wahre algerische Frau, stolz auf die Tradition ihres Landes. Im Westen werden Frauen in die Nacktheit gelobt und in Algerien in die weiße Verschleierung.

Sofia Djama, eine algerische Filmregisseurin, meinte: „le corps de la femme devient un champ de bataille quand la situation d’un pays est désastreuse“-“ der Körper einer Frau wird zum Schlachtfeld wenn die Situation in einem Land disaströs schlecht ist..“

Die Erdölpreise sind gesunken und Algerien importiert fast hundert Prozent aller Güterwaren aus dem Ausland. Die Arbeitslosigkeit und Verarmung nimmt zu, das Gesundheitssystem ist in einem furchtbaren Zustand. Frauen mit Brustkrebs müssen teilweise Monate auf einen Platz in der Chemotherapie warten und sterben elendig in der Zwischenzeit. Allerdings findet ebenso ein langsames Wiederaufflammen des radikalen Islamismus ( oder des „Integrisme“ , denn Ziel ist es, keine Trennung zwischen Staat und Religion zu haben) statt. Kämpfer für den IS (Daesh) aus dem Ausland reisen über Algerien ein und angeblich gab es schon eine Stellungnahme eines IS Kämpfers in Algerien. Erst vor zwei Wochen wurden 22 Terroristen in Bouira vom Militär getötet, und insgesamt nehmen Gewalt und Entführungen zu. Die Entführung und Ermordung des Franzosen Herve Gourdel war nur ein Fall von vielen, denn auch vor nur wenigen Wochen wurden vier Männer, ehemalige patriotische Kämpfer gegen Integristen im schwarzen Jahrzehnt (decennie noir), das Jahrzehnt in dem Algerien sich fast im Bürgerkrieg befand und tausende Menschen brutal ermordet wurden. Gerade in der Bergregion der Kabylei sollen westliche Geschäftsleute nur noch mit polizeilichem Begleitschutz reisen (Auswärtiges Amt). Die Kabylei ist zwar durch die unwegsamen Berge ein ideales Rückzugsgebiet für Terroristen, aber Kabylen haben auch einen anderen kulturellen Hintergrund und sehen sich nicht als Araber. Es gibt schon lange Unabhängigkeitsbestrebungen und viele in der Bevölkerung lehnen alles arabische ab, inklusive der Sprache. Ein Kabyle sagte..“die Kabylen werden nie zulassen, das alle Frauen sich verschleiern müssen..“ Allerdings würde ich vermuten, dass dies nicht zugelassen wird aus Hass gegenüber allem arabischen, und weniger aus Interesse für die Gleichheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Kabylen (den Männern) selbst wird von arabischen Algeriern vorgeworfen keine Muslime zu sein, denn sie würden Alkohol in Massen konsumieren und Wildschwein essen.

Dieser Kampf zwischen kabylischen und arabischen AlgerierInnen, zwischen Islamisten und Anhängerinnen der Trennung von Religion und Staat, zunehmendes Machtbestreben durch Integristen in einem Land reich an Erdöl und Gas bei immer knapper werdenden Ressourcen, wird auf dem Rücken der Frauen ausgetragen. Aber das ist nichts Neues. Frauen tragen das ganze Patriarchat auf ihrem Rücken. Überall.

http://bigbrowser.blog.lemonde.fr/2015/05/25/prouver-sa-virilite-en-voilant-sa-femme/

(Fotos sind hier alle abgebildet)

http://www.elwatan.com/actualite/l-algerie-ma-terre-de-djihad-22-05-2015-295370_109.php?utm_source=twitterfeed&utm_medium=facebook