Unser Gentleman der Woche: Die Firma „Rockstar Games“ für die Gewährung des „Rape Mods“

der gentleman der WocheDie Videospiel-Serie «Grand Theft Auto (5)» der Firma «Rockstar Games» war noch nie bekannt dafür, ein Mindestmaß an moralischen Überlegungen in das Spielkonzept einfließen zu lassen. Insbesondere der Spiele-Charakter „Trevor“ sorgt für quasi freie Bahn und alles an Widerlichkeiten wie z. B. Mord und Folter ist erlaubt.

Das sollte eigentlich langen – könnte man meinen – aber damit nicht genug. Durch eine sog. Modifikation des Spiels, auch genannt Mod, ist es den Spieler_Innen nun möglich, andere Protagonist_Innen zu vergewaltigen. Diese „Möglichkeit“ wurde und wird von einigen Spieler_Innen gern benutzt und Videoaufnahmen dieser Szenen inklusive ausgiebiger Lachsalven im Hintergrund kursier(t)en im Netz1.

Die Firma «Rockstar Games» weigert sich (nach wie vor), zu der Thematik Stellung zu nehmen und wenn man sich die Kommentare unter den einschlägigen Artikeln so durchliest, genießt sie ja auch nach wie vor die Unterstützung und das Verständnis ihrer Fans bzw. des Spiels. Denn schließlich könne ja eine Spiele-Firma nichts dafür, wenn Modifikationen in Umlauf gebracht werden und schließlich sei das Ganze ja auch nur ein Spiel, das habe mit der „Realität“ ja nichts zu tun und lustig ist das eigentlich auch.

Nun, wenn eine Firma in der Lage ist, Mitarbeiter_Innen zu beschäftigen, die ein derartiges Spiel entwickeln können, dann dürfte es selbigen nicht all zu große Schwierigkeiten bereiten, wegen eines Mods zu intervenieren.

Wir sind der Ansicht, dass durch die Möglichkeit virtuell zu vergewaltigen (plus davon Aufzeichnungen zu machen und sich darüber lustig zu machen) Rape Culture unterfüttert und perpetuiert wird.

Wir sind übrigens auch der Ansicht, dass das kein bisschen lustig ist. Dass es da draußen viele Menschen gibt, die das anders sehen, nun ja, sollte uns das – zynisch betrachtet – in Anbetracht der Einordnung sexueller Gewalt in Gesellschaft und Recht noch wundern?

Die Firma «Rockstar Games» (plus ihre Unterstützer_Innen) ist für uns ein absolut geeigneter Kandidat für die Rubrik «Der Gentleman der Woche»!

Zum Weiterlesen:


1 Inzwischen wurden nahezu alle Videos dieser Art von den Nutzern resp. Youtube entfernt.

María Nieves Rebolledo Vila: Bebe

Bebe

Carlos Delgado [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

María Nieves Rebolledo Vila firmiert unter dem Künstlerinnen-Name Bebe und veröffentlicht seit etwa 10 Jahren Musik, die sich unterschiedlicher Genres bedient wie z. B. Latin-Pop, Pop und Rock.

Ihr bekanntester und eindringlichster Song ist mit Sicherheit „Malo“ aus ihrem Album „Pafuera Telarañas“, der auch im Vorspann des Filmes „Trade – Willkommen in Amerika“ zu hören ist. Er erzählt die Geschichte einer Frau, die Partnerschaftsgewalt erlebt, von dem damit verbundenen Schmerz und der Zerrissenheit, aber auch einer unbändigen Wut und dem Aufbegehren gegen die Gewalt. Wer etwas von ähnlicher Wucht mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein sucht, findet in dem Stück „La Bicha“ ein passendes Pendant auf dem Album „Y.“. Aber: Es sind diese Stücke wie „Busco-Me„, die in ihrer Tiefgründigkeit und zarten Poesie so sehr das Herz berühren, dass man nicht umhin kann, immer mehr hören und lesen zu wollen von dieser wunderbaren Bebe, die übrigens auch Live ein absoluter Hochgenuss ist.

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Sprache und Ausbeutung – lasst es uns alles beim Namen nennen oder „watch your language“!

Santa Pimp

By istolethetv from Hong Kong, China [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons

Im Patriarchat wird vieles, zum Vorteil von Männern, schön geredet. Durch die Sprache soll eine emotionale Distanzierung stattfinden, insbesondere im Bereich sexueller Gewalt und Ausbeutung.

Sexuelle Gewalt wird hierdurch zu etwas nicht wirklich Schlimmen, wie durch den Begriff „sexueller Missbrauch“ zum Beispiel sehr anschaulich deutlich wird, oder sexuelle Gewalttäter werden verharmlost und verniedlicht. Das Wort „Missbrauch“ suggeriert, dass es auch einen richtigen „Gebrauch“ fremder Körper gibt. Ein wichtiger Artikel zum Wort „Missbrauch“ findet sich hier.

Auch die Begriffe „Menschenhandel“ und „Zwangsprostitution“ sollen ebenso etwas verschleiern, und uns daran hindern, tatsächlich über Prostitution nachzudenken und die Ausbeutungshierarchie klar zu benennen. Das hört sich etwas merkwürdig an, aber das Ganze erfolgt dadurch, dass beide Begriffe absichtlich zu einer Distanzierung führen. Beides stellt sprachlich so Unglaubliches dar, dass wir uns in unseren Köpfen bei diesen Begriffen fremde Frauen und fremde Männer vorstellen, weit weg von uns, die mit offensichtlicher Gewalt diese fremden Frauen zur sexuellen Verfügbarkeit für Geld zwingen. Wir distanzieren uns, damit wir nicht sehen, wie nah uns das alles wirklich ist. In keinem Fall sind es die eigenen Ehemänner oder Partner, die junge, arme, und verzweifelte Frauen für ATM (ass-to-mouth) oder zum „Entsaften“ , als Spermaeimer, benutzen.

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Emma Goldman: Der Handel mit Frauen

Emma Goldman

By T. Kajiwara (Library of Congress[1]) [Public domain], via Wikimedia Commons

Die großartige Anarchistin, Friedensaktivistin und Sozialrevolutionärin Emma Goldman hat sich 1917 in einem tiefgründigen und brillanten Essay mit der Prostitution auseinandergesetzt (The Traffic in Women. In: Anarchism and Other Essays – on white slave traffic and prostitution in America). Emma Goldman war eine mutige Kämpferin gegen Hierarchien und Diskriminierungen aufgrund von Herkunft, sozialer Klasse oder Geschlecht – eben jener drei Diskriminierungsmechanismen, die auch in der heutigen Prostitution wirkmächtig zusammenspielen und Frauen in die Prostitution drängen.

Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate von Emma Goldman werden gelegentlich von Vertreter*innen des Sexarbeitsansatzes verwendet, um zu suggerieren, dass dieser Ansatz durch Emma Goldman gedeckt sei. Wer ihn aber versucht mit Goldman zu legitimieren, könnte nicht mehr daneben liegen. Emma Goldman war viel zu klug, um sich eine schöne, kuschlige Sexarbeitswelt zu spinnen und die ganze Gewalt in der Prostitution auszublenden, wie Vertreter*innen des Sexarbeitsansatzes es tun.

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Sexting: Alles nur Spaß??

Sexting

© Pro Juventute Aufklärungskampagne ‚Sexting’, via Flickr, CC BY 2.0

Dieser Tage wollen sie es aber wissen: Erst die Taz mit einem Sexting verherrlichenden Beitrag, dann auch die Medien-Informationskampagne medienbewusst.de – kinder. medien. kompetenz. Beides hat mich so aufgeregt, dass ich dazu mal was grundsätzliches loswerden muss.

Von „Sexting“ spricht man wenn via soziale Netzwerke, E-Mail oder das Smartphone Nackt- oder Sexfotos ausgetauscht werden (Sex + Texting = Sexting). Betroffen sind insbesondere Jugendliche, es gibt wohl kaum eine Schule in der das Thema noch nicht aufgeschlagen ist, aber auch Erwachsene.

Die TAZ mockierte sich nun am 23. Juli über die „verklemmte amerikanische Gesellschaft“ und schrieb:

Früher waren es Doktorspiele, provokantes Pimmelzeigen, erste Berührungen im Kino. Heute sind es intime Bilder und Videos, die via Smartphone verschickt werden. Es sind schlicht neue Möglichkeiten, sich erotisch auszutauschen. Solange alles einvernehmlich läuft, ein Mindestmaß an Vertrauen vorhanden ist, ist Sexting nicht zu verteufeln. Im Gegenteil. Lasst den Kindern ihren Spaß. Lasst sie sich in ihren stürmischen ersten Beziehungen gegenseitig mit Pornobildchen versorgen. Es ist völlig harmlos.
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Frage der Woche: Gender-Wahnsinn oder unbedingt notwendiges sprachliches Instrument?

Hiermit führen wir eine neue Rubrik ein. Jede Woche stellen wir euch, unseren Leser_innen, eine möglichst kontroverse Frage und laden euch zur Diskussion darüber ein.

Teilweise möchten wir damit innerfeministische Diskussionen aufgreifen, teilweise ein wenig provozieren, manchmal auch einfach nur zum Nachdenken anregen. Wir denken: Gerade durch polarisierende Fragen schärfen wir unser Bewusstsein und unsere Standpunkte.

Wir starten mit folgendem Thema:

Wie wichtig ist euch gendern und eine geschlechtergerechte Sprache? Seid ihr der Meinung es ist unbedingt notwendig um Frauen (und Trans*) sprachlich sichtbar zu machen, denn Sprache ist schließlich Macht? Oder findet ihr, dass es irgenwann auch mal gut ist mit Binnen-I, Gendersternchen oder Unterstrich und dass das alles von den wirklichen Problemen, die Frauen so im Alltag bewältigen müssen, ablenkt und der Aufmerksamkeitsfokus von diesen Themen weg verlagert wird. Oder findet ihr euch irgendwo dazwischen wieder?

Natürlich wünschen wir uns gerade bei kontroversen Themen eine respektvolle Diskussionskultur, aber das haben wir hier bei uns auf der Seite auch noch nicht anders erlebt. Wir freuen uns auf eure Beiträge und wünschen angeregtes Diskutieren. Kommentiert

 

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) – ein muslimisches Frauenunterdrückungsinstrument?

Anti Infibulation Logo, FGM

By Rugby471 (SVG); User:Shir Khan~commonswiki (PNG) (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Vor rund einem Monat machte die Nachricht die Runde, dass man in Schweden eine ganze genitalverstümmelte Mädchenschulklasse entdeckt habe. Tausendfach wurden entsprechende Links geteilt, häufig mit dem Verweis auf die rückständigen, frauenfeindlichen Muslime, die mit großer Freude die Messer wetzen (lassen) und ihre kleinen Mädchen der Klitorisverstümmelung zuführen. Wir haben hier über die wahren Hintergründe dieser Meldung berichtet.

FGM im Irak

Knapp einen Monat später dann die Nachricht, dass die etwa 10.000-Mann starke Al-Qaida-nahe salafistische ISIS, die insbesondere in Syrien und dem Irak aktiv ist, eine Fatwa herausgegeben habe, nach der alle 11-46-Jährigen im Irak einer FGM zu unterziehen seien. Die ISIS ist sicherlich nicht die Vorfeldorganisation des internationalen radikalen Feminismus, aber wer sich auch nur ein bisschen mit der Verbreitung von FGM befasst hat, der weiß, dass es sich dabei insbesondere um ein in 28 afrikanischen Staaten vorkommendes Phänomen handelt und weniger in anderen Regionen der Welt und dem Nahen Osten angewandt wird. Im Irak ist FGM bisher nur in Zusammenhang mit einigen kurdischen Stämmen im Nordirak bekannt geworden, von denen ein kleiner Teil jüdisch und zwei weitere, größere Teile christlich, bzw. muslimisch sind (genauer gesagt im 7. Jahrhundert islamisiert wurde) Im Irak verhält es sich übrigens grundsätzlich nicht anders als im Rest der Welt: „Den Islam“ und „die Muslime“ gibt es in dieser Form nicht: Es gibt Schiiten, Sunniten, Sufis, Ahl-e Hagg, Schabak, Hagga usw. usw. usw.

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Gedanken über sexuelle Belästigung, ihre Gründe und Auswirkungen – Bericht aus Dresden

No quiero tu piropo, quiero tu respeto

by Marta García Terán via Flickr, [CC BY-NC-SA 2.0]

Ein warmer Sommertag, den ich mit Feunden im Park verbrachte. Wir hätten den Sonntag bis zum Schluss genießen können, wäre da nicht ein Zwischenfall gewesen. Eine meiner Freundinnen bemerkte, während wir herumalberten, wie auf der anderen Seite der kleinen Grünfläche ein Mann immer wieder um eine junge Frau herumkreiste, die allein auf dem Gras lag und las. Schließlich stellte er sich in etwa fünf Metern Entfernung genau hinter sie auf, um sie von dort aus ausführlich zu beobachten. Als er sich dann zu ihr begab, sahen wir, dass ihr dies unangenehm war. Glücklicherweise hatte ich nur Tage zuvor den simplen, aber ungemein hilfreichen Tipp gehört, in Fällen von Belästigung einfach einmal hinzugehen und bei der Frau oder dem Mädchen vorsichtig anzufragen, ob alles in Ordnung ist. Der jeweilige Typ merkt so, dass sein Verhalten eben nicht ok ist, während sie sich nicht allein und der Situation ausgeliefert fühlt.

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Wenn man anfängt, bisherige externe männlicher Gewalt zu zählen….

Dicentra Spectabilis

By Wuzur (Own work) [GFDL or CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

In seinem Buch „The Macho Paradox“ stellt Jackson Katz eine Einführungsfrage vor, die er bei Veranstaltungen in gemischten Gruppen stellt. Er fragt zuerst Männer, was sie tun, im alltäglichen Leben, um sich vor sexueller Gewalt zu schützen. Danach stellt er diese Frage den Frauen. Wie wir uns vorstellen können, benennen Frauen unzählige mehr Sicherheitsmaßnahmen und Vorkehrungen als Männer, falls diese überhaupt etwas benennen.

Dieser Kontrast soll Männer zum Nachdenken anregen. Allerdings regte es auch mich zum Nachdenken an. Ich überlegte vor allem, inwiefern ich von Gewalt durch Männer, externe Gewalt, im Laufe meines Lebens schon betroffen war. Und ich merkte schon nach sehr kurzer Zeit, dass ich eine Liste machen musste, und das mir immer mehr und mehr einfiel.  Es waren keine hervorstechenden Einzelfälle, nein, sondern genügend für eine Liste. Es fehlen verbale Übergriffe und verbale Belästigungen; zu viele.

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Wie #Aufschrei alles verändert hat

Violence against women, we can stop it!

"Violence against women, we can stop it!" by European Parlament via Flickr, [CC BY-NC-ND 2.0]

Bis vor nicht allzu langer Zeit hätte und habe ich auf die Frage ob ich jemals Beziehungsgewalt erlebt habe voller Überzeugung und ohne zu zögern „Nein“ geantwortet. Durch zahlreiche Fälle sexueller und häuslicher Gewalt in meinem Umfeld (meist im Kindesalter, aber nicht nur) begann ich mich näher damit zu beschäftigen. Aber erst durch das sich in Windeseile verselbstständigte Hashtag #Aufschrei auf Twitter wurden mir die Augen bezüglich meiner eigenen Betroffenheit geöffnet. Plötzlich wurden mir einige Dinge bewusst, wurden fast vergessen wieder erinnerlich, bzw. erschienen mir in einem anderen Licht.

  • Emotionale Gewalt I: Als ich 16 war führte ich eine (sehr) kurze Fernbeziehung. In zwei Monaten habe ich ihn wegen der großen Entfernung genau einmal sehen können. Ansonsten sprachen wir nur am Telefon. Außer Küssen lief aus Mangel an Gelegenheit nie etwas zwischen uns. Das alles war mir, beschäftigt mit Schule und zahlreichen zeitintensiven Hobbies, viel zu anstrengend, so dass ich die „Beziehung“, von der man nicht wirklich sprechen kann, beendete. Zwei Tage später erhielt ich einen Brief: „Wenn du das liest bin ich tot. Ich habe mir Schlaftabletten besorgt und werde die jetzt nehmen“ Auf der Stelle rief ich an und hatte seine Schwester am Apparat: „C. ist nicht zu Hause, er hat versucht sich umzubringen und liegt auf der Intensivstation“ C. hat den Selbstmordversuch überlebt. Ich brach den Kontakt vollkommen ab, weil ich damit überhaupt nicht umgehen konnte und überhaupt nicht verstehen konnte warum er das getan hat. Ich verdrängte und versuchte so schnell wie möglich zu vergessen
  • Sexuelle Gewalt und Betrug: Ein Jahr später hatte ich das lang ersehnte erste Mal. Viel später als alle meine Freundinnen. Ich hatte einen neuen Freund und wollte es so unbedingt. Leider blutete es wie verrückt und tat entsetzlich weh. Das Laken sah hinterher aus als wäre darauf jemand geschlachtet worden. Ich sagte ihm dass er aufhören soll und dass es weh tut. Seine Antwort war: „Ist gut. Ich bin gleich fertig.“ Ich musste die schrecklichen Schmerzen noch etwa 10 Minuten länger ertragen bis er endlich gekommen war. Hinterher stellte ich fest, dass er das Kondom, das er eh nur sehr widerwillig und auf meinen eindringlichen Wunsch übergezogen hatte, heimlich abgestreift hatte und es unbenutzt daneben lag. Darüber, dass dies alles so gar nicht okay war machte ich mir zum damaligen Zeitpunkt keine Gedanken. Das erste Mal tut halt weh, da muss man halt durch. So dachte ich. Außerdem fühlte ich mich geehrt, dass dieser 24-Jährige coole Typ, auf den alle standen, sich ausgerechnet für mich interessierte. Also war auch das schnell abgehakt. Nicht so schnell kam ich darüber hinweg, dass dieser Typ es schaffte mich innerhalb des einen Monats in dem wir zusammen waren insgesamt mit drei anderen Frauen zu betrügen, darunter meine seinerzeit beste Freundin. Darüber hinaus erfuhr ich von seinem besten Freund, dass er einmal tatsächlich direkt von mir ins Bordell gefahren ist. Er hatte mich auch darüber bewusst getäuscht, dass er Fan von damals angesagten Nazibands war, die ich wie er wusste abgrundtief hasste. Sein CD-Regal hat er vor meinen Besuchen extra gründlich „bereinigt“. Auch das erfuhr ich alles erst viel später. Ich brach auch hier den Kontakt ab und beschloss diesen Vollidioten einfach so schnell wie möglich zu vergessen. Nun ja, nachdem ich zunächst voller Angst einen AIDS-Test hinter mich gebracht hatte
  • Emotionale Gewalt II: Ein weiteres Jahr später begann ich eine Beziehung, die insgesamt knapp sieben Jahre anhielt. 4 davon mehr oder weniger glücklich, 3 Jahre lang alles andere als das, mit täglichen Streitereien und der Drohung, dass er sich umbringen wird wenn ich ihn verlasse. Damals war mir nicht bewusst, dass das zuvor geschilderte Erlebnis mit dem durchgeführten Selbstmordversuch der Grund war warum ich diesen notwendigen Schritt nicht gehen konnte. Hinzu kam die Angst davor mich ganz alleine durchschlagen zu müssen, inbesondere finanziell (ziemlich bescheuerte Angst wenn man bedenkt, dass ich ihn mit meinem geringen Gehalt noch mit durchgebracht habe weil er sein damals höheres bereits am 5.ten eines Monats erfolgreich für seine Wünsche durchgebracht hatte). Das Ende vom Lied: Er, der sich so sicher war sich niemals in eine andere Frau verlieben zu können hatte nach zwei Monaten eine neue Freundin, ich hingegen bin bis heute, rund 6 Jahre später, noch immer (aufgrund bewusster Entscheidung) mehr oder weniger ledig.

Was ist nun also bei #Aufschrei passiert? Es ist als wären mir die Augen geöffnet worden. Ich habe zum allerersten Mal in meinem Leben die geschilderten Ereignisse reflektiert und verstanden, dass sie mein Leben viel mehr beeinflussen als ich jemals gedacht habe. Mir ist erstmals bewusst geworden, dass mir Gewalt angetan wurde, auch wenn ich bis heute noch oft den Reflex in mir habe auf eine, wie eingangs formulierte Frage spontan mit „Nein“ zu antworten.

Ich habe zum ersten Mal das Gefühl des Ekels und des mich Übergeben Müssens beim flüchtigen Geruch eines bestimmten Parfums in der Stadt einordnen können (glücklicherweise benutzen das offensichtlich nicht viele Männer, dabei fand ich damals vor dem Ereignis den Geruch eigentlich eher sehr angenehm) – nämlich das meines Vergewaltigers wie ich es heute benenne. Die Ironie der Geschichte ist, dass jene Person mir ausgerechnet zu der Zeit als mir bewusst wurde, dass es sich um nichts anderes als eine Vergewaltigung gehandelt hat, eine Freundschaftsanfrage auf Facebook geschickt hat. Ich habe kurzzeitig überlegt ihm zu schreiben was für ein Arschloch er doch ist, habe aber dann davon abgesehen und ihn blockiert.

Durch #Aufschrei habe ich mich erstmalig auch mit emotionaler Gewalt auseinandergesetzt und verstanden, dass meine heutige Weigerung mich an eine Person fest zu binden, zusammen zu ziehen, eine gemeinsame Zukunft zu planen und dergleichen, mit dieser katastrophalen Beziehung zusammenhängt. Ich brauche eine Pufferzone, einen Sicherheitsabstand zwischen mir und meinen Partnern, was natürlich in den seltensten Fällen auf Verständnis stößt.

Ich kann heute darüber sprechen, ich kann darüber schreiben. Und ich bin froh, dass ich mein eigenes Verhalten besser verstehen und einordnen kann. #Aufschrei ist so viel mehr wie die Debatte über ein zweifelsohne widerliches Fehlverhalten von Rainer Brüdele. Viele haben dies leider nicht verstanden.

Ich frage mich sehr oft: Wie vielen Frauen geht es wie mir, dass ihnen gar nicht bewusst ist, dass sie Betroffene von Gewalt sind? Welchen Auslöser werden sie brauchen, damit ihnen die Augen geöffnet werden? #Aufschrei hat ohne Zweifel mein Leben geändert.