Kategorie: Feminismus

Selbstbedienungsladen Netzaktivismus

"Feminism is for Lovers"

the justified sinner via Flickr, [CC BY-NC-SA 2.0]

Über Konsum-, Erwartungs- und Anspruchshaltungen im aktivistischen Netz oder: Bloggt doch selber!

Es ist Zeit für diesen Post, der mir schon seit Tagen, Monaten, Jahren, die ich im feministischen Netz unterwegs bin, durch den Kopf geistert ist, es aber nicht in eine Textform geschafft hat. Denn er ist mit ziemlich viel Wut verbunden. Und Wut ist nicht immer ein Faktor, der dem Schreiben förderlich ist. Heute schon. Denn mir reicht’s.

Ich schreibe auf diesem Blog hier – in meiner „Frei“zeit, unentgeltlich.
Ich bin Mitfrau in verschiedenen politischen Bündnissen – in meiner „Frei“zeit, unentgeltlich.
Ich organisiere politische Veranstaltungen (mit) – in meiner „Frei“zeit, unentgeltlich.
Ich übersetze Artikel – in meiner „Frei“zeit, unentgeltlich.
Ich bin Aktivistin – in meiner „Frei“zeit, unentgeltlich.

Ich möchte und muss dafür nicht bejubelt werden.
Ich mache das aus meiner politischen Überzeugung heraus.
Ich mache das, weil ich den gesellschaftlichen Status Quo unerträglich finde.

Und genau das machen auch meine Freundinnen, meine Mitaktivistinnen, meine Mitbloggerinnen: Eben alle diese tollen engagierten Frauen! Sie machen das, obwohl deren Leben und Zeitplan bereits vollgestopft ist mit Familie, Kindern, Krankheit/en, Behinderung/en, finanziellen Sorgen, Lohnarbeit, (Mehrfach-)Diskriminierungen, Behördenrennerei und sämtlichem anderen Kram, der einer so tagtäglich um die Ohren fliegt. Ja und trotzdem liefern alle diese tollen engagierten Frauen, meine Freundinnen, meine Schwestern, das hier:

„Gratis“-Inhalte, zum Beispiel in Form von Blogartikeln. Sie kosten Zeit, Geld, Nerven.

Diese Blogartikel werden gemocht oder auch nicht, kritisiert oder auch nicht, (kontrovers) diskutiert oder auch nicht. Das ist nicht nur völlig in Ordnung, so sollte es sein! Es geht in diesem Artikel also ausdrücklich nicht um solche Formen, Debatten zu führen und Inhalte zu diskutieren. Weiterlesen

Hysterektomie und Sterilisation – männliche Macht in der Gynäkologie

High-end operating room

By Keeve (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Die Unerfreulichkeit und auch Gewalt einer Geburt durch Dammschnitt oder Kaiserschnitt setzt sich ebenso bei anderen gynäkologischen Eingriffen und Interventionen fort. Das Patriarchat und somit männliche Medizin zeigt überall seine hässliche Fratze.

In Deutschland werden pro Jahr um die 150.000 Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien) durchgeführt. Dies ist unverändert die häufigste Operation in der Gynäkologie. In den USA hat sogar mehr als ein Drittel aller Frauen über 60 bereits diesen Eingriff hinter sich. Es ist bekannt, dass Hysterektomien unnötig sind und nur ca. 6 Prozent erforderlich sind. Alternative Behandlungsmethoden zum Beispiel bei Myomen sind aber langwieriger. Wieso aber, wenn bekannt ist, dass Hysterektomien viel zu häufig durchgeführt werden, verändern sich die Zahlen der Eingriffe nicht? Natürlich hat es etwas mit männlich dominierter Medizin zu tun. Frauen, denen angeraten wird, eine Hysterektomie durchführen zu lassen, sind in der Regel älter und somit uninteressant in Bezug auf ihre Sexualität. Die Gebärmutter erfüllt in der Medizin des Patriarchats und der kapitalistischen Verwertbarkeit keine Funktion mehr, also einfach rausschneiden, anstatt mühselig an einer Behandlung herumzulaborieren.

Früher meine ich übrigens gelesen zu haben, dass Frauen nach Hysterektomien zugenäht wurden, da sie sowieso älter seien und keinen Sex mehr hätten oder haben sollten. Leider finde ich hierzu jetzt keine Quelle mehr, aber es erscheint mir glaubwürdig. Wir alle kennen wahrscheinlich den Witz, in dem der Arzt nach einem Dammschnitt die Frage stellt, ob er es nicht für den Ehemann etwas enger nähen sollte. Zugenäht wird heute nach einer Hysterektomie zwar nicht mehr, aber allein, dass dieser Eingriff so häufig noch stattfindet, zeigt die Verachtung der Weiblichkeit.

Frauenverachtung in der Gynäkologie ist insgesamt kein Wunder, wenn wir bedenken, dass Forschungen und chirurgische Experimente an versklavten Frauen durchgeführt wurden und somit die moderne Gynäkologie entstand. Dr. Marion Sims führte in der Mitte des 19. Jahrhunderts chirurgische Operationen an Sklavinnen durch, ohne Anästhesie. Er versuchte vesico-vaginale Fistula zu behandeln, der Verlust von Urin und Stuhlgang als Folge schwerer Geburten. Erst nachdem er seine Experimente erfolgreich abgeschlossen hatte, setzte er seine Techniken bei weißen Frauen ein.

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Solidarität mit Meghan Murphy!

Meghan Murphy

Wir dokumentieren einen Brief an rabble.ca., dieser ist im Original erschienen bei Last Wave Feminist: Open Letter to rabble re: Meghan Murphy

Wir, die Unterzeichnenden, möchten hiermit unsere tiefe Missbilligung gegenüber rabbles Antwort zu den jüngsten Angriffen auf Meghan Murphy ausdrücken.

In den letzten Wochen wurde Meghan Murphy zur Zielscheibe eines üblen und koordinierten Angriffs, von dem wir glauben, dass er sich nicht nur gegen sie – als die bekannteste Vertreterin feministischer Grundsätze, mit denen wir insgesamt einverstanden sind – sondern gegen Frauen allgemein und Feministinnen im Besonderen richtet.
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Über Konzern-Feminismus und die Inbeschlagnahme der Frauenbewegung

Meghan Murphy

Übersetzung des Artikels „On „corporate feminism“ and the appropriation of the women’s movement“ von Meghan Murphy“ mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Meghan ist eine der wichtigsten Stimmen des kanadischen Feminismus. Sie erhebt unermüdlich die Stimme gegen die sexistische, klassistische und rassistische Ausbeutung von Frauen in der Sexindustrie. Nach einem Artikel im Playboy und Aufrufen von Männerrechtsaktivisten ist sie derzeit einer hässlichen Kampagne gegen sich ausgesetzt, bei der unter anderem ihr Arbeitgeber Rabble aufgefordert wird sie zu kündigen.  Eine Petitition mit dem Titel „We need Meghan Murphy“ findet ihr hier.

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Nullnummern-Zeromachos

Star Wars: Episode 1 The Phantom Menace 3D

Eva Rinaldi via Flickr, [CC BY-SA 2.0]

Wer sich mit dem Thema Sexkauf und Prostitution beschäftigt, der stößt immer und immer wieder auf Lobeshymnen über „Zeromacho“. Nicht nur „Zeromacho“ Deutschland wird gelobt, insbesondere „Zeromacho“ Frankreich, das große Vorbild. Mit großen Fingern wird auf die tollen Männer in Frankreich gezeigt, die diese Organisation gegründet haben. Wir stellen uns förmlich Hundert- und Tausendschaften an pro-feministischen, französischen Männern vor, die vielleicht auch noch sehr erotisch „je t’aime“ hauchen können.Wenn man sich nur etwas näher mit den Zeros beschäftigt (der Name Null könnte ein Hinweis sein), dann entdeckt man, dass in Frankreich mit nur sehr wenigen Mitteln, und von nur sehr wenigen Männern, medial sehr viel erreicht wurde. Und bedauerlicherweise handelt es sich um keine Übertreibung, wenn hier von sehr wenigen Männern gesprochen wird, denn auch in Frankreich gibt es nicht sehr viele pro-feministische Männer.

Ich hatte mich auch sehr gewundert, um ehrlich zu sein, über diese angeblichen Massen von Männern in Frankreich, die sich mutig gegen Prostitution einsetzen sollen. Das Interesse von Männern, am Patriarchat etwas zu ändern, und an der Prostitution als eines der Eckpfeiler des Patriarchats, ist nicht gegeben, da jeder Mann natürlich davon profitiert. Und sei es nur dadurch, dass er „anders“ ist und somit besonders hofiert wird. Wenn ein Mann sich nicht für Prostitution interessiert und dies nicht möchte, dann geht er einfach zu keiner prostituierten Frau. Im Gegensatz zu Frauen, die alle durch das System der Prostitution zur Ware werden, auf die eine oder die andere Art, und deshalb immer betroffen sind. Dieser gesellschaftliche Kontext besteht auch in Frankreich und die Anforderungen an französische Frauen, einem bestimmten Frauenbild zu entsprechen, unterscheiden sich von den Anforderungen an ein Idealbild der Frau in Deutschland nicht. Egal ob in Paris oder in Gaualgesheim, die Frau ist eine Ware im Patriarchat. Egal, ob Marie Claire oder Anna-Lena Marie, Patriarchat bleibt Patriarchat.

Im Zusammenhang von „Zeromacho“ wird und wurde tatsächlich wieder bedauerlicherweise demonstriert, dass die Wirkweise des Patriarchats sich reproduziert, in allen Zusammenhängen, und auch der Kampf gegen Prostitution bildet keine Ausnahme. Frauen können tatsächlich Jahre und Jahrzehnte schreiben, Workshops anbieten und selbst teilnehmen, Aktionen machen und zu Kundgebungen gehen, aber das ganze mühselige Engagement ist dann letztendlich nichts gegen das, was einige wenige Männer öffentlichkeitswirksam sagen. Die Aufmerksamkeit ist für Männer durch fast nichts zu erreichen. Frauen werden in der Gesellschaft kaum gehört und anscheinend trifft dies auch beim Thema Feminismus zu, denn ansonsten gibt es kaum eine Erklärung dafür, dass solch eine überdimensionale Bedeutung auf die Aktivitäten von einer handvoll (genau) Männern gelegt wird. Ein Mann der gegen Prostitution ist, stellt anscheinend so ein Wunder dar, dass alleine diese Aussage schon fast reicht, um in alle Schlagzeilen zu kommen. Und Feministinnen stürzen sich ebenso ganz begeistert auf die drei Männer (so viele sind es ungefähr), die in Frankreich „Zeromacho“ darstellen, als wären sie Mädchen, die einer Boygroup zujubeln. Und tatsächlich gibt übrigens es Männer, die Feminismus als Masche nutzen, um ihre Attraktivität zu steigern, aber das ist hier nicht relevant, aber musste mal angemerkt werden.

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Hey girl, where is my cookie?

Dies wird wieder einer dieser Texte, für die mensch sich sicher nicht gerade beliebt macht. Aber manche Dinge müssen einfach mal gesagt/geschrieben werden. Weil es eine beschäftigt. Weil es eine schier zur Verzweiflung bringt. Weil etwas irgendwie total strange verläuft. Die hier niedergeschriebenen Gedanken sind nicht fertig. So sind sie auch zu behandeln: Als Ermutigung zur Diskussion. Als Einladung zum Nachdenken. Sicher finde ich irgendwann einen Text einer klugen Feministin, die all das schon vor langer Zeit viel besser und prägnanter aufgeschrieben hat. Ähnlich habe ich es natürlich schon bei Shulie (Shulamith Firestone) gelesen. Nichtsdestotrotz hier mein eigener Versuch:

Juni 2014, Nordiskt Forum, Malmö/Schweden im Anti-Porn-Workshop mit Gail Dines: Ein Mann meldet sich zu Wort, im ganzen prall gefüllten Raum sind vielleicht insgesamt maximal 10 Männer anwesend. „Ich und mein Kumpel hier wir schauen ja keine Pornos …“. Applaus. Kein Witz.

April 2015, Marburg, Veranstaltung zu „Stop Sexkauf“: Männer werden applaudiert, weil sie bei einer Veranstaltung zu Prostitution A N W E S E N D sind. Ebenfalls kein Witz.

L E I D E R  K E I N  W I T Z.

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Die posthume Verleumdung von Andrea Dworkin läuft auf Frauenhass hinaus

Andrea Dworkin

By Open Media Ltd. (Uploaded by Open Media Ltd. (AnOpenMedium)) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Vor zehn Jahren starb Andrea Dworkin, und ihr Vermächtnis lebt durch viele meiner feministischen Schwestern weiter, trotz aller gewaltigen Anstrengungen sie zu verreißen, obwohl sie nicht mehr unter uns ist um sich zu verteidigen.

Ihr wurde so viel zum Vorwurf gemacht, meist in verwurzelten antifeministischen Stereotypen, seltsamerweise jedoch auch bekräftigt von vielen, die sich selbst „feministisch“ nennen, wenn auch in der Bandbreite der dritten Welle, liberalen Feminismus oder Queerfeminismus.

Dworkin wurde, wie viele von uns die wir frauenverachtende, gewalttätige und unterdrückende Darstellungen von Sex und Sexualität kritisieren, als „Anti-Sex“ bezeichnet, von Männern und Frauen gleichermaßen. Sie wurde falsch zitiert mit „jeglicher heterosexueller Sex ist Vergewaltigung“, und als „transphob“ gelabeled, obwohl es gar keine Belege für irgendeine dieser Behauptungen gibt. Wie viele von uns wurde sie bezichtigt Männer zu hassen, oder zu glauben, dass Frauen Männern biologisch überlegen seien, und essentialistisch zu sein, weil sie angeblich der Meinung war, dass alle Männer geborene, gewalttätige Vergewaltiger seien.

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We can do it – das erste Bier von Frauen gebraut

Fight Sexism Graffiti

by Metro Centric via Flickr, [CC BY 2.0]

Wie die Womens Rights News berichten gibt es in Schweden nun das erste von Frauen gemachte Bier.

Vor zwei Jahren hatte Elin Carlsson aus Göteborg die Schnauze voll von den Männern, die meinen, dass Frauen nur fruchtiges Leichtbier mögen. Sie gründete eine Facebookgruppe mit dem Namen „Fem Ale“ und veranstaltete mit anderen gemeinsam Women-Only Bierverkostungen – mit großem Erfolg.

Irgendwann kam die Idee auf „Warum eigentlich nicht ein eigenes Bier brauen?“ – Elin und einige andere Fem-Ale-Aktivistinnen nahmen Kontakt zur Ocean-Brauerei in Göteborg auf und fanden hier willige Kooperationspartner.

Elin und die anderen entwickelten ein Rezept für IHR eigenes Bier: „Es ist etwas bitteres als gewöhnlich, und enthält eine Menge Hopfen. Es ist ein frisches, bitteres, helles Bier“ .

Das Bier, welches den Namen „We can do it“ trägt, ist nun im Handel erhältlich. Also beim nächsten Schweden-Besuch ab in den Systembolaget. Skål!

 

Kindheits-Sheroes

Denkt ihr auch ab und an darüber nach wer oder was euch zu dem gemacht hat was ihr heute seid, was euch in eurer Sozialisation nachhaltig beeinflusst und geprägt hat?

Immer wieder fallen mir wenn ich mir diese Fragen stelle unter anderem auch die toughen Sheroes ein, die mich durch meine Kindheit begleitet haben. Mit denen ich gelacht, geweint, gefiebert, manchmal auch getrauert habe. Ihnen widme ich diesen Beitrag.

Zum Beispiel das Waisenmädchen Whisp.

Sie verschlägt es in ein Land ohne Farben und ohne Licht. Sie findet einen Regenbogengürtel, befreit die gefangenen Regenbogenkinder (Bubi Blauschuh, Viola Veilchenscheu, Maria Mandarina, Katrin Kleeblatt, Nina Nachtigall, Richard Löwenherz, Sabine Sonnenstrahl, Penny Popperpink und Sandra Silbermond) und sorgt fortan mit diesen als Regina Regenbogen, dem Pferd Sternschnuppe („das wunderschönste Pferd im ganzen Universum, bei aller Bescheidenheit“), ihrem Helfer Weißwirbel („ogottogottogott“) und den Stern-, Hütchen- und Babywichten dafür, das im Regenbogenland das Gute über das Böse siegt. Dabei müssen sie sich regelmäßig mit Grummel Griesgram und seinem (vermeintlich) tollpatschigen Kumpanen Schleichmichel (der so nur seine eigentliche Gutmütigkeit tarnt) batteln. Grummel Griesgram mag nämlich keine Farben und keine Fröhlichkeit, denn er leidet unter einem Kindheitstrauma: Als er als Kleinkind nämlich die Wände seines Kinderzimmers mit allem was an Farben zu bekommen war – Wachsmalstifte, Filzstifte, Wasserfarben, Airbrush, … – angemalt hatte befahl ihm seine Mutter diese wieder abzuwaschen:

Jedes kleine bisschen Farbe, egal ob es den ganzen Tag dauert, egal ob du den Rest deines Lebens dafür brauchst.

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(Internalisierter) Neoliberalismus: Jetzt reiß dich halt zusammen!

Gleise Bahnhof Köln-Deutz

Gleise Bahnhof Köln-Deutz

Anmerkung: Dieser Text ist stellenweise zynisch. Das ist nicht unbedingt ein „literarisches Mittel“, sondern in erster Linie eine Überlebensstrategie.

Mein Rentenversicherungsträger hat mir kürzlich mitgeteilt, dass ich weder arbeits- noch rehabilitationsfähig bin. In der Konsequenz heißt das, dass er mich in Rente (auf Zeit) schickt. Das gibt Mitmenschen Anlass mir mitzuteilen, dass ich entweder faul bin oder mich nicht so anstellen soll oder zu sagen: „Ich schaffe es schließlich auch.“

In meinem Leben gibt es im Moment ein Tabu, einen Teil Alltag, den ich am liebsten immer und überall verschweigen möchte: Ich lohn-arbeite nicht, denn ich bin nur begrenzt gesellschaftlich verwertbar arbeitsfähig. Als ich vor ca. einem Jahr an einer schweren Depression erkrankte und sich zeitgleich die Symptomatik meiner Posttraumatischen Belastungsstörung (in der Ausprägung einer Dissoziativen Identitätsstruktur1) drastisch verschlechterte, musste ich ins Krankenhaus, in ein psychiatrisches versteht sich. Nach wenigen Monaten kündigte mir mein Arbeitgeber und meine Kund_innen aus selbstständiger Tätigkeit suchten sich eine andere Dienstleisterin (verständlich, zumindest Letzteres). Ca. 5 Monate war ich von der Bildfläche verschwunden, mein mir ohnehin nur spärlich möglicher (wegen meiner Erkrankung/en) politischer Aktivismus fror ein, soziale Kontakte brachen ab und Freund_innen (nicht alle! Es verfestigten sich zeitgleich andere <3.) suchten (mal wieder) das Weite. Als ich Mitte August nach Hause kam, war ich in noch desolaterem Zustand als vorher, denn ich hatte eine abgebrochene, versuchte Traumatherapie hinter mir (hierzu wird in nächster Zeit ein weiterer Artikel erscheinen, in dem dezidiert über das Erlebnis mit – missglückter – Traumatherapie berichtet wird). Diese wurde mir im Krankenhaus empfohlen, weil monatelanges Rumdoktern an meiner Psyche erfolglos blieb; hätte ich eine Traumatherapie erst einmal hinter mir, würde auch alles andere nach und nach besser.

Fehlsch(l)uss.

Dieser Tiefschlag im letzten Jahr war nicht der erste in den letzten Jahren. Er war vielmehr der dritte innerhalb der letzten 4 Jahre. Davor ging es mir lange Zeit einigermaßen gut (so gut es einer eben gehen kann mit Traumafolgestörungen und rezidivierender depressiver Erkrankung) und ich führte ein stabiles und gesellschaftlich (einigermaßen) unauffälliges Leben. Vor vier Jahren erreichte mich dann nach langer Zeit wieder ein massiver gesundheitlicher Einbruch. Von der Traumafolgestörung abgesehen: Eine schwere Depression ist unendlich schmerzhaft und mit ihr geht einher, dass eine sich genauso unendlich schämt. Dafür, einfach nichts mehr zu schaffen. Auch nicht, eine Packung Pommes in den Ofen zu schieben. Depressionen erzeugen Schmerzen in Körper und Seele, die unerträglich sind. Wenn ich jetzt an diese Zeit zurück denke, breche ich in Tränen aus, Tränen, die ich während der Depression nicht weinen konnte (ich hätte so gerne gewollt!). Und nachdem es mir wieder besser ging, dauerte es kein Jahr, bis der nächste Schub kam. Und dann, dann wurden die Abstände immer kürzer, die Abstände zwischen gut und schlecht gehen und durch einen Auslöser in meinem familiären Umfeld fiel ich Anfang des letzten Jahres so tief, dass ich, im Rahmen einer dissoziativen Amnesie, einen Haufen Medikamente aus meinem Tablettenfundus – von dem ich bis dato nicht mal wusste, dass er existiert – in mich reinstopfte.

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