Unser Gentleman der Woche: Gregor Gysi

Dieses Bild ziert seit heute mittag die Facebookseite von Gregor Gysi, dem Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion im deutschen Bundestag  Wir erinnern uns: DIE LINKE ist die Partei, die sich immer wieder gerne das Label „feministisch“ gibt. Und Gregor Gysi derjenige, der trotz diverser Beschlüsse zur Mindestquotierung keine weibliche Mit-Fraktionsvorsitzende an seiner Seite dulden will.

Gysi kommentiert den Bild-Post übrigens wie folgt

„Es gibt verschiedene politische, sehr politische Gründe, weshalb ich gerne unseren Neujahrsempfang besuche.“

Beifall bekommt er zu Hauf: Eine Stunde nach dem Posten hat das Bild bereits mehr als 3.000 Likes und über 300 Kommentare (meist männlicher Facebook-User).

Kostprobe gefällig?

„Gysi du Player“

„gregor du alter milf hunter“

„Gregor du hengzt (sic)“

„Bei Gysi läuft“

„SIE ALTER PLaYboYyyyyyY“

„So nen Bild hätt ich von Gehard Schröder erwartet ^^ Wo ist das Goldkettchen?^^“

„de Babo“

„voll der Checker“

„Gregor, du machst Hugh Hefner Konkurrenz“

Weiterlesen

Humpahumpatätaräää, Helau und Alaaf – Alles nur Jux und Tollerei?

Beispielplakat Mainzer Hurenball - Hier von 2010. Quelle. Facebook

Habt ihr ihn auch noch in den Ohren den Schlachtruf der letzten Wochen? „Satire darf alles!“ – Rassismus, Sexismus, Homophobie. Alles scheiss egal, ist halt Satire. Und wer das geschmacklos und nicht lustig findet, soll sich nicht so anstellen. Meinungsfreiheit und so.

Samstag in die Stadt zum Einkaufen gefahren und die bittere Erkenntnis: Fastnacht steht vor der Tür und es wird bald wieder Zeit für Menschen, die das Vergnügen haben in einer „Fastnachtshochburg“ zu leben, sich mindestens eine Woche zu Hause einzusperren um diesem Wahnsinn irgendwie halbwegs unbeschadet zu entgehen. Überall „lachten“ mich wieder unsägliche Plakate an. Rotlicht ist dieses Jahr offenbar wieder ein beliebtes Thema im Rhein-Main-Gebiet. Ob die 10. Auflage des „Mainzer Hurenballs“ oder in Wiesbaden die Neuauflage der Party „Rotlicht, Kiez und Leichtmatrosen“. Das Bühnenbild in Aulhausen zeigt die weit gespreizten, bestrapsten Beine einer Frau, Motto „Auf St. Auli brennt noch Licht“ (Danke an MS für den Hinweis). Sehr originell. Wirklich. Schade, dass es hier keinen „rollende-Augen-Smiley“ gibt.

Aulenburger Fastnacht 2015, Quelle: Facebook

Aulenburger Fastnacht 2015, Quelle: Facebook

Lassen wir mal außen vor, dass bei der Fastnacht die so genannten Elferräte fast ausschließlich männlich besetzt sind und Frauen sich in der Regel nur als Funkenmariechen oder im Prinzenpaar verdingen können. Obwohl okay, sie haben ja ihre „(Alt-)Weiber“-Fastnacht und dürfen Männern ihre Krawatte abschneiden. Vielleicht seh ich das einfach zu eng.

Schauen wir uns mal die genannten Veranstaltungen (exemplarisch) etwas näher an.

Die „Mega-Party“ „Rotlicht, Kiez und Leichtmatrosen“ wird wie folgt beworben:

„Ob Nutten und Luden, Matrosen und Showgirls – alles was auf dem Hamburger Kiez Rang und Namen hat feiert an diesem Fastnachtsfreitag bei uns in der Schmelze bis in die frühen Morgenstunden“

Die Rollenverteilung ist klar: Als Frau kann ich mich für eine Verkleidung (und Rolle) der „Nutte“ oder „Showgirl“ entscheiden. Ich stell mich wahrscheinlich einfach nur an, wenn das für mich irgendwie so keine Option sein will. Nicht mal als Verkleidung.

Beim „Mainzer Hurenball“ kann ich sogar noch einen Schritt weiter gehen und, wie so viele andere, im Netz eine Anzeige schalten „Wer will mich denn begleiten und es beim Hurenball wild treiben? TG (Taschengeld) erwünscht“

In der Ankündigung heißt es

„An 364 Tagen im Jahr verstehen Menschen das Wort „Hure“ eher negativ. Doch an Fastnacht ist alles ein bisschen anders. Denn der Mainzer Hurenball ist eine feste Institution zur Weiberfastnacht geworden.“

An Fastnacht darf Frau also mal einfach „Hure spielen“ – und wenn sie will das Video hinterher auf die einschlägigen Videoportale stellen. Unter dem Stichwort „Mainzer Hurenball“ finden sich zumindest zahlreiche Treffer von der „geilen Nathalie“, zu „besoffenen Piss-Exzessen“ und „drunken gang bang“ – alles dabei.

Dass die Fastnachtszeit auch eine beliebte Zeit für den Einsatz von KO-Tropfen und für Vergewaltigungen ist, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Im Zweifelsfall schiebt man das eben in bekannter Victim Blaming Manier den Opfern selbst in die Schuhe:

„Es gibt 14-, 15-Jährige, die werden Opfer sexueller Übergriffe, die wissen nicht mehr, was sie tun, wenn sie volltrunken auf dem Rosenmontagszug herumfallen.“  (Wiesbadener Kurier)

Problem gelöst: Jugendliche sollen einfach weniger trinken, nicht etwa Männer weniger sexuell übergriffig werden.

Nun zu einem anderen Aspekt: dem Rassismus

Vereinssymbol, Quelle: Google +

Vereinssymbol, Quelle: Google +

In Frankfurt beispielsweise gibt es einen Carnevalsverein, der sich „Die Kameruner“ nennt. Die hielten noch bis vor wenigen Jahren ihre „Negersitzung“ ab und sprangen braun angemalt im Baströckchen auf der Bühne herum.

Auch wenn die Sitzung, vor allem wegen des Protests der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ inzwischen umbenannt wurde in „Hulla Rumba Sitzung“ – wirklich verstanden wurde die Kritik nicht. Blackfacing findet nach wie vor statt – und der 1922 gegründete Verein macht natürlich auch keine Anleihen an den Kolonialismus der Deutschen in Kamerun. NEEEIEN, wer kommt denn auf solche abwegigen Ideen?

Karneval Megastore, Modell "Sexy Zigeunerin"

Karneval Megastore, Modell „Sexy Zigeunerin“ (http://www.karneval-megastore.de/html/product_info.php?products_id=45641)

Laut Aussagen von Kostümläden sind die beliebtesten und am schnellsten vergriffenen Kostüme „Zigeunerin“ (klassisch und sexy), „der Mohr“, „Native American“ oder auch, Achtung kombiniert mit Homophobie, “die Afrotucken“.

Übrigens beim Kostüm der Zigeuner-Wahrsagerin schließt sich dann der Kreis wieder:

„Zu dieser Wahrsagerin kommen hauptsächlich männliche Kunden – und auch diese nur nebensächlich wegen Ratschlägen zu ihrer Zukunft.“ http://www.phaeoshop.de/fasching/Karnevalskost%25FCme%2BKlassiker/?seite=3

Interessant ist immer wieder festzustellen, dass selbst eingefleischte AntifaschistInnen von Kritik an diesen zweifelhaften Verhaltensmustern nichts wissen wollen. Wenn es um Fastnacht geht ist political correctness nicht besonders gefragt.

„Kein Narr will irgendwen beleidigen, alles Jux und Tollerei“ – ach was sind wir doch wieder für verklemmte und spießige Spaßbremsen.

Wie die Sexindustrie unser aller Alltag beeinträchtigt: Frauen als entrechtetes Freiwild

"Take rape seriously" - Protester with Placard Reproductive rights activist Shelby Knox.

by Women's eNews via Flickr, [CC BY 2.0]

Ich will meine (Lebens-) Geschichte erzählen. Denn diese spiegelt wohl die heutige Situation der Frauen in unserer Gesellschaft wieder.

Ich bin mittlerweile 32 Jahre alt, alleinstehend und lebe in Berlin, wo ich auch geboren und aufgewachsen bin.

Über Jahre wurde ich sexuell unter Druck gesetzt und bekam Dinge zu hören wie:

  • „das müssen wir machen, damit du das machst, du blöde Kuh“ (das sagte ein Polizist während meiner Ausbildung dort).
  • „du bist doch eine scheiß Lesbe, dass du das alles nicht machst. Deswegen machst du das alles ja nicht, weil du eine scheiß Lesbe bist.“
  • „du hast keine Rechte“
  • „das können wir alles machen, sie will es ja“
  • „du Schlampe, du Nutte, die vom Dienst“
  • „na warte, du, dann kommen wir alle mal ran, du immer mit deinem nicht-ran-lassen“

Doch der Reihe nach.

Mein Martyrium begann mit ca. 15 Jahren.

Ich ging damals in die 8./ 9: Klasse eines Gymnasiums. Es war die Zeit, in der die Mädchen unter dem enormen Druck stehen, einen Freund haben zu müssen. Mir war es damals zu früh für einen Freund, ich wollte gar  keinen haben. Ich wollte außerdem keine kurzen wechselnden Beziehungen haben, sondern lieber auf „den Richtigen“ warten. Damit ging ich nach meinem eigenen Gefühl, es gab keine „Jungfräulichkeitsbewegung“ in meinem Umfeld.

Mobbing: Traumatisierungsfolgen

Im Laufe der Zeit fiel ich in der Gunst meiner Mitschüler. Ich verlor meine Freundinnen, ich wurde zum Außenseiter und schließlich zum Mobbingopfer. Ich bekam eine Tierbezeichnung und wurde nur noch mit dem Tiernamen angesprochen, man malte eine Szene an die Tafel, auf dem dieses Tier mit einem langen Messer erstochen wird. Mobbing war an der Tagesordnung, auch Schläge und Tritte.

Psychotherapeutin verstärkt den Druck

Ich bekam deswegen gesundheitliche Probleme und begab mich in die ambulante Psychotherapie einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Berlin. Diese erklärte nach einiger Zeit: „ich wundere mich doch, warum ich gemobbt werde, ich wolle doch, dass das aufhöre. Das liege daran, dass ich bei dem „Beziehungsführen“ nicht mitmache.“ Ich solle mir auch einen Freund suchen, damit werde das Mobbing aufhören.

Ich hatte der Therapeutin aber erklärt, ich wollte dabei nicht mitmachen, ich hatte andere Pläne. Dies war mein eigener Wunsch, es gab keine „Jungfreulichkeitsbewegung“ in meinem Umfeld. Dann wurde sie wütend und sagte doch, ich solle auch mitmachen, dass sei nicht nett von mir.

Sie begann zudem, mich mit der Zeit während der Gespräche zu „sexualisieren“.

Ich begann dann Kennenlernphasen zu haben, die ich abbrach, weil die damaligen Jungs mir für eine Beziehung nicht zusagten. Als die damalige Therapeutin dies mitverfolgte und erfuhr wurde sie wieder wütend und sagte so, ich mache das nicht, ich hätte jetzt tolle
Männer kennengelernt, die ich alle nicht wollte, jetzt solle ich halt so mit einem mitgehen, der mich anspricht für „mal eben Spaß“ haben.

Das „erste Mal“: traumatisierend

„Wenn ich mich nicht auf eine Beziehung einließe, dann mache ich jetzt das, dass ich so mitgehe“. Das sagte sie zu einem jugendlichen Mädchen, dass „entrechtet“ wurde durch ihr Umfeld, das erhebliche gesundheitliche Beschwerden (Panikattacken) und insbesondere Todesängste hatte. Ich konnte damals diesem Druck und dieser Nötigungslage nicht mehr standhalten und „musste“ dann (sexuell) irgendetwas machen, was ich selbst so nicht gewollt habe. Das war für mich eine furchtbare Erfahrung, mein ganzer Körper war taub und ich hatte gar kein Gefühl mehr in meinem Körper.
In einer anderen Situation, in der ich wieder lediglich Hilfe gesucht habe, wurde ich von einer Ärztin angeschrien, so dass ich daraufhin einen „Hyperventilationsanfall“ bekam und das Gefühl hatte, ersticken zu müssen.

Traumatisierende Psychotherapie – Forderung: schwanger werden!

Als ich meiner Therapeutin dann von meinem „ersten Mal“ erzählt habe, war diese hoch erfreut und lächelt zufrieden.Sie begann sogar im Lauf der Zeit mir vorzuschlagen, ob es denn so schlimm wäre, wenn ich schwanger werden würde. Ich war noch in der Schule, in Richtung Abitur, natürlich wollte ich kein Kind bekommen. Die Therapeutin drängte mich unaufhörlich, ich könne doch mal schwanger werden, dann würden mir sicher auch alle helfen mit dem Kind. Sie sagte „wir schaffen das mit dem Kind zusammen!“ Mehrmals sah ich andere KlientInnen mit Kinderwagen zu ihr kommen: ob diese jungen Frauen auf ihr Drängen hin schwanger geworden waren?

Traumatisierendes soziales Umfeld

Ich hatte zu dieser Zeit außerdem Probleme mit Bekannten der Familie. Da ich ja einen Freund suchen „musste“, hatte eine Bekannte der Familie es geschafft, mich mit dem Kumpel ihres Sohnes zu verkuppeln. Ich löste die Verkupplung nach wenigen Wochen wieder auf. Dann begannen die Leute zu stalken und mir ins Gewissen zu reden, ich möge doch wieder mit dem jungen Mann zusammen kommen.

Die Therapeutin bekam all dies mit und hat mir nicht geholfen, obwohl es sich um Kupplung, Nachstellung und Nötigung gehandelt hat. Sie half den Kupplern, indem sie sagte, das sei aber mutig von mir, die Beziehung zu beenden, das sei ja ein toller Mann gewesen. Na, vielleicht komme ja später noch mal  was, und ich würde ja jetzt sehen, was ich davon habe, wenn meine Klassenkameraden erfuhren, dass ich den jungen Mann verlassen habe! Weiterlesen

Jedem das Seine? – Willkommen auf Deutsch

Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar.

By Clemensfranz (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Es hört sich an wie ein makabrer, schlechter Scherz, aber es ist wahr: Die Stadt Schwerte möchte Flüchtlinge zukünftig in einem Außenlager des ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald unterbringen wie die WAZ berichtet.

Dies sorgt für berechtigten Zorn des dortigen Flüchtlingsrates und auch zum Beispiel von Geschichtsprofessor Alfons Krenkmann, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in NRW e.V.: „Das hat einen Beigeschmack, da das ein historisch kontaminierter Ort ist.“ Auf die massive Kritik reagiert die Stadt: gelassen.

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Flüchtlingslagern (statt dezentral in eigenen Wohnungen) stößt bundesweit generell auf große Kritik.

Die Women in Exile haben in ihrem Memorandum (wir berichteten) auf die damit verbundenen Gefahren für Frauen, auch und insbesondere in Bezug auf sexuelle Übergriffe, aufmerksam gemacht.

Aber wer noch die brennenden Flüchtlingslager der 90 Jahre vor Augen hat, weiß dass dies längst nicht die einzige Gefahr für die Bewohner*innen ist.

Die Bunderegierung berichtete auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE von 53 Demonstrationen (ab 20 Teilnehmer*innen) vor und gegen Flüchtlingslager vom ersten bis dritten Quartal 2014. Die Mottos reichten von „Asylmissbrauch – Nicht mit uns!“ über „Bürgermut stoppt Asylantenflut“ bis hin zu „Nachtwache zum Schutz der Bevölkerung vor Asylbewerbern“.

Die Zahl der Überfälle, Anschläge, Sachbeschädigungen und tätlichen Angriffe auf Flüchtlingslager belief sich im gleichen Zeitraum auf 95 ! In Worten FÜNFUNDNEUNZIG. In einem Dreivierteljahr. Dabei wurden im dritten Quartal auch erstmals drei Personen verletzt.

Die aktuelle Entwicklung ist beängstigend, die Zahl der Politiker*innen, Medienmenschen und Akteure der Zivilgesellschaft (inklusive Feministinnen), die Verständnis für Bewegungen wie PEGIDA, die den Hass auf Refugees, Sinti und Roma, Muslime oder andere gesellschaftlichen Gruppen immer weiter schüren, ist beängstigend.

Menschen, die sich dagegen auflehnen werden als „Gutmenschen“, „Islamversteherinnen“ bis hin zu „Volksschädlingen“ beschimpft.

Eins ist sicher: Sollte „das Abendland“ (was auch immer das sein soll) „untergehen“, dann sicherlich nicht durch jene die aus der unrühmlichen Geschichte Deutschlands etwas gelernt haben und dem Hass etwas entgegensetzen wollen, sondern durch jene die Hass, Zwietracht und Spaltung säen.

Unsere Frage der Woche: Worüber habt ihr euch kürzlich von ganzem Herzen gefreut?

 

Die Welt ist nicht immer freundlich zu uns, viele von uns kennen sie: Diese depressiven Phasen wo wir gar nicht mehr ins Netz schauen wollen, weil die Nachrichten uns triggern, betroffen oder wütend machen. Wir ärgern uns über unsere Gesellschaft, unsere Mitmenschen und wollen einfach nur weg, an einen anderen, besseren Ort.

Deshalb wollen wir das Augenmerk mal auf die schönen Seiten des Lebens lenken. Erzählt uns worüber ihr euch das letzte Mal so richtig gefreut habt. Oder was so die alltäglichen kleinen Freuden im Leben für euch sind.  Lasst uns teilhaben an euren kleinen Glücksmomenten im Grau unserer Zeit.

 

Flüchtlingsfrauen werden laut

Arbeitsbesuch Libanon

By Österreichische Außenministerium (Arbeitsbesuch LibanonUploaded by High Contrast) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons

Die Women in Exile haben nach ihrer Floßtour durch Deutschland in rund 40 Flüchtlingslagern in sieben Bundesländern ein Memorandum veröffentlicht. Dieses möchten wir euch sehr ans Herz legen.

Darin heißt es unter anderem:

Flüchtlingsfrauen leiden besonders unter rassistischen Asylgesetzen. Zusammen mit vielen anderen Flüchtlingsfrauen fordern wir deshalb ein Leben in Sicherheit und Würde. Meistens sind es die Frauen, die sich verantwortlich fühlen, den Alltag für ihre Kinder und Familien zu organisieren – unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Wir haben gesehen, dass es oft am Notwendigsten fehlt: An Platz für ein Babybett, an genügend Waschmaschinen, an Platz zum Spielen für die Kinder, an warmem Wasser… Außerdem berichteten uns Flüchtlingsfrauen, wie entmündigend und entwürdigend das Leben mit Essenspaketen oder Gutscheinen ist. Viele Frauen leiden auch sehr darunter, um jede Krankenbehandlung für sich oder ihre Kinder beim Sozialamt betteln zu müssen.

und

Die Frauen, mit denen wir gesprochen haben, fühlen sich in den Lagern unsicher. Sie müssen Höfe durchqueren oder ein bis zwei Stockwerke durchs Treppenhaus gehen, um zur Toilette zu gelangen.

Wenn es dunkel wird, trauen sie sich oft nicht ihre Zimmer zu verlassen. In vielen Fällen müssen sie in Zelten oder Containern leben, die eher für Waren als für Menschen geeignet sind. Sie haben keine Privatsphäre – selbst die Duschkabinen sind meist nicht abschließbar. So sind sie Gewalt und sexueller Belästigung ausgesetzt.In dieser Situation müssen Frauen oft Jahre auf die Entscheidung über ihr Asylverfahren warten.

Deshalb fordern wir: Keine Lager für Frauen! Alle Lager abschaffen!

 

Das ganze Memorandum kann hier aufgerufen werden.

10 Jahre Hartz IV – Oder: Das Geschäft mit der Armut

Anti-Hartz4-Demo

By Björn Laczay from Moosburg, Germany (Flickr.com - image description page) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons

Reicher Mann und armer Mann / standen da und sahn sich an.  Und der Arme sagte bleich: »wär ich nicht arm, wärst du nicht reich«. Bertolt Brecht

Neulich saß ich im Zug und las in einer Kritik am Deutschen Tafelsystem (die ich vollumfänglich teile), dass es unter den Tafelbefürwortern Menschen gäbe, die tatsächlich meinen, dass nicht die Armut das Problem sei, sondern das Stigma. Da musste ich doch zunächst etwas schmunzeln. Diese Argumentation kennen wir doch alle nur allzu gut aus der Prostitutionsdebatte: Das Stigma muss weg und dann wird alles gut und Prostitution kann endlich als ein Beruf wie jeder andere anerkannt werden.

Das „Hartz IV“-Stigma – ein spannendes Thema. Keine Frage: Wer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen muss ist stigmatisiert. In der Tat ist meine Erfahrung aus mehr als 5 Jahren ehrenamtlicher Beratung in diesem Bereich, dass die damit verbundenen psychischen Belastungen viel schwerer wiegen, als die Tatsache mit viel zu wenig Geld auskommen zu müssen. Beschämung ist weitverbreitet: Ob es die zahlreichen alten Menschen sind, für die es gar nicht in Frage kommt staatliche Unterstützung in Form von Grundsicherung überhaupt erst zu beantragen und die lieber von ihren 600 Euro Rente leben, wovon sie alles, inklusive der Miete bestreiten. Eine Frau, der ich neulich zum wiederholten Male dringend nahe legte, doch einen Antrag zu stellen, sagte zu mir: „Wissen Sie, ich habe den Krieg und wirkliche Not überlebt, dann überlebe ich auch das. Und eins habe ich gelernt: Wer was hat, der will immer mehr.“ Oder ob es die Kinder sind, die den Sportverein lieber vom Taschengeld bezahlen, als die (mickrigen) Leistungen für Bildung und Teilhabe in Anspruch zu nehmen – weil das nur in Direktzahlung an den Dienstleister geht (da die Eltern das Geld ja stattdessen sonst in Alkohol und Zigaretten anlegen würden, wie wir alle wissen) und damit mit einem Zwangsouting verbunden ist. Oder ob es der Leiharbeiter ist, der 40 Stunden die Woche arbeitet und trotzdem aufstocken muss und nur verlegen nickt, wenn wieder einer seiner Bekannten über die „faulen Hartzies“, die ihm „auf der Tasche liegen“ herzieht – und der Angst hat, dass auch über ihn so geredet wird, wenn jemand ihn zufällig im Warteraum des Jobcenters sieht und dies weitererzählt. Nein: 10 Jahre Hartz IV waren für die Betroffenen kein Zuckerschlecken und ich bin die Letzte, die sich über die Thematisierung des Stigmas durch Hartz IV lustig macht.

Dann wiederum frage ich mich: Wer davon redet und meint „Das Stigma muss weg“ sei eine sinnige politische Forderung, dem muss ich leider sagen ihm / ihr ist eine zentrale Tatsache entgangen. Nämlich die, dass es ein Kernelement der Agenda 2010 und ihrer neoliberalen Ideologie war und ist, eben dieses Stigma auf die Betroffenen zu legen. Und jetzt wird es spannend: Das Workfare Modell, mit dem Gerhard Schröder (und in England Tony Blair) mit seiner Agenda-Politik das Arbeitslosenversicherungssystem abgelöst hat, bedeutet doch nichts anderes als strukturelle Ursachen dem Individuum in die Schuhe zu schieben: Ungeachtet der Tatsache, dass es viel weniger offene Stellen als Arbeitssuchende gibt, ist das doch die zentrale Botschaft, die an Betroffene ausgesendet wird: „Jeder ist seines eigenes Glückes Schmied. Wenn du arm bist, dann hast du individuell versagt und dann bist du selbst schuld an deiner Situation“. In meiner Beratung habe ich erlebt wie das Jobcenter mit diesem Dogma aus aufrechten, selbstbewussten Menschen, gebrochene, mit Minderwertigkeitskomplexen beladene Menschen gemacht hat. Menschen, die beispielsweise aufgrund einer Firmeninsolvenz oder betriebsbedingten Kündigungen arbeitslos geworden sind, sagen oft „Hey, ich bin gut qualifiziert, ich habe jahrelange Berufserfahrung, ich finde ganz schnell einen neuen Job“. Wenn das dann jedoch nicht funktioniert, dann dauert es bei dem einen kürzer, dem anderen länger und bei so gut wie jedem setzen früher oder später die Selbstzweifel ein – selbst, wenn sie eigentlich ganz genau wissen, es liegt am Arbeitsmarkt und nicht an ihnen.

Diese neoliberale, politische Strategie strukturelle Missstände zu individualisieren hat Michel Foucault bereits in seiner Vorlesung zur Gouvernementalität eindrucksvoll beschrieben. Extrem verkürzt (Lektüre lohnt sich!): Dem Staat gelingt es Menschen zu führen und ihnen gleichzeitig jedoch zu suggerieren, dass sie es sind, die Entscheidungen für sich treffen und eben nicht der Staat und damit auch jede beliebige Lebenssituation selbst herbeigeführt wurde. Äußere Faktoren, komplexe Zusammenhänge werden einfach komplett ausgeblendet.

Wenn ich diese Sichtweise durch das entwürdigende, halbjährliche Gespräch beim Fallmanager/der Fallmanagerin so massiv internalisiere, von allen Seiten mit dem Klischee des Arbeitslosen konfrontiert werde, wundert es dann eigentlich wirklich, wenn der Massenprotest gegen diese menschenunwürdige Sozialpolitik ausbleibt?

Das bewusst erzeugte Stigma hat jedoch noch einen weiteren Effekt: Es spaltet die Gesellschaft und macht sie empfänglich für das Geschäft mit der Armut. Dieses hat zwei Ebenen:

Zum einen übt es massiven Druck auf all jene aus, die durchschnittlich verdienen und Angst davor haben, in „Hartz IV“ abzurutschen. Es macht sie erpressbar zu miserablen Löhnen zu arbeiten und zähneknirschend Bedingungen zu akzeptieren, für die sie vor der Agenda 2010 jedem Chef den Vogel gezeigt hätten. Das Damoklesschwert über dem Kopf hat einen extrem disziplinierenden Effekt und bringt Menschen dazu, tatsächlich fast jede Arbeit anzunehmen. Den ArbeitgeberInnen wird dadurch das Geschäft ihres Lebens ermöglicht. Sie können sparen an Löhnen, Zusatzzahlungen und so genannten „Lohnnebenkosten“ (diese Kosten sind das, was den Betroffenen dann eben fehlt in der Krankheit, in der Arbeitslosigkeit, in der Rente, … welch schöner Euphemismus).

Zum anderen gedeiht das Geschäft mit der Armut auch im Bereich der so genannten „Maßnahmen“. Vor „Hartz IV“ erfolgreich arbeitende und tatsächlich auch sinnvolle Träger wurden häufig durch diese Konkurrenz schlicht platt gemacht. Oder können ihre ursprünglichen Angebote nur dann noch aufrechterhalten, wenn sie auch in den Markt mit „Arbeitsgelegenheiten“ (so genannte „Ein-Euro-Jobs“), Bewerbungstrainings, Coachings, etc. einsteigen und damit querfinanzieren. Viele kleine aber (in Wirklichkeit gar nicht so) feine Träger schaffen viele kleine, schöne und gar nicht schlecht bezahlte GeschäftsführerInnenpöstchen (in denen gerne auch mal die eigenen Parteikollegen versorgt werden) und vor allem: zahlreiche Ausbeutungsstrukturen für billige und leicht erpressbare (Sanktionskeule!) Arbeitskräfte. Offizielles Ziel: „Wiedereingliederung in den 1. Arbeitsmarkt“ Dass ich nicht lache. Wenn ich nur (vereinfacht ausgedrückt) 10 Jobs im Angebot habe, kann ich 200 Menschen durch so viele Coachings, Bewerbungstrainings und Selbstwertstärkungsmaßnahmen jagen wie ich will, es bekommen trotzdem nur 10 einen Job. Das kleine Einmaleins sollte doch nun wirklich jedeR beherrschen. Sollte man meinen. Aber nein: Teile und herrsche, ein bekanntes Spiel. Solange die Gesellschaft das Lied von der Armut als individuell und selbst verschuldetem Schicksal laut mitträllert, wird weiter munter die große Kohle mit den Ärmsten der Armen gescheffelt.

Diese monströse Hartz-IV-Maschinerie braucht das Stigma auf den Betroffenen. Genauso übrigens, wie die Sexindustrie und vor allem die Sexkäufer das Stigma auf den prostituierten Personen brauchen, um weiter zu machen wie bisher, bzw. das Ganze immer doller zu (be)treiben.

Natürlich ist es legitim, hier wie dort, zu fordern „Das Stigma muss weg“. Wer aber nur an dieser Oberfläche zu kratzen bereit ist und nicht bereit ist die strukturellen Rahmenbedingungen radikal zu verändern, wird nicht und niemals in der Lage sein die Ausbeutung zu stoppen. Die Ausbeutungsstrukturen leben von Hierarchien und sie nähren sich vom Stigma. Sie fressen sich dick und fett und immer fetter und verteilen den in unserer Gesellschaft zweifellos vorhanden Reichtum immer weiter von unten nach oben. Nur handelt es sich beim Kapitalismus nicht um ein essendes Lebewesen und die Hoffnung, irgendwann, wenn er das Fressen übertrieben hat, platzt er schon von alleine, wird leider niemals erfüllt werden. Hier ist es schon an uns „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“

Manuela Schon ist Stadtverordnete der Fraktion LINKE&PIRATEN in Wiesbaden und Gründungsmitglied der Linken Hilfe Wiesbaden e.V.

Manspreading – Keine Beine breit für Männer

Manspreading (Stockholm Metro)

By Peter Isotalo (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons

Seit einigen Tagen bekommt die geplante Werbekampagne der Metropolitan Transportation Authority (MTA) in New York sehr viel Aufmerksamkeit. Eigentlich ist es Zielsetzung dieser Werbekampagne  Höflichkeitsregeln, bei der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, wieder aufleben zu lassen und darauf hinzuweisen, dass man auf andere Mitreisende Rücksicht nehmen sollte. Der Slogan heißt: “…Courtesy Counts: Manners Make a Better Ride.“.. „.Höflichkeit zählt… Gutes Benehmen sorgt für eine bessere Fahrt“.  Ein Aspekt dieser Kampagne ist es, Männer dazu zu bekommen, nicht breitbeinig auf den Sitzplätzen zu sitzen und so mehrere Sitzplätze einzunehmen. Wie üblich, wenn das Recht von Männern eingeschränkt werden soll, egal wie groß oder wie klein diese Einschränkung sein mag, dann ist dies einen öffentlichen Aufschrei und einen Artikel in der New York Times wert. Die Welt geht unter, anscheinend, wenn Männer nicht mehr Frauenbeine berühren können oder Frauen gar zwingen können ganz eingequetscht in der Ecke zu sitzen.

In vielen Selbstverteidigungskursen oder Rethorikkursen wird Frauen seit Jahren beigebracht Männern, die ihre Beine auf Sitzplätzen breit machen, anzusprechen, in aller Deutlichkeit, und sie aufzufordern die eigenen Beine nicht zu berühren und ihren Raum auf einen Sitzplatz zu beschränken.

Trotz dieses Themas seit Jahren habe ich es noch nie erlebt, dass Frauen Männer im Bus, Bahn oder S-Bahn aufgefordert haben, ihre Beine nicht so auszubreiten.

Ich persönlich gebe zu, nur zwei Mal in meinem Leben Männer hierzu aufgefordert  zu haben. Vor Jahrzehnten war ich sehr erfolgreich mit der Aufforderung:..“ Nehmen Sie bitte ihre Beine zusammen. Ich sitze hier auch und möchte nicht berührt werden. Danke.!“. In den letzten Jahren habe ich eher meine Tasche oder meinen Rucksack zu Hilfe genommen und diese an meine Seite, teilweise, gelegt umso den männlichen Raum zu nehmen. Ich hatte mir auch überlegt, ob es sich in diesem Zusammenhang lohnen würde, Rucksäcke mit ausfahrbaren Nadeln zu produzieren, nur für Frauen. Ein kleiner Stich bei Bedarf, ein Aufschrei, und einen verwirrten und unschuldigen Blick von Frauenseite mit dem Kommentar…“Wie soll ich sie denn Bitte gestochen habe-ich sitze hier doch nur..“. Träume im öffentlichen Nahverkehr…

Zugegebenerweise habe und hatte ich in den letzten Jahren Angst verbal deutlich zu werden, wie viele, da niemand bei einer aggressiven Reaktion mir gegenüber reagieren würde. Ich hatte allerdings mehrfach das Problem, dass sich Männer zu mir auf einen breiteren Einzelplatz setzen wollten. Hier wurde ich schon verbal sehr deutlich, aber auch hier blicken Mitfahrende in der Regel nur glasig und starr vor sich hin, wie bei vielen kleinen und größeren Zwischenfällen im Nahverkehr.

Wer übrigens denkt, dass diese Kampagne der MTA die Zielsetzung hatte, sexuelle Belästigungen von Frauen durch Dominanzgehabe von Männern einzudämmen, der irrt sich. Es war und ist in dieser Werbekampagne nie Thema, wie Frauen sich fühlen, wenn sie Bein an Bein sitzen müssen oder sogar aufstehen müssen bei unangenehmen Berührungen. Frauen sind dazu sozialisiert, keine aggressiven Auseinandersetzungen einzugehen und freundlich und nachgiebig zu bleiben. Zusammen mit der eben erwähnten Ignoranz anderer, sorgt dies für Rückzugsverhalten.

Der eigentliche Grund für diese Kampagne war, dass immer mehr Menschen die New Yorker Subway nutzen. 2014 wurde die Subway von 6,1 Millionen Menschen genutzt. Zehn Jahre zuvor waren es nur 5,1 Millionen Menschen. New York selbst hat 8,4 Millionen Einwohner und so werden immer mehr Menschen auf immer engeren Raum zusammen gedrängt.

Philadelphia hat auch eine neue Werbekampagne gestartet mit: “Dude It’s Rude… Two Seats — Really?”..“ Mann, es ist unfreundlich…echt zwei Sitzplätze?..“.

Die Reaktionen von Männern, die bisher hierzu befragt wurden, war nicht gerade einsichtig. In der New York Times gab ein Mann von sich:“ Ich lege doch nicht meine Beine übereinander wie Frauen. Ich sitze so wie ich es will…“!.

In Kanada gab es, da eine ähnliche Kampagne geplant war, schon eine Gegenkampagne  seitens Männern, die behaupteten, Männer müssten breitbeinig sitzen, um ihre Hoden zu belüften. Die Canadian Association for Equality (CAFE) startete eine online Petition, um eine genderneutrale Kampagne zu fordern. Ihr Argument: auch Frauen haben das Recht Kinderwagen im öffentlichen Nahverkehr mitzunehmen, oder  ihre Kinder zu stillen. Aus diesem Grund haben Männer das Recht, ihre Beine breit zu machen. Die männliche Anatomie erfordere bequemes Sitzen. Merkwürdigerweise fokussiert sich diese Petition eigentlich auf Frauen, die mit Kindern den öffentlichen Nahverkehr nutzen müssen. Prinzipiell scheint sich diese Organisation also an Kindern zu stören.

Ich warte jetzt auf die Gegenkampagne dieser Gegenkampagne von Frauen, mit dem Hinweis, dass Frauen auch breitbeinig sitzen müssen um ihre Vaginas wegen  Periodenblut oder anderem Ausfluss zu belüften.  Das könnte zumindest Männern zukünftig Angst machen, wenn Frau sich auch breitbeinig hinsetzt.

Allen Artikeln oder Kampagnen zu diesem Thema haben in jedem Fall eins gemeinsam: das breitbeinige Sitzen von Männern wird nicht gesehen als das was es ist: männliches Dominanzverhalten um Raum einzunehmen und um eventuell Frauen durch Berührungen, Bein an Bein, zu belästigen. Es handelt sich sozusagen alles um Mansplaining zu Manspreading. Thema ist auch nicht, wie viele Frauen, unabhängig von diesem affenartigem Gehabe, im Gedränge berührt werden (es erregt manche Männer sexuell Frauen ungewollt im Gedränge zu berühren) oder wie viele Frauen schon Masturbation beobachten mussten, nur weil sie gezwungen waren den Bus oder die Bahn zu nutzen. Manspreading ist kein genderneutrales Thema und es kotzt mich an, dass es zu diesem gemacht wird. Im Kommentar der Chicago Tribune heißt es sogar, dass das Problem des „manspreading“ bis vor der Kampagne unbekannt war und erst jetzt alle eines besseren belehrt wurden. Über so viel Ignoranz können Frauen wahrscheinlich nur schreien. Tatsache ist, das es für Männer nie ein Problem war und wer hat sich je dafür interessiert, was für Frauen unerfreulich war und als belästigend empfunden wurde…Einfach nicht so anstellen, wenn ein alter Sack debil grinsend sich freut, wenn er sich an einer jungen Frau reiben kann, Bein an Bein, und die langweilige Fahrt mit sexuellen Fantasien verbringen kann.

Um Dominanzverhalten entgegenzutreten, ist es erforderlich selbst körperlich zu agieren und Raum einzunehmen. Aber im Zusammenhang der sexuellen Komponente ist dies für Frauen natürlich sehr schwierig. Es scheint aber zu funktionieren. Vor vielen Jahren gab es Irritationen über eine Frau in der Nachbarschaft, die gerne ohne Unterwäsche im Rock sich breitbeinig vor Männer setzte und diese angrinste. Merkwürdigerweise bekamen diese alle Angst und flohen. Die Körpersprache dieser Frau orientierte sich an der männlichen Körpersprache, und so war die Wirkung ihres Verhaltens aggressiv, und nicht unterwürfig.

In jedem Fall, egal wie effektiv es in Deutschland wäre, würde ich mich trotzdem über eine ähnliche Kampagne gegen „manspreading“ freuen. Auch wenn es genderneutral gehalten werden würde. Ich bin mir sicher, dass auch so eine Diskussion in aller Deutlichkeit beginnen würde. Allerdings ist mir noch kein deutsches Wort für „manspreading“ eingefallen, aber daran soll es nicht liegen.

 

http://www.nytimes.com/2014/12/21/nyregion/MTA-targets-manspreading-on-new-york-city-subways.html

http://www.chicagotribune.com/news/opinion/editorials/ct-manspreading-edit-0102-20141231-story.html

http://www.thestar.com/news/gta/2014/12/28/manspreading_a_transit_controversy_with_legs.html

Der Fall Edathy: Über Täter-Opfer-Umkehr und die gesellschaftliche Bagatellisierung von sexueller Gewalt gegen Kinder

Children

astrid westvang via Flickr, [CC BY-NC-ND 2.0]

Ein Beitrag von Hanna Dahlberg, Anna Hoheide, Judith März und Ariane Panther

Heute wurde mitgeteilt, dass S. Edathy seine Mitgliedschaft in der SPD nicht verliert, sondern das die Mitgliedschaft drei Jahre ruhen würde. Was wir von Edathy und den gesellschaftlichen Zusammenhängen halten, haben wir unter anderem letzten Dezember deutlich gemacht. Er ist unverändert ein bisschen Mitglied in der SPD. Auch andere Parteien sehen sich nicht in der Lage, eine klare Haltung gegenüber Pädokriminellen oder anderen sexuellen Gewalttätern in ihren Reihen zu vertreten. Kein Wunder, dass sich nichts an der gesellschaftlichen Haltung bezüglich sexueller Gewalt ändern kann.

Am Donnerstag, den 18.12.2014 gab Sebastian Edathy eine Pressekonferenz. Gegen den 45-Jährigen Edathy läuft in Niedersachsen ein Strafverfahren wegen des Besitzes kinderpornografischen Materials. Ein Ausschuss will jetzt klären, wer genau und wann von den Ermittlungen gegen den Innenpolitiker wusste. Geklärt werden soll auch, ob Edathy gewarnt wurde. Eine besondere Rolle spielen der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann und der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann.

Es ist sicherlich wichtig, wer Edathy warnte, denn es sagt etwas über den Stellenwert von Kindern und sexueller Gewalt in unserer Gesellschaft und Komplizenschaft bei deren Bagatellisierung aus. Allerdings wird diese Frage im Moment von Edathy genutzt, um sich auf einer medialen Bühne zu präsentieren und die Medien spielen mit, um die eigentlichen Taten in den Hintergrund zu drängen und somit zu verharmlosen.

Im Focus wird von der „Kinderporno Affäre“ gesprochen. Alleine diese Überschrift beinhaltet eine widerwärtige sprachliche Distanzierung und eine weitere Objektifizierung von Kindern zum Zwecke sexueller Ausbeutung. Es ist keine „Kinderporno-Affäre“, sondern es geht in dieser Sache um wirkliche Kinder, die als Masturbationsvorlage für Männer dienen und dienten. Es sind keine Filme irgendwo, die nichts mit der Realität zu tun haben, sondern Kinder mit realen Gefühlen, die für immer im Netz der sexuellen Ausbeutung von Männern dienen. Wie muss ein Mensch sich fühlen, wenn er oder sie weiß, dass der eigenen Körper immer und immer wieder als Wichsvorlage dient und man niemals etwas daran ändern kann? Adrian P., ein Betroffener dazu:

Die Bilder von mir sind schrecklich. Ich werde sie nicht wieder los.

Edathy selbst spricht von „Bestellungen“, als er über die Kinder spricht, zu denen er masturbiert hat:

Ich glaube schon, dass die Mehrheit der öffentlichen, kritischen Stimmen zu den Bestellungen – wenn ich ganz ehrlich bin – richtig liegt.

Edathy übernimmt, in der Schlussfolgerung, keinerlei Verantwortung für sein Verhalten.
Ein Reporter fragte: „Sind Sie pädophil, Herr Edathy?“ – Edathy antwortet:

Sind Sie homosexuell oder heterosexuell? Vielleicht sind Sie pädophil … wissen Sie, das geht Sie einfach nichts an.

Diese Antwort ist sehr geschickt, denn er bringt „Pädophilie“ auf eine Ebene mit Homosexualität und Heterosexualität. Diese Aussage ist symptomatisch für die Haltung Edathys, die in das Horn von Organisationen Pädokrimineller, wie zum Beispiel die Krumme 13 und weiterer, tutet. Diese versuchen seit Jahrzehnten das sexuelle Interesse an Kindern als normale Sexualität zu verkaufen, die ausgelebt werden sollte. Denn diese ist nach deren Definition normal und die Folgen solcher ihrer Ansicht nach „normalen Sexualität“, gemeint ist die sexuelle Ausbeutung von Kindern, wird von ihnen konsequent verharmlost und negiert. Letztendlich ist es tatsächlich egal, ob Edathys Verhalten der Definition von „Pädophilie“ entspricht oder nicht. Aus welchen genauen Gründen Kinder Gewalt erlitten haben oder nicht, ist unerheblich. Die Konsequenzen sind von jenen zu tragen, die die sexuelle Gewalt ausgeübt haben und von denen, die von ihr (nachträglich) profitieren. Der Tätertypus eines Herrn Edathy ist in der Tat irrelevant.

Diese Rechtfertigung solcher Taten ist gesellschaftlich weit verbreitet, die Gründe dafür werden hier angeschnitten, denn sie haben ganz reale Auswirkungen auf den Fall Edathy und seine mediale Rezeption:

Der Begriff „Pädophilie“ stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus παῖς = „Knabe, Kind“ und φιλία = „Freundschaft“ zusammen. Er möchte uns suggerieren, dass Männer mit sexuellem Interesse an Kindern und solche, die Kinder sexuell ausbeuten, eigentlich auf Basis einer echten, wahrhaftigen freundschaftlichen Zuneigung heraus handeln. Auch in diesem Fall verformt Sprache eine doch sehr grausame Realität. Das Motiv einer freundschaftlichen Zuneigung kann ohnehin angezweifelt werden und zieht man es doch als valide in Erwägung, dürfte es sich selbst spätestens dann erledigt haben, wenn Machtverhältnisse ausgenutzt und Grenzen überschritten werden, in dem sexuelle Gewalt gegen Kinder angewendet wird.

„Pädophilie“ ist als „Krankheit“ in den ICD-10 und DSM eingezogen und vor allem ist sie als „Krankheit“ in die Köpfe der Gesellschaft eingezogen. Das hat viel Mitleid für „betroffene“ Männer zur Folge. Es hat auch dazu geführt, dass Menschen dem Druck unterworfen sind, stets Verständnis – für die Täter versteht sich, nicht für die Opfer – zu haben und den Blick „auf beide Seiten“ zu richten, wenn es zu sexueller Gewalt von Männern an Kindern gekommen ist. „Einsichtige“ Männer, die „therapiebereit“ sind, werden bejubelt und es gehört dazu, dass Menschen, die sich dagegen – gegen das Bejubeln – entscheiden, als herz- und charakterlos, nicht einfühlsam zu bezeichnen. Es ist ohnehin zu diskutieren, inwieweit „Pädophilie“ in ihrer Anerkennung als Krankheit ein Konstrukt darstellt; wenn wir diese Überlegung weglassen, können wir uns aber mindestens fragen, wer eigentlich schon einmal wann ein Opfer von sexueller Gewalt dafür bejubelt hat, wenn sie oder er sich in Therapie begeben hat (sofern es überhaupt einen Therapieplatz gibt, die völlig unzureichende psycho-traumatologische Versorgung von Gewaltopfern ist einen eigenen Artikel wert).

Bereuen Sie eigentlich irgendetwas?

fragt ein Reporter. Edathy antwortet umständlich. Seiner Meinung nach sei die Erwartung falsch, Menschen in öffentlichen Ämtern müssten fehlerfrei sein. Er sieht sich als Opfer des Rechtsstaats.

Die Kinder sind auch Opfer.

sagt der Reporter. Kann sich Edathy sicher sein, dass die Kinder ohne Zwang gehandelt haben? Edathy bezieht sich wieder auf das BKA:

Ich habe einen hohen Preis bezahlt, für das, was ich gemacht habe. Ich werde versuchen, mir eine neue Existenz aufbauen. Vielleicht wird es mir möglich sein, irgendwann ohne Angst in Deutschland leben zu können.

Der Makel, einmal mit Kinder- oder Jugend in Kontakt gekommen zu sein, würde ewig an einem haften – auch, wenn sich derartige Vorwürfe als falsch erweisen würden. Die kanadische Firma, bei der er die entsprechenden Filme bezogen habe, sei über Jahre juristisch ohne Beanstandung geprüft worden. Edathy betont immer wieder, dass die Filme „legal“ seien, nur einmal, in einem Nebensatz, sagt er, dass es

[…] moralisch nicht ok war.

Immer wieder wird auch die Frage gestellt, ob die Nacktfotos legal waren. Die Überschrift im Fokus ist: “Harmlose Nacktfotos oder kriminelle Kinderpornos?“. Edathy selbst sagt:

Ich habe nicht konspirativ gehandelt. Ich war felsenfest der Überzeugung, dass die Bilder nicht strafrechtlich relevant sind.

Edathy sagt auch:

Wir sprechen hier nicht von einem Kapitalverbrechen.

Er sagt auch es sei okay, solche Bilder oder Filme zu konsumieren, bei deren Erstellung „nicht erkennbar Zwang angewendet wurde.“ Im Stern steht. „Es war falsch, die Filme zu bestellen. Aber es war legal“. Wo bleibt die Verantwortung eines zum Tatzeitpunkt Bundestagsabgeordneten für die Gesellschaft, wenn dieser alles als „okay“ und „legal“ ansieht, bei dem er als Konsument nicht erkennen kann, ob Gewalt im Hintergrund steht oder nicht? Darf er die Verantwortung dafür auf andere abwälzen? Oder wäre nicht eine Übernahme von Verantwortung angemessen im Sinne von: „Solange ich Gewaltanwendung nicht 100% ausschließen kann, bin ich moralisch und rechtlich dazu verpflichtet, die Finger davon zu lassen?“. Wenn jeder so handeln würde, gäbe es auch keinen Markt für Prostitution oder Pornographie mit erwachsenen „ProtagonistInnen“, denn es ist schlicht unmöglich, Gewalt auszuschließen. Davon einmal abgesehen: Warum wird sich hier auf eine vermeintliche Absolution berufen, die auf der ebenfalls vermeintlichen Versicherung gründet, dass keine Gewalt angewendet wurde, wenn diese „nicht sichtbar“ ist oder war. Was meint Edathy eigentlich, wenn er von Gewalt spricht? Muss Gewalt „sichtbar“ sein? Ist sie das zwangsläufig? Das ist sie nicht. Es spricht für Edathys Haltung und die der Gesellschaft, dass es offensichtlich einen „unter normalen Umständen“ und „gewaltfreien“ Kontext geben darf, einen moralisch-ethisch wie justiziell vertretbaren, in dem solche Fotos produziert, verbreitet und kommerzialisiert werden. Ergo: In Bezug auf Minderjährige sollte sich die Frage nach Zwang oder nicht Zwang gar nicht erst stellen.

Die vielfältigen Versuche der Sexindustrie-Lobby, auch Kinder zu „selbstbestimmt handelnden Akteuren“ zu machen und die Bestrebung „Kinderprostitution“ und „-pornographie“ (über diese Begrifflichkeiten lässt sich wahrlich streiten) zu legalisieren, weisen jedoch einen anderen Weg.

Eine weitere Frage sollte sein, welchen Unterschied es wirklich macht, ob ein Politiker zu „legalen“ oder illegalen Nacktfotos masturbierte. Weist die ganze Angelegenheit nicht darauf hin, dass die Rechtsprechung erhebliche Lücken aufweist und als Resultat der gesetzliche Rahmen für Nacktfotos von Kindern dringend evaluiert und strikter werden sollte? Aus welchem Grund benötigt Mann (oder Frau) überhaupt Nacktfotos von Kindern? Ist „Kunst“ nicht einfach nur die übliche Entschuldigung für sexuelle Gewalttäter, straffrei zu bleiben? Es ist blanker Hohn, dass Politiker, deren Aufgabe es ist, Gesetze zu verfassen und für den ungenügenden Schutz von Kindern und Frauen verantwortlich sind, ihre Machtausübung über die Gesetzeslage rechtfertigen. So wirft die Behauptung, Menschen würden“sexuelle Neigungen“ nicht von Straftaten unterscheiden die Frage auf, warum dies keine Straftat ist. Mit Schweigen aufgrund der Legalität lässt diese Gesellschaft zahlreiche Opfer im Stich und verrät diese. Das Entsetzen Edathys, dass trotz seiner Immunität eine Hausdurchsuchung stattfand, zeigt deutlich, dass mächtige Männer besonderen Schutz genießen.

Thorsten Denkler stellte während der Pressekonferenz fest, dass es wohl einen Unterschied zwischen Legalität und moralisch richtig gäbe. Dies wehrt Edathy aggressiv ab. Sein Privatleben gehe wohl niemanden etwas an. Dieser Verweis auf die Privatsphäre ist ein billiger Trick, der aber funktioniert, um Tätern Schutz zu bieten. Es ist selbstverständlich, dass jeder seine Privatsphäre hat und diese geschützt sein muss. Doch es ist auch selbstverständlich, dass dies nicht auf Kosten anderer geschieht. Ein kollektives Wegsehen der Gesellschaft bei Pädokriminalität schützt nicht Privatsphäre, sondern unterstützt Täter. Edathy ist sich sicher, dass in dieser Gesellschaft die Sensibilität bei Handlungen mit Kindern sehr hoch ist, aber mit Hysterie einhergeht. Diese Wahrnehmung unterstützt ihn bei seiner Selbstdarstellung als Opfer. Den Makel bekäme er nie wieder los. Auffällig ist die immer wiederkehrende Aggression, sobald die Sprache auf das Filmmaterial kommt. Mehrfach greift er die fragende Person daraufhin verbal an und verbleibt bei Aussagen über die Rechtslage. Dieses Filmmaterial sehe er als Kunst, nicht als Kinderpornografie an. Dass auch hier zumeist ökonomisch schwache Kinder reichen Männern dienen liegt auf der Hand. Doch wenn nur sichtbare Gewalt relevant ist, dann interessieren ökonomische Zwänge, Gewalterfahrungen, Suchterkrankungen und andere Ursachen offensichtlich weder Täter noch Gesetzgeber. Das Ausbeuten dieser Kinder als problematisches Sexualverhalten abzutun, zeigt deutlich die Bagatellisierung der Medien auf. Dass mit den Einnahmen legaler Aufnahmen selbstverständlich auch auch strafrechtlich Relevantes finanziert wird, ist eine naheliegende Gefahr, die nicht debattiert wurde.

„Ist es nicht menschlich, nahestehende Personen zu warnen?“ lautet eine häufig gestelle Frage. Das kommt wohl auf das Gewissen der Person an. Wer Mitgefühl hat, wird dazu kaum in der Lage sein. Bei sexueller Gewalt muss klar sein, dass es keinen Täterschutz geben darf. Wie die vielen Mitwisser, die weiterhin im Amt sind damit leben können, dass ihnen das Schicksal der Kinder egal war und sie einen Täter weitermachen lassen wollten, ist schwer nachvollziehbar.“Was glauben Sie, welche Prozesse ablaufen, bei der Erstellung von Posing-Fotos von Knaben, an denen sie sich ergötzt haben. Haben Sie ein Gefühl dafür, in welchem Produktionsprozess dieses geschieht und wann haben Sie begonnen sich darüber Gedanken zu machen?“ fragt Dieter Wonka. Auch hierzu fällt Edathy nur ein, dass es strafrechtlich nicht relevantes Material war und geht sofort zum Angriff über, da Wonka ihn irrtümlich für einen Juristen hielt und nicht ordentlich recherchiert habe. Ähnlich widerfährt es einer Journalistin, die ihn auf Berichte schwer traumatisierter Kinder diverser Filme hinweist. Wie er dazu stehe? Aufbrausend erwidert er, dass sie wohl die letzten beiden Stunden nicht aufgepasst habe und der Fernsehsender Phoenix ihr eventuell eine Aufzeichnung zur Verfügung stelle. Egal wie oft sich diese Journalistin diese Aufzeichnung ansehen wird, ein mitfühlendes Wort für die Kinder wird sie vergeblich suchen. Auf die Frage nach einer Botschaft für die Kinder hat er dementsprechend auch keine Antwort.

„Pädophile“ sind sehr kreativ in der Nutzung von Masturbationsvorlagen. Wenig reicht aus, im Zweifelsfall, um ihre Fantasien lebendig werden zu lassen. Ein Genre ist zum Beispiel das Modelling von Kindern für Strumpfhosen in verschiedenen Posen. Müssen Kinder für Männer mit sexuellem Interesse an ihnen auf dem Präsentiertteller serviert werden? Möchte das eine Gesellschaft für ihre Kinder und möchten wir so eine Gesellschaft? Ist es wichtig und notwendig für Kinder, unbedingt Nacktfotos von sich selbst im Internet zu haben?

In der aktuellen Ausgabe des „Stern“ vom 17.12.2014 heißt es: “ Die Affäre Edathy.“. Auch hier geht es nicht um Kinder, sondern um eine Parteiaffäre. Nichts ist Zufall und der Slogan des Titelblatts dieses Sterns lautet: “Die Kraft der Vergebung“. Gemeint sind mit diesem andere Menschen in einem anderen Artikel, aber natürlich soll hier eine Assoziation zu Edathy hergestellt werden. Tatsächlich ist es ein Irrglaube, dass Vergebung hilft. Diese Idee hat eher etwas mit dem christlichen Glauben zu tun, der die Idee forciert hat, dass gute Menschen vergeben können und böse und schwache Menschen nicht. Tatsächlich ist es für ganz viele Opfer von Gewalt sehr wichtig, dass ein Täter auch bestraft wird und auch angemessen. Für viele Opfer und Angehörige wurde das Leben zu einer Hölle auf Erden und alleine der Gedanke, das ein Täter lachend weitere Straftaten verüben könnte, ist schwer auszuhalten. Vergebung ist ein Konzept und hilft niemandem außer den Prädatoren und ihrer Verantwortungslosigkeit. Die Idee der Vergebung setzt Opfer sogar noch weiter unter Druck, denn sie können sich ihren Gefühlen gar nicht nicht ganz stellen, denn bei religiösen Menschen werden Gefühle wie Hass und Rache als „böse“ gesehen. Opfer können und dürfen aber fühlen, was sie wollen. Fertig.

Die Reaktionen der Medien und vieler Menschen sind erklärbar, aber wenig hilfreich:

Die meisten Menschen sehen die Welt durch eine rosaroten Brille, um sich wohl zu fühlen. Die Wahrheit über das wirkliche Ausmaß grauenhafter Straftaten und Gewalt würden sie ansonsten nicht aushalten können. Zumindest nicht ohne die Bedrängnis, handeln zu müssen. Einige sagen auch: „Es gibt etwas Gutes in jedem Menschen“. Diese Aussage ist obsolet und unerheblich, gar lächerlich, denn es ist bei manchen Straftaten völlig egal, ob es etwas angeblich „Gutes“ in einem Menschen gibt. Wen interessiert hier, ob ein Mann, der zum Beispiel Kinder vergewaltigt hat, sich wohlwohlend um seine kranke Ehefrau oder Kinder kümmert oder Blumen oder Tiere mag? Im englisch-sprachigen Raum werden Sexualstraftäter, unabhängig vom Tätertyp, als Raubtiere, als Prädatoren bezeichnet. Solche suchen sich zielgerichtet ihr Opfer aus und planen genau, wie sie ihre Taten erfolgreich ausführen können. Der deutsche Sprachraum hingegen gibt viel her, das die Täter, ihre Taten, ihre Motivation scheinbar legitimiert. Es wird von „Trieben“ gesprochen, das drückt fehlende Kontrolle aus und ebnet in der Konsequenz den Weg für Täter, die Verantwortung abzugeben und der Gesellschaft zu suggerieren, dass diesen Tätern nichts vorgeworfen werden kann und darf. Ein weitere sehr übliche Bezeichnung ist die der „Neigungen“: eine weitere völlige Verharmlosung der schrecklichen Gewalt an Kindern. Einige Menschen sagen auch „krankhaft“, das kommt wohl daher, dass bestimmte Verhaltensweisen uns krankmachen, da sie so widerwärtig und grausam sind, was ja an sich stimmt. Allerdings kann das nicht bedeuten, dass diese Täter „krank“ sind, denn dies würde heißen, sie könnten nichts für ihre Handlungen und ihr Verhalten wäre frei von Schuld.

Viele Menschen machen den Fehler zu glauben, dass sie Lügen erkennen können. Allerdings sind Menschen sehr schlecht im Erkennen von Lügen, wie Studien, seit Jahrzehnten bestätigen. (Predators, Dr. Anna Salter, Ph.d, Basic Books, 2003). Auch Polizeibeamte sind nicht besser als andere Menschen oder PsychiaterInnen. Alle Berufsgruppen erbrachten die gleichen Ergebnisse wie der Zufall (Predators, Dr. Anna Salter, Ph.d, Basic Books, 2003; 162). Auch im Falle des Herrn Edathy glauben vielleicht einige, aufgrund ihrer angeblich großen Menschenkenntnis davon ausgehen zu können, dass Edathy nicht wirklich etwas Schlimmes gemacht hat, nicht gemacht haben kann.

Es gibt viele Theorien darüber, wieso Menschen, fast immer Männer, sich zu Kindern hingezogen fühlen. Aber tatsächlich gibt es kein bestätigtes Wissen. Die Verhaltensweisen und Vorgehensweisen sind aber bekannt. Es geht immer eine lange Zeit des Planens und der Fantasie voraus. Die Obsession bezüglich Kindern wird aufrecht erhalten durch das ständige Masturbieren zu Fantasien von Kindern oder tatsächlichen Bildern von Kindern.

Wir haben vielleicht immer noch nicht die Antwort darauf, wie wir Männer wie Edathy stoppen können oder wie wir ihr Verhalten tatsächlich erklären können. Wir und die für Medien Verantwortlichen sollten aber tatsächlich aufhören, ihr Verhalten zu entschuldigen. Es ist nicht unsere Aufgabe, Täterverhalten zu erklären und zu rechtfertigen. Das ist lediglich ein Ablenkungsmanöver und hilft den Opfern nicht. Wir sollten uns für die Opfer interessieren und ihnen Raum geben. Die Täter sind selbst dafür verantwortlich, ihr Verhalten zu beenden und sie sollten auch in jedweder Hinsicht die Konsequenzen dafür tragen (müssen). Opfer müssen ihr Leben lang die Konsequenzen sexueller Gewalt tragen. Edathy wurde weitläufiger Raum in den Medien zugesprochen. In diesem wurden die Opfer zur „Kinderporno-Affäre“.

Your streets? Our streets!

Heute traf ich zufällig eine Freundin, nennen wir sie hier Lena, in der Stadt. Wir hielten ein bisschen Smalltalk, alberten herum, lachten viel, bis sie plötzlich ganz ernst wurde und sagte: „Ach Hanna, jetzt muss ich da gleich wieder an dieser Trinkhalle vorbei. Ich wünschte, ich wäre schon zuhause.“ Sie meinte eine Trinkhalle, die nur 5 Hausnummern von ihrer eigenen Wohnung entfernt ist. Natürlich fragte ich nach, warum sie dort nicht gerne vorbei geht und was sie mir dann erzählte, machte mich unglaublich wütend:

Weiterlesen