Kategorie: Sexuelle Gewalt

Rache am Patriarchat? Oder doch nur ein leises Rauschen im Blätterwald?

Manche Dinge lassen eine einfach immer wieder ratlos zurück. Aktuell geht es mir so mit einem Protest gegen den ungeheuerlichen Vorgang eines linken Festival-Mitveranstalters, der über Jahre hinweg weibliche Festivalbesucherinnen auf der Toilette und unter die Dusche heimlich gefilmt und diese Videos auf einer Porno-Plattform, XHamster, hochgeladen hat. Der Schock bei vielen jungen Frauen, die auf der Fusion oder Monis Rache waren, sitzt zu Recht tief: „Sind auch Videos von mir online, ohne dass ich etwas darüber weiß?“, „Wie finde ich raus ob ich betroffen und damit Opfer sexueller Gewalt geworden bin?“

Dass sich also Protest regt ist völlig nachvollziehbar. Über das WIE  kann man sich offenbar aber wie immer streiten. Zum einen ist da der Demo-Aufruf selbst, der vor Inkonsistenzen nur so strotzt. Das Demo-Motto lässt das bereits erahnen, lautet es doch: Rache am Patriarchat! My body is not your porn. Still <3ing my Choice“. Der erste Teil klingt radikal und scheint sich gegen die patriachalen Strukturen zu wenden, die Frauen sexualisieren und objektifizieren. Der zweite Teil lässt allerdings bereits erahnen, dass das große aber noch folgen wird. Und die Vorahnung bestätigt sich auch im folgenden Text. Dort heißt es:

Wir werden uns nicht aus öffentlichen Räumen zurückziehen, sondern wir wollen, dass sie sich verändern, damit wir uns wohl fühlen können. Alle Menschen sollen selbst bestimmen, ob und mit wem sie Sex haben möchten. Alle Menschen sollen selber bestimmen können, ob sie mit dem eigenen Körper oder erotischen Dienstleistungen Geld verdienen wollen. Kein Mensch soll sexualisierte Gewalt erleben.“

Dass die Pornokultur AN SICH bereits Grund dafür ist, dass ALLE Frauen ständig und immer wieder im privaten und öffentlichen Raum objektifiziert werden und sexuelle Gewalt erleben, scheint bei den Initatorinnen nicht angekommen zu sein. Studien zeigen eindeutig, welchen negativen Einfluss Pornokonsum auf das Verständnis von sexueller Gewalt auf Männer UND Frauen hat. Das zum einen. Feministische Analyse, nach der Pornographie gefilmte Prostitution ist, die Frauen zu Objekten degradiert (siehe zum Beispiel von Andrea Dworkin): Fehlanzeige. Und dann auch noch das Unvermeidliche: Sexuelle Übergriffigkeit von Freiern gegenüber prostituierten Frauen, wird mal wieder nicht als solche erkannt: Dass es per definitionem sexuelle Gewalt IST, wenn sich ein Freier Zugang zum Körper einer Frau erkauft, die ohne materielle oder andere Entschädigung, diesen an ihr oder ihn ihr durchgeführten sexuellen Handlungen nicht zugestimmt hätte, wird nicht erkannt. Eine Erwähnung empirischer Erkenntnisse, dass das „wollen“ der Ausübung „erotischer Dienstleistungen“ mit statistisch relevanten Zusammenhängen auf erlebten Grenzverletzungen beruht oder aufgrund finanzieller oder anderer Zwänge erfolgt: Findet nicht statt.

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Feministische Praxis nicht nur für die, die wir mögen

Zugegeben: Als ich die Schlagzeile las, dass die Betreiberin einer Escort-Agentur und „Sexarbeiterin“ Salome Balthus von der Zeitung die Welt in der sie seit einigen Monaten eine Kolumne unter dem Titel „Das Kanarienvögelchen“ schrieb, gefeuert wurde, dachte ich mir „Das wurde aber auch Zeit“. War es mir doch völlig schleierhaft, warum sie diese Möglichkeit überhaupt erst bekommen hatte. Ob einer die Inhalte oder der Schreibstil einer anderen Person gefallen oder nicht, ist ja eher subjektiv und Geschmackssache.

Politisch jedoch hatte ich in mehrfacher Hinsicht ein Problem mit dem Podium, welches ihr dort geboten wurde: Zum einen halte ich es nach wie vor für unerträglich, wie viel Raum Mainstream-Medien jenen Menschen einräumen, die sich für die Erhaltung einer der patriachalsten und frauenfeindlichsten Institutionen unserer Gesellschaft, der Prostitution, stark machen – ohne gleichermaßen auch jenen Frauen in und außerhalb der Prostitution diesen Raum zuzugestehen, die Prostitution als kommerzialisierte sexuelle Gewalt empfinden und für eine Welt ohne Prostitution und Frauenverachtung kämpfen. Dem Netzwerk Ella beispielsweise kommt dieses Privileg nicht zu. Dies ist jedoch den jeweiligen Medien und einer Gesellschaft anzulasten, die natürlich lieber jenen ein Sprachrohr verleiht, welche die gegebenen Machthierarchien stärken – und eben nicht jenen, die diese in Frage stellen.

Unklar ist, ob Balthus an der Prostitution der auf ihrer Agentur-Seite angebotenen Frauen verdient. Ist dem so, dann wäre dies in meinen Augen moralisch verwerflich und nach dem von mir und uns vertretenen Nordischen Modell kriminell und strafbar. Dass sie sich, ihre Agentur und ihre „Hetären“-Kolleginen angesichts des Bewerbungsfragebogens auf der Seite offensichtlich für besonders elitär und intellektuell hält: geschenkt.

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Sex Industry Kills- vom inneren Sterben

Ein Gastbeitrag von Cat

Eigentlich hatte sie nicht auffallen wollen. Zumindest nicht direkt. Deshalb hatte sie sich ja auch für das Pünktchen-Kleid und die flachen Sandalen entschieden. Nur war es nun mal nicht möglich, auf die große, tiefschwarze Sonnenbrille zu verzichten. Auch nicht auf die orangefarbene Perücke- obgleich sie damit die Blicke aller Veranstaltungsbesucher auf sich zog. Sich zu zeigen wäre zu riskant. Zu groß die Gefahr, erkannt zu werden.

Sie kannte das Empfinden irgendwie anders zu sein nur zu gut. Gesellschaft gab ihr immer schon das Gefühl, in ihr ein Fremdkörper zu sein. Aber heute war es anders, denn heute wollte sie genau darüber sprechen. Seit sie vor einem halben Jahr ihren Job an den Nagel gehängt hat, spürt sie eine merkbare Transformation; einen Übertritt in eine andere Welt. Schließlich geht es nicht um irgendeinen Job: Susan Müller war Prostituierte- und eigentlich heißt sie ganz anders.

Während sie spricht, klingt sie gelassen. Auch dann, wenn sie erzählt, wie sie mit Anfang zwanzig damit begann, sich zu verkaufen oder wenn sie sich daran erinnert, wie sie bei ihrem ersten Freier an einen gewalttätigen Sadisten geraten war.

„Bevor man einsteigt sollte man sich vorstellen können mit jedem zweiten Mann, der einem auf der Straße begegnet, zu schlafen.“ Eine erste Voraussetzung, der nur Wenige standhalten können.

Dabei fiel ihr der Einstieg leichter als gedacht: Job verloren. Lahme Ämter. Hungrige Kinder.

Dass sie sich gerade für diesen, nicht etwa für einen Job in der Gastronomie, im Verkauf oder für eine Putzstelle entschieden hat, kann sie heute anders reflektieren als damals. Schon als Kind hatte Susan sexuelle Gewalt erfahren. Sexualität, so sagt sie, sei für sie auf dieser Grundlage nichts wert gewesen und konnte also verdinglicht werden. Ein blutiger roter Faden, der sich, wie sie später erfahren sollte, durch die Biographien vieler Kolleginnen zieht. Einer Studie des Familienministeriums zufolge erlebten etwa 52 Prozent der Prostituierten körperliche Gewalt in der Kindheit. Rund 43 Prozent wurden Opfer sexuellen Missbrauchs- von den Dunkelziffern ganz zu schweigen.

Dass sich eine derart große Anzahl an Gewaltopfern für diesen Beruf entscheidet, erklärt Traumaexpertin Dr. Ingeborg Kraus damit dass Menschen, die  körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren haben, ähnliche Überlebensmechanismen ausbilden wie Kriegsopfer- so auch in der Prostitution. Die Arbeit fungiere demnach als Ort der Reinszenierung von Traumata- diesmal aber im Rahmen eines vermeintlich kontrollierten Aktes, gesteuert von der traumatisierten Person. „Wenn der Freier weg ist hast du immer das Gefühl, etwas Schlimmes überlebt zu haben. Es gibt dir diesen Kick, den man bei einem Unfall erlebt. Viele haben das Bedürfnis, sich danach mit dem Bargeld zu belohnen. Ich kenne keine Frau, die aus dem Zimmer kommt und sagt „Das war jetzt schön.“ Es war immer bestenfalls „ok“- und zwar dann, wenn der Mann möglichst schleunigst wieder gegangen ist.“ Hört man Susan zu, wird sehr schnell deutlich, wie problematisch die von Kraus beobachtete Reinszenierung tatsächlich ist.

Das Milieu ist ein Zufluchtsort für all jene, die von Kind an mit Traumata leben müssen. „Es gibt einem das Gefühl, in Ordnung zu sein“, obwohl etwas im Innersten gebrochen ist. Weil Alle um einen herum auf ihre ganz persönliche Weise gebrochen sind. „Das Leben fickt härter als jeder Freier“, zitiert Susan trocken- und spielt damit auf eine Line der Frankfurter Rapperin und Ex-Prostituierten „Schwesta Ewa“ an. Die habe trotz ihrer Vulgarität einen wahren Kern.

Das Milieu fange auf, reiche einem in der Personifikation des Zuhälters oder der Zuhälterin seine klebrige Hand, um steuerliche Registrierungen vorzunehmen, einzuweisen oder Ratschläge zu geben- etwa, wie unliebsame Praktiken am besten zu überstehen seien. Und dann kommt die Gewohnheit, die man sich einredet, obwohl es keine ist. Weil man sich in einen Zustand versetzt, an den sich niemand jemals gewöhnen kann.

Susan lehnt sich zurück, streicht ihren Rock glatt. „Das Beunruhigende ist ja, dass du die Männer nicht kennst. Ich hatte immer ein komisches Gefühl in der Magengrube. Du bekommst einen Namen, meinetwegen „Udo“, und der wartet dann hinter der Tür. Du machst die Tür auf und siehst sofort, dass du „Udo“ absolut unattraktiv findest. Trotzdem musst du ihm die folgenden Minuten vorspielen, er sei der tollste Mann der Welt.“ Ihn abzulehnen, gäbe Stress. „Wenn eine Frau dreimal nicht will, spricht sich das rum. Manchmal muss man den Laden dann mit Zwangszahlung entschädigen.“

Zwischen drei und sechs Mal in der Woche hatte sie gearbeitet. Meistens tagsüber. Das habe dem Geschäft aber keinen Abbruch getan: „Der Tag hat Platz für Ausreden. Wirklich Alle gehen in den Puff. Vom Polizisten, zum Gerichtsmediziner, dem Studenten bis hin zum Arbeitslosen. Am Nervigsten sind die Jungen- die sind so porno-verseucht.“ Obwohl sie es sarkastisch sagt, bietet das Thema keinen Raum, um darüber zu lachen.

In ihren fünf Jahren war Susan neben der Selbstständigkeit in verschiedenen Etablissements tätig. Dort konnten die Frauen gegenseitig aufeinander aufpassen, wenn es die Umstände erlaubten. Alleine war man dennoch. Alleine mit den Freiern- ob brutal, erträglich, schmierig oder pervers- und letztlich alleine mit sich selbst und seinen Erinnerungen. Finstere Geister, die viele der Kolleginnen mit verschiedensten Pharmaka in Form von Alkohol, Kokain oder Crystal Meth zu bändigen versuchten.

Susan nahm keine Drogen. Stattdessen eignete sie sich eine andere Strategie an, um taub zu werden. „Wenn ich mit dem Freier auf Zimmer war hab ich immer versucht, möglichst wenig zu fühlen. Der Job tötet dich. Weil du dich dauernd verbiegen, dich innerlich tot machen musst.“

Eine ihrer engeren Kolleginnen habe zwischen zehn und fünfzehn Kunden am Tag gehabt. Das habe sie ertragen, so glaubt Susan, weil sie längst tot war.

Um ihrem eigenen inneren Tod ins Auge zu blicken, brauchte sie einen Spiegel. Den lieferten die Texte der Aktivistin und ehemaligen Prostituierten Huschke Mau, die sich kritisch mit der Liberalisierung des Prostitutionsmarkts,  Gewalt wider Frauen im Gewerbe und Freiern als Tätern auseinandersetzten. Themen, die Susan zunächst ärgerten: „Zuerst hab ich die Texte als Affront, als Provokation gegen mich empfunden. Damals habe ich mir noch eingeredet, das sei ein toller Job.“ Heute erkennt sie die Mechanismen, die im Milieu dafür sorgten, dass ihre Illusion so lange aufrechterhalten blieb. Einer davon ist die Abgrenzung. So schaue der Escort auf das Bordell und das Bordell auf den Straßenstrich herab. Diese streng abgestufte Hierarchie, die Vergewisserung, nicht an unterster Stelle zu stehen, mache den Alltag erträglicher. Hinzu kämen die säuselnden Worte der Zuhälter, die freundlich ermahnten, dass man sich nicht anstellen solle, wenn es einem schlecht geht, weil ja eigentlich alles ganz normal sei.

Der Zuhälter von heute nennt sich übrigens „Buchhalter“. Kaffee schlürfend, die Glieder in einem schicken Anzug steckend inszeniert er sich in der Öffentlichkeit als nobler Gönner. Als Familienvater. Als Saubermann. Dass er Leichen im Keller hat, solche, die tot sind im Inneren, hindert ihn nicht daran, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen und das Klischee des auf dem Kiez auf und ab fahrenden Luden hinter sich zu lassen.

Das gesamte Milieu hat sich einem Wandel unterzogen. Rund 400.000 Prostituierte arbeiten laut öffentlicher Zahlen heute in Deutschland. Auch hier scheint die Dunkelziffer jedoch weitaus höher zu liegen. Eine Konkurrenzsituation, die Ausbeutern geradezu in die Hände spielt. Susans Diagnose ist bitter: „Die Rolex- und Benz-Zeiten sind längst vorbei. Vor der Liberalisierung hat man in der Branche sehr gut verdient. Die Männer haben nicht viel verlangt. Seit der Öffnung zum Osten hin werden die Freier perverser, haben immer extremere Forderungen. Durch Schleusung ist der Markt überschwemmt, die Preise sind im Keller.“ „Schleusung“, das meint die Masse an Frauen, die aus Ost- und Südost- nach Mitteleuropa verschleppt und prostituiert werden. Von hunderttausend Opfern geht man aus. Deutschland biete dafür den optimalen Humus, so Manfred Paulus. Er ist ehemaliger Polizeihauptkommissar und widmet sich der Untersuchung von Ursachen von Frauen- und Kinderhandel. Überhaupt die Möglichkeit der Verschleppung nach Deutschland zu bieten deute auf ein komplettes Versagen des deutschen Staates hin, was einerseits auf eine unzureichende Gesetzeslage zurückzuführen und andererseits einer fehlerhaften Philosophie und Sprache verschuldet sei.

Deutschland hat sich 2002 für das Legalisierungsprinzip im Umgang mit Prostitution entschieden. Das erkennt Sexarbeit als Form der Erwerbsarbeit an und regelt sie dementsprechend- etwa durch Kontrollen von Anmeldebescheinigungen und Hygienevorschriften.  Und ganz nebenbei verdient der Staat Milliarden im Jahr an deren Leid- für Manfred Paulus Ausdruck einer opferfeindlichen deutschen Politik. Für die Beamten sei es zum Beispiel nahezu unmöglich, während einer kurzen Kontrolle festzustellen, ob Zwangsarbeit vorliegt. „Außerdem fehlt da auch das Vertrauen. Wenn dir ein Kunde erzählt, dass er Polizist ist, vertraust du dich dem ja nicht an. Dann hat der am Ende noch deinen Klarnamen und weiß wo du wohnst.“, gibt Susan zu bedenken.

Mit der lückenhaften Gesetzeslage gehe auch ein sprachliches Problem einher. So wird die Arbeit der  Prostituierten im Gesetz als „freiwillig“ bezeichnet. Gespräche mit tausend Aussteigerinnen und Erkenntnisse der Kriminalpolizei ergaben jedoch, dass freiwillige Prostitution ein Mythos sei. Anzuschaffen hänge häufig mit Notsituationen oder dem Motiv von- besonders durch den Eingriff krimineller Banden- erzeugter Abhängigkeit und Schuldgefühle zusammen. Von Freiwilligkeit zu sprechen wäre eine Normalisierung sexueller Dienstleistungen. Das sei fatal und wird aus dem Ausland mit dem verächtlichen Beinamen „Deutschland- Puff Europas“ gestraft. Ist es Naivität? Sind es ökonomische Faktoren? Oder ist das organisierte Verbrechen bis in die Führungsspitzen vorgedrungen?

So oder so für Susan Müller Grund genug, um das Gewerbe hinter sich zu lassen.

„Es ist nicht so, dass eine Frau, die angeschafft hat, von einem Tag auf den anderen einfach am Fließband arbeiten kann. Prostitution ist enorm mit Scham besetzt. Man fühlt sich minderwertig, verliert sein gesamtes Selbstbewusstsein. Und dann sind die meisten Frauen traumatisiert. Man muss erst mal wieder im bürgerlichen Leben ankommen. Das macht ja was mit einem.“ Aus diesem Grund seien gute Ausstiegsprogramme wichtig.

Ihr eigener Ausstieg war ein echter Prozess. Die Texte von Huschke Mau hatten sich in Susans Kopf gebohrt, öffneten ihr nach und nach die Augen und machten die Arbeit unerträglich. Sie suchte sich einen kleinen Nebenjob als zweites Standbein und erklärte den Betreibern von ihrem Plan, aufzuhören. „Die ganze Hilfe, die dir anfangs zukommt, fällt sofort weg wenn du dich entschließt, das Milieu verlassen. Verrat ist die schlimmste Verfehlung- sie schadet dem Geschäft.“

Stattdessen fand Susan ein neues Milieu. Das der Ehemaligen. Mit dem von Huschke Mau gegründeten Netzwerk „Ella“, einer unabhängigen Interessensvertretung für Frauen aus der Prostitution, setzt sie  sich heute für einen abolitionistischen Kurs gegen Prostitution ein und macht sich damit stark für deren langfristige Abschaffung. Auf ihrer Website schreiben die Mitglieder von „Ella“: „Wir nehmen Prostitution als sexuelle Gewalt wahr und setzen uns dafür ein, dass dies anerkannt wird. Prostitution ist keine Dienstleistung und kein Beruf, sondern Ursache und Auswirkung eines ungerechten Geschlechterverhältnisses.“ Genau das sehen die Frauen in dem bereits in Schweden geltenden „Nordischen Modell“ verwirklicht. Dieses geht davon aus, dass der Freier als Exekutive von sexueller Gewalt bestraft werden muss. Zugleich soll die Frau entkriminalisiert und mithilfe von Ausstiegsprogrammen und Traumatherapie an die Hand genommen werden. Dieser Umgang würde, ähnlich wie in Schweden, eine Bewusstseinsveränderung bewirken. Nur so würde den Frauen geholfen. Die wahre Hilfe, die ihr den Austritt aus der Prostitution und den Eintritt in ein langsam verheilendes Leben erleichterte, will Susan Müller nun weitergeben. Wenn sie mit der tiefschwarzen Sonnenbrille, der orangefarbenen Perücke vor den Bürgern dieser Kleinstadt spricht-ruhig, aber vehement- dann hören ihr alle gebannt zu. Es ist eine Stimme, die lange unterdrückt wurde. Und eine Frau, die von ihrer Nahtoderfahrung berichtet. Denn sie hat sich innerlich Sterben gesehen- und wollte leben.

 

(c) Cat

„Feministischer Porno“? Warnung: Rant.

Ein Gastbeitrag von Inge Kleine zur Forderung der SPD Berlin „feministische Pornographie“ staatlich zu subventionieren:

* „Die Darstellung von Vielfalt an Körperformen, Geschlechtern, ethnischer Herkunft, Sexualität und Sexualpraktiken.“

Das ist ja mal eine echte Neuerung in Pornos, echt – da werden bisher ja keine schwarzen Menschen gezeigt, oder Frauen mit Kopftuch, oder Asiatinnen, oder „Zigeunerinnen“ oder, oder, oder, oder …….

Ganz toll. Und es gibt auch einen Mangel an der Darstellung von „Sexualpraktiken“ in Pornos. Oder? Also her damit, damit sie dann in einer Reihe mit der Vielfalt der Personen stehen, Gangbang in der in Pornos typischen Variante braucht ja auch beides, weiße (Frauen), (schwarze) Gangs …..

Und verdammt noch mal – einer der wenigen Vorteile darin, zufällig lesbisch zu sein, bestand bisher darin, bei diesem Mist weitestgehend ignoriert zu werden, keine Vorschriften zu kriegen, was Lesbe zu tun hat oder wie sie zu stöhnen hat oder sonst etwas. Die „Lesbenpornos“ waren genauso Gewalt wie die anderen, aber die hatten ja mit uns nichts zu tun.
Aber jetzt soll es ja „realistisch“ werden. Weil Kameras, Regieanweisungen, nachträgliche Tonspuren und Geld für jede Handlung ja so realistisch sind – und davon abgesehen – gerade wenn etwas „realistisch“ ist, möchte ich damit nicht auch noch diesen Voyerismus bedient sehen.

Mal im Ernst.
WEN WOLLT IHR HIER VERARSCHEN??

*Verhütung (wenn nicht, dann nur im (dokumentierten) Konsens)

Klar – eine Unterschrift zeigt und beweist ja den „Konsens“. Alles gut. Ist dann im Zusatzmaterial zu sehen.

*Die explizite Darstellung von Konsens und Kommunikation

Klar – wir plappern einfach in der Eingangszene, wie sehr wir Vergewaltigungsphantasien lieben und das jetzt spielen, und dann ist alles hunkie-furzi-fick-galori!

Ich wiederhole mich: WEN WOLLT IHR HONKS VERARSCHEN?

Die schöne neue Welt für Frauen – zerquetscht zwischen diesen Optionen:
(1) Einer rassistischen, Frauen-an-den-Herd, Lesben-und-Schwule-bitte-raus, Väter-sind-die-Herren-über-(Ex-)frauen-und-Kinder Partei (und zwei dahin ausfransenden Parteien) und
(2) mehreren Parteien mit schöner Einigkeit zu Frauen: Frauen bitte A.-in-die-Luft und Frauen, macht ein paar Kurse wegen des Würgereflexes, bei Schmerzen bei Anal hilft ganz viel Gleitcreme und ein paar Entspannungsübungen, ein paar Sternchen, ein paar Formulierungen, ein paar Behauptungen, ein bisschen Gequatsche zu „mainstream“, zu Sexismus und zu Rassismus, nur um ihn zu bedienen, und alles ist gut – diese Parteien dann.

Die alte Kontroverse zwischen Konservativen und „Liberalen“ so richtig vor die Nase geklatscht, mit ein paar Modifikationen auf der linken Seite: „Die einzelne Frau gehört nur einem Mann, und der hat alle Rechte auf sie“ (Konservative, AfDler, Männerrechtler-offen-rechts-Variante), oder „Frauen haben immer allen Männern zugänglich zu sein, aber weil wir ehemaligen sozialistischen und linken Leute inzwischen keine Texte mehr lesen, geschweige denn sie verstehen, dürfen die Frauen dafür ein bisschen Geld nehmen, und sie müssen lernen, dass es freiwillig sein muss, und das ist doch tooooooooooolllllllllllllllllllll! Und gar kein Mainstream, nein igitt, wir sind [enter buzzword here]!“ (Linke, Grüne, SPD, CDU, Männerrechtler-angeblich-links-Variante.)
Abgefuckt seid ihr, sonst nichts.

Und zig gehorsame Frauen unterstützen das. Denn wir sind so in diese Formen getreten worden, dass wir Alpträume kriegen beim Gedanken, zu Männern einfach „Nein“ zu sagen.

Echt. Ich glaube, ich habe bei Pornos mehr Respekt oder komme mit Schenkel klopfenden Wichsbolzen besser zurecht, als mit A-Löchern, die mir diesen Mist erzählen.

Und dann möchte ich noch wissen, was die SPD sonst noch alles tut, um nie irgendwo politische Verantwortung übernehmen zu müssen.

Seid doch einfach ehrlich, sagt doch einfach, Frauen sind Drei-Loch-Fickpakete, manche Trans und manche junge Männer sind Zwei-Loch-Fick-Pakete, wir sind dafür, es so zu gestalten, dass ihr es ein paar Jahre überlebt, und wieso, das Wahlrecht habt ihr ja noch, und wir sagen doch die ganze Zeit, dass es freiwillig sein MUSS, also was soll’s.
Warum nicht einfach ehrlich sein.


Und wir sind alle so sozialisiert, dass wir uns nicht wehren.

Andrea Dworkin: Es braucht ein Dorf…

Andrea Dworkin

By Open Media Ltd. (Uploaded by Open Media Ltd. (AnOpenMedium)) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Nachfolgend ein Ausschnitt aus „Heartbreak:The Political Memoir of a Feminist Militant“ von Andrea Dworkin (2002)

Es passiert so oft, dass man, zumindest ich, nicht Schritt halten kann. Einer Frau wird nur dann geglaubt, wenn auch andere Frauen vortreten und sagen, dass der Mann oder die Männer, sie auch vergewaltigt hat / haben. Die Sonderbarkeit sollte offensichtlich sein: wenn ich ausgeraubt werde und mein Nachbar nicht, dann wurde ich trotzdem ausgeraubt – es gibt keine gesetzliche oder soziale Vereinbarung, dass auch meine NachbarInnen ausgeraubt werden müssen, damit mir, dem Opfer eines Raubes, geglaubt wird.

[…]

Es braucht ein ganzes Dorf von Frauen um einen Vergewaltiger festzunageln. Manche Vergewaltiger haben Hunderte von Kindern belästigt oder ihnen sexuelle Gewalt angetan, bevor sie erstmals gefasst werden. Vergewaltiger von Frauen sind intellektuell oder unterbemittelt, weiße oder schwarze Unterschicht, geschickt und brutal, schlau und dumm; manche haben viel erreicht im Leben; manche sind reich; manche sind berühmt. Weil immer die Frau vor Gericht steht – diesmal, damit ihre Glaubwürdigkeit evaluiert werden kann – braucht es immer mehr als eine, um die Verhaltensmuster des Täters zu bezeugen.

[…]

Das Glaubwürdigkeitsthema ist geschlechtsspezifisch: Es ist faszinierend, dass es bei all diesen Vergewaltigungen nur so wenige Vergewaltiger gibt. […] Ein Rat an junge Frauen: versucht nicht die Erste zu sein, denn dann gibt es keine anderen, die eure Geschichte bestätigen können. Ihr könnt euch Glaubwürdigkeit nicht verdienen; ihr könnt sie nicht kaufen; ihr könnt sie nicht faken; und ihr seid Närrinen, wenn ihr denkt, ihr hättet sie.

Buch: Pornographie. Männer beherrschen Frauen (Andrea Dworkin)

Andrea Dworkin Pornographie

„Pornographie“ wurde 1979 von der radikalfeministischen Vordenkerin und Soziologin Andrea Dworkin geschrieben und erschien 1987 in deutscher Sprache im Fischer Taschenbuch Verlag in der Reihe „Die Frau in der Gesellschaft“. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich halte dieses Buch für eines der klügsten, scharfsinnigsten und wichtigsten Bücher, die ich jemals gelesen habe. 38, bzw. 30 Jahre später müssen wir feststellen, dass unsere Gesellschaft heute eine andere sein könnte, hätte man Andrea seinerzeit zugehört und die notwendigen Konsequenzen aus den erkannten Fehlentwicklungen gezogen.

In ihrem Vorwort zur deutsche Ausgabe beschreibt Alice Schwarzer die neue Entwicklung wie folgt:

„Wie schon andere Feministinnen vor ihr, entlarvt auch Dworkin (die Feministin mit der linken Vergangenheit) die Rolle der Linken […] als besonders zynisch: Sie benutzt und erniedrigt die Frauen auch noch im Namen der (sexuellen) Freiheit. Ihre konservativen Väter genossen sexuelle Dienstleistungen noch hinter bigott verschlossenen Türen. Ihre Söhne stehen öffentlich dazu: Nutten-Look und Zuhälter-Attitüde beherrschen die Szene, die Mutter-Hure feiert ihre Wiederauferstehung in den Kultfilmen der Intelligenzia […], die Bukowskis bleiben WG-Bestseller, Peep-Shows und Puffs sind „geil““ (S. 11f)

Erst durch Andrea Dworkin (seinerzeit die Lektüre der Rede „Women Hating Left and Right“) habe ich, als linke Feministin, die sich gegen die Sexindustrie engagiert, verstanden, dass der Gegenwind, der einem aus den eigenen politischen Zusammenhängen entgegenschlägt kein Zufall oder eine deutsche Besonderheit ist, sondern, dass sehr viele Feministinnen vor mir / vor uns die gleichen bitteren Enttäuschungen machen mussten.

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Robert Jensen: The End of Patriarchy

Robert Jensen: The End of Patriarchy

Interessanterweise höre ich in regelmäßigen Abständen (und immer häufiger), dass meine Facebook-Posts oder radikalfeministischen Statements einen konkreten Nutzen durch Denkanstöße für männliche Freunde haben, bzw. sie – für sich ganz persönlich – mit „meinem Feminismus“ etwas anfangen können. Daran wurde ich immer wieder bei der Lektüre von Jensens „Das Ende des Patriarchats. Radikaler Feminismus für Männer“ erinnert.

Man könnte angesichts des Titels versucht sein zu glauben, dass der amerikanische Journalismus-Professor und „Culture Reframed“-Aktivist Robert Jensen hier ein „Ich erkläre euch mal den Feminismus“-Buch vorlegt hat – aber das ist weder sein Anspruch, noch sein Ziel. Vielmehr geht es ihm darum, aus seiner männlichen Position heraus, zu erläutern, warum radikaler Feminismus für ihn als Mann einen unschätzbaren Wert hat. Oder wie Autor Jeffrey Masson sagt: Es ist kein „Mansplaining“-Buch, sondern das Gegenteil davon: ein „Mann-hört-auf-Frauen“-Buch. Wer also tiefgreifende radikalfeministische Analysen lesen will, sollte nach wie vor (und sowieso) zu den Klassikern greifen.

Freimütig räumt Jensen im Vorwort ein, dass sich in ihm zunächst alles gegen die feministische Analyse gesträubt hat, dass jedoch irgendetwas in ihm wollte, dass er weiterliest – seine Hauptmotivation war geprägt von Eigennutz, der Suche nach einem Ausweg aus dem ständigen Wettkampf „ein Mann zu sein“. (S. 3) Jensen nutzt die feministische Theorie, um seine Erfahrungen in einer sexistischen Gesellschaft (den Vereinigten Staaten von Amerika) für sich erklärbar zu machen (S. 16). Er sieht seine Aufgabe als privilegiertes Mitglied der herrschenden Gruppe darin, die Ergebnisse seines Selbstreflektions-Prozesses öffentlich zur Diskussion zu stellen (S. 17).

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Catharine MacKinnon: Von der Praxis zur Theorie, oder: Was ist überhaupt eine „weiße“ Frau

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Nachfolgend die Übersetzung von Auszügen aus einem Text aus dem Jahr 1991 der US-amerikanischen Juristin und Radikalfeministin Catharine MacKinnon zu der Frage der Intersektionalität von Geschlecht, Ethnizität und Klasse und der Frage, ob Unterdrückung „weiße“, „privilegierte“ Frauen vielleicht gar nicht (be)trifft. Der gesamte Text auf Englisch ist hier zu finden.

„Bin ich denn keine Frau?“ – Sojourner Truth

„Schwarze Feministinnen sprechen als Frauen, weil wir Frauen sind…“ – Audre Lorde

Man sagt häufig, dass etwas zwar in der Theorie gut klingt, aber sich in der Praxis anders erweist. Ich wollte dann immer, dass die Theorie dann wohl nicht so gut ist, nicht wahr? […]  Das konventionelle Bild von der Beziehung zwischen den beiden ist, dass man zuerst eine Theorie hat, und dann die Praxis. Du hast erst eine Idee, dann handelst du nach ihr. […]

Die postmoderne Version dieses Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis ist Diskurs bis zum Umfallen. Theorie erzeugt nicht Praxis, sondern noch mehr Text. Es erscheint so, als könnte man Machtverhältnisse dekonstruieren, indem man ihre Markierungen im Kopf hin und her schiebt. Wie alle anderen formellen Idealismen, gibt es bei diesem Theorieansatz die unbewusste Tendenz existierende Machtverhältnisse zu reproduzieren, zum Teil weil es sich um eine vollkommen verlagerte Elitentätigkeit handelt. […] Nicht die Welt ist der Antrieb, sondern der Kopf.  Erst denkt man über sozialen Wandel nach, dann handelt man. Bücher beziehen sich auf Bücher, Köpfe unterhalten sich mit Köpfen.  Und nicht Körper pressen sich an Körper oder Menschen bewegen Menschen. […]

Die Bewegung zur Befreiung von Frauen […] funktioniert anders herum. Erst kommt die Praxis, dann die Theorie. […] Feminismus war eine Praxis, lange bevor er eine Theorie war. […] Die Frauenbewegung […], in der Frauen sich entgegengesetzt der Festlegungen in Bezug auf andere Frauen bewegen, bleibt mehr Praxis als Theorie. Das ist der Unterschied zum akademischen Feminismus. […] Die Theorie zu dieser Praxis zu schreiben, bedeutet nicht, sich durch Rätsel zu tüfteln […], nicht über Utopien zu fantasieren, nicht zu moralisieren oder Menschen zu erzählen, was sie zu tun haben. Es geht nicht um die Ausübung von Autorität; die Theorie lenkt die Praxis nicht. Die Aufgabe besteht darin, sich auf das Leben einzulassen durch das Entwickeln von Mechanismen, die identifizieren und kritisieren, anstatt soziale Praktiken der Unterordnung zu reproduzieren und sie besteht darin Werkzeuge aus dem Bewusstsein und dem Widerstand von Frauen zu entwickeln, die den praktischen Kampf gegen Ungleichheit unterstützen. Diese Art von Theorie setzt Bescheidenheit voraus und benötigt Partizipation. […]

Ich möchte untersuchen, wie die Realität von Geschlechterungleichheit, die Erfahrungen von Frauen in dieser Welt, die Konturen von Geschlechterdiskriminierung im Gesetz geformt hat/haben.

Geschlechtergleichheit als rechtliches Konzept wurde traditionell nicht theorisiert unter Einbeziehung von sexueller Belästigung oder Reproduktion, weil die Gleichberechtigungstheorie aus der Praxis von Männern entwickelt wurde, nicht der von Frauen. […] Es gibt Männer, die auf diese Art und Weise geschädigt wurden, aber sie sind wenige, und sie werden nicht als geschädigt angesehen weil sie Männer sind, sondern obwohl sie Männer sind oder als abweichend von ihnen betrachtet werden. […] Deshalb werden Sexualität und Reproduktion nicht als Gleichberechtigungs-Themen im traditionellen Ansatz betrachtet. […]

Mechelle Vinson setzte sexuelle Belästigung am Arbeitsmarkt als Geschlechterdiskriminierung nach dem bürgerlichen Recht durch. […] Ihre Sichtweise, dass das was ihr Vorgesetzter Sidney Taylor ihr antat, sein wiederholtes Penisschwingen in ihrer Anwesenheit im Tresorraum der Bank, ihr deshalb angetan wurde, weil sie eine Frau ist, änderte die Theorie der Geschlechterdiskriminierung für alle Frauen. […] Lillian Garland setzte durch, dass die Garantie von unbezahltem Urlaub für schwangere Frauen nach dem Gesetz keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist, sondern ein Schritt in die Richtung zur Beendigung von Geschlechterdiskriminierung. […] Es war ihr Widerstand gegen ihren Arbeitgeber […], der sich weigerte sie nach ihrer Schwangerschaftspause wieder einzustellen; Es war ihre Identifikation dieser Praxis als gesetzwidrige Behandlung, aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau war, die dem Geschlechter-Gleichberechtigungs-Gesetz einen Schubs in die Richtung von Gleichberechtigung gab […].

Was ist also gemeint, wenn hier von einer Behandlung „als Frau“ die Rede ist? Es meint, ein empirisches Statement über die Realität zu machen, um die Realität der Situation der Frau zu beschreiben. […] Unter Einbeziehung aller Unterschiede, können wir über die Gruppe der Frauen sagen, dass sie eine kollektive, soziale Geschichte der Entmachtung, Ausbeutung und Unterordnung hat, die bis in die Gegenwart reicht. „Wie eine Frau“ behandelt zu werden, bedeutet diesem Sinn nach, auf bestimmte Weise benachteiligt zu sein, rührend aus der Tatsache, dem weiblichen Geschlecht zugerechnet zu werden. […]

Andrea Dworkin sagte vor langer Zeit, dass die Situation der Frauen eine neue Art zu Denken voraussetzt, und nicht nur das Denken neuer Dinge. „Frau“ als Abstraktion, Destillation, gemeinsamer Nenner, oder Idee ist die alte Art zu denken […] aber es ist nicht eine neue Art zu denken. Noch ist das Denken „als Frau“, als Verkörperung einer kollektiven Erfahrung, das gleichbedeutend mit „wie eine Frau“ zu denken, was die Reproduktion der Determinanten und zu denken wie ein Opfer bedeuten würde. […]

Theorie auf die konventionelle abstrakte Art zu machen, wie viele es tun, bedeutet die Annahme zu importieren, dass alle Frauen gleich sind, oder sie sind keine Frauen. Was sie zu einer Frau macht ist ihre Passgenauigkeit zu der Abstraktion „Frau“ oder ihre Konformität zu einer festen, postulierten weiblichen Essenz. Die Konsequenz hieraus ist es, Dominanz zu reproduzieren.  […] Einfacher biologischer Determinismus wird so als kritische Theorie des sozialen Wandels präsentiert. […] Hier fehlt die Berücksichtigung männlicher Dominanz. Es gibt in Bezug auf Vergewaltigung keine biologische Notwendigkeit […] Beide hier benannten Frauen sind schwarz. Dies unterstützt meine Ahnung, dass eine Theorie dann nicht wahr ist, oder dann nicht funktioniert, wenn sie nicht […] für alle Frauen gilt. […]

In den jüngsten Kritiken gegenüber feministischer Arbeit wird gesagt, dass Ethnie (race) oder Klasse nicht ausreichend berücksichtigt werden, und dabei ist es lohnenswert zu erkennen, dass die Tatsache, dass es etwas wie „Rasse“ oder „Klasse“ gibt, angenommen wird, obwohl beides normalerweise eher als Abstraktionen behandelt wird um Geschlecht zu attackieren, denn als konkrete Realitäten, wenn sie denn überhaupt zur Sprache kommen. […] Immer werden „Rasse“ und Klasse als unproblematischer weise real betrachtet, und keiner Erklärung oder theoretischen Konstruktion bedürfend. Nur Geschlecht ist nicht real und muss gerechtfertigt werden. […] Dass es einen Unterschied gibt zwischen den Erfahrungen von Männern und Women of Colour, und von Frauen der Arbeiterklasse und Männern unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit, bedeutet nicht zu behaupten, dass „Rasse“ und Klasse keine bedeutsamen Konzepte wären. Ich habe noch niemanden sagen gehört, dass man nicht ohne Geschlechterspezifizierung über „People of Colour“ diskutieren könnte. Jedoch hat die Phrase „People of Colour und „weiße“ Frauen“ das frühere „Frauen und Minderheiten“ ersetzt, von dem Women of Colour zu Recht nicht wahrgenommen haben als würde es sie doppelt beinhalten, und als würden sie einen „weißen“ Standard für Geschlecht verkörpern und einen männlichen für „Rasse“. Aber ich höre zum Beispiel nichts über „alle Frauen und Men of Colour. Es ist bedeutsam darüber nachzudenken, dass wenn Women of Colour sich auf „Menschen, die aussehen wie ich“ beziehen, dass sie Menschen mit anderer Hautfarbe meinen, und nicht Frauen, obwohl sowohl „Rasse“ als auch Geschlecht visuelle Zuweisungen sind, beide sowohl Klarheit als auch Uneindeutigkeit beinhalten, und beide Unterdrückung markieren, und damit Gemeinschaft.

In Verbindung hiermit, habe ich kürzlich mitbekommen, dass es hierbei um die „weiße“ Frau geht, deshalb habe ich mich entschlossen herausfinden zu wollen was das ist. Diese Kreatur ist nicht arm, wird nicht geschlagen, nicht vergewaltigt (nicht wirklich), nicht als Kind sexuell missbraucht, wird nicht als Teenager schwanger, wird nicht prostituiert und auch nicht in die Pornographie gezwungen, sie ist als Mutter nicht von Sozialleistungen abhängig und wird nicht ökonomisch ausgebeutet. Sie arbeitet nicht. Entweder entspricht sie dem Bild, das der „weiße“ Mann von ihr hat – verweichlicht, verhätschelt, privilegiert, beschützt, unbeständig und maßlos – oder sie ist das Bild, das der „schwarze“ Mann von ihr hat – all das genannte, plus das „hübsche weiße Girl“ (was hässlich wie die Nacht bedeutet, aber die ultimative Schönheit bedeutet, weil sie „weiß“ ist). […] Sie schüttelt ihr Haar, fühlt sich immer hübsch, beschwert sich über die Dienste der People of Colour, gibt wenig Trinkgeld, kann nichts, macht nichts, weiß nichts, und fantasiert über Sex mit schwarzen Männern, während sie diese beschuldigt sie vergewaltigt zu haben. Wie Ntozake Shange ausführt, hängt die gesamte Westliche Zivilisation von ihr ab. Und als Krönung besitzt sie die Unverfrorenheit […] zu denken, dass sie befreit werden muss. […]

Dieses Bild ist nur sehr schwer mit der Realität [der „weißen“ Frau] in Einklang zu bringen: Der Tatsache, dass die Mehrheit der Armen „weiße“ Frauen und ihre Kinder sind (mindestens die Hälfte davon sind weiblich); der Tatsache, dass Frauen systematisch in ihrem Zuhause geschlagen werden, von ihnen nahe stehenden Männern und Serienkillern gleichermaßen getötet werden, als Kinder sexuell missbraucht werden, tatsächlich vergewaltigt werden (zumeist von „weißen“ Männern) und dass sogar „schwarze“ Männer, im Durchschnitt, mehr verdienen als sie. Wenn man dies nicht so genau wüsste, dann könnte man durch das Bild des „weißen“ Mannes fehlgeleitet werden. […]

Man könnte meinen, dass der Mythos der „weißen“ Männer, dass sie „weiße“ Frauen schützen, der Wirklichkeit entsprechen würde, und nicht ein rassistisches Cover über ihr exklusives und nicht in Frage gestelltes Recht auf sexuellen Zugriff – was bedeutet, dass sie sie vergewaltigen können, und es auch tun, eine Haltung die sich in dem Ausschluss von Vergewaltigung in der Ehe zeigt und den weitgehend nutzlosen Gesetzen gegen Vergewaltigung im Allgemeinen.  Man könnte meinen, dass die einzigen „weißen“ Frauen in den Bordellen im Süden während des Civil War in „Vom Winde verweht“ existierten. Dies alles soll nicht heißen, dass es so etwas wie Privilegien aufgrund der Hautfarbe nicht geben würde, sondern eher, dass diese „weiße“ Frauen niemals vor der Brutalität und der Frauenverachtung der Männer bewahrt haben, zumeist aber nicht exklusiv von „weißen“ Männern […]. In anderen Worten: Den „weißen Mädchen“ in dieser Theorie geht in der Realität der „weißen“ Frauen und der Praxis der männlichen Vorherrschaft ziemlich viel ab.

Neben der Trivialisierung der Unterordnung der „weißen“ Frau, die implizit in der herablassenden Verspottung „heterosexuelle, weiße, ökonomisch privilegierte Frau“ (Eine Phrase, die zu einem feststehenden Begriff geworden ist […]) deutlich wird, liegt die Auffassung, dass es an sich gar keine Frauenunterdrückung gibt. […]

Drehen wir das Ganze mal rum. Wie ich erwähnt habe, waren sowohl Mechelle Vinson und Lillian Garland afro-amerikanische Frauen. Wurde Mechelle Vinson nicht als Frau sexuell belästigt? Wurde Lillian Garland nicht als Frau schwanger? Sie haben das so gesehen. Der Dreh- und Angelpunkt ihrer Fälle lag darin, dass sie sich als geschädigt „auf der Basis von Geschlecht“ sahen, das heißt, weil sie Frauen sind. Die Täter, und die Gesetze unter denen sie benachteiligt wurden, sahen sie als Frauen. Was ist Frausein, wenn es nicht beinhaltet als eine Frau unterdrückt zu sein? Als die Reconstruction Amendments „Schwarzen das Wahlrecht gaben“, und „schwarze“ Frauen immer noch nicht wählen durften, wurden sie dann nicht „als Frauen“ von der Wahl ausgeschlossen? Wenn afro-amerikanische Frauen doppelt so häufig vergewaltigt werden als „weiße“ Frauen, werden sie dann nicht als Frauen vergewaltigt? Das bedeutet nicht, dass ihre Ethnie irrelevant wäre und es bedeutet auch nicht, dass ihre Verletzungen außerhalb des rassistischen Kontextes verstanden werden können. Es bedeutet vielmehr, dass „Geschlecht“ sich aus den Erfahrungen aller Frauen ergibt, inklusive der ihren. […] Es bedeutet, dass jede Frau, auf ihre Weise, alle Frauen ist.

Die Behandlung von Frauen in der Pornographie zeigt diesen Ansatz in grafischer Weise. Auf irgendeine Weise sind alle Frauen im Porno. Afro-amerikanische Frauen werden dargeboten in Fesseln, sich wehrend, in Käfigen, als Tiere, unersättlich. Wie Andrea Dworkin gezeigt hat, macht die sexualisierte Feindschaft ihnen gegenüber ihre Haut zu einem Geschlechtsorgan […]. Asiatische Frauen sind passiv, träge, so wie tot, grausam gefoltert. Latinas sind heiße Mommas. Fülle den Rest der abwertenden und feindseligen rassistischen Stereotype, die du kennst, ein; dort [im Porno] ist es Sex. Dies wird nicht den Männern angetan, nicht in heterosexueller Pornographie. Was „weißen“ Frauen angetan wird ist eine Art Boden; es ist die beste Weise wie jemand behandelt wird und das reicht von Playboy über SM bis hin zu Snuff. Was „weißen“ Frauen angetan wird, das kann allen Frauen angetan werden […] Das macht „weiße“ Frauen nicht zur Essenz der Weiblichkeit. Es ist eine Realität, dass hieran beobachtet werden kann, was den am meisten privilegierten Frauen angetan werden kann und angetan wird. Dies ist es, was das Privileg als eine Frau dir einbringen kann: am meisten wertgeschätzt zu sein als totes Fleisch. […]

„Weiß“ ist nicht unmarkiert; es ist ein spezifischer Geschmack. So definiert und benutzt zu werden, definiert was Frau sein in der Praxis bedeutet. […]

Meiner Meinung nach ist der Subtext von der Kritik an Unterdrückung „als Frau“, dass die Kritik davon ausgeht, dass es so etwas nicht gibt, und dies ist Ent-Identifizierung mit Frauen. Eine der Konsequenzen daraus ist die Zerstörung jeglicher Basis für eine Rechtsprechung für Geschlechtergleichberechtigung. Ein Argument, dass von vielen WoC vorgebracht ist, ist, dass die Theorie über Frauen alle Frauen einschließen muss, und wenn dies der Fall ist, dann wird die Theorie sich ändern. Auf einer Ebene ist das notwendigerweise richtig. Auf der anderen Seite ignoriert dies die gestaltenden Beiträge von WoC zu feministischer Theorie, seit deren Beginn. Ich habe jedoch das Gefühl, dass viele Frauen, nicht nur WoC und nicht nur Akademikerinnen, nicht einfach „nur Frauen“ sein wollen, [….] weil dies bedeutet in einer Kategorie mit „ihr“ zu sein, der nutzlosen „weißen“ Frau, deren erste Reaktion es ist, wenn es ein bisschen grober wird, in Tränen auszubrechen. Ich habe das Gefühl, dass Menschen mehr Würde darin ausmachen, in einer Gruppe zu sein, die auch Männer beinhaltet, als in einer Gruppe zu sein, die die ultimative Reduzierung auf die Vorstellung von Unterdrückung einschließt, diese Anstifterin von Lynchmobs, diese lächerliche Quenglerin, […] die „weiße“ Frau. Es scheint, dass wenn die Unterdrückung auch einen Mann betrifft, dass du wahrscheinlicher auch als unterdrückt anerkannt wirst, im Gegensatz zu minderwertig. […]

Ungleich zu anderen Frauen teilt die „weiße“ Frau, die nicht arm oder aus der ArbeiterInnenklasse ist, oder lesbisch, oder jüdisch, oder mit Behinderung, oder alt oder jung, ihre Unterdrückung nicht mit einem Mann.  Das macht ihren Zustand in keinster Weise maßgeblicher für die Definition von Frau, als die Situation irgendeiner anderen Frau. Ihre Unterdrückung jedoch zu trivialisieren, weil es nicht potentiell rassistisch oder klassenbasiert oder heterosexistisch oder antisemitisch ist, definiert die Bedeutung von „anti-Frau“ mit einer besonderen Klarheit. Die Vorstellung, Konstruktion und Behandlung der „weißen“ Frau wird zu einem sehr sensitiven Indikator für das Maß in dem Frauen, als solche, verachtet werden. […]

Andrea Dworkin: Abtreibung

Andrea Dworkin

By Open Media Ltd. (Uploaded by Open Media Ltd. (AnOpenMedium)) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Bei dem nachfolgenden Text handelt es sich um eine Übersetzung von Auszügen aus dem Kapitel „Abortion“ aus Andrea Dworkins Buch „Right-Wing Women. The Politics of Domesticated Females„.

Frauen reden nicht über ihre Abtreibungen, illegale Abtreibungen, weil sie beschämt sind, von der Erinnerung an diese Abtreibungen; Sie sind beschämt, bei der Erinnerung an ihre Verzweiflung, ihre Panik, das Geld aufzutreiben, einen Abtreibungsarzt zu finden, den Schmutz, die Gefahr, die Verschwiegenheit. Frauen sind beschämt, bei der Erinnerung daran, dass sie um Hilfe bitten mussten, um Hilfe flehen mussten, bei der Erinnerung an jene, die sich abwandten, und sie im Regen stehen ließen. Frauen sind beschämt, bei der Erinnerung an die Angst. Frauen sind beschämt, bei der Erinnerung an das physische Eindringen, die Penetration, den Schmerz, den Übergriff; unzählige Frauen wurden von ihrem Abtreiber vor oder während der Abtreibung sexuell missbraucht; sie hassen es sich daran zu erinnern. […] Frauen hassen es, sich an illegale Abtreibungen zu erinnern, weil sie fast daran gestorben sind, daran hätten sterben können, sterben wollten, hofften sie würden nicht sterben, Versprechen an Gott machten und ihn anflehten sie nicht sterben zu lassen, sie hatten Angst zu sterben vorher, währenddessen oder danach […] Frauen hassen es auch deshalb, sich an illegale Abtreibungen zu erinnern, weil ihre Ehemänner nichts davon erleben mussten […]

Frauen schweigen auch deshalb über Abtreibungen, weil sie das Kind haben wollten, aber der Mann nicht; weil sie weitere Kinder haben wollten, aber sie nicht haben konnten; weil sie die Abtreibung niemals bereuten aber die nachfolgenden Kinder; weil sie mehr als eine Abtreibung hatten […]. Frauen schweigen über Abtreibungen, weil Abtreibung in der Ehe egoistisch und unbarmherzig ist, und die Frau als herzlos und lieblos markiert – und sie es dennoch getan hat. […]

Erzwungener Sex, in der Regel Geschlechtsverkehr, ist ein zentrales Thema im Leben jeder Frau. Sie muss ihn mögen, oder kontrollieren, oder manipulieren, oder sich dagegen zur Wehr setzen oder ihn vermeiden; sie muss eine Beziehung dazu entwickeln, zu dem männlichen Bestehen auf Geschlechtsverkehr, zu dem männlichen Bestehen auf ihrer sexuellen Funktion in Beziehung zu ihm. Sie wird gemessen und beurteilt werden an der Natur und Qualität ihrer Beziehung zu Geschlechtsverkehr. Ihr Charakter wird bemessen an ihrer Beziehung zu Geschlechtsverkehr, da Männer diese Beziehung evaluieren. […] Geschlechtsverkehr kann nicht außerhalb dieses Systems des Zwangs analysiert werden. Aber der Zwang wird versteckt und verleugnet durch einen Staudamm der Propaganda, durch Pornographie bis hin zu sogenannten Frauenmagazinen, die anstreben uns zu überzeugen, dass  Anpassung Weiblichkeit bedeute, oder dass Anpassung Freiheit sei, oder dass Anpassung ein strategischer Weg sei, ein bestimmtes Maß an Selbstbestimmung zu erreichen.

Die Propaganda für Weiblichkeit (Weiblichkeit als offensichtliche Akzeptanz von Sex nach männlichen Bedingungen mit Wohlwollen […]) wird produziert im Einklang mit dem gefühlten Bedürfnis von Männern Geschlechtsverkehr zu haben. In Zeiten feministischen Widerstandes, erreicht eine solche Propaganda geometrische Dimensionen. Die Propaganda betont, dass Geschlechtsverkehr einer Frau Vergnügen bereiten kann, wenn sie es richtig macht; vor allem dann, wenn ihre Einstellungen dazu und zum Mann stimmen. Die richtige Einstellung ist es,  ihn zu wollen. Die richtige Einstellung ist es, diese Männer zu begehren, WEIL sie sich auf phallische Penetration einlassen. Die richtige Einstellung ist es, Geschlechtsverkehr zu wollen, weil Männer ihn wollen. Die richtige Einstellung ist es, nicht egoistisch zu sein, insbesondere in Bezug auf Orgasmen. Dies verbietet eine Sexualität für Frauen außerhalb der Grenzen männlicher Dominanz. Dies macht eine frauenzentrierte Sexualität unmöglich. Was es ermöglicht, ist eine Existenz der Frau in einem System, in dem Männer die Bewertung ihrer Existenz als Individuum kontrollieren. Diese Bewertung basiert auf ihrer sexuellen Konformität in einem sexuellen System, welches auf seinem Recht sie zu besitzen beruht. […] Frauen wird beigebracht, Männer zu brauchen, nicht sexuell, sondern metaphorisch betrachtet. […] Die Regeln werden gelehrt, die Handlungen versteckt. […]

Die Propaganda für Weiblichkeit lehrt Frauen immer und immer wieder, unendlich, dass sie Geschlechtsverkehr mögen müssen; Und diese Lektion muss sie immer und immer wieder gelehrt werden, weil Geschlechtsverkehr im Allgemeinen nicht ihre Sexualität ausdrückt und die männliche Benutzung von Frauen nur sehr selten etwas mit der Frau als einem Individuum zu tun hat. Die Sexualität, die sie mögen sollen, erkennt ihre Individualität nicht in bedeutsamer Weise an, oder ehrt diese. […] Ungeachtet all dieser Propaganda, den Bergen davon, benötigt Geschlechtsverkehr Zwang; Zwang ist immer noch essentiell um Frauen dazu zu bringen, Geschlechtsverkehr zu haben – zumindest auf eine systematische und nachhaltige Art und Weise. […] Wenn der Zwang nicht essentiell wäre, dann wäre er nicht so vorherrschend. […]

Die erste Art des Zwangs ist physische Gewalt: vorherrschend bei Vergewaltigung, häuslicher Gewalt, Misshandlungen.

Die zweite Art des Zwangs ist das Machtungleichgewicht zwischen männlich und weiblich, welches jede sexuelle Handlung an sich zu einem Akt des Zwangs macht: zum Beispiel der sexuelle Missbrauch von Mädchen in ihren Familien.

Die dritte Art des Zwangs ist ökonomisch: Frauen werden arm gehalten um Frauen sexuell verfügbar und sexuell gefügig zu halten

Die vierte Art des Zwangs ist kulturell und breitenwirksam: frauenverachtende Propaganda, die Frauen zu legitimen und begehrenswerten sexuellen Zielscheiben macht; frauenverachtende Gesetze, die entweder die sexuelle Gewalt gegen Frauen sanktionieren oder in ihrer tatsächlichen Anwendung erlauben; frauenverachtende Praktiken der verbalen Belästigung, unterstützt von drohender physischer Gewalt auf den Straßen oder am Arbeitsplatz; frauenverachtende Lehrbücher, die benutzt werden um Frauenhass in der Ausbildung von Ärzten, Juristen und anderen Professionellen als zentrales Element der Praxis dieser Professionen beizubringen; frauenverachtende Kunst, die sexuelle Gewalt romantisiert, stilisiert und feiert; frauenverachtende Unterhaltung, die Frauen als Klasse lächerlich, dumm, verachtenswert und zum sexuellen Eigentum von Männern macht.

Da Frauen als geschlechtliche Klasse für Sex ausgebeutet werden, ist es unmöglich über die Sexualität von Frauen außerhalb des Kontextes von erzwungenem Sex zu sprechen, oder zumindest, ohne auf erzwungenen Sex Bezug zu nehmen. Und dennoch, um erzwungenen Sex unsichtbar und gleichzeitig am Leben zu erhalten, wird es jedes Mal auf jede erdenklich andere Weise diskutiert. […]

Es ist insbesondere durch Geschlechtsverkehr, dass Männer ihre Macht und Dominanz über Frauen ausdrücken und erhalten. Das Recht von Männern auf Frauenkörper zum Zweck des Geschlechtsverkehrs bleiben das Herz, die Seele und die Eier männlicher Vormachtstellung: das gilt unabhängig davon, welcher Stil zur Verteidigung des koitalen Zugriffs verwendet wird, der rechte oder der linke.

Jede Frau – ganz egal welcher sexuellen Orientierung, persönlichen Vorlieben, persönlicher Geschichte, politischer Ideologie – lebt in diesem System erzwungenen Sexes. Dies gilt auch dann, wenn sie niemals irgendeine sexuelle Nötigung erfahren hat, oder ob sie Geschlechtsverkehr als Form der Intimität mag oder nicht, oder ob sie als Individuum Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr hat, die, ihrer Meinung nach, das Diktum der Geschlechter oder die Institutionen des Zwangs überwinden. Dies ist auch dann wahr, wenn – in ihren Augen – der Zwang erotisch, essentiell, zentral, heilig, bedeutungsvoll, großartig ist. Das ist sogar dann wahr, wenn – in ihrem Fall – sie Geschlechtsverkehr zurückweist und sich verbittet: wenn sie subjektiv außerhalb der Gesetze der Schwerkraft lebt, werden sich die Gesetze der Schwerkraft offensichtlich aufdrängen. Jede Frau wird von diesem System erzwungenen Sexes umgeben und von ihm eingeschlossen. Es wirkt auf sie, es formt sie, es definiert ihre Grenzen und ihre Möglichkeiten, es zähmt sie, es domestiziert sie, es bestimmt die Natur und Qualität ihrer Privatsphäre: es schränkt sie ein. Sie funktioniert in ihm und mit unablässigem Bezug zu ihm. Das gleiche System, in welchem sie ist, ist in ihr.  […]

Norman Mailer hat in den 60er Jahren angemerkt, dass das Problem mit der Sexuellen Revolution das war, dass sie in die Hände der falschen Leute gekommen ist. Er hatte Recht. Nämlich in die Hand der Männer.

Die populäre Idee war, dass Ficken gut ist, so gut, dass je mehr davon, desto besser. Die populäre Idee war, dass die Leute ficken sollten, wen sie wollten, übersetzt für die Mädels bedeutete dies, dass sie gefickt werden wollten – so oft wie nur irgendwie menschlich möglich. Für Frauen ist dies nur möglich mit ausreichend Partnerwechseln. Die Frequenz der Männer ergibt sich aus deren Vorlagen von Erektion und Ejakulation. Frauen wurden sehr viel häufiger gefickt als Männer fickten.

Die Philosophie der Sexuellen Revolution ist auf vor die 60er Jahre zu datieren.  Sie zeigte sich regelmäßig in linken Ideologien und Bewegungen […] Es war sehr einfach. Ein Haufen gemeiner Bastarde, die Liebe machen hassten, machten Krieg. Ein Haufen von Jungs, die Blumen mochten, machten Liebe und lehnten das Krieg machen ab. Diese Jungs waren wundervoll und schön. Sie wollten Frieden. Sie redeten über Liebe, Liebe, Liebe, nicht romantische Liebe, sondern Liebe zur Mannheit (von den Frauen als Liebe zur Menschlichkeit übersetzt) Sie ließen ihre Haare lang wachsen, malten ihre Gesichter an, trugen bunte Kleidung und riskierten es wie Mädchen behandelt zu werden. Weil sie es ablehnten in den Krieg zu ziehen, waren sie feige und Sissies und schwach, wie Mädchen. Kein Wunder, dass die Mädchen in den 60ern dachten, diese Jungs wären ihre speziellen Freunde, ihre speziellen Verbündeten, jeder einzelne ein Liebhaber. […]

Die Mädchen waren richtige Idealistinnen. Sie hassten den Vietnam-Krieg und ihre eigenen Leben standen, anders als die der Jungs, auf dem Spiel, denn viele von ihnen waren vergewaltigt worden. Sie waren insbesondere idealistisch, weil sie so sehr an Frieden und Freiheit glaubten, dass sie dachten, diese seien auch für sie intendiert. Sie wussten, dass ihre Mütter nicht frei waren – sie sahen die kleinen, beschränkten, weiblichen Leben – und sie wollten nicht wie ihre Mütter sein. Sie akzeptierten die Definition der Jungs von sexueller Freiheit, denn es machte sie mehr als jede andere Idee oder Praxis, anders als ihre Mütter. Während die Mütter Sex geheim und privat halten mussten, verbunden mit Angst und Scham, riefen die Mädchen Sex als ihr Recht aus, als ihr Vergnügen, ihre Freiheit. Sie prangerten die Dummheit ihrer Mütter an und schlossen sich mit den langhaarigen Jungs zusammen, die Frieden, Freiheit und überall ficken wollten.  […]

Sexuelle Radikalität wurde nach klassisch männlichen Bedingungen definiert: Die Anzahl der PartnerInnen, die Häufigkeit von Sex, die Arten von Sex (zum Beispiel Gruppensex), der Eifer an Sex teilzunehmen. […] Erzwungener Sex kam vor – sogar oft; aber der Traum lebte weiter. Lesbentum wurde nie eigenständig als Liebe machen anerkannt, sondern immer nur als kinky Gelegenheit für männlichen Voyeurismus und die Möglichkeit zwei feuchte Frauen zu ficken; trotzdem, der Traum lebte weiter.  Mit männlicher Homosexualität wurde gespielt, sie wurde unbestimmt toleriert, aber größtenteils verachtet und gefürchtet, denn die heterosexuellen Männer mit ihren Blumen konnten es nicht ertragen „wie Frauen“ gefickt zu werden; aber der Traum lebte weiter. […]

Die Mädchen der 60er lebten, was Marxisten einen „Widerspruch“ nennen, aber gleichzeitig nicht als solchen erkannten. Indem die Grenzen der Geschlechter durch einen offensichtlich einzigen Standard an sexueller Befreiungspraxis abgeschafft werden sollten, partizipierten sie zunehmend in dem am meisten Geschlechter-festschreibenden Akt: Ficken. Die Männer wurden männlicher. Die Welt der Gegenkultur wurde mehr und mehr und aggressiv männlich-dominiert. Aus den Mädchen wurden Frauen – die sich im Besitz von einem oder einem Mann und seinen Kumpels wiederfanden […], sie wurden getauscht, gruppengefickt, gesammelt, kollektiviert, objektifiziert, in den heißen Scheiß aus der Pornographie verwandelt, und sozial neu in ihre traditionell weiblichen Rollen abgetrennt. Empirisch betrachtet, wurde sexuelle Befreiung in den 1960er Jahren im großen Stil von Frauen praktiziert und es funktionierte nicht: meint, es befreite die Frauen nicht. Das Ziel – so stellte sich heraus – war Männer zu befreien, damit sie Frauen ohne bürgerliche Einschränkungen benutzen können, und darin war sie erfolgreich. Eine Konsequenz für Frauen war die Intensivierung der Erfahrung sexuell weiblich zu sein – genau das Gegenteil von dem, was diese idealistischen Mädchen sich für sich selbst erträumt haben. Indem sie eine Vielzahl von Männern in einer Vielzahl von Umständen erlebten, entdeckten Frauen, die keine Prostituierten waren, die unpersönliche und klassenbedingte Natur ihrer sexuellen Funktion. Sie entdeckten die absolute Irrelevanz ihrer eigenen individuellen, ästhetischen, ethischen oder politischen Befindlichkeiten […] im Sex, wie er von Männern praktiziert wurde. Der sexuelle Standard war der Mann-fickt-Frau-Fick, und Frauen dienten ihm – es diente nicht den Frauen.

In der sexuellen Befreiungsbewegung der 1960er Jahre waren Zwang oder untergeordneter Status von Frauen kein Thema, weder in der Ideologie, noch in der Praxis. Es wurde angenommen, dass in einem nicht unterdrückten Status, jeder jederzeit Geschlechtsverkehr wollen würde […] und es wurde angenommen, dass wenn Frauen Geschlechtsverkehr ablehnten, keinen Orgasmus vom Geschlechtsverkehr bekämen oder Geschlechtsverkehr nicht zu einer bestimmten Zeit mit einem bestimmten Mann wollen würden, oder mit weniger Partnern als verfügbar, oder wenn sie müde wurden, oder verärgert waren, dass dies alles Zeichen oder Beweis für sexuelle Unterdrückung wären. Ficken an sich war Freiheit an sich. Wenn Vergewaltigung – offensichtliche, klare, brutale Vergewaltigung –  auftrat, dann wurde sie ignoriert. […] Implizit gab es die Überzeugung, dass Zwang nicht notwendig wäre, wenn Frauen nicht unterdrückt wären; Frauen würden ficken wollen und müssten nicht dazu gezwungen werden; also war es ihre Unterdrückung, und nicht der Zwang, welcher der Freiheit im Weg stand. […] Niemand wurde für erzwungene sexuelle Handlungen, Vergewaltigungen, Schläge gegen Frauen zur Rechenschaft gezogen, wenn es nicht die Frauen selbst waren, denen die Schuld in die Schuhe geschoben wurde – in der Regel dafür, dass sie sich nicht fügen wollten. Das waren vor allem Frauen, die sich fügen wollten – die das versprochene Land der sexuellen Freiheit wollten – und trotzdem ihre Grenzen hatten, ihre Vorlieben, ihre Geschmäcker, ihr Verlangen nach Intimität mit bestimmten Männern und nicht anderen, Launen, die nicht notwendigerweise von der Menstruation oder dem Mond abhingen, Tage an denen sie lieber arbeiten oder lesen wollten; und sie wurden für [all das] bestraft. […] Zwang wurde gegen sie ausgeübt, oder sie wurden bedroht und erniedrigt oder rausgeworfen. […]

In den Garten der irdischen Freuden, der als 60er Gegenkultur bekannt war, drang die Schwangerschaft ein, fast immer grob. Und selbst dann und dort [sah man in ihr] eine der echten Hürden für weibliches Ficken auf männliche Nachfrage. Schwangerschaften machten Frauen ambivalent, zögerlich, besorgt, mürrisch, beschäftigten sie; sie führten sogar dazu, dass Frauen nein sagten. In den 1960er Jahren war die Pille nicht einfach zu bekommen, und nichts anderes versprach Sicherheit. Insbesondere unverheiratete Frauen hatten Probleme Kontrazeptiva, inklusive dem Diaphragma, zu bekommen, und Abtreibung war illegal und gefährlich. […] Besonders schwer zu beeinflussen waren Frauen, die bereits illegale Abtreibungen gehabt hatten. Egal was sie über Ficken dachten, egal wie sehr sie es liebten oder tolerierten, sie wussten es hatte Konsequenzen für sie, verbunden mit Schmerzen und Blut, und sie wussten es kostete die Männer so gut wie nichts, außer vielleicht manchmal ein bisschen Geld. Schwangerschaft war eine materielle Realität und sie konnte nicht wegdiskutiert werden. […]

Schwangerschaft, als Tatsache, war ein Anti-Aphrodisiakum. Schwangerschaft, die damit verbundene Last, erschwerte es den Blumenjungen die Blumenmädchen zu ficken […]. Es war die Bremse, die Schwangerschaft dem Ficken auferlegte, die Abtreibung zu einem hochprioritären Thema für Männer in den 1960er Jahren machte – nicht nur für die jungen Männer, auch für die älteren linken Männer, die von der Gegenkultur Sex abschöpften, und sogar für traditionellere Männer, die ab und zu in den Pool der Hippie-Mädchen tauchten.  Die Entkriminalisierung der Abtreibung – das war das politische Ziel – wurde als letzter freudiger Ansporn gesehen: Sie würde Frauen absolut verfügbar, absolut „frei“ machen. Damit die sexuelle Revolution funktionieren konnte, musste Abtreibung für Frauen jederzeit verfügbar sein. Wenn sie es nicht war, dann würde Ficken für die Männer nicht jederzeit verfügbar sein. Flachlegen stand auf dem Spiel. Nicht nur das Flachlegen an sich, sondern die Art und Weise des Flachlegens, die eine große Zahl von Männern und Jungs immer gewollt hatte – viele Mädchen, die es jederzeit wollten, außerhalb der Ehe, kostenlos. Die männlich-dominierte Linke agitierte und kämpfte und argumentierte und organisierte sogar für die Abtreibungsrechte für Frauen, und stellte sogar politische und finanzielle Ressourcen dafür zur Verfügung. Die Linke war militant bei diesem Thema.

Aber dann, Ende der 1960er Jahre, wurden Frauen, die sowohl politisch als auch sexuell aktiv waren, auf neue Weise radikal: Sie wurden Feministinnen. Sie wurden nicht Betty Friedans Hausfrauen. […] Robin Morgan schrieb 1970:

„Wir haben den Feind getroffen und er ist unser Freund. Und gefährlich. […] Es tut weh zu verstehen, dass eine Frau in Woodstock oder Altamont als verklemmt oder zur Spielverderberin erklärt werden konnte, wenn sie nicht vergewaltigt werden wollte.“

Das waren die Anfänge: Anzuerkennen, dass die brüderlichen Liebhaber sexuelle Ausbeuter waren, die genauso zynisch waren wie die anderen Ausbeuter. […] Es war die grobe und schreckliche Realisierung, die sich als explosiv erwies, dass Sex nicht brüderlich-schwesterlich war, sondern Herrscher-Sklave – und dass dieser mutige neue Radikale nicht nur Meister in seinem eigenen Heim sein wollte, sondern Pascha in seinem eigenen Harem. Die Frauen wurden entfacht durch die Realisierung, dass sie sexuell benutzt worden waren. Diese Frauen diskutierten Sex und Politik miteinander und reichten damit über die männliche Agenda der sexuellen Befreiung hinaus  […] – und sie entdeckten, dass ihre Erfahrungen erstaunlich gleich waren und von erzwungenem Sex zu sexueller Erniedrigung bis hin zum Verstoß und zynischer Manipulation, sowohl als Dienstgesinde als auch als Stück Hintern, reichten. Und dass die Männer tief verwurzelt waren in Sex als Macht: Sie wollten die Frauen zum ficken und keine Revolution. Die Männer weigerten sich, sich zu ändern und, noch bedeutender als das, sie hassten die Frauen dafür, dass sie ihnen, nicht mehr als nach den alten Bedingungen, dienen wollten – da hatten wir [die sexuelle Revolution] enthüllt, für das was sie war. Und die Frauen verließen die Männer – in Scharen. Die Frauen formten eine autonome Frauenbewegung, eine militante feministische Bewegung, um gegen die sexuellen Grausamkeiten, die sie erfahren mussten, anzukämpfen und um für die sexuelle Gerechtigkeit, die ihnen verwehrt worden war, zu kämpfen.

Aus ihren eigenen Erfahrungen […] fanden die Frauen ihre erste Prämisse für ihre politische Bewegung: Dass die Freiheit für eine Frau von ihrer absoluten Kontrolle über ihren eigenen Körper in Bezug auf Sex und Reproduktion abhängig ist, und nicht ohne diese existieren kann. Dies beinhaltete nicht nur das Recht eine Schwangerschaft zu terminieren, sondern auch das Recht keinen Sex zu haben, nein zu sagen, nicht gefickt zu werden. Für Frauen führte dies zu vielen […] sexueller Entdeckungen, auch über die Natur und Politik ihre eigenen sexuellen Begierde, aber für Männer handelte es sich dabei um eine Einbahnstraße – viele von ihnen erkannten Feminismus niemals außerhalb ihres eigenen sexuellen Verlustes an; Feministinnen nahmen ihnen den einfachen Fick weg. Sie taten alles um der feministischen Bewegung das Rückgrat zu brechen – und in Wahrheit haben sie damit bis heute nicht aufgehört. Besonders bedeutend war dabei die Veränderung in Bezug auf die politische Positionierung gegenüber Abtreibung. Das Recht auf Abtreibung, definiert als intrinsischer Teil der sexuellen Befreiung war für sie essentiell gewesen […] Das Recht auf Abtreibung, definiert als intrinsischer Teil des Rechts der Frau auf Kontrolle über ihren Körper, auch in Bezug auf Sex, war eine Angelegenheit von höchster Indifferenz.

Die materiellen Ressourcen wurden eingefroren. Feministinnen kämpften den Kampf für entkriminalisierte Abtreibung […] auf der Straße und in den Gerichtssälen mit schwindender männlicher Unterstützung. 1973 gab der Supreme Court Frauen die legalisierte Abtreibung: Abtreibung, die vom Staat reguliert wird.

Wenn bis 1973 die linken Männer noch eine heftige Indifferenz gegenüber Abtreibungsrechten zu feministischen Bedingungen an den Tag gelegt hatten, schwang diese Gleichgültigkeit nach 1973 in offene Feindseligkeit um: Feministinnen hatten jetzt das Recht auf Abtreibung und sagten immer noch nein – nein zu Sex zu männlichen Bedingungen und zu einer Politik, die von diesen Männern dominiert wurde. Legalisierte Abtreibung machte diese Frauen nicht verfügbarer für Sex; im Gegenteil gewann die Frauenbewegung an Größe und Bedeutung und das männliche sexuelle Privileg wurde immer intensiver  in Frage gestellt, mit immer größerer Leidenschaft und immer größerem Ehrgeiz. Die linken Männer wandten sich vom politischen Aktivismus ab: ohne das einfache Flachlegen, waren sie nicht in der Lage sich für radikale Politik einzusetzen. In der Therapie entdeckten sie, dass […] sie Trauma im Mutterleib erfahren haben. Fetale Psychologie […] entwickelte sich auf der therapeutischen Linken (dem Nachlass der männlichen gegenkulturellen Linken), noch bevor irgendein rechter Minister oder Gesetzgeber jemals auf die Idee gekommen ist, sich politisch für fertilisierte Eizellen als Personen unter dem Schutz des Fourteenth Amendment einzusetzen […]. Auf der gewaltfreien Linken wurde Abtreibung zunehmend als Mord angesehen […] „Abtreibung ist die heimische Seite des nuklearen Rüstungswettkampfs“, schrieb ein männlicher Pazifist im Jahr 1980 […] Ohne einfachen Fick hatten sich die Dinge auf der Linken offensichtlich geändert.

Die Demokratische Partei, das Heim des linken Establishments, […] hat die Abtreibungsrechte schon 1972 aufgegeben, als George McGovern, der gegen Richard Nixon kandidierte, sich weigerte sich zu Abtreibung zu bekennen […] Als 1976 durch den Hyde Amendment die Medicaid-Finanzierung für Abtreibungen gestrichen wurde, fand dies Jesse Jacksons Unterstützung […]. Gerichtliche Auseinandersetzungen verzögerten die Implementierung, aber Jimmy Carter, der mithilfe von feministischen und linken Gruppen in die Demokratische Partei gewählt worden war, hatte seinen Mann Joseph A. Califano, Jr., den Kopf des Deparment of Health, Education und Welfare, der die Bundesfinanzierung für Abtreibung via administrativem Befehl blockierte. […]

Die männliche Linke wandte sich von Abtreibungsrechten aus besonders furchtbaren Gründen ab: Die Jungs wurden nicht flachgelegt; es herrschte Bitterkeit und Ärger gegenüber den Feministinnen, weil sie eine Bewegung zum Erliegen brachten (indem sie sich ihr entzogen), die sowohl Macht als auch Sex für Männer bedeutete; und es gab auch diese bekannte, kaltschnäuzige Gleichgültigkeit des sexuellen Ausbeuters – wenn er sie nicht ficken konnte, dann war sie nicht real.

Die Hoffnung der männlichen Linken ist es, dass der Verlust der Abtreibungsrechte Frauen wieder ihrem Rang zuführt – oder auch die Angst davor. Und die männliche Linke hat alles was ihnen möglich war für diesen Verlust getan. Die Linke hat ein Vakuum geschaffen, dass die Rechte sich anschickt zu füllen. […] Aber die Linke hat nicht nur mit Abwesenheit geglänzt, sondern war auch präsent, außer sich darüber, dass Frauen ihre eigenen Körper kontrollieren, außer sich darüber, dass sie sich gegen sexuelle Ausbeutung organisieren, was per Definitionem meint, dass Frauen sich gegen die sexuellen Werte der Linken organisieren. Wenn die feministischen Frauen ihre Abtreibungsrechte verloren haben, dann werden sie von den Linken Männern zurückerwartet – um um Hilfe zu betteln […], bereit einen Deal zu schließen, bereit ihre Beine wieder zu spreizen. Auf der Linken werden Frauen Abtreibung zu männlichen Bedingungen erhalten, als Teil der sexuellen Befreiung, oder Frauen werden keine Abtreibung haben, oder nur mit Todesrisiko.

Und die Jungs der 60er sind auch erwachsenen geworden. Sie sind älter geworden. Sie sind nun Männer im Leben, nicht nur im Fick. Sie wollen Babies. Obligatorische Schwangerschaft ist fast der einzige Weg, der sicher stellt, dass sie sie bekommen. […]

Die Mädels der gegenkulturellen Linken lagen falsch: nicht über BürgerInnenrechte, den Vietnamkrieg oder das imperialistische Amerika, aber über Sex und Männer. Es ist fair zu sagen, dass das Schweigen der Mütter ein reales, toughes und unsentimentales Wissen über Männer und Geschlechtsverkehr versteckte, und dass die laute Sexualität der Töchter romantische Ignoranz verdeckte.

Die Zeiten haben sich geändert. Das Schweigen wurde erschüttert – bzw. Teile des Schweigens wurden erschüttert. Rechte Frauen verteidigen die traditionelle Familie öffentlich; sie sind laut und sie sind zahlreich. Sie sind besonders laut über legale Abtreibung, die sie verabscheuen; und was sie über legale Abtreibung zu sagen haben, steht in Verbindung zu dem, was sie über Sex wissen. […] Die 60er Jahre sind nicht spurlos an ihnen vorbeigezogen. Sie haben von dem, was sie gesehen haben, gelernt. Sie sahen die zynische männliche Benutzung von Abtreibung um Frauen zu leichteren Ficks zu machen – zunächst die politische Nutzung des Themas, und dann, nach der Legalisierung, die tatsächliche Benutzung der medizinischen Prozedur. Als Abtreibung legal geworden war, sahen sie eine massive soziale Bewegung um den sexuellen Zugriff auf Frauen zu männlichen Bedingungen zu sichern – die Schwemme an Pornographie; und in der Tat verknüpfen sie die beiden Themen, und sie tun dies nicht aufgrund von Hysterie. Abtreibung, so sagen sie, floriert in einer pornographischen Gesellschaft. Pornographie, sagen sie, floriert in dem, was sie Abtreibungsgesellschaft nennen. Was sie meinen ist, dass beides Frauen zum Fick degradiert. Sie haben gesehen, dass die Linke sich für Frauen nur zu ihren eigenen sexuellen Bedingungen einsetzt – als Ficks; Sie finden das rechte Angebot ein klein wenig generöser. Sie sind nicht geblendet von dem Versprechen der Abtreibung als Wahlmöglichkeit, als sexuelle Selbstbestimmung, als weibliche Kontrolle über den eigenen Körper, weil sie wissen, dass dieses Versprechen Unsinn ist; so lange Männer Macht über Frauen haben, werden Männer Abtreibung nur zu ihren Bedingungen erlauben.

Rechte Frauen sehen in Promiskuität, die legale Abtreibung vereinfacht, die Generalisierung von Zwang. Sie sehen Zwang in der Ehe als essentiell eindämmbar – eingedämmt in der Ehe, limitiert auf einen Mann zur gleichen Zeit. Sie versuchen mit ihm „klarzukommen“. Sie sehen diese Limitierung – ein Mann zur gleichen Zeit – als notwendigen Schutz vor den vielen Männern, die das Gleiche tun würden und für die sie zu sexual-liberalen Bedingungen verfügbar sein müssten, Bedingungen […] die durch Abtreibungsrechte möglich gemacht wurden. Mit diesem ganzen öffentlichen Gerede führen sie die traditionelle Stille von Frauen über Zwang in der Ehe fort: aber alles was sie tun beruht auf ihrem Wissen darüber, und sie sehen nicht, wie mehr Zwang besser sein sollte als weniger Zwang – und mehr Männer bedeutet mehr Zwang gegenüber ihnen.

Rechte Frauen beschuldigen Feministinnen der Doppelmoral und der Grausamkeit weil sie für legale Abtreibung eintreten, weil, ihrer Meinung nach, legale Abtreibung sie zu verfügbaren Ficks macht, ohne Konsequenzen für die Männer. In ihrer Sicht, ist Schwangerschaft die einzige Konsequenz des Sex, die Männer dafür zur Verantwortung zieht, was Männer Frauen antun. Dieser Zwangsläufigkeit beraubt, werden Frauen ihrem überzeugendsten Argument, nein zu Geschlechtsverkehr zu sagen, beraubt.  Die Ablehnung von Empfängnisverhütung beruht auf dem gleichen Prinzip.

Rechte Frauen haben den Zynismus der Linken bei der Benutzung von Abtreibung um Frauen sexuell verfügbar zu machen gesehen, und sie haben ebenfalls gesehen, wie die Linke Frauen fallen ließ, die nein sagten. Sie wissen, dass Männer keine Prinzipien oder politischen Agenden haben, die nicht kongruent sind mit dem Sex, den sie wollen.  […] Sie wissen, dass jede Frau versucht, den für sich besten Deal zu machen. Sie stellen sich der Realität und was sie sehen, ist, dass Frauen gefickt werden, egal ob sie wollen oder nicht. Rechte Frauen werden von weniger Männern gefickt; Offene Abtreibung nimmt Frauen die Schwangerschaft als soziale und sexuelle Kontrolle über Männer; sobald eine Frau Schwangerschaft einfach und offen und ohne Todesrisiko planen kann, wird sie ihrer besten Möglichkeit nein zu sagen entledigt […]. Die Konsequenzen einer Schwangerschaft könnten ihn abhalten […] Die rechte Frau macht den aus ihrer Sicht besten Deal. Ihr Deal verspricht, dass sie nur von ihm gefickt werden muss, und nicht von all seinen Kumpels auch noch; dass er für die Kinder bezahlen wird; dass sie in seinem Haus auf seinem Einkommen leben kann; und sie lächelt und sagt, dass sie eine Mami sein will und Hausfrau spielen will.  […]

Willkommen im Patriarchat: Sonderpreis für Vergewaltigungs-Diskurs

"Take rape seriously" - Protester with Placard Reproductive rights activist Shelby Knox.

by Women's eNews via Flickr, [CC BY 2.0]

Man kann nun wirklich nicht sagen, dass Mithu Sanyal durch ihren empörenden Vorschlag, Opfer sexueller Gewalt wertneutral als Erlebende zu bezeichnen (da man ja nicht wisse, wie sie die ihnen angetane Tat selbst einordnen) und der daraus folgenden, erhitzten Debatte irgend etwas an Reputation eingebüßt hat.

Ganz im Gegenteil, sie bekam nachdem belegbar aus rechten Kreisen gegen sie lancierten Shitstorm – gegen den Radikalfeministinnen sie trotz inhaltlicher Kritik verteidigten und denen sie dennoch den schwarzen Peter zuschob und als Initatorinnen von Vergewaltigungsdrohungen bezichtigte (und damit aktiven Täterschutz betrieb) sehr viel trostspendende Anerkennung.

Während sie ein Interview nach dem anderen geben durfte, interessierte man sich im medialen Mainstream so gut wie nicht für die Position der Initatorinnen, des sich kritisch mit ihren Positionen auseinandersetzenden Offenen Briefes – darunter zahlreiche Betroffene sexueller Gewalt. Während ihr und ihrer Sichtweise also breiter Raum eingeräumt wurde, ignorierte man die Gegenseite so gut es ging. Die TAZ richtete sogar derweil eine eigene Kolumne mit dem Titel „Mithulogie“ für Sanyal ein, Titel wie „Das Piss-Manifest“ lassen den inhaltlichen Tiefgang bereits erahnen.

Zum Tode Hugh Hefners, dem Playboy-Gründer, der Nacktfotos von Marilyn Monroe auf dem Cover seines Magazins ohne deren Konsens abdruckte, der mit Fotos von Minderjährigen pädokriminelle Fantasien anheizte und legitimierte und über den wir von ehemaligen „Bunnies“ erfahren, wie mies er sie behandelte und dass er die von Bill Cosby gerne für seine sexuellen Gewalttaten eingesetzten KO-Tropfen als „Schenkelöffner“ bezeichnete, bescherte sie diesem Frauenfeind einen äußerst wohlwollenden Nachruf:

„Hugh Hefner habe sich bereits in den 1950er- und 60er-Jahren für Empfängnisverhütung und Abtreibung eingesetzt, betont Mithu Sanyal. Er habe sich später auch für die Ehe für alle und gegen Waffen und die Todesstrafe ausgesprochen. „Frauen haben ein eigenes sexuelles Begehren“, habe Hefner in einer Zeit gesagt, als das noch undenkbar war. „Die Playmates haben einem immer in die Augen geguckt. Die hat man nicht irgendwie beobachtet, sondern die haben einen angeguckt und gesagt: Hey, ich will was aktiv!“

Auf ihrer Facebook-Seite schreibt sie allen ernstes:

„Denn der Ober-Playboy und Viagra-Fan Hugh Hefner ist durchaus eine faszinierende, komplexe Figur. Ja, der Playboy ist auch sexistisch, aber er ist eben auch feministisch – zumindest wenn es nach Hugh Hefner geht.“

Kein Wort auch darüber, dass Hefner eng mit der Mafia verbunden war, darunter Linda Boremans Zuhälter und Ehemann Chuck Traynor, dass er einen maßgeblichen Anteil an dem Vorantreiben der Objektifizierung von Frauen trug oder auch nur den Hauch einer Ahnung davon, welche Vorteile sein Kampf für Abtreibungsrechte vielleicht für Männer, die Frauen sexuell ausbeuten wollen, haben könnte. Immer wieder erwische ich mich dabei, mich zu fragen ob Sanyal und die Liberalfeministinnen die Zusammenhänge wirklich NICHT SEHEN, aus Blindheit oder Unvermögen, oder ob sie BEWUSST UND AKTIV den Boden für das Patriarchat ebnen.

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