Alle Artikel von Gastbeitrag

Die Clintons – Eine lange Geschichte sexueller Gewalt

Bill Clinton

By Bob McNeely, The White House [1] [Public domain], via Wikimedia Commons

Ein Gastbeitrag von Manuela Schon

Derzeit sind die Vergewaltigungsanschuldigungen gegen Bill Cosby in den USA ein großes Thema. Die Tatsache, wie viele Frauen inzwischen das Wort ergreifen und aussagen, sexuelle Gewalt durch ihn erfahren zu haben, hat – zumindest von außen betrachtet – eine intensive Debatte zu sexueller Gewalt ausgelöst.

Im Zuge dieser wiesen mich amerikanische Freunde darauf hin, dass Cosby nicht der einzige „Bill“ ist, der es offenbar nicht so mit einvernehmlichem Sex hat und schickten mir Links zu dem ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten (1993-2001), Bill Clinton, die mich tief erschüttert haben. Insbesondere deshalb, da ich nie zuvor jemals etwas davon gehört hatte.

Bereits im Jahr 1999 veröffentlichte Capitol Hill Blue einen Artikel mit dem Titel „Juanita ist nicht die Einzige: Bill Clinton’s lange Geschichte sexueller Gewalt gegen Frauen reicht mindestens 30 Jahre zurück“. Hintergrund war der Gang von Juanita Broaderick an die Öffentlichkeit. Sie hatte ausgesagt, dass sie von Clinton 1978 in einem Hotelzimmer vergewaltigt worden sei. Clinton war damals Generalstaatsanwalt in Arkansas.

Pikant: Juanita Broaderick beschuldigt Hillary Clinton, die derzeit anstrebt, die erste weibliche Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden, dabei mitgeholfen zu haben, die Tat zu vertuschen. Hillary Clinton habe ihre Hand bei einer Wahlkampfveranstaltung genommen und zu ihr gesagt „Danke, für alles was du für Bill tust“. Juanita Broaderick sagt „Das war das erste Mal, dass ich vor dieser Frau Angst bekam“. Mofo schrieb dazu, dass ironischerweise ausgerechnet Hillary Clinton das erste Beratungszentrum für vergewaltigte Frauen in Arkansas gegründet habe.

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Bericht aus einer mittelgroßen Stadt im Norden Rumäniens

Familie vor einem kleinen Lehmhaus

Diese Stadt liegt unweit von der ungarischen Grenze. Die ungarische Bevölkerung bildet eine starke Minderheit. Sie wird ausgegrenzt, aber nicht so sehr wie eine andere Minderheit, die Roma Bevölkerung.

Bevor man in die Stadt selbst hinein fährt, reihen sich am Rand der Hauptstraße die Behausungen, die von Bauschutt und Mülldeponie umgegeben sind, und von barfuß laufenden Kindern und Jugendlichen betreten werden. Die Dächer sind aus Blech und die Öffnungen haben keine Türen oder Fenstern sondern höchstens Gardinen, also schließen sie nicht.

Eltern schicken ihre Kinder zur nächsten Mülltonne um Essbares zu suchen, und die gefundenen Müllsäcke werden den Müllberg vor der eigenen Behausung vergrößern. Geschickte Dealer deponieren mit Klebstoff gefüllte Tüten vor den Mülltonnen, damit sie von enttäuschten Kindern griffbereit zu Verfügung stehen, falls nichts Essbares zu finden ist. So werden viele schon im Kindesalter ans Klebstoff schnüffeln herangeführt und sind früh abhängig. Ihre Eltern sind nicht in der Lage, sie in die Schule zu schicken: Da sie selbst Analphabeten sind, können sie die bürokratischen Hürden nicht überbrücken.

Um sich im System Schule zurechtzufinden ist die rumänische Sprache Bedingung. Ungarisch oder Romanes sprechende Familien werden automatisch ausgegrenzt. Die allerwenigsten dieser Familien werden von Sozialämtern besucht oder überhaupt erreicht. Diese Ämter werden chronisch unterbesetzt und schlecht finanziert, unter den SozialarbeiterInnen gilt es als völlig sinnlos, sich um Roma-Familien zu kümmern, weil sie im Winter „eh alles verbrennen“. Ja, die Winter sind hart und es fehlt in den städtischen Vororten an Brennholz. Oft werden Mobiliar und Einrichtungen dem Feuer geopfert. Auch Fensterläden und desgleichen.

Es sind viele Hausbesitzer eher bereit, Wohnungen unbewohnt zu lassen als sie an Roma-Familien zu vermieten. Versteht sich. Sozialwohnungen werden zwar diesen Familien zugewiesen, aber ohne sozialpädagogische Begleitung, sodass es nicht lange dauert, bis auch die Sozialwohnungen genauso unbewohnbar sind.

Resignation ist das geistige Gift dieser Bevölkerung. So von Ausgrenzung und Diskriminierung geprägt, werden ihre Kinder leben wie sie und ihre Vorfahren seit Generationen [wenn nichts geändert wird] – ohne Selbstbestimmung und Autonomie. Weiterlesen

„Deutschlands neue Asoziale“ – Rassismus ein Bildungsproblem?

"Rassismus führt zum Verlust Ihres Mitgefühls."

Dierk Schäfer via Flickr [CC BY 2.0]

Am 24. Juli 2015 erschien bei der Huffington Post ein Artikel mit dem Titel „Die neuen Asozialen: Eure Dummheit bringt Deutschland zum Abgrund“.

Dieser Artikel wurde unter meinen FacebookfreundInnen gefeiert – dutzendfach erschien er auf meiner Pinnwand, weshalb ich mich zu einer Erwiderung entschieden habe. Kritik zu äußern, fällt mir in diesem Fall nicht leicht, denn die Autorin Sabrina Hoffmann fiel mir vor genau einem Jahr – im Juli 2014 – sehr positiv auf, als sie sich als eine der ersten deutschsprachigen Journalistinnen mit einem sehr guten Artikel, „Prostitution: Warum Deutschland Sexkauf verbieten muss“ , für ein Sexkaufverbot nach schwedischem Modell in Deutschland ausgesprochen hatte.

Ich möchte diese Replik deshalb als konstruktive und wertschätzende Kritik verstanden wissen.

Im Artikel wird die These aufgestellt, dass es nicht „die Zuwanderer [sind], die das Bildungsniveau senken“ in Deutschland, sondern „es … die Deutschen selbst“ sind. „Und zwar ausgerechnet jene, die bei Facebook gegen Ausländer hetzen.“. Fremdenfeindliche „gebildete und intelligente Menschen“ bezeichnet sie als Ausnahme. Und sie sieht es als Gefahr an, dass sich ungebildete Menschen „von Gefühlen beherrschen lassen“.

Hoffmann beendet den Text mit

„Diese Menschen sind blind für die Not anderer. Sie sehen nur sich selbst. Und die Probleme, die sie bekommen könnten, wenn eines Tages zu viele Zuwanderer in Deutschland leben. Sie verstehen nicht, was Menschlichkeit ist. Sie stehen mit dem Kopf zur Wand und sehen nur Tapete. Wenn wir die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland in den Griff bekommen wollen, müssen wir hier ansetzen. Alles andere ist nur Kosmetik.“

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Über Jackie Fuchs, Vergewaltigung und den „Bystander Effekt“

The Runaways logo

By Mercury Records (fanpop.com) [Public domain], via Wikimedia Commons

Der englisch-sprachige Original-Artikel „On Jackie Fuchs’ rape and ‘the bystander effect’“ von Meghan Murphy erschien am 15. Juli 2015 bei Feminist Current, Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Nach der Lektüre von Jason Cherkis‘ beeindruckender Reportage über die Runaways, der Girl-Band, die Frauen wie Lita Ford und Joan Jett zu Rocklegenden machte, war ich sehr erschüttert. Das hat selbst mich überrascht. Im Rahmen meiner Arbeit sollte man meinen, dass solche Dinge keinen Schock und Entsetzen mehr auslösen –  Überraschung, Überraschung, pädokriminelle Täter waren im 70er-Jahre-Rock’n’Roll Gang und Gäbe. Erzählt mir etwas, das ich noch nicht weiß.

Letztes Jahr fiel ich in ein Internet-Wurmloch und las über die vielen Übergriffe durch unsere 70er-Jahre Rock-Helden. „Beziehungen“ zwischen erwachsenen Männern und jungen Frauen waren völlig normalisiert in der Szene und niemand verlor ein Wort über den Missbrauch und die Ausbeutung, die von ihnen ausging, man verbuchte es unter „Sex, Drugs und Rock’n’Roll“.

Ein paar Beispiele:

  • Jimmy Page entführte und vergriff sich an der 14-Jährigen Lori Maddox, die drei Jahre bei ihm blieb, ich vermute aufgrund einer Art Traumabindung oder Stockholm-Syndrom (Genau genommen war Maddox auf diesen Missbrauch bereits vorbereitet, sie hatte ihre Jungfräulichkeit mit 13 an David Bowie verloren.)
  • Cher traf Sonny Bono als er 27 war und sie 16
  • Iggy Pop hatte Sex mit dem „Baby Groupie“ Sable Starr, als diese 13 war
  • Rolling Stones Gitarrist Billy Wyman „datete“ die 13 Jahre alte Mandy Smith als er 47 war und heiratete sie schließlich
  • Mit 27 hatte Steven Tyler eine 14-Jährige „Freundin“, das heißt, er überzeugte die Mutter von Julia Holocomb, ihm das Sorgerecht zu überschreiben, damit er sie mit auf Tour durch die Vereinigten Staaten nehmen konnte. Über ihre Beziehung mit Tyler sagte Holocomb: „Ich unterstand ihm wie in einer Eltern-Kind-Beziehung und ich hatte das Gefühl, wenig Kontrolle über mein Leben zu haben“ Sie sagte auch, dass Tyler sie öffentlich hypersexualisierte, in seiner Biographie nannte er sie „meine kleine Oral-Annie“ („my Little Oral Annie“).
  • Mit 30 wurde Ted Nugent (der ein Lied darüber schrieb, wie er ein 13 Jahre altes Mädchen vergewaltigte) der rechtliche Vormund der 17-Jährigen Pele Massa, um nicht wegen Kindesmissbrauch angeklagt zu werden

Es gibt noch viel mehr solcher Storys. Wenn man sich mit bekannten „Groupies“ wie Bebe Buell und Pennie Trumble (die Frau, auf der die Rolle von Penny Lane in Almost Famous basiert) beschäftigt, findet man Geschichte auf Geschichte von minderjährigen Mädchen, auf die von erwachsenen Männern der Rock Szene Jagd gemacht wurde.

Manche romantisieren das und denken, diese Mädchen seien sexuell empowerte, wilde „Verführerinnen“ gewesen, die Rock Stars idealisierten und einfach nur ihren Helden nah sein wollten, aber der Fan-Kult eines Mädchens oder ihre „Reife“ machen es nicht ok für Männer, dies auszunutzen. Tatsächlich ist das Machtgefälle zwischen Fan und Idol an und für sich eher grotesk, wenn es um sexuelle Beziehungen geht. Von daher ist es mir völlig egal, ob diese Mädchen „sich entsprechend kleideten“ oder ob einige von ihnen einer Beziehung mit diesen Männern eigentlich „zustimmten“. Das nennt man Victim Blaming und es lässt ein Verständnis von Dingen wie Rolle von Macht und Zwang in missbräuchlichen Beziehungen vermissen. (Priscilla Presley zum Beispiel war 14 Jahre alt, als Elvis Presley anfing, ihr nachzugehen – zu diesem Zeitpunkt hat sie vielleicht geglaubt ihn zu „lieben“, aber in der Rückbetrachtung sagt sie: „Ich war seine Kreation. Ich war nur ein Kind und wurde von ihm konsumiert. Alles was ich mir ersehnte, war ihn nicht zu enttäuschen.“) Es ist die Verantwortung von Erwachsenen, keinen Sex mit Kindern zu haben. Dass diese Männer Jagd auf Frauen machten, die tatsächlich noch keine Frauen waren, zeigt nur dass es sich um missbrauchende Männer handelt, die getrieben waren von ihren Egos und einem Verlangen, jemanden unter ihrer Fuchtel und Kontrolle zu haben.

Während prominente Männer weiterhin ihre Vorteile aus ihren Machtpositionen ziehen und junge Frauen und Mädchen ausbeuten (zum Beispiel R. Kelly), scheint heutzutage die Bevölkerung mehrheitlich dieses Verhalten abzulehnen. Damals wurde das Täterverhalten scheinbar entweder ignoriert oder belächelt (Männer sind halt Männer!).

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„Queremos flores“ – Konzertlesung mit Gioconda Belli in Wiesbaden

Gioconda Belli

Gioconda Belli, by Jorge Mejía Peralta via Flickr, [ CC BY 2.0]

Am 20. Juni 2015 fand im Kulturforum Wiesbaden – anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Ocotal – Wiesbaden – die Konzertlesung mit Gioconda Belli und dem Grupo Sal Duo statt. Veranstalter war der Verein Nueva Nicaragua e. V. Gioconda Belli las an diesem Abend aus ihrer neuen Anthologie „Die Frau, die ich bin“, in der poetische Höhepunkte ihrer zuvor erschienenen Gedichtebände „Wenn du mich lieben willst“, „Feuerwerk in meinem Hafen“, „Feuer bin ich in der Ferne“, „Ich bin Sehnsucht, verkleidet als Frau“ und „Davor, die Jugend“ versammelt sind. Übersetzt wurde sie von Lutz Kliche, der auch einige ihrer Romane aus dem Spanischen ins Deutsche übertragen hat. Ich hatte das große Glück, an diesem Abend dabei zu sein: Es war ein eindrückliches, tief bewegendes und unvergessliches Erlebnis.

[…] Morgen vergesse ich die Angst,
fürchte nicht mehr die einsamen Strecken,
noch das Erwachen ohne Dach.
Ich verscheuche die Gespensterwolken,
den anschleichenden Tod,
gebe zu, dass ich glücklich bin,
ganz einfach glücklich.
Ich verliere die tiefe Angst vor dem Glück. [1]

Gioconda Belli Ein Rest der Angst / Esquinas del miedoaus dem nicaraguaischen Spanisch von Anneliese Schwarzer

Biografisches

Gioconda Belli wurde 1948 in Managua, Nicaragua geboren, mit 18 Jahren war sie verheiratet und widersetzte sich ihrem Ehemann, der ihr nicht gestatten wollte, in einer Werbeagentur zu arbeiten. Durch diese Arbeit kam sie in Kontakt mit der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN), sie war zu dieser Zeit bereits Mutter einer 1-jährigen Tochter, und beteiligte sie sich ohne Wissen ihres Ehemannes am Widerstand gegen die damals herrschende Somoza-Diktatur.

Ihre ersten Liebesgedichte veröffentlichte sie in der Tageszeitung „La Prensa“, welche von der erzkatholischen Gesellschaft (und Regierung) Nicaraguas als Affront aufgefasst wurden und auch den Bruch mit ihrer Familie markierten.

1974 flüchete Gioconda Belli zuerst nach Mexiko und danach nach Costa Rica ins Exil. Sie kehrte im Jahr 1979 nach dem Sturz der Somoza-Diktatur durch die Sandinisten nach Nicaragua zurück. In ihrer Anthologie „Truenos y arco iris“ („Donner und Regenbogen“), erschienen 1982, behandelte sie die Zeit vor dem Sturz Somozas.

Nicaragua geriet später erneut in einen Bürgerkrieg, den sog. Contra-Krieg, der von den USA finanziert wurde. In der Folge legte Gioconda Belli ab 1986 ihre politischen Funktionen in der FLSM und im Innenministerium nieder und arbeitete fortan nur noch als Schriftstellerin. 1988 gelang ihr mit „La mujer habitada“ („Bewohnte Frau“) der internationale Durchbruch als Schriftstellerin.

Bei den Wahlen in Nicaragua im Jahr 1990 siegte das Bündnis der konservativen Opposition. Gioconda Belli zog sich daraufhin in die USA zurück und kritisierte wiederholt das Politikverständnis und die Selbstherrlichkeit der sandinistischen Führungsriegen. [2]

Seit 1990 lebt sie mit ihrer Familie wechselweise in Los Angeles/USA und Managua/Nicaragua. [3]

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Was bedeutet es Caitlyn zu sein?

Caitlyn Jenner

Caitlyn Jenner by Disney | ABC Television Group via Flickr, [CC BY-ND 2.0]

Miranda Yardley ist eine genderkritische Transfrau. Übersetzung ihres Blogbeitrags erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

Am Montag, dem 1. Juni um halb fünf großbritannischer Zeit, haben wir die große Enthüllung von Bruce Jenner auf dem Cover der Vanity Fair erlebt, als die ihre neue Ausgabe mit dem früheren Leichtathleten und Reality-Promi, den wir bis dato als Bruce kannten, veröffentlichte, versehen mit der einprägsamen Schlagzeile „Nennt mich Caitlyn“. Jenner wurde perfekt gestylt in Pose gesetzt durch die professionelle Aufnahme von Annie Leibovitz und liebevoll nachbearbeitet. Das Magazin versprach eine 22-seitige Titelstory, verfasst von Buzz Bessinger, die auch Details zu Jenners Unsicherheit nach 10 Stunden in der Gesichtschirurgie und der Reaktion von Jenners Kindern nach der Brustvergrößerung ihres Vaters beinhaltet. Es gibt sogar eine Videodokumentation über das „emotionale, zweitägige Fotoshooting“.

Das Bild selbst ist meisterhaft. Der erste Eindruck betont durch die neutrale Farbgebung die schiere Menge von Haut in der Dastellung; Jenner wird in einem eleganten Korsett gezeigt, an einer Lehne stehend, die Hände auf dem Rücken und einem niedlichen und verschämten unterwürfigen Blick; bei was haben wir die unartige Caitlyn denn erwischt? Die Pose soll das Auge auf die Reise führen Jenner`s Körper zu erkunden und die fantastische Figur der 65-Jährigen zu bewundern. Das ist das neue Bild dieses unglaublich reichen und erfolgreichen Reality-Superstars, die Republikaner wählt, welches mit den Millionen von Dollar, die sie in den letzten viereinhalb Jahrzehnten verdient hat, gefertigt wurde.

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Das gesellschaftliche Lied vom Tod: Trauerkonventionen & Trauma

Statue Zentralfriedhof Wien

By HeinzLW (Own work) [CC BY-SA 3.0 at], via Wikimedia Commons

Vor einiger Zeit starb meine Mutter. Wir hatten ein „schwieriges“ Verhältnis, der Kontakt war seit Jahren abgebrochen. Das hat u. a. mit meiner nicht so prickelnden Kindheit und Jugend zu tun (ein Teilaspekt dieses Lebens beschreibe ich auch in diesem Artikel).

Die Gesellschaft und die (Bio-)Familie und ihre Bekannte fordern von Menschen, hier: von einer Frau, deren Mutter stirbt, eine konventionelle Trauer[TM]; dass mir das nicht möglich ist und war, ist und bleibt für sie unverständlich und teilweise nicht tolerabel.

Dabei sind die Reaktion/en, die der Tod einer Person auslöst, die Mitverursacherin einer Traumafolgestörung ist, hochgradig komplex (eine dissoziative Identitätsstruktur macht das Ganze noch einmal auf einer anderen Ebene schwierig).

Widersprüchlich sind die Gefühle diesen Menschen gegenüber, die von uns rein objektiv gehasst werden dürften. Aber da ist das kleine Mädchen, dass die „beste Mama der Welt“ hat, da ist die Jugendliche, die ihr – würde sie der Mutter begegnen – an die Gurgel gehen würde (und das meine ich nicht im übertragenem Sinne), da ist die andere Jugendliche, die all dieses Leid auf sich genommen hat, weil sie glaubt, dass diese Behandlung aus ihr einen besseren Menschen macht; dass es notwendig war und ist, gedemütigt zu werden. Und am Ende der Dissoziationskette sind die, die die Schmerzen ausgehalten haben, die die anderen Innenanteile zuvor nicht mehr aushielten, und diese Schmerzen haben sie heute noch.

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Hysterektomie und Sterilisation – männliche Macht in der Gynäkologie

High-end operating room

By Keeve (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Die Unerfreulichkeit und auch Gewalt einer Geburt durch Dammschnitt oder Kaiserschnitt setzt sich ebenso bei anderen gynäkologischen Eingriffen und Interventionen fort. Das Patriarchat und somit männliche Medizin zeigt überall seine hässliche Fratze.

In Deutschland werden pro Jahr um die 150.000 Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien) durchgeführt. Dies ist unverändert die häufigste Operation in der Gynäkologie. In den USA hat sogar mehr als ein Drittel aller Frauen über 60 bereits diesen Eingriff hinter sich. Es ist bekannt, dass Hysterektomien unnötig sind und nur ca. 6 Prozent erforderlich sind. Alternative Behandlungsmethoden zum Beispiel bei Myomen sind aber langwieriger. Wieso aber, wenn bekannt ist, dass Hysterektomien viel zu häufig durchgeführt werden, verändern sich die Zahlen der Eingriffe nicht? Natürlich hat es etwas mit männlich dominierter Medizin zu tun. Frauen, denen angeraten wird, eine Hysterektomie durchführen zu lassen, sind in der Regel älter und somit uninteressant in Bezug auf ihre Sexualität. Die Gebärmutter erfüllt in der Medizin des Patriarchats und der kapitalistischen Verwertbarkeit keine Funktion mehr, also einfach rausschneiden, anstatt mühselig an einer Behandlung herumzulaborieren.

Früher meine ich übrigens gelesen zu haben, dass Frauen nach Hysterektomien zugenäht wurden, da sie sowieso älter seien und keinen Sex mehr hätten oder haben sollten. Leider finde ich hierzu jetzt keine Quelle mehr, aber es erscheint mir glaubwürdig. Wir alle kennen wahrscheinlich den Witz, in dem der Arzt nach einem Dammschnitt die Frage stellt, ob er es nicht für den Ehemann etwas enger nähen sollte. Zugenäht wird heute nach einer Hysterektomie zwar nicht mehr, aber allein, dass dieser Eingriff so häufig noch stattfindet, zeigt die Verachtung der Weiblichkeit.

Frauenverachtung in der Gynäkologie ist insgesamt kein Wunder, wenn wir bedenken, dass Forschungen und chirurgische Experimente an versklavten Frauen durchgeführt wurden und somit die moderne Gynäkologie entstand. Dr. Marion Sims führte in der Mitte des 19. Jahrhunderts chirurgische Operationen an Sklavinnen durch, ohne Anästhesie. Er versuchte vesico-vaginale Fistula zu behandeln, der Verlust von Urin und Stuhlgang als Folge schwerer Geburten. Erst nachdem er seine Experimente erfolgreich abgeschlossen hatte, setzte er seine Techniken bei weißen Frauen ein.

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Gewalt in der Gynäkologie: Geburt und Dammschnitt

Schema Hysterektomie

By Hic et nunc (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Gewalt in der Gynäkologie war in den 70er-Jahren ein sehr großes feministisches Thema, allerdings wurde durch den Neoliberalismus das Thema langsam, aber zuverlässig beerdigt. Vor kurzem hat endlich eine Frau in den Vereinigten Staaten wegen einer Episiotomie gegen ihren Willen ihren Arzt anzeigen wollen. Hoffentlich setzt sich das durch, denn immerhin konnte sie Widerstand leisten gegen diese Verstümmelung.

Die Gewalt, die in der Gynäkologie ausgeübt wird, umfasst Gewalt durch gynäkologische Eingriffe und Untersuchungen. Frauen haben gelernt, mehr oder weniger, diese Gewalt zu akzeptieren oder diese Gewalt nicht mal als Gewalt wahrzunehmen. Gerade für traumatisierte Frauen ist diese Form der Gewalt ein nochmals sensibleres Thema, aber es betrifft alle Frauen, denn im Patriarchat ist die Medizin von Männern geprägt und bestimmt. Die Gynäkologie ist keine Ausnahme, auch wenn immer mehr Frauen Medizin und Frauenheilkunde studieren. Das Wissen, die Ethik und die Wissensvermittlung sind unverändert männlich dominiert.
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Solidarität mit Meghan Murphy!

Meghan Murphy

Wir dokumentieren einen Brief an rabble.ca., dieser ist im Original erschienen bei Last Wave Feminist: Open Letter to rabble re: Meghan Murphy

Wir, die Unterzeichnenden, möchten hiermit unsere tiefe Missbilligung gegenüber rabbles Antwort zu den jüngsten Angriffen auf Meghan Murphy ausdrücken.

In den letzten Wochen wurde Meghan Murphy zur Zielscheibe eines üblen und koordinierten Angriffs, von dem wir glauben, dass er sich nicht nur gegen sie – als die bekannteste Vertreterin feministischer Grundsätze, mit denen wir insgesamt einverstanden sind – sondern gegen Frauen allgemein und Feministinnen im Besonderen richtet.
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